Aufsätze - PRuF
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<strong>Aufsätze</strong> Roland Höhne – Parteientransformation in Italien – Die nationale Rechte zwischen Tradition und Anpassung MIP 2011 17. Jhrg.<br />
nigen Änderungen wurde es zum Grundsatzprogramm<br />
der AN. 91<br />
Die Transformation des MSI wurde mit dem Zusammenbruch<br />
der Ersten Republik begründet.<br />
Für diesen sei die „Parteienherrschaft“, d. h. die<br />
Dominanz der Verfassungsparteien verantwortlich,<br />
die der MSI stets bekämpft habe. Damit sei<br />
die historische Phase der Rechten als Alternative<br />
zum System beendet und es beginne eine neue<br />
Phase, in der die Rechte sich aktiv an der Erneuerung<br />
der Politik und der Neugründung des<br />
Staates beteiligen werde. Allerdings müsse die<br />
AN als gleichberechtigter Akteur von den anderen<br />
Parteien anerkannt werden. In dem neuen politischen<br />
System dürfe es keine Feinde geben,<br />
welche zu vernichten seien, sondern Gegner, die<br />
es mit demokratischen Mitteln zu bekämpfen<br />
gelte. Bei jeder Wahl müsse im Gegensatz zur<br />
Ersten Republik ein demokratischer Machtwechsel<br />
möglich sein. Mit dieser Begründung der<br />
Transformation vermied Fini eine Auseinandersetzung<br />
mit der neofaschistischen Vergangenheit<br />
der Partei. Ihre Antisystemopposition erschien<br />
historisch gerechtfertigt mit dem Kampf gegen<br />
die Parteienherrschaft, d. h. die Dominanz der<br />
Verfassungsparteien. Ihre Bereitschaft zur Systemintegration<br />
ergab sich aus der Erneuerung der<br />
italienischen Politik, die durch den Zusammenbruch<br />
der I. Republik möglich geworden sei. Der<br />
wahre Grund ihrer bisherigen Außenseiterrolle,<br />
ihre neofaschistische Ideologie und Programmatik,<br />
blieb unerwähnt.<br />
Fini bekannte sich zur Freiheit als oberstem<br />
Wert, von der die Rechte ihre Konzeption des<br />
Staates, der Gesellschaft, der Wirtschaft und die<br />
Prinzipien ihres politischen Handels ableite, und<br />
verurteilte den Totalitarismus. Er vermied jedoch<br />
eine inhaltliche Auseinandersetzung mit<br />
dem Faschismus. Die Freiheit sei die Antithese<br />
des Totalitarismus. Da sie die ideelle Grundlage<br />
der Rechten bilde, könne man diese auch nicht<br />
mit dem Faschismus identifizieren oder sie gar<br />
unmittelbar von diesem herleiten. Die Rechte sei<br />
keine Tochter des Faschismus.<br />
91 Pensiamo l’Italia. Il domani c`è gia – Valori, idee e<br />
progetti per l’Alleanza Nazionale – Tesi politiche approvato<br />
dal Congresso di Fiuggi, Januar 1995.<br />
142<br />
Ihre Werte hätten bereits vor dem Faschismus<br />
existiert, seien durch diesen hindurchgegangen<br />
und hätten ihn überlebt. Die Wurzeln der Rechten<br />
lägen in der italienischen Geschichte, vor,<br />
während und nach dem faschistischen Regime.<br />
Statt sich inhaltlich mit dem Faschismus und damit<br />
mit den ideologischen Grundlagen des MSI<br />
auseinanderzusetzen, historisierte er ihn wie bereits<br />
sein Vorgänger Almirante in den siebziger<br />
Jahren. Er sei das Produkt spezifischer historischer<br />
Umstände gewesen und sei mit dem Verschwinden<br />
dieser Umstände ebenfalls verschwunden.<br />
Fini historisierte aber auch den Antifaschismus<br />
und erklärte damit den Gegensatz<br />
von Faschismus-Antifaschismus als geschichtlich<br />
überholt und damit für die Gegenwart bedeutungslos.<br />
Auf diese Weise vermied er eine<br />
Auseinandersetzung mit der neofaschistischen<br />
Vergangenheit der Partei und ebnete ihr den<br />
Weg in das neuentstehende Parteiensystem, denn<br />
wenn der Gegensatz Faschismus-Antifaschismus<br />
sich geschichtlich erledigt hatte, dann waren eine<br />
explizite Distanzierung vom Faschismus und ein<br />
Bekenntnis zum antifaschistischen Verfassungskonsens<br />
auch nicht notwendig.<br />
Fini verurteilte allerdings bereits 1995 ausdrücklich<br />
den Rassismus und Antisemitismus. 92 1999<br />
besuchte er das ehemalige Vernichtungslager<br />
Auschwitz und im November 2003 die israelische<br />
Gedenkstätte Yad Vashem für die ermordeten<br />
Juden Europas. Bei diesem Besuch bezeichnete<br />
er den Faschismus als „Verkörperung des<br />
absolut Bösen“ (male assoluto) und beklagte den<br />
mangelnden Widerstand der Italiener gegen die<br />
„schändlichen Rassengesetze“ des faschistischen<br />
Regimes. 93 Bereits ein Jahr zuvor hatte er sich<br />
kritisch über Mussolini geäußert, den er noch<br />
92 Pensiamo l’Italia, S. 14.<br />
93 Vgl. Il Secolo d’Italia vom 24. Nov. 2003. Aus Protest<br />
gegen seine moralische Verurteilung des Faschismus<br />
bildete sich eine innerparteiliche Opposition um Francesco<br />
Storace, dem damaligen Präsidenten der Region<br />
Latium und späteren Gründer der Destra. Alessandra<br />
Mussolini, die Enkelin des Diktators, verließ die Partei<br />
und gründete für die Europawahlen 2004 die rechtsextreme<br />
Alternativa Sociale, die jedoch nur ein Prozent<br />
der Stimmen erhielt und bald wieder verschwand. Vgl.<br />
zu den innerparteilichen Reaktionen La Repubblica<br />
vom 3. und 8. Dezember 2003.