Aufsätze - PRuF
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<strong>Aufsätze</strong> Sören Lehmann – Politische Betätigung im Steuerrecht MIP 2011 17. Jhrg.<br />
füllung des steuergesetzlichen Tatbestandes des<br />
Aufwandes, seiner Nachweisbarkeit und Verifikation.<br />
Durch die pauschale Aufwandsentschädigung<br />
würden auch Zeitaufwand, Verdienstausfall<br />
und Arbeitsleistung ausgeglichen. Für eine<br />
Privilegierung derartiger Entschädigungen bestünde<br />
jedoch kein besonderer, die Ausnahme<br />
sachlich rechtfertigender Grund. Es werde durch<br />
das Tatbestandsmerkmal der „Festsetzung“ lediglich<br />
auf die Qualifikationskompetenz von<br />
Bundesregierung und Parlament verwiesen. Dies<br />
seien jedoch nicht steuerliche, sondern sachfremde<br />
Maßstäbe. Statt die Vorschrift für nichtig<br />
zu erklären wurde dem Gesetzgeber die Möglichkeit<br />
eröffnet, die Steuerbefreiung insgesamt<br />
zu beseitigen, sie auf den tatsächlich entstandenen,<br />
nachweisbaren Aufwand zu begrenzen, den<br />
Erwerbsaufwand in der Steuerfreiheit pauschalierend<br />
zu beschränken oder andere Vereinfachungstatbestände<br />
zur Vermeidung oder Beschränkung<br />
von Nachweis- oder behördlichen<br />
Überprüfungspflichten einzuführen. Auf das Urteil<br />
wurde trotz zahlreicher zwischenzeitlicher<br />
Änderungen des Einkommensteuergesetzes bisher<br />
nicht reagiert. Wegen des in diesem Bereich<br />
vorliegenden teilweise selbstgeschaffenen Kontrolldefizits<br />
39 ist nicht zu erwarten, dass in näherer<br />
Zeit erneut ein Verfahren vor dem BVerfG<br />
angestrengt wird. Wegen seiner Verfassungswidrigkeit<br />
sollte § 3 Nr. 12 S. 1 EStG nur noch im<br />
engst möglichen Sinne verstanden werden.<br />
Durch das Erfordernis einer „Zahlung“ aus „öffentlichen<br />
Kassen“ scheidet eine Auslegung im<br />
Hinblick auf die Gewährung von Sachbezügen<br />
39 Die Formulierung „strukturelles Kontrolldefizit“ präzisiert<br />
die Formel von der „Entscheidung in eigener Sache“<br />
dahingehend, dass sich einige Rechtskomplexe<br />
bereits durch die Verfassungsstruktur selbst der<br />
Rechtskontrolle entziehen, vgl. hierzu ausführlich<br />
Streit, Entscheidung in eigener Sache, 2006, 179 ff.<br />
Das Kontrolldefizit ist in diesem Fall zum Teil wegen<br />
des prozessualen Problems mangelnder Klagebefugnis<br />
ein strukturelles (Drysch, DStR 2008, 1217, 1223 plädiert<br />
vorliegend für eine Ausnahme, um die „Beseitigung<br />
eines solchen Unrechtszustandes“ zu ermöglichen.<br />
Kritisch auch Tipke, FR 2006, 949 (950), zum<br />
Teil ist es aber auch selbstgeschaffen, weil die Finanzbehörden<br />
erst durch einfachgesetzlichen Akt keine Ermächtigungsgrundlage<br />
zur Überprüfung der Aufwendungen<br />
mehr haben.<br />
116<br />
aus. 40 Auf Bundesebene kommt für die steuerfreie<br />
Aufwandsentschädigung vor allem der finanzielle<br />
Anteil der Amtsausstattung nach § 12<br />
AbgG in Betracht. Reisekostenerstattungen sind<br />
nach § 3 Nr. 13 EStG steuerbefreit.<br />
3. Behandlung der Ausgaben<br />
§ 22 Nr. 4 S. 2 EStG bestimmt, dass durch das<br />
Mandat veranlasste Aufwendungen nicht als<br />
Werbungskosten abgezogen werden dürfen,<br />
wenn hierfür Aufwandsentschädigungen gezahlt<br />
werden. Die Vorschrift scheint als Bestätigung<br />
des allgemeinen Abzugsverbotes (§ 3c I EStG)<br />
deklaratorisch zu wirken. Dies ist jedoch nicht<br />
der Fall. Vielmehr schließt sie den Werbungskostenabzug<br />
durch die Formulierung „wenn“ kategorisch<br />
aus, wohingegen § 3c I EStG den Abzug<br />
nur ausschließt, „soweit“ steuerfreie Einnahmen<br />
vorliegen. Weil § 3 Nr. 12 S. 1 EStG verfassungswidrig<br />
ist, unterfallen ihm nach hier vertretener<br />
Ansicht keine Sachleistungen. § 22 Nr. 4<br />
S. 2 EStG verbietet den Abzug von Werbungskosten<br />
auch in diesem nicht steuerbefreiten Bereich<br />
von Aufwandsentschädigungen. Darüber<br />
hinaus schließt § 22 Nr. 4 S. 2 EStG auch einen<br />
Werbungskostenabzug aus, soweit pauschale<br />
Entschädigungsleistungen durch tatsächlichen<br />
Aufwand überstiegen werden. 41 Wenn für Aufwendungen<br />
jedoch überhaupt keine Aufwandsentschädigung<br />
geleistet wird, ist ein Werbungskostenabzug<br />
nach den allgemeinen Grundsätzen<br />
möglich. Sonder-, Partei- und Fraktionsbeiträge<br />
sind nur im Rahmen von §§ 10b II, 34g EStG<br />
abzugsfähig, um deren Voraussetzungen nicht zu<br />
umgehen. 42<br />
§ 22 Nr. 4 S. 3 EStG enthält ein Abzugsverbot<br />
für Wahlkampfkosten von Landes-, Bundes-,<br />
und Europaabgeordneten. Zur Begründung wird<br />
darauf verwiesen, dass Mandatsbewerbern regelmäßig<br />
ein Anspruch auf Erstattung von Wahlkampfkosten<br />
zusteht. Es kommt jedoch nicht<br />
darauf an, ob im konkreten Fall ein solcher Anspruch<br />
bestand. Auch wenn der Bewerber das<br />
40 v. Beckenrath in: Kirchhof/Söhn/Mellinhoff (Hrsg.),<br />
EStG Bd. 15, § 3 Nr. 12 Rn. B 12/42.<br />
41 Risthaus in: Herrmann/Heuer/Raupach (Hrsg.),<br />
EStG/KStG Bd. 10, § 22 Rn. 472.<br />
42 BFH BStBl II 1988, 433.