Aufsätze - PRuF
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Aufgespießt Rati Bregadze – Manche postsowjetischen Besonderheiten der Parteimitgliedschaft MIP 2011 17. Jhrg. derbeiträge erfolgen, weil diese im Rechenschaftsbericht veröffentlicht werden müssen. Aber aus taktischer Sicht könnte die Partei, wenn die Mitgliederzahl niedrig ist, auf Mitgliederbeiträge verzichten und damit eine Überprüfbarkeit der wahren Zahl der Parteimitglieder verhindern. Auf diese Weise wird theoretisch auch das Bestehen von Parteien mit weniger Mitgliedern, als für die Registrierung notwendig, ermöglicht. Dies widerspricht wiederum dem Ziel des Gesetzes, denn um eine politische Partei zu sein und ihre Funktionen ausüben zu können, braucht eine Vereinigung eine gewisse Mitgliederzahl. Wenn diese Grundlage wegfällt, dann sollten auch die daran anknüpfenden Privilegien nicht mehr bestehen. Der ukrainische Gesetzgeber setzt keine Mindestzahl der Mitglieder für das Bestehen einer Partei voraus und braucht dementsprechend auch keinen späteren Kontrollmechanismus. Für die Gründung und Registrierung sind allerdings die Unterschriften von 10.000 wahlberechtigten Unterstützern erforderlich. 7 Wie viele Mitglieder dann eine Organisation braucht, um eine Partei zu sein, ist fraglich. Einerseits ist in Bezug auf Georgien zu sagen, dass durch die gesetzliche Mindestzahl die Gründung von unseriösen Parteien verhindert werden kann, aber andererseits fördert das Fehlen nachgelagerter Kontrollinstanzen womöglich ungewollt die Entwicklung von „Einmannparteien“. Überdies kann diese Voraussetzung der Parteieigenschaft zu quasi „gekauften“ Mitgliedschaften auf Zeit führen, weil die Personen, die für die Durchsetzung der eigenen Ziele eine „eigene“ politische Partei brauchen und unter Zeitdruck stehen, mit allen möglichen Mitteln versuchen, die nötige Zahl der Mitglieder zu sammeln, was in manchen Fällen unter Betrachtung der bitteren Realität des Parteilebens in Georgien auch die Zwangsmitgliedschaft nicht ausschließt. Um das zu vermeiden, könnte entweder die Ersetzung der Mitglieder in der gesetzlichen Regelung nach ukrainischem Beispiel durch Unterstützer hilfreich sein. Eine andere Option wäre 7 PartG der Ukraine Art. 10 Abs. 1, Art. 11 Abs. 2 Punkt 3. 158 die Schaffung einer realen Kontrollmöglichkeit der Mitgliederzahl. Die letzte Variante könnte durch die gesetzliche Verpflichtung der Parteien, in gewisser Periodizität das Ministerium für Justiz neben den Satzungsänderungen auch über den aktuellen Stand der Mitgliederzahlen zu informieren, verwirklicht werden. Die Partei und ein ausgeschlossenes Mitglied Wenn der Ausschluss mit dem politischen Todesurteil verglichen wird, schließt sich daran eine Frage an, welche die Menschheit seit Ewigkeiten beschäftigt: Was geschieht nach dem „Tod“? Falls ein ehemaliges Mitglied weiter politisch aktiv bleiben will, kann es einer anderen politischen Partei bzw. einer politischen Vereinigung beitreten, parteilos bleiben oder zusammen mit Gleichgesinnten eine neue Partei bzw. politische Vereinigung gründen u.s.w. Die Alternativen sind eindeutig vorhanden. Aber was passiert, wenn der Betroffene nichts anderes will, als die Wiederherstellung seiner Rechte als Mitglied in der Partei, aus der er ausgeschlossen wurde? Parteiengesetze sagen im Regelfall nichts über einen solchen Fall. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand von demselben Organ, das ihn aus der Mitgliederliste entfernt hat, sofort bei einer entsprechenden Willensbekundung wieder als Mitglied aufgenommen wird, ist naturgemäß sehr gering. Ein Versuch kann immer unternommen werden, aber in der Regel werden dadurch sowohl die darüber entscheidenden Organe als auch die antragstellende Person nur Zeit verlieren. Zwei ukrainische Parteien stellen in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar. Die Satzung der „Partei der Regionen“ besagt, dass die Person, welche aus der Partei ausgeschlossen wurde, nach allgemeinen Grundsätzen wieder aufgenommen werden kann. 8 Diese Regelung kann als Verbot von zusätzlichen Voraussetzungen für den zuvor ausgeschlossenen Bewerber und als Diskriminierungsverbot verstanden werden. Damit sind aber die rechtlichen Voraussetzungen gemeint. Inwieweit die Vergangenheit in der Entscheidung über die Aufnahme berücksichtigt wird oder nicht, 8 Satzung Partei der Regionen Art. 3.10.
MIP 2011 17. Jhrg. Rati Bregadze – Manche postsowjetischen Besonderheiten der Parteimitgliedschaft Aufgespießt kann nicht von rechtlichen Normen beeinflusst werden. Die Satzung der Partei „Unsere Ukraine“ ist noch einen Schritt weiter gegangen und hat dem hinzugefügt, dass die aus der Partei ausgeschlossene Person ein Jahr nach dem Ausschluss wieder aufgenommen werden darf. 9 Einerseits ist es aus praktischer Sicht eine vernünftige Regelung, denn wenn ein Mitglied aus der Partei ausgeschlossen wird, muss eine bestimmte Zeit vergehen, damit das Ziel der Ordnungsmaßnahme – nämlich die Isolierung von anderen Mitgliedern – erreicht werden kann, aber andererseits könnte so eine Regelung die Partei selbst in eine schwierige Position bringen. Wenn z.B. der Grund des Ausschlusses nach fünf Monaten entfallen ist, die Person ihre Mitgliedschaft wiederherstellen will und eine hohe Beliebtheit in der Gesellschaft und Professionalität hat, die der Partei nur zugute kommen kann, ist die politische Partei nicht in der Lage, den Bewerber aufzunehmen. Dementsprechend ist diese Norm sowohl existenzberechtigt als auch verfeinerungsbedürftig. Um die Interessen der Partei zu berücksichtigen, wäre es empfehlenswert, eine Ausnahmemöglichkeit vorzusehen, nach der in Anbetracht des Interesses der Gesamtpartei die Parteiorgane ein ausgeschlossenes Mitglied erneut auch vor Ablauf der einjährigen Sperrfrist aufnehmen können. Fazit Die dargestellten Fragen aus dem Parteienrecht Georgiens und der Ukraine zeigen deutlich, dass der negative Einfluss der sowjetischen Zeit im Recht der postsowjetischen Länder noch tief verwurzelt ist. Eine Erklärung dafür könnte die Undurchsichtigkeit des Eisernen Vorhangs auch in der Rechtswissenschaft sein. Allein ein nach Westen gerichteter Blick der Erneuerer, ohne entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen, ist keine ausreichende Voraussetzung für den erfolgreichen Aufbau politischer Parteien nach demokratischen Grundsätzen. Der Wunsch nach Erneuerung ist sichtbar. Dafür spricht allein schon der ungewöhnliche Versuch, das weitere politische Schicksal eines ehemaligen Mitglieds 9 Statut Unsere Ukraine Art. 4.11.9. nach dem Ausschluss rechtlich zu regulieren. Andererseits ist auch eine Tendenz der Parteiführungen klar vorhanden, die gesetzlich eingeräumten Freiheiten zur Durchsetzung ihrer eigenen politischen Interessen ohne Berücksichtigung der Meinung der Mitglieder auszunutzen Die Stärkung der Stellung der Parteimitglieder, sowohl gesetzlich als auch durch die Satzungen der Parteien selbst, würde einen positiven Beitrag zur Überwindung von Stereotypen (z.B., dass die ganze Partei einzelnen führenden Personen unterworfen ist) leisten und dadurch eine politische Kultur westlicher Prägung entwickeln. Es wäre auch ein angemessenes Mittel zur Überwindung der Vertrauenskrise der Bürger, da Vertrauen nur durch entsprechende respektvolle Behandlung der Mitglieder von Parteien entstehen kann. 10 Die Parteien müssen in die Lage versetzt werden, in einem demokratisch strukturierten Verfahren den Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes zu den Organen der verfassten Staatlichkeit zu ermöglichen. Nur auf diese Weise können die hier skizzierten tragikomischen Besonderheiten des postsowjetischen Rechts endlich Rechtsgeschichte werden. 10 Weber Nicole, 11. Internationales Parteienrechtliches Symposium vom 13. bis 14. November in Hagen. Tagungsbericht, in: MIP 1998, S. 68 (74). 159
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MIP 2011 17. Jhrg. Rati Bregadze – Manche postsowjetischen Besonderheiten der Parteimitgliedschaft Aufgespießt<br />
kann nicht von rechtlichen Normen beeinflusst<br />
werden. Die Satzung der Partei „Unsere Ukraine“<br />
ist noch einen Schritt weiter gegangen und<br />
hat dem hinzugefügt, dass die aus der Partei ausgeschlossene<br />
Person ein Jahr nach dem Ausschluss<br />
wieder aufgenommen werden darf. 9 Einerseits<br />
ist es aus praktischer Sicht eine vernünftige<br />
Regelung, denn wenn ein Mitglied aus der<br />
Partei ausgeschlossen wird, muss eine bestimmte<br />
Zeit vergehen, damit das Ziel der Ordnungsmaßnahme<br />
– nämlich die Isolierung von anderen<br />
Mitgliedern – erreicht werden kann, aber andererseits<br />
könnte so eine Regelung die Partei selbst<br />
in eine schwierige Position bringen. Wenn z.B.<br />
der Grund des Ausschlusses nach fünf Monaten<br />
entfallen ist, die Person ihre Mitgliedschaft wiederherstellen<br />
will und eine hohe Beliebtheit in<br />
der Gesellschaft und Professionalität hat, die der<br />
Partei nur zugute kommen kann, ist die politische<br />
Partei nicht in der Lage, den Bewerber aufzunehmen.<br />
Dementsprechend ist diese Norm sowohl<br />
existenzberechtigt als auch verfeinerungsbedürftig.<br />
Um die Interessen der Partei zu berücksichtigen,<br />
wäre es empfehlenswert, eine<br />
Ausnahmemöglichkeit vorzusehen, nach der in<br />
Anbetracht des Interesses der Gesamtpartei die<br />
Parteiorgane ein ausgeschlossenes Mitglied erneut<br />
auch vor Ablauf der einjährigen Sperrfrist<br />
aufnehmen können.<br />
Fazit<br />
Die dargestellten Fragen aus dem Parteienrecht<br />
Georgiens und der Ukraine zeigen deutlich, dass<br />
der negative Einfluss der sowjetischen Zeit im<br />
Recht der postsowjetischen Länder noch tief verwurzelt<br />
ist. Eine Erklärung dafür könnte die Undurchsichtigkeit<br />
des Eisernen Vorhangs auch in<br />
der Rechtswissenschaft sein. Allein ein nach<br />
Westen gerichteter Blick der Erneuerer, ohne<br />
entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen, ist<br />
keine ausreichende Voraussetzung für den erfolgreichen<br />
Aufbau politischer Parteien nach demokratischen<br />
Grundsätzen. Der Wunsch nach<br />
Erneuerung ist sichtbar. Dafür spricht allein<br />
schon der ungewöhnliche Versuch, das weitere<br />
politische Schicksal eines ehemaligen Mitglieds<br />
9 Statut Unsere Ukraine Art. 4.11.9.<br />
nach dem Ausschluss rechtlich zu regulieren.<br />
Andererseits ist auch eine Tendenz der Parteiführungen<br />
klar vorhanden, die gesetzlich eingeräumten<br />
Freiheiten zur Durchsetzung ihrer eigenen<br />
politischen Interessen ohne Berücksichtigung<br />
der Meinung der Mitglieder auszunutzen<br />
Die Stärkung der Stellung der Parteimitglieder,<br />
sowohl gesetzlich als auch durch die Satzungen<br />
der Parteien selbst, würde einen positiven Beitrag<br />
zur Überwindung von Stereotypen (z.B.,<br />
dass die ganze Partei einzelnen führenden Personen<br />
unterworfen ist) leisten und dadurch eine politische<br />
Kultur westlicher Prägung entwickeln.<br />
Es wäre auch ein angemessenes Mittel zur Überwindung<br />
der Vertrauenskrise der Bürger, da Vertrauen<br />
nur durch entsprechende respektvolle Behandlung<br />
der Mitglieder von Parteien entstehen<br />
kann. 10 Die Parteien müssen in die Lage versetzt<br />
werden, in einem demokratisch strukturierten<br />
Verfahren den Prozess der Meinungs- und Willensbildung<br />
des Volkes zu den Organen der verfassten<br />
Staatlichkeit zu ermöglichen. Nur auf<br />
diese Weise können die hier skizzierten tragikomischen<br />
Besonderheiten des postsowjetischen<br />
Rechts endlich Rechtsgeschichte werden.<br />
10 Weber Nicole, 11. Internationales Parteienrechtliches<br />
Symposium vom 13. bis 14. November in Hagen. Tagungsbericht,<br />
in: MIP 1998, S. 68 (74).<br />
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