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Aufsätze - PRuF

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MIP 2011 17. Jhrg. Roland Höhne – Parteientransformation in Italien – Die nationale Rechte zwischen Tradition und Anpassung <strong>Aufsätze</strong><br />

Der zentrale Bezugspunkt des MSI bildete die<br />

Nation. Darunter verstand er die sprachlich-kulturelle<br />

und staatlich-politische Gemeinschaft der<br />

Italiener, die sich seit der Antike herausgebildet<br />

habe. Ihre zentrale Organisation bilde der Staat.<br />

Dieser sei eine organische Totalität, in der die<br />

politischen Werte über wirtschaftliche und soziale<br />

Interessen dominierten. 14 Er habe vor allem<br />

die Aufgabe, die Existenz der Nation zu sichern,<br />

die öffentliche Ordnung zu garantieren und als<br />

„nationaler Staat der Arbeit“ für soziale Gerechtigkeit<br />

zu sorgen. Damit er diese Aufgaben<br />

wahrnehmen könne, sei ein Gleichgewicht zwischen<br />

individueller Freiheit und staatlicher Autorität<br />

notwendig. Als institutionelle Form des<br />

Staates bekannte sich der MSI wie bereits der<br />

Partito fascista repubblicano (PFR) der RSI zur<br />

Republik und unterschied sich in diesem Punkt<br />

vom Regimefaschismus der Jahre 1922-1943. 15<br />

Aus dem Nationalismus ergab sich die Idee der<br />

nationalen Solidarität als das Grundprinzip der<br />

gesellschaftlichen Ordnung. Sie sollte den Gegensatz<br />

von Kapital und Arbeit und damit den<br />

Klassenkampf überwinden und so eine solidarische<br />

Gesellschaft ermöglichen. Die Radikalen<br />

wollten diese durch ein gemischtes Wirtschaftssystem<br />

auf der Grundlage von gesellschaftlichem<br />

und privatem Eigentum verwirklichen. Die Vergesellschaftung<br />

(socializzazione) der Großunternehmen<br />

sollte die Macht des Großkapitals brechen<br />

und die Kleinunternehmer schützen. Vergesellschaftete<br />

Großunternehmen und private<br />

Kleinunternehmen könnten so gemeinsam dem<br />

Gemeinwohl dienen. Die Konservativen wollten<br />

die nationale Solidarität dagegen durch den Korporatismus<br />

erreichen. In diesem sollten die Produzenten<br />

das Wirtschaftsgeschehen ohne die Intervention<br />

des Staates selbst regeln.<br />

14 Vgl. u.a. Pino Romualdo auf dem VIII. Parteitag des<br />

MSI in Rom 1965, in: A. Baldoni , La Destra in Italia<br />

1945-1969, op. cit., S. 575. Ferner Adriano Romualdi,<br />

Una cultura per l’Europa, hrsg. von Gennaro Malgieri,<br />

Roma 1986.<br />

15 Besonders die Radikalfaschisten betonten die republikanische<br />

Identität des MSI, um sich von den Monarchisten<br />

abzugrenzen. Siehe die Auseinandersetzungen<br />

auf dem III. Parteitag des MSI 1952, in: A. Baldoni, La<br />

Destra in Italia, op. cit. S. 418.<br />

Die Ideologie des MSI entsprach vor allem den<br />

Interessen und der Mentalität der traditionellen<br />

Bevölkerungsgruppen des Südens sowie der<br />

kleinen Selbständigen des Nordens. Die nationale<br />

Solidarität garantierte einen permanenten Ressourcentransfer<br />

aus dem reichen Norden in den<br />

armen Süden und der staatliche Zentralismus bot<br />

vielen Süditalienern landesweit Stellen im öffentlichen<br />

Dienst. Der Korporatismus konnte die<br />

kleinen Selbständigen in Handwerk, Dienstleistung<br />

und Landwirtschaft vor der Konkurrenz der<br />

Großunternehmen und dem Machtanspruch der<br />

Gewerkschaften schützen, ohne das Privateigentum<br />

an den Produktionsmitteln und ohne die unternehmerische<br />

Eigeninitiative zu beseitigen.<br />

Der MSI fand daher seinen stärksten Rückhalt in<br />

beiden Sozialkategorien.<br />

2.4. Programmatik<br />

Die MSI- Programmatik spiegelte nur teilweise<br />

die neofaschistische Ideologie wider, da sie sich<br />

nach den rechtlichen und politischen Erfordernissen<br />

des Parteienwettbewerbs richtete. Neofaschistische<br />

Aktivitäten waren verboten und<br />

konnten zum Verbot der Partei führen. Der MSI<br />

beschränkte sich daher in seinem programmatischen<br />

Diskurs auf Themen, die rechtlich formal<br />

mit der Verfassungsordnung vereinbar waren. In<br />

seinem Zehn-Punkte-Programm von 1946 forderte<br />

er u. a. die Wahrung der Einheit, territorialen<br />

Integrität und Unabhängigkeit Italiens, die<br />

Bildung einer europäischen Union, die Restauration<br />

der Autorität des Staates und die Teilnahme<br />

des Volkes an der Wahl seiner Führer, die Trennung<br />

von Staat und Kirche entsprechend den Lateranverträgen<br />

von 1929 und die Schaffung eines<br />

nationalen Staates der Arbeit. 16 Zwei Jahre später<br />

fügte er seinen Forderungen die Direktwahl<br />

des Staatspräsidenten und die Umwandlung des<br />

Senats in eine korporative Kammer hinzu. Beide<br />

Forderungen waren mit dem parlamentarischen<br />

Demokratieverständnis der Verfassungsparteien<br />

nicht vereinbar.<br />

16 Das Programm lehnte sich noch stark an die Charta<br />

von Verona des Partito fascista repubblicano vom 17.<br />

November 1943 an. Vgl. Baldoni, la destra in Italia,<br />

op.cit., S. 140 f.<br />

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