Aufsätze - PRuF
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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2011 17. Jhrg.<br />
Mit diesem Fall hatte sich das VG Berlin 22 nun<br />
erneut zu befassen. Das Bezirksamt Reinickendorf<br />
(Berlin) war durch verwaltungsgerichtliche<br />
Eilentscheidung dazu verpflichtet worden, der<br />
NPD zur Durchführung ihres Bundesparteitages<br />
am 4. und 5. April 2009 den Ernst-Reuter-Saal<br />
im Rathaus Reinickendorf zu den für die Vergabe<br />
von Räumen üblichen Bedingungen zur Verfügung<br />
zu stellen. Daraufhin gestattete das Bezirksamt<br />
Reinickendorf der NPD die Nutzung<br />
des „Ernst-Reuter-Saal ohne Foyer“ und stellte<br />
die Bewilligung unter einen Widerrufsvorbehalt,<br />
unter anderem für den Fall, dass „von der Nutzerin<br />
oder von Teilnehmern der Veranstaltung<br />
Gründe gesetzt werden, aufgrund derer eine<br />
Überlassung der Objekte nicht erfolgt wäre“. Die<br />
folgende Aufzählung solcher Gründe zielt im<br />
Kern darauf, das Vertreten und Äußern bestimmter<br />
politischer Meinungen mit dem Widerruf der<br />
Erlaubnis zu sanktionieren. Weiterhin sollte ein<br />
Widerruf erfolgen können, wenn „konkrete Anhaltspunkte<br />
dafür vorliegen, dass im Zusammenhang<br />
mit der Veranstaltung die öffentliche Sicherheit<br />
oder Ordnung gefährdet ist (z.B. durch<br />
Gegenveranstaltungen).“ Die dagegen gerichtete<br />
Klage der NPD auf Feststellung der Rechtswidrigkeit<br />
des Bescheides des Bezirksamtes Reinickendorf<br />
sowohl wegen der Nichtüberlassung<br />
des Foyers als auch wegen der beigefügten Nebenbestimmungen<br />
hatte Erfolg. Als Grund für<br />
die Nichtüberlassung des Foyers berief sich das<br />
Bezirksamt darauf, die NPD habe die Überlassung<br />
des Foyers des Ernst-Reuter-Saales nicht<br />
beantragt. Tatsächlich hatte die NPD ausdrücklich<br />
lediglich in einem erfolglos gebliebenen<br />
(ersten) Antrag auf Überlassung des Fontane-Hauses<br />
geschildert, dass sie „vor dem Eingangsbereich<br />
des Saales Platz für die Aufstellung<br />
verschiedener Präsentationsstände sowie<br />
die Nutzung der Publikumsgarderobe“ benötige.<br />
In dem anschließenden (zweiten) Antrag auf<br />
21 S. VG Berlin, Beschluss vom 31.03.2009 – 2 L 38.09,<br />
und die Beschwerdeentscheidung des OVG Berlin-<br />
Brandenburg, Beschluss vom 03.04.2009 – 3 S 36.09,<br />
beide online veröffentlicht bei juris. Dazu auch A. Bäcker,<br />
Spiegel der Rechtsprechung – Chancengleichheit,<br />
in: MIP 2010, 118 (119).<br />
22 Urteil vom 16.07.2010 – 2 K 93.09, online veröffentlicht<br />
bei juris.<br />
168<br />
Überlassung entweder des Ernst-Reuter-Saales<br />
oder des Fontane-Hauses zu jeweils anderen Terminen,<br />
nahm sie allerdings ausdrücklich auf den<br />
ursprünglich gestellten (ersten) Antrag Bezug.<br />
Zu Recht nahm das VG Berlin an, dass der Antrag<br />
auf Überlassung nur dahingehend ausgelegt<br />
werden konnte, dass gewünscht war, auch das<br />
Foyer des Veranstaltungsortes mitzubenutzen.<br />
Es gab auch keine Gründe, die gegen eine Überlassung<br />
des Foyers sprachen, weshalb die Nichtüberlassung<br />
des Foyers rechtswidrig war. Dieses<br />
Schicksal der Rechtswidrigkeit teilen auch die<br />
der Nutzungserlaubnis beigefügten Nebenbestimmungen,<br />
und zwar gleich in dreifacher Hinsicht.<br />
Zum Ersten waren die Nebenbestimmungen<br />
schon verwaltungsverfahrensrechtlich unzulässig.<br />
Danach können einem Verwaltungsakt<br />
Nebenbestimmungen beigefügt werden, um sicherzustellen,<br />
dass die gesetzlichen Voraussetzungen<br />
für die Überlassung erfüllt werden. Die<br />
gesetzlichen Voraussetzungen waren aber bereits<br />
erfüllt. Stattdessen sollten die Nebenbestimmungen<br />
den Fortbestand dieser Voraussetzungen sichern.<br />
Zum Zweiten dienten die Nebenbestimmungen<br />
ihrem Inhalt nach dazu, eine dementsprechende<br />
neue Vergabepraxis durchzusetzen,<br />
die aber – wie auch in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren<br />
festgestellt – auf sog „Altfälle“,<br />
also bereits gestellte Nutzungsanträge, keine Anwendung<br />
finden kann. Zum Dritten bescheinigte<br />
das VG Berlin dieser beabsichtigten Änderung<br />
der Vergabepraxis – ausdrücklich in Abkehr von<br />
der bisherigen gegenteiligen Auffassung – einen<br />
Verstoß gegen Verfassungsrecht: „Die für die<br />
Zukunft beabsichtigte Vergabepraxis, nicht verbotene<br />
Parteien wegen der erwähnten Meinungskundgaben<br />
unterhalb der Strafbarkeitsschwelle<br />
vom Zugang zu öffentlichen Räumen auszuschließen,<br />
verletzt Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG. Sie<br />
lässt sich auch nicht mit der Verfassungsbindung<br />
des Beklagten rechtfertigen. Vielmehr entspricht<br />
es gerade der Bindung des Beklagten an Art. 21<br />
Abs. 2 Satz 2 GG, vor einem Parteiverbot nicht<br />
nach politischen Meinungen zu differenzieren,<br />
sofern diese nicht die Schwelle der Strafbarkeit<br />
erreichen.“