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Aufsätze - PRuF

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MIP 2011 17. Jhrg. Roland Höhne – Parteientransformation in Italien – Die nationale Rechte zwischen Tradition und Anpassung <strong>Aufsätze</strong><br />

Aufnahme föderaler Elemente in die Staatsverfassung<br />

und stimmte im Frühjahr 2005 für die<br />

„Devolution“, d. h. für die Übertragung von<br />

staatlichen Kompetenzen im Bereich des Gesundheitswesens,<br />

der Bildung und der Polizei<br />

auf die Regionen sowie für die Umwandlung des<br />

Senats in eine quasiföderale Kammer. 113 Als Gegengewicht<br />

zur Kompetenzerweiterung der Regionen<br />

beharrte sie jedoch auf einer Stärkung<br />

des Präsidenten als Garant und Symbol der staatlichen<br />

Einheit sowie eines Sonderstatus für die<br />

nationale Hauptstadt Rom. 114 Sie kombinierte so<br />

in der Staatspolitik unitarische und föderale Elemente.<br />

In der Europapolitik bejahte sie wie ihre Koalitionspartner<br />

die Wirtschafts- und Währungsunion<br />

115 , die Fini noch 1994 kritisiert hatte 116 , und<br />

unterstützte in den Jahren 2002/2004 auch aktiv<br />

den europäischen Verfassungsprozeß. 117 Im Europäischen<br />

Parlament trat sie der Union für das<br />

Europa der Nationen bei, die das Prinzip der nationalstaatlichen<br />

Souveränität verteidigte, strebte<br />

jedoch die Mitgliedschaft in der Fraktion der Europäischen<br />

Volkspartei an. Auf Einladung von<br />

Nicolas Sarkozy nahm Fini am 30. Januar 2008<br />

am Europa-Konvent der UMP in Paris teil. 118 Im<br />

Gegensatz zur französischen Rechten befürwortete<br />

er jedoch den EU-Beitritt der Türkei sowie<br />

eine enge europäisch-amerikanische Partner-<br />

113 Vgl. Roland Höhne, Italien: Verfassungsänderung als<br />

Modernisierungsstrategie, in: Bernd Rill (Hrsg.), Reformfähigkeit<br />

und Reformstau. Ein europäischer Vergleich,<br />

München 2005, S. 41-54.<br />

114 Vgl. Pittaforma politico-programmatico, S. 26.<br />

115 Cf. Franz Turchi, Perché l’Euro, Alleanza Nazionale,<br />

Delegazione di Alleanza Nazionale al Parlamento Europeo,<br />

Rom 2004.<br />

116 Gianfranco Fini, Tranquilla, alla fine vincerà Fini. Interview<br />

von A. Padellaro mit Fini, in: L’Espresso vom<br />

15. April 1994, S. 22-28.<br />

117 Zur Unterstreichung seiner pro-europäischen Haltung<br />

nahm Fini als italienischer Regierungsvertreter am europäischen<br />

Verfassungskonvent teil und verfolgte dort<br />

eine integrationspolitische Linie. Er hielt jedoch am<br />

nationalen Souveränitätsprinzip fest. Vgl. Cristiana<br />

Muscardini, La Convenzione. L’intervento in plenaria<br />

del Vicepresidente del Consiglio on. Gianfranco Fini,<br />

Brüssel 2002.<br />

118 Unter den ausländischen Gästen befand sich auch Angela<br />

Merkel als CDU-Vorsitzende. Cf. FAZ, 31.01.08, S. 3.<br />

schaft. 119 In der Außenpolitik unterstützte die AN<br />

den pro-amerikanischen Kurs Berlusconis. So<br />

befürwortete sie im zweiten Irakkrieg die Teilnahme<br />

italienischer Truppen an der Besetzung<br />

des Irak. Sie erhoffte sich davon die amerikanische<br />

Unterstützung bei dem Streben Italiens<br />

nach einem permanenten Sitz im UN-Sicherheitsrat.<br />

Die Integration der AN in das Parteiensystem<br />

und ihre Einbindung in die Mitte-Rechts-Koalitionen<br />

Berlusconis veränderte das Denken und<br />

Handeln ihrer Elite. Konsensfähige Aussagen<br />

verdrängten im offiziellen Parteidiskurs ideologische<br />

Kampfthemen, neofaschistische Geschichtsbilder<br />

verschwanden fast völlig aus der<br />

Parteizeitung „Secolo d’Italia“. Die ideologische<br />

Diskussion verlagerte sich aus der Partei in das<br />

parteinahe Umfeld. 120 Der Parteivorsitzende Fini<br />

kümmerte sich wesentlich mehr um seine parlamentarischen<br />

und gouvernementalen Aufgaben<br />

sowie um die Pflege seines Images als demokratischer<br />

Politiker denn um die Parteibasis. Dies<br />

vergrößerte die Distanz zwischen Mitgliedern,<br />

Funktionsträgern und Führung. Im Sommer 2005<br />

kam es zum offenen Konflikt zwischen ihm und<br />

seinem Generalsekretär (Coordinatore) Ignazio<br />

La Russa über den Parteikurs. In diesem konnte<br />

sich Fini zwar durchsetzen, aber seine Autorität<br />

war seither beschädigt.<br />

3.4 Die Entwicklung der Parteiorganisation<br />

und der Mitgliederschaft<br />

Der MSI war zunächst ein Kampfbund ehemaliger<br />

Parteigänger Mussolinis. Ab 1950 entwickelte<br />

er sich jedoch rasch zu einer Massenpartei. 121<br />

119 Vgl.Gianfranco Fini, L’Europa che verrà, Rom 2003,<br />

S. 33.<br />

120 Vgl. Marco Ferrazzoli (Hrsg.), Cos’è La Destra. Colloqui<br />

con diciotto protagonisti della cultura italiana non<br />

conformista, Rom 2001. Ferner Gennaro Malgieri, Una<br />

certa idea della Destra, Rom 2004; Marcello Veneziani,<br />

La cultura della destra, Rom 2002.<br />

121 Vgl. Marco Tarchi, Dal MSI ad AN. La prima approfondita<br />

analisi del maggior partito della destra italiana:<br />

organizzazione, strategie, rapporti con la società civile,<br />

Bologna, 1997, S. 161 ff.; Petra Reiter-Mayer, Die Etablierung<br />

der Alleanza Nazionale im politischen System<br />

Italiens. Eine gesellschaftsfähige Rechte oder Altbekanntes<br />

in neuen Kleidern? Hamburg 2006, S. 171 ff.<br />

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