Aufsätze - PRuF
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MIP 2011 17. Jhrg. Martin Gross – Auswirkungen Großer Koalitionen auf die Parteiensysteme in Bund und Ländern [...] <strong>Aufsätze</strong><br />
Auswirkungen Großer Koalitionen<br />
auf die Parteiensysteme in Bund<br />
und Ländern zwischen 1946 und<br />
2009<br />
Martin Gross, M.A. *<br />
I. Einleitung<br />
1966 erhitzte die Bildung der ersten Großen Koalition<br />
aus CDU/CSU und SPD auf Bundesebene<br />
die Gemüter der interessierten Öffentlichkeit. Es<br />
wurde befürchtet, dass eine Abwanderung der<br />
Wähler an die politischen Ränder (oder ins „Lager“<br />
der Nichtwähler) unweigerlich eine Destabilisierung<br />
des Parteiensystems zur Folge hätte<br />
und die gesamte parlamentarische Demokratie<br />
schwer beschädigt werden würde. 2005, bei der<br />
Neuauflage des schwarz-roten Regierungsbündnisses,<br />
fiel die Kritik an dieser Regierungskonstellation<br />
zwar im Ton deutlich gemäßigter aus;<br />
dennoch wurde erneut vor einer Stärkung der politischen<br />
Ränder und einer damit einhergehenden<br />
zunehmenden Fragmentierung, Segmentierung<br />
und Polarisierung des Parteiensystems gewarnt. 1<br />
Trotz zahlreicher Großer Koalitionen in den<br />
Bundesländern wurden die Auswirkungen<br />
schwarz-roter Koalitionen auf die einzelnen Länderparteiensysteme<br />
kaum untersucht. Einzig<br />
Haas (2007) nimmt dies, teilweise aufbauend auf<br />
Barthel (1971), für den Zeitraum ab 1990 in den<br />
Blick und konstatiert, dass die Auswirkungen<br />
schwarz-roter Regierungsbündnisse auf die jeweiligen<br />
Länderparteiensysteme „nur in den wenigsten<br />
Fällen als schwerwiegend bezeichne[t]“<br />
(Haas 2007: 26) werden könnten.<br />
* Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand<br />
am Institut für Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena. Der Aufsatz fasst die<br />
Ergebnisse einer Studie zu diesem Thema zusammen,<br />
die der Autor im September 2010 als Masterarbeit am<br />
Institut für Politikwissenschaft an der Universität Jena<br />
eingereicht hat.<br />
1 Zu den Argumenten, die im Laufe der Jahre für und gegen<br />
die Bildung Großer Koalitionen vorgebracht wurden,<br />
vgl. u.a. Decker (2007), Kaltefleiter (1967), Knorr<br />
(1974, 1975), März (2007), Rummel (1969), Schneider<br />
(1968, 1969).<br />
Im vorliegenden Beitrag wird der Untersuchungszeitraum<br />
erweitert und umfasst die Jahre<br />
1946-2009. Dies ermöglicht die Einbeziehung<br />
der schwarz-roten Landesregierungen vor 1990.<br />
Darüber hinaus kann auf diese Weise ein Vergleich<br />
zwischen den CDU/CSU-SPD-Regierungen<br />
auf Bundesebene gezogen werden.<br />
Neben der Bestimmung der Fallzahl werden in<br />
Abschnitt II einzelne Indikatoren operationalisiert,<br />
die über die (möglichen) Auswirkungen<br />
Großer Koalitionen auf Parteiensysteme Aufschluss<br />
geben sollen. Abschnitt III beschreibt die<br />
Veränderungen der einzelnen Indikatoren im direkten<br />
Anschluss an schwarz-rote Regierungsbündnisse<br />
auf Basis der vom Statistischen Bundesamt<br />
und den Statistischen Landesämtern veröffentlichten<br />
aggregierten Wahlergebnisse. Die<br />
in Abschnitt IV präsentierten Ergebnisse zeigen,<br />
dass die Auswirkungen Großer Koalitionen auf<br />
Bundes- und Landesebene auf die Parteiensystemeigenschaften<br />
vor allem die Entwicklungstrends<br />
der Parteiensysteme widerspiegeln. Allerdings<br />
lässt sich nachweisen, dass die Gleichzeitigkeit<br />
von schwarz-roten Regierungsbündnissen<br />
auf Bundes- und Landesebene die Auswirkungen<br />
Großer Koalitionen auf einzelne dieser Parteiensystemeigenschaften<br />
verstärkt. Eine abschließende<br />
Betrachtung der Ergebnisse erfolgt in Abschnitt<br />
V.<br />
II. Operationalisierung<br />
1. Anzahl der Großen Koalitionen<br />
Der Beginn einer Großen Koalition wird auf den<br />
Wahltag festgesetzt, auch wenn sich die Regierungsbildung<br />
noch einige Wochen hinziehen<br />
kann. Bei einer Koalitionsbildung während der<br />
Legislaturperiode wird für die Berechnung der<br />
Indikatoren diejenige Wahl betrachtet, die zu<br />
Beginn der Legislaturperiode stattfand. Das<br />
Ende der Großen Koalition ist entweder durch<br />
Neuwahlen oder durch reguläre Bundes- bzw.<br />
Landtagswahlen bestimmt. Die schwarz-rote Koalition<br />
kann jedoch anschließend wieder gebildet<br />
werden und wird dann erneut gezählt. Es ist unerheblich,<br />
ob während der Legislaturperiode ein<br />
neuer Regierungschef gewählt wurde, da sich die<br />
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