Aufsätze - PRuF
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MIP 2011 17. Jhrg. Jan Oelbermann – Automatischer Verlust der Parteimitgliedschaft für verurteilte Kriminelle [...] Aufgespießt<br />
„Aufgespießt“<br />
Automatischer Verlust der Parteimitgliedschaft<br />
für verurteilte Kriminelle<br />
– Sinn und Unsinn einer<br />
solchen Regelung<br />
Jan Oelbermann 1<br />
Im Parteiengesetz (PartG) gibt es in § 10 Abs. 1<br />
Satz 4 die Regelung, dass derjenige seine Mitgliedschaft<br />
in einer politischen Partei automatisch<br />
verliert, der zu einer Freiheitsstrafe von<br />
mindestens einem Jahr verurteilt wird. Wörtlich<br />
heißt es in der Norm: „Personen, die infolge<br />
Richterspruchs die Wählbarkeit oder das Wahlrecht<br />
nicht besitzen, können nicht Mitglieder einer<br />
Partei sein.“ Seine „Wählbarkeit“ verliert<br />
man nach § 45 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB),<br />
wenn man wegen eines Verbrechens zu einer<br />
Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verur-<br />
2 teilt wird. Dabei ist es unerheblich, ob die Freiheitsstrafe<br />
zur Bewährung ausgesetzt wird. In<br />
der einschlägigen rechtswissenschaftlichen Literatur<br />
wird dies nicht in Zweifel gezogen. Der<br />
Wortlaut des Gesetzes ist dafür zu eindeutig.<br />
Man verliert seine Mitgliedschaft bei einer entsprechenden<br />
Verurteilung „automatisch“. Die<br />
Verurteilung stellt zudem einen „absoluten Hinderungsgrund“<br />
für eine Aufnahme in die Partei<br />
dar. 3<br />
Soviel die Theorie. Es stellen sich jedoch zwei<br />
Fragen, wenn man diese Regelung auf Sinn und<br />
1 Der Verfasser ist Rechtsanwalt in Berlin, dessen Promotion<br />
zum Thema „Wahlrecht und Strafe“ an der<br />
Universität Bremen kurz vor dem Abschluss steht.<br />
2 § 45 Abs. 1 StGB: „Wer wegen eines Verbrechens zu<br />
Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt<br />
wird, verliert für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit,<br />
öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen<br />
Wahlen zu erlangen.“<br />
3 Vgl. z.B. Ipsen, Parteiengesetz, § 10 Rn. 9; Trautmann,<br />
Innerparteiliche Demokratie im Parteienstaat, S. 213;<br />
Morlok, Bundesrecht, § 10 PartG Rn. 7.<br />
Unsinn hin näher betrachtet. Zum einem, wie<br />
und ob die Parteien von den Verurteilungen ihrer<br />
Parteimitglieder, deren Mitgliedschaft erloschen<br />
ist, überhaupt erfahren. Zum anderen die Frage<br />
nach dem „warum“, insbesondere wenn man<br />
überlegt, dass Straftäter auch resozialisiert werden<br />
sollen.<br />
Zur ersten Frage. Die Parteien erfahren nicht davon,<br />
wenn ein Parteimitglied verurteilt wird, jedenfalls<br />
werden sie weder von der Staatsanwaltschaft<br />
noch von den Gerichten davon unterrichtet.<br />
In der „Anordnung über Mittelungen in<br />
Strafsachen“ (MiStra), in der die Informationspflichten<br />
der Gerichte an Behörden geregelt<br />
sind, findet sich keine Regelung zur Unterrichtung<br />
politischer Parteien. Möglich ist es natürlich,<br />
dass die Parteien auf anderem Wege Kenntnis<br />
davon erlangen, oder dass das verurteilte<br />
Mitglied selbst die Partei informiert. Davon<br />
kann aber nicht ausgegangen werden.<br />
Nicht bekannt ist, wie oft im Jahr Parteimitglieder<br />
zu entsprechenden Strafen verurteilt werden,<br />
es muss jedenfalls davon ausgegangen werden,<br />
dass die Betroffenen faktisch Parteimitglieder<br />
bleiben, obwohl ihre Mitgliedschaft per Gesetz<br />
erloschen ist. Da die Parteien keine Kenntnis<br />
von der Verurteilung erlangen, erheben sie weiter<br />
Mitgliedsgebühren und laden das (vermeintliche)<br />
Mitglied weiter zu Parteiveranstaltungen<br />
ein, auf denen sie dann ihr Stimmrecht ausüben<br />
können. In Unkenntnis der entsprechenden Regelung<br />
stehen die Parteien auch mit (vermeintlichen)<br />
Parteimitgliedern im Justizvollzug in Kontakt<br />
ohne die Konsequenz der Nichtmitgliedschaft<br />
umzusetzen. Die Grünen haben in den<br />
80er und 90er Jahren sogar „informelle Ortsverbände“<br />
in bayerischen Justizvollzugsanstalten<br />
unterhalten. Zum 31.12.1990 waren gar 8,4 %<br />
der bayerischen Grünen Insassen in Justizvollzugsanstalten.<br />
Die informellen Ortsverbände<br />
konnten ihr Stimmrecht bei Parteiveranstaltungen<br />
über eine Delegierte wahrnehmen. 4 Auch<br />
heute engagieren sich etwa noch die niedersächsischen<br />
Grünen im Justizvollzug, in dem sie in<br />
4 Handbuch zur Statistik der Parlamente und Parteien,<br />
Bd. 12, Teilband IV, Tabelle I.A.1, S. 995, sowie Informationen<br />
der ehemaligen Strafvollzugsreferentin<br />
der bayerischen Grünen vom 03.02.2010.<br />
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