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Aufsätze - PRuF

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MIP 2011 17. Jhrg. Jan Oelbermann – Automatischer Verlust der Parteimitgliedschaft für verurteilte Kriminelle [...] Aufgespießt<br />

ge muss allerdings darauf zu untersuchen sein,<br />

ob diese geeignet ist, einen der Strafzwecke zu<br />

fördern. Nach dem Bundesverfassungsgericht,<br />

das sich in dieser bibliotheksfüllenden Frage<br />

nicht festlegen will, sind zumindest Schuldausgleich,<br />

Prävention, Resozialisierung des Täters,<br />

Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht,<br />

Aspekte einer angemessenen Strafsanktion. 11 Es<br />

fällt jedoch schwer, den Verlust der Parteimitgliedschaft<br />

unter einen dieser Punkte zu subsumieren.<br />

Wenn die abgeurteilte Tat nicht mit der<br />

Parteimitgliedschaft in Verbindung steht, fallen<br />

die meisten der oben genannten Aspekte aus.<br />

Die Resozialisierung des Täters dürfte zudem<br />

durch den Verlust der Parteimitgliedschaft eher<br />

behindert, als gefördert werden. Daher scheint es<br />

offensichtlich, dass mit der Regelung des Parteiengesetzes<br />

Ziele verfolgt werden, die in das 19.<br />

Jahrhundert gehören, und die damals als die<br />

„Reinhaltung des öffentlichen Lebens“ bezeichnet<br />

wurden.<br />

Die Mehrheit der fünf etablierten Parteien hält<br />

die Regelung danach auch für unpraktikabel. Im<br />

Rahmen der Nachforschungen für die Promotion<br />

des Verfassers äußerten sich sowohl die SPD,<br />

die Grünen als auch die Linke kritisch. Man könne<br />

sich nicht erinnern die Regelung jemals angewendet<br />

zu haben. Zudem sei die Mitgliedschaft<br />

in einer Partei durch das Grundgesetz geschützt,<br />

dies könne nicht durch die „Hintertür“ ausgehebelt<br />

werden. 12 Die CDU hat auf entsprechende,<br />

wiederholte Anfragen nicht reagiert. Der Justiziar<br />

der FDP-Bundestagsfraktion verteidigte die<br />

Regelung in einem Telefonat im Mai 2010 als<br />

erforderlich und sinnvoll, ohne das Erfordernis<br />

oder den Sinn näher belegen zu können.<br />

Zum jetzigen Zeitpunkt wird die Regelung des<br />

§ 10 Abs. 1 Satz 4 PartG ignoriert. Die Parteien<br />

können den Ausschluss per Gesetz nicht faktisch<br />

vollziehen, weil sie von dem Ausschluss keine<br />

11 BVerfGE 45, 187, 253 f.; zum Stand der Diskussion<br />

um die Strafzwecke vgl. Hassemer, Warum Strafe sein<br />

muss, m.w.N.<br />

12 Zusammenfassung der Stellungnahmen der SPD (vom<br />

23.03.2010 – Referat I/ Rechtsstelle), der Grünen (vom<br />

26.03.2010 – der Organisatorischen Bundesgeschäftsführerin)<br />

und der Linken (vom 24.03.2010 – MdB U.<br />

Jelpke).<br />

Kenntnis erlangen. Dies ist ein unbefriedigender<br />

Zustand, der aber weder die Wissenschaft noch<br />

die Parteien bisher gestört hat. Zwei Ansätze<br />

gibt es, diesen zu lösen. Die naheliegende, verfassungsrechtlich<br />

gebotene und vom Verfasser<br />

präferierte Möglichkeit wäre die Streichung der<br />

Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 4 PartG. Die andere<br />

Möglichkeit wäre es eine Informationspflicht<br />

für die Gerichte bei einer Verurteilung eines<br />

Parteimitglieds an die betreffende Partei zu<br />

schaffen. Dann müsste aber das Gericht zum<br />

einen Kenntnis von der Parteimitgliedschaft haben<br />

und zum anderen stellt sich die Frage, ob<br />

das Gericht im Hinblick auf den Datenschutz<br />

derart sensible Fragen an eine Partei überhaupt<br />

weitergeben darf.<br />

Die Parteien werden wahrscheinlich erst dann<br />

auf eine Änderung der Regelung hinwirken,<br />

wenn sie ein vermeintliches Mitglied nach 20<br />

Jahren auf die Herausgabe der zu Unrecht gezahlten<br />

Mitgliedergebühren der letzten 20 Jahre<br />

verklagt. Straftäter sind halt aus offensichtlichen<br />

populistischen Gründen nicht die Bevölkerungsschicht,<br />

für die sich Parteien öffentlich engagieren<br />

wollen.<br />

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