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Aufsätze - PRuF

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MIP 2011 17. Jhrg. Roland Höhne – Parteientransformation in Italien – Die nationale Rechte zwischen Tradition und Anpassung <strong>Aufsätze</strong><br />

1994 als den größten Staatsmann des 20. Jahrhunderts<br />

bezeichnet hatte. 94<br />

Statt zum Faschismus bekannte sich die AN in<br />

Fiuggi zu den Werten der abendländischen Zivilisation<br />

und des Katholizismus, zur Freiheit und<br />

zur Demokratie. Zur theoretischen Begründung<br />

dieses Bekenntnisses berief sich Fini auf eine<br />

Vielzahl von Denkern des 19. und 20. Jahrhunderts,<br />

die nur geringe Gemeinsamkeiten besaßen.<br />

Der Spannungsbogen reichte von den Theoretikern<br />

des französischen Traditionalismus (de<br />

Maistre, Bonald, Maurras) über Vertreter der<br />

„konservativen Revolution“ (Carl Schmitt,<br />

Spengler), des Futurismus (Marinetti), des Nationalismus<br />

(d’Annunzio), des Elitismus<br />

(Pareto), des Faschismus (Gentile) sowie Neofaschismus<br />

(Evola) bis hin zu Vordenkern des Liberalismus<br />

(Croce) und des Marxismus (Gramsci).<br />

Er rechtfertigte diesen Eklektizismus mit<br />

dem Argument, all diese Denker hätten die italienische<br />

Kultur des 20. Jahrhunderts beeinflußt<br />

und gehörten damit zum geistigen Erbe der Nation.<br />

In der AN könne sich jeder auf denjenigen<br />

Denker berufen, dem er sich nahe fühle. Er müsse<br />

lediglich die Demokratie sowohl als Methode<br />

als auch als Wertsystem bejahen. 95<br />

Finis ideologischer Eklektizismus ergab sich aus<br />

dem Bestreben, einerseits die verschiedenen<br />

Strömungen der Partei zu integrieren, andererseits<br />

die Partei für neue Mitglieder aus anderen<br />

politischen Traditionen zu öffnen. Jede präzise<br />

ideologische Aussage, jede ideologische Festlegung<br />

hätte die Verwirklichung dieser doppelten<br />

Zielsetzung behindert. Eine Inhaltsanalyse des<br />

Parteidiskurses zeigt jedoch, daß die zentralen<br />

Werte der AN die gleichen waren wie die des<br />

MSI: Nation, Staat, Ordnung, Autorität, Familie,<br />

Tradition, Solidarität. Die AN gab ihnen aber unter<br />

Rückgriff auf konservative, katholische, na-<br />

94 Vgl. Galluzzo, Marco: Il vicepremier manda in soffita<br />

il Mussolini grande statista, in: Corriere della Sera,<br />

23.01.2002, S. 9, URL: http://archiviostorico.corriere.it/2002/gennaio/23/vicepremier_manda_soffita_Mus<br />

solini_grande_co_0_0 20123847.shtml, 07.05.2008.<br />

Zum Kontext dieser Erklärung vgl. Gerhard Feldbauer,<br />

Von Mussolini bis Fini. Die extreme Rechte in Italien,<br />

Berlin 1996, S. 180 ff.<br />

95 Vgl.Pensiamo l’Italia, op.cit., S. 14. Fini, Vi presento<br />

AN, op.cit., S. 82.<br />

tionale und liberale Vorstellungen einen neuen<br />

Inhalt und machte sie so mit der Demokratie<br />

kompatibel. Andere ideologische Elemente des<br />

Faschismus wie Kolonialismus, Imperialismus<br />

und Heroismus, die im MSI noch gepflegt wurden,<br />

verschwanden völlig aus dem offiziellen<br />

Parteidiskurs. 96<br />

Im Zentrum des Ideengebäudes der AN stand wie<br />

beim MSI die Nation. Sie sei eine historisch gewordene,<br />

sprachlich-kulturelle, politisch-territoriale<br />

Realität, „die ein von der Vergangenheit<br />

über die Gegenwart in die Zukunft reichendes<br />

ununterbrochenes Leben besitzt“ 97 . Allerdings<br />

müsse sie ihr historisches Gedächtnis, das Zugehörigkeitsbewußtsein<br />

und die kulturelle Eigenart<br />

wiedererlangen. Die AN kombinierte so das Abstammungsprinzip<br />

mit dem Territorialprinzip<br />

und schloß damit die sprachlich-kulturellen Minderheiten<br />

ein, auch wenn sich diese wie die Südtiroler<br />

mehrheitlich nicht der italienischen Nation<br />

zugehörig fühlen.<br />

Eng verbunden mit der Nation sei die Demokratie.<br />

Sie garantiere die politischen Rechte des<br />

Volkes und habe sich bewährt. Ihre Werte und<br />

Regeln würden von der AN anerkannt und mitgetragen.<br />

Sie müsse jedoch grundlegend reformiert<br />

werden. Entsprechend dem französischen Republikanismus<br />

verband die AN Nation und Demokratie<br />

zu einer Einheit im Nationalstaat. Nur in<br />

dessen Rahmen könne sich die Volkssouveränität<br />

verwirklichen. Er müsse stark sein, um seine<br />

Bürger vor inneren und äußeren Gefahren schützen<br />

zu können, er solle sich aber auf seine Kernfunktionen<br />

beschränken, damit sich die Zivilgesellschaft<br />

frei entfalten könne. Wirtschaft und<br />

Gesellschaft sollten von den Bürgern selbst organisiert<br />

werden. Dabei sollten Vereine und Verbände<br />

eine zentrale Rolle spielen. Die AN propagierte<br />

somit den starken Staat, beschränkte ihn<br />

jedoch auf seine Hoheits- und Ordnungsfunktionen.<br />

Sie distanzierte sich so vom sozialistischen<br />

Etatismus, implizit aber auch vom faschistischen<br />

Macht- und Interventionsstaat. Den Korporatismus,<br />

den der MSI noch in den siebziger Jahren<br />

als Alternative zu Kapitalismus und Kommunis-<br />

96 Reste davon fanden sie nur noch einige Zeit im Feuilleton<br />

der Parteizeitung il Secolo d’Italia.<br />

97 Pensiamo l’Italia, S. 15.<br />

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