Aufsätze - PRuF

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08.01.2013 Aufrufe

Aufsätze Alexandra Bäcker – Das Problem der „Listenorientierung“ des Finanzierungsanspruchs politischer Parteien MIP 2011 17. Jhrg. Finanzierung entsprechend der tatsächlichen Verwurzelung in der Gesellschaft nicht mehr statt, es sei denn, sie erhalten in jedem Wahlkreis mindestens 10% der Stimmen. Darüber hinaus ist es mit den Grundsätzen der staatlichen Teilfinanzierung politischer Parteien schlechthin unvereinbar, dass allen politischen Parteien bei der Teilnahme an Wahlen in einem Bundesland (nämlich Baden-Württemberg) generell der Zuwendungsanteil nach § 18 Abs. 3 Nr. 3 PartG schlichtweg vorenthalten bleibt. Eine (ausschließliche) Anwendung der Wahlkreisregelung (§ 18 Abs. 4 S. 2 PartG) verstößt damit eklatant gegen den Chancengleichheitsgrundsatz. Nach der Lehre von der verfassungskonformen Auslegung kommt diese Interpretation also nicht in Betracht und es ist nach einer anderen Auslegungsmöglichkeit zu suchen. 2. Versuch einer verfassungskonformen Auslegung der Norm a) 1% der Stimmen als Listenäquivalent So geschärft ist der Blick erneut auf die Listenregelung (§ 18 Abs. 4 S. 1 PartG) zu richten. Nach dem Wortlaut sind zwar Listenkandidaturen vorausgesetzt, eine Finanzierung aber deshalb ausschließlich nach der Wahlkreisregelung (§ 18 Abs. 4 S. 2 PartG) zuzulassen, wäre verfassungswidrig. In Betracht kommt daher, das im Vergleich mit den sonstigen wahlrechtlichen Bestimmungen als Ausnahmeregelung zu bezeichnende Landtagswahlgesetz Baden-Württemberg als sog. „Listenäquivalent“ in die Norm hineinzulesen, mit der Folge dass alle Parteien, die mindestens 1% der gültigen Stimmen errungen haben, auch bei der staatlichen Finanzierung berücksichtigt werden. Dieses Vorgehen entspricht der bisherigen Praxis und trägt dem Chancengleichheitsgrundsatz insoweit Rechnung, als dass eine Partei bei einem landesweiten, aus den Ergebnissen in allen Wahlkreisen zu errechnenden Durchschnittswahlergebnis von wenigstens 1% parteienfinanzierungsrechtlich nicht schlechter gestellt wird, als hätte sie ein entsprechendes Ergebnis über eine Liste erzielt. 14 b) Weniger als 1% der Stimmen, aber 10% in mindestens einem Wahlkreis Diese Auslegung als Listenäquivalent würde indes bedeuten, die politischen Parteien in Baden- Württemberg zu benachteiligen, die zwar landesweit die 1%-Hürde verfehlen, aber 10% in einem Wahlkreis erlangen. Sofern die Stimmabgabe in Baden-Württemberg als Listenäquivalent betrachtet wird, hätten nämlich im Grunde genommen alle an der Wahl teilnehmenden Parteien eine Liste eingereicht, so dass die Variante „sofern keine Liste zugelassen war“ nicht mehr greift. Auch diese Parteien sind nach der gesetzgeberischen Wertung aufgrund ihres, wenn auch regional begrenzten, politischen Rückhalts in der Bevölkerung nach der Wahlkreisregelung (§ 18 Abs. 4 S. 2 PartG) jedoch grundsätzlich zur Teilhabe an der staatlichen Finanzierung berechtigt (zumindest hinsichtlich des Wählerstimmenanteils). Folglich wird für die Finanzierung politischer Parteien bei der Teilnahme an Landtagswahlen in Baden-Württemberg weder eine ausschließliche Anwendung der Listenregelung (§ 18 Abs. 4 S. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 PartG) noch eine ausschließliche Anwendung der Wahlkreisregelung (§ 18 Abs. 4 S. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 PartG) der gesetzlichen Wertung gerecht, in welchen Fällen politische Parteien grundsätzlich staatlich finanziert werden können und sollen. aa) Alternative Anwendbarkeit in Baden- Württemberg Eine dem verfassungsrechtlichen Chancengleichheitsgrundsatz gerecht werdende Anwendung des § 18 Abs. 3 und 4 PartG muss es vielmehr allen „bedeutenden“ politischen Parteien ermöglichen, in den Genuss der grundsätzlich vorgesehenen staatlichen Mittel zu kommen, sofern sie die Ernsthaftigkeit ihrer Wahlerfolgsbemühungen durch Erreichen der festgelegten Mindeststimmenanteile unter Beweis gestellt haben. Danach haben alternativ sowohl die politischen Parteien mit landesweit durchschnittlich 1% der

MIP 2011 17. Jhrg. Alexandra Bäcker – Das Problem der „Listenorientierung“ des Finanzierungsanspruchs politischer Parteien Aufsätze Wählerstimmen als auch die politischen Parteien mit mindestens 10% der Wählerstimmen in einem Wahlkreis Anspruch auf Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung im genannten Umfang. eines Finanzierungsanspruchs alternativ das Erreichen von durchschnittlich 1% der Wählerstimmen oder von 10% der Wählerstimmen in einem Wahlkreis ist. Danach findet der zweite Halbsatz von § 18 Abs. 3 Nr. 2 PartG „wenn in einem Land eine Liste für diese Partei nicht zugelassen war“ generell keine Anwendung, mit der Folge, dass auch die Parteien, die Listen nach § 18 Abs. 4 S. 1 PartG eingereicht und nicht durchschnittlich 1% der Wählerstimmen erhalten haben, dennoch nach § 18 Abs. 3 Nr. 2 PartG an der staatlichen Finanzierung teilhaben, wenn sie mindestens 10% der Wählerstimmen in einem Wahlkreis errungen haben. bb) Alternative Anwendbarkeit bundesweit Problematisch ist dann aber, dass die politischen Parteien in Baden-Württemberg jedenfalls für die Teilnahme an den Landtagswahlen besser gestellt sind, als dies nach der Regelung des § 18 Abs. 3 und 4 PartG für alle anderen Wahlen vorgesehen ist: weil die Parteien dort – anders als in den Bundesländern mit Listenwahl – zwei Möglichkeiten haben, Staatsgeld zu erlangen. Im Übrigen wird den politischen Parteien nämlich eine Wahlerfolgsprognose abgenötigt, wol- c) Das (Rest-)Problem der Listenorientierung len sie an der staatlichen Parteienfinanzierung Diese Lesart des § 18 PartG birgt jedoch weiter- teilhaben. Eine Fehleinschätzung der regionalen hin das Problem, dass die Parteien (außer bei Verteilung des eigenen Rückhaltes in der Bevöl- Landtagswahlen in Baden-Württemberg), wollen kerung geht ausschließlich zu Lasten der kleinen sie wahlweise nach § 18 Abs. 4 S. 1 oder S. 2 politischen Parteien, die sich bereits im Vorhin- PartG staatliche Mittel erhalten, jedenfalls eine ein entscheiden müssen, ob sie mit eigener Liste Liste einreichen müssen, da nur die auf die Lis- zur Wahl antreten wollen und dann mindestens ten der Parteien abgegebenen Stimmen den Fi- 1% der Wählerstimmen erreichen müssen, oder nanzierungsanspruch nach § 18 Abs. 4 S. 1 aber ohne eigene Liste auf einen regional starken i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 PartG auslösen. Rückhalt setzen. Die Entscheidung für oder gegen eine eigene Liste stellt nach dem Gesetzeswortlaut die Weiche für die anzuwendende Regelung des § 18 Abs. 4 und Abs. 3 PartG. Dieses Problem wäre allenfalls durch eine Neufassung des § 18 Abs. 3 und Abs. 4 PartG zu lösen. Der Finanzierungsanspruch wäre von der Einreichung von Listen gänzlich abzukoppeln Es sprechen allerdings keine verfassungsrechtli- und generell allen politischen Parteien zuzugechen Gründe dafür, den politischen Parteien das stehen, die Wählerstimmen in Höhe der genann- nach § 18 Abs. 4 und Abs. 3 PartG vorgesehene ten Schwellenwerte (also entweder 1% im Hasardspiel der Entscheidung für oder gegen Durchschnitt oder 10% in einem Wahlkreis) er- eine eigene Liste überhaupt abzuverlangen. Dies ist auch im bundesweiten Vergleich als gleichringen.heitswidriger Wettbewerbsvorteil zu sehen, und zwar insoweit, als dass die Entstehung politischer Parteien in Baden-Württemberg mit finanziellen Vorteilen verbunden ist, die ein schnelleres „Etablieren“ und damit eine schnellere Erweiterung des Aktionsradius ermöglichen. Im Interesse eines zu gewährleistenden chancengleichen Wettbewerbs der politischen Parteien ist die Regelung des § 18 Abs. 3 und 4 PartG deshalb bundesweit so anzuwenden, dass bei der Teilnahme an jeglichen Wahlen Voraussetzung V. Erforderlichkeit einer Neuregelung Eine Neufassung insbesondere des § 18 Abs. 4 S. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 PartG scheint auch angesichts der weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken, denen die Wahlkreisregelung begegnet, geboten. Sowohl die generelle Nichtgewährung des Zuwendungsanteils als auch die Beschränkung auf den Wahlkreis als Berechnungsgrundlage des Wählerstimmen- und gegebenenfalls dann auch Zuwendungsanteils vernachlässigt 15

<strong>Aufsätze</strong> Alexandra Bäcker – Das Problem der „Listenorientierung“ des Finanzierungsanspruchs politischer Parteien MIP 2011 17. Jhrg.<br />

Finanzierung entsprechend der tatsächlichen<br />

Verwurzelung in der Gesellschaft nicht mehr<br />

statt, es sei denn, sie erhalten in jedem Wahlkreis<br />

mindestens 10% der Stimmen.<br />

Darüber hinaus ist es mit den Grundsätzen der<br />

staatlichen Teilfinanzierung politischer Parteien<br />

schlechthin unvereinbar, dass allen politischen<br />

Parteien bei der Teilnahme an Wahlen in einem<br />

Bundesland (nämlich Baden-Württemberg) generell<br />

der Zuwendungsanteil nach § 18 Abs. 3<br />

Nr. 3 PartG schlichtweg vorenthalten bleibt.<br />

Eine (ausschließliche) Anwendung der Wahlkreisregelung<br />

(§ 18 Abs. 4 S. 2 PartG) verstößt<br />

damit eklatant gegen den Chancengleichheitsgrundsatz.<br />

Nach der Lehre von der verfassungskonformen<br />

Auslegung kommt diese Interpretation<br />

also nicht in Betracht und es ist nach einer<br />

anderen Auslegungsmöglichkeit zu suchen.<br />

2. Versuch einer verfassungskonformen Auslegung<br />

der Norm<br />

a) 1% der Stimmen als Listenäquivalent<br />

So geschärft ist der Blick erneut auf die Listenregelung<br />

(§ 18 Abs. 4 S. 1 PartG) zu richten. Nach<br />

dem Wortlaut sind zwar Listenkandidaturen vorausgesetzt,<br />

eine Finanzierung aber deshalb ausschließlich<br />

nach der Wahlkreisregelung (§ 18<br />

Abs. 4 S. 2 PartG) zuzulassen, wäre verfassungswidrig.<br />

In Betracht kommt daher, das im Vergleich<br />

mit den sonstigen wahlrechtlichen Bestimmungen<br />

als Ausnahmeregelung zu bezeichnende<br />

Landtagswahlgesetz Baden-Württemberg<br />

als sog. „Listenäquivalent“ in die Norm hineinzulesen,<br />

mit der Folge dass alle Parteien, die<br />

mindestens 1% der gültigen Stimmen errungen<br />

haben, auch bei der staatlichen Finanzierung berücksichtigt<br />

werden. Dieses Vorgehen entspricht<br />

der bisherigen Praxis und trägt dem Chancengleichheitsgrundsatz<br />

insoweit Rechnung, als<br />

dass eine Partei bei einem landesweiten, aus den<br />

Ergebnissen in allen Wahlkreisen zu errechnenden<br />

Durchschnittswahlergebnis von wenigstens<br />

1% parteienfinanzierungsrechtlich nicht schlechter<br />

gestellt wird, als hätte sie ein entsprechendes<br />

Ergebnis über eine Liste erzielt.<br />

14<br />

b) Weniger als 1% der Stimmen, aber 10% in<br />

mindestens einem Wahlkreis<br />

Diese Auslegung als Listenäquivalent würde indes<br />

bedeuten, die politischen Parteien in Baden-<br />

Württemberg zu benachteiligen, die zwar landesweit<br />

die 1%-Hürde verfehlen, aber 10% in einem<br />

Wahlkreis erlangen.<br />

Sofern die Stimmabgabe in Baden-Württemberg<br />

als Listenäquivalent betrachtet wird, hätten nämlich<br />

im Grunde genommen alle an der Wahl teilnehmenden<br />

Parteien eine Liste eingereicht, so<br />

dass die Variante „sofern keine Liste zugelassen<br />

war“ nicht mehr greift.<br />

Auch diese Parteien sind nach der gesetzgeberischen<br />

Wertung aufgrund ihres, wenn auch regional<br />

begrenzten, politischen Rückhalts in der Bevölkerung<br />

nach der Wahlkreisregelung (§ 18<br />

Abs. 4 S. 2 PartG) jedoch grundsätzlich zur Teilhabe<br />

an der staatlichen Finanzierung berechtigt<br />

(zumindest hinsichtlich des Wählerstimmenanteils).<br />

Folglich wird für die Finanzierung politischer<br />

Parteien bei der Teilnahme an Landtagswahlen<br />

in Baden-Württemberg weder eine ausschließliche<br />

Anwendung der Listenregelung (§ 18 Abs. 4<br />

S. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 PartG) noch<br />

eine ausschließliche Anwendung der Wahlkreisregelung<br />

(§ 18 Abs. 4 S. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2<br />

PartG) der gesetzlichen Wertung gerecht, in welchen<br />

Fällen politische Parteien grundsätzlich<br />

staatlich finanziert werden können und sollen.<br />

aa) Alternative Anwendbarkeit in Baden-<br />

Württemberg<br />

Eine dem verfassungsrechtlichen Chancengleichheitsgrundsatz<br />

gerecht werdende Anwendung<br />

des § 18 Abs. 3 und 4 PartG muss es vielmehr<br />

allen „bedeutenden“ politischen Parteien<br />

ermöglichen, in den Genuss der grundsätzlich<br />

vorgesehenen staatlichen Mittel zu kommen, sofern<br />

sie die Ernsthaftigkeit ihrer Wahlerfolgsbemühungen<br />

durch Erreichen der festgelegten<br />

Mindeststimmenanteile unter Beweis gestellt haben.<br />

Danach haben alternativ sowohl die politischen<br />

Parteien mit landesweit durchschnittlich 1% der

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