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Aufsätze - PRuF

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MIP 2011 17. Jhrg. Roland Höhne – Parteientransformation in Italien – Die nationale Rechte zwischen Tradition und Anpassung <strong>Aufsätze</strong><br />

Rückzug seiner Parteigänger aus der Regierung<br />

an und forderte Berlusconi zum Rücktritt auf,<br />

damit eine neue Mitte-Rechtsregierung unter<br />

Einschluß der christlich-demokratischen UDC<br />

gebildet werden könne. 144 Am 15. Dezember<br />

2010 schloß er sich dem Polo della Nazione an,<br />

einem losen Zusammenschluß von oppositionellen<br />

Formationen der rechten und linken Mitte. 145<br />

Am 17. November 2010 fand in Perugia die Gründungsversammlung,<br />

am 11./13. Februar 2011 in<br />

Mailand der Gründungsparteitag der neuen Partei<br />

statt. Auf dem Gründungsparteitag wurde das<br />

Parteiprogramm angenommen und Fini zum<br />

Vorsitzenden gewählt. Die neue Partei versteht<br />

sich als eine liberal-konservative Rechtspartei,<br />

deren zentralen Ziele die Verteidigung der Freiheit,<br />

des Rechtsstaates, der Legalität, der staatlichen<br />

Institutionen und der Demokratie sind. Daneben<br />

fordert sie wie bereits vorher die AN den<br />

Schutz der Familie, die Wahrung der staatlichen<br />

Einheit, die Erhaltung der Solidarität und die Erneuerung<br />

des Landes. 146<br />

Kurz nach der Gründung kam es zu heftigen innerparteilichen<br />

Auseinandersetzungen über den<br />

künftigen Parteikurs. Fini forderte einen kompromißlosen<br />

Kampf gegen Berlusconi und seine<br />

Anhänger. Ein Bündnis mit der Linken lehnte er<br />

zwar ab, schloß eine taktische Zusammenarbeit<br />

mit ihr wie beim Mißtrauensvotum vom 14. Dezember<br />

2010 zum Sturze Berlusconis oder bei<br />

der Änderung des Wahlrechts jedoch nicht aus.<br />

Gegen seinen kompromißlosen Konfrontationskurs<br />

rebellierten zahlreiche konservative Parteimitglieder.<br />

Auch sie wollten Berlusconi stürzen,<br />

aber auf keinen Fall mit der Linken zusammenarbeiten.<br />

Unmittelbar nach dem Gründungskongreß<br />

von Mailand verließen sie die Partei, unter<br />

ihnen zahlreiche Mitglieder der FLI-Fraktionen.<br />

Letztere verloren dadurch ihren Fraktionsstatus.<br />

Der Versuch Finis, Berlusconi gemeinsam mit<br />

der Linken zu stürzen, ist daher vorläufig gescheitert.<br />

Seine Chance, dies bei vorgezogenen<br />

144 Vgl. La Repubblica, 8.09.2010.<br />

145 Alleanza per l’Italia, Movimento per l’Autonomia,<br />

Unione di Centro, Liberal Democratici. Am 25. Januar<br />

2011 wurde der Polo della Nazione in Nuovo Polo per<br />

l’Italia umbenannt.<br />

146 Vgl. Secolo d’Italia, 15.02.2011.<br />

Neuwahlen zu erreichen, gering. Laut Umfragen<br />

könnte die FLI maximal mit 3 bis 5 Prozent der<br />

Stimmen rechnen. Das würde zum Einzug in das<br />

Parlament reichen, zu mehr aber auch nicht.<br />

Trotzdem bleibt sie eine Alternative zum PDL,<br />

da diese ähnlich wie die DC in der Endphase der<br />

I. Republik in Korruptionsaffären und Klientelwirtschaft<br />

versinkt. Offen bleibt die Frage, ob im<br />

italienischen Parteiensystem genügend Platz für<br />

eine große liberal-konservative rechtsstaatliche<br />

Rechte ist. Die Geschichte des italienischen Parteiensystems<br />

seit 1946 stimmt skeptisch.<br />

4. Fazit<br />

Die Transformation des neofaschistischen MSI<br />

in die nationalkonservative AN war das Ergebnis<br />

eines über sechzigjährigen Anpassungs- und Integrationsprozesses,<br />

in dessen Verlauf sich die<br />

Partei zunächst nur rein formal den Handlungsbedingungen<br />

der italienischen Nachkriegsdemokratie<br />

anpaßte, dann passiv in sie einfügte und<br />

schließlich in den Jahren 1993/95 zu einem aktiven<br />

Akteur des neuen Parteiensystems wurde.<br />

Dieser Anpassungs- und Integrationsprozeß beruhte<br />

auf der Einsicht, daß der MSI nur Machtund<br />

Einflußchancen gewinnen konnte, wenn er<br />

sich an die Spielregeln des demokratischen Verfassungsstaates<br />

hielt. Gebremst wurde er lange<br />

Zeit durch das zähe Festhalten an neofaschistischen<br />

Vorstellungen und Zielen. Die Partei war<br />

daher im Parteiensystem der I. Republik isoliert.<br />

Mit einem konstanten Wählerpotential von etwa<br />

5 Prozent konnte sie sich jedoch am rechten<br />

Rand des Parteiensystems behaupten.<br />

Die grundlegenden Veränderungen seiner Handlungsbedingungen<br />

Ende der achtziger, Anfang<br />

der neunziger Jahre stellten den MSI vor die<br />

Wahl zwischen einer erneuten Radikalisierung<br />

seiner bisherigen Antisystemopposition und einer<br />

Integration in das neu entstehende Parteiensystem.<br />

Nach heftigen internen Auseinandersetzungen<br />

entschied er sich unter der Führung eines<br />

Repräsentanten der jüngeren Parteigeneration,<br />

des Parteivorsitzenden Gianfranco Fini, zur Integration.<br />

Mit Rücksicht auf die politisch durch<br />

die neofaschistische Subkultur sozialistierten<br />

151

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