Aufsätze - PRuF
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MIP 2011 17. Jhrg. Roland Höhne – Parteientransformation in Italien – Die nationale Rechte zwischen Tradition und Anpassung <strong>Aufsätze</strong><br />
gen, Angestellten, Beamten, Lehrern, Studenten,<br />
leitenden Angestellten und Beschäftigen sowie<br />
ausführenden Arbeitern und Angestellten im privaten<br />
Sektor. 130 Die AN war somit wahlsoziologisch<br />
überwiegend eine Partei der bürgerlichen<br />
Mittelschichten. 131<br />
Wahlgeographisch lagen die Hochburgen der AN<br />
im Süden und im Zentrum. Schwach schnitt sie<br />
dagegen im Nordwesten und Nordosten ab. 132<br />
Ihre besten Ergebnisse erzielte sie nach dem<br />
Verhältniswahlrecht 2001 in Lazium (20,4) und<br />
Umbrien (17,0), ihre schlechtesten in der Lombardei<br />
(8,7) und Venetien (8,5) 133 , 2006 ihre besten<br />
Ergebnisse wiederum in Lazium 1 (19,8) und<br />
2 (17,21), und Umbrien (15,23) sowie in Friaul<br />
(15,46), ihre schlechtesten in der Lombardei 2<br />
(9,50) und in Trient-Südtirol (8,13). 134 Sie war<br />
damit im Gegensatz zum MSI auch wahlgeographisch<br />
eine gesamtstaatliche Partei geworden,<br />
ihr Schwergewicht hatte sich vom Süden in das<br />
Zentrum verlagert.<br />
Das Gros der MSI-Wählerschaft bestand aus Traditionswählern,<br />
die sich aus sozialen und kulturellen<br />
Gründen mit dem MSI identifizierten. Die<br />
zweitgrößte Wählergruppe des MSI wurde von<br />
Protestwählern gebildet, welche die „Parteienherrschaft“<br />
ablehnten. Nur wenige MSI-Wähler<br />
gaben der Partei aus klientelistischen Motiven<br />
ihre Stimme135 , da diese als Antisystempartei<br />
kaum Interessen durchsetzen oder staatliche Ressourcen<br />
verteilen konnte.<br />
130 Vgl. Ebda., S. 213, Tabelle 26.<br />
131 Vgl. Ebda., S. 214, Tabelle 27.<br />
132 Vgl. Ebda., S. 215, Tabelle 28. Überdurchschnittliche<br />
Ergebnisse erzielte sie nach dem Verhältniswahlrecht<br />
vor allem in Friaul-Julisch Venetien, Toskana, Umbrien,<br />
Marken, Lazio, Abruzzen, Molise, Kampanien, Kalabrien,<br />
Apulien, Sizilien und Sardinien, unterdurchschnittlich<br />
vor allem in Hochburgen der FI (Piemont,<br />
Lombardei, Venetien, Trient, Sizilien), der Lega Nord<br />
(Lombardei, Venetien) der Linken (Ligurien, Emilia-Romagna)<br />
und der SVP (Trient-Südtirol). Vgl. M.<br />
Corte (Hrsg.), sessant’anni, op. cit., S. 115-247.<br />
133 Vgl. Mario Corte (Hrsg.), sessant’anni, op. cit., S. 133-<br />
144.<br />
134 Vgl. Ebda., S. 207-227.<br />
135 Vgl. P. Ignazi, Il polo escluso, op.cit., S. 397 f.<br />
Diese Wählertypologie veränderte hat sich seit<br />
1994 erheblich. Die Gruppe der Protestwähler<br />
verschwand, da die AN nun Regierungs- bzw.<br />
Systempartei war. An ihre Stelle traten häufig<br />
Opportunitäts- und Situationswähler, die aufgrund<br />
der jeweiligen Wahlsituation für die AN<br />
votierten. Die Gruppe der klientelistischen Wähler<br />
hatte dagegen stark zugenommen, denn als<br />
Regierungs- und Systempartei konnte die AN<br />
nun auf allen politisch-administrativen Ebenen<br />
Interessen durchsetzen und staatliche Ressourcen<br />
verteilen. Die Gruppe der Traditions- und Meinungswähler,<br />
die aus weltanschaulichen Gründen<br />
für die AN stimmten, schrumpfte dagegen.<br />
Dieser Wandel der Wählertypologie festigte den<br />
Positionswechsel der Partei, denn eine Rückkehr<br />
zu systemoppositionellen Positionen hätte zum<br />
Verlust eines großen Teils der seit 1994 gewonnen<br />
Wähler geführt. 136<br />
Die soziale Heterogenität ihrer Wählerschaft<br />
zwang die AN, verstärkt partikulare Interessen zu<br />
vertreten. Dadurch verlor ihre Programmatik an<br />
Geschlossenheit. Der offizielle Diskurs der AN<br />
besaß daher nicht mehr die gleiche Eindeutigkeit<br />
wie die des MSI. Besonders die öffentlichen Äußerungen<br />
des Parteivorsitzenden Fini waren häufig<br />
so allgemein gehalten, daß sie von sehr unterschiedlichen<br />
Wählergruppen akzeptiert werden<br />
konnten. Die Veränderung der Wählertypologie<br />
hat somit ebenfalls die ideologische und programmatische<br />
Transformation gefördert.<br />
3.6. Stellung im politischen System<br />
Die AN war im Gegensatz zum MSI fest in das<br />
Parteiensystem integriert. In diesem besetzte sie<br />
das rechte Spektrum. Als System- und Regierungspartei<br />
hatte sie jetzt ein Interesse an der<br />
Verteidigung der demokratischen Ordnung gegen<br />
rechte Systemgegner. So wehrte sie sich bei<br />
den Parlamentswahlen von 2006 gegen eine Kooperation<br />
des rechten Wahlbündnisses Casa delle<br />
Libertà mit der rechtsextremen Alternativa<br />
136 Vgl. Marco Maraffi, Il partito, i militanti, gli elettori,<br />
in: Chiarini/Maraffi (Hrsg.), La destra allo specchio,<br />
op. cit., S. 118-137.<br />
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