Aufsätze - PRuF
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MIP 2011 17. Jhrg. Sören Lehmann – Politische Betätigung im Steuerrecht <strong>Aufsätze</strong><br />
EStG dar. 28 Einkünfte nach § 18 EStG sollen<br />
nicht vorliegen, weil die Abgeordnetentätigkeit<br />
nicht auf die Erzielung von Einnahmen aus entgeltlichen<br />
Dienstleistungen gegenüber Dritten<br />
ausgerichtet sein darf; 29 Einnahmen aus nichtselbständiger<br />
Tätigkeit liegen nicht vor, weil ein<br />
Abgeordneter in keinem Abhängigkeits- und<br />
Weisungsverhältnis zu einem Dienstherrn steht.<br />
Nach dem abschließenden Katalog des § 22<br />
Nr. 4 S. 1 EStG sind Entschädigungen, Amtszulagen,<br />
Zuschüsse zu Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen,<br />
Übergangsgelder, Überbrückungsgelder,<br />
Sterbegelder, Versorgungsabfindungen<br />
und Versorgungsbezüge, die auf<br />
Grund des AbgG 30 und des EuAbgG 31 gezahlt<br />
werden, sowie vergleichbare Bezüge, die auf<br />
Grund der entsprechenden Gesetze der Länder 32<br />
gezahlt werden, steuerpflichtige sonstige Einkünfte.<br />
Ebenfalls erfasst sind Entschädigungen,<br />
Übergangsgelder, Ruhegehälter und Hinterbliebenenversorgungen,<br />
die auf Grund des Abgeordnetenstatuts<br />
des Europäischen Parlaments 33 von<br />
der Europäischen Union gezahlt werden. 34 Keine<br />
sonstigen Einkünfte stellen hingegen übrige Einkünfte<br />
des jeweiligen Abgeordneten aus z.B.<br />
rechtsanwaltlicher, beratender oder werbender<br />
Tätigkeit dar. Die Einordnung dieser Einkünfte<br />
richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. Die<br />
Bezüge von Ministern und Staatssekretären stel-<br />
28 Bestätigt durch BVerfG HFR 1993, 127.<br />
29 Lindberg in: Frotscher (Hrsg.), EStG Bd. 4, § 22 Rn.<br />
182. Angesichts dieser zutreffenden Begründung fragt<br />
sich jedoch, warum die grundsätzlich unter denselben<br />
Einschränkungen stehende Tätigkeit eines kommunalen<br />
Amtsträgers unter § 18 EStG fällt.<br />
30 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des<br />
Deutschen Bundestages v. 21.02.1996, BGBl I 1996,<br />
326, z.B. §§ 11 I, II, 18-26, 27 AbgG.<br />
31 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des<br />
Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik<br />
Deutschland v. 06.04.1979, BGBl I 1979, 413, §§ 9ff.<br />
EuAbgG.<br />
32 Für Nordrhein-Westfalen: Abgeordnetengesetz des<br />
Landes Nordrhein-Westfalen v. 05.04.2005, GVNRW<br />
2005, 259, z.B. §§ 5 I, II, 9-12, 13 AbgG NRW.<br />
33 Abgeordnetenstatut des Europäischen Parlaments, ABl<br />
EU 2005, Nr. L 262/1, Art. 9 ff.<br />
34 Einen ausführlichen Überblick über die auf den verschiedenen<br />
Ebenen in Betracht kommenden Bezüge<br />
bietet Stalbold, Die steuerfreie Kostenpauschale der<br />
Abgeordneten, 2004, 21 ff.<br />
len Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar. 35<br />
Trotz der Qualifizierung als sonstige Einkünfte<br />
nimmt § 22 Nr. 4 S. 4 EStG eine Annäherung an<br />
andere Einkunftsarten vor, indem andere Normen<br />
für entsprechend anwendbar erklärt werden:<br />
§§ 3 Nr. 62 (Behandlung von Nachversicherungsbeiträgen<br />
und Zuschüssen für Krankenund<br />
Pflegeversicherungsbeiträgen wie steuerfreie<br />
Arbeitgeber- Sozialversicherungsbeiträge), 19 II<br />
(Anwendung des Versorgungsfreibetrages auch<br />
auf abgeordnetenrechtliche Versorgungsbezüge),<br />
34 I (Behandlung von Übergangsgeldern und<br />
Versorgungsabfindungen als außerordentliche<br />
Einkünfte), 34c I EStG (Anrechnung der Gemeinschaftssteuer<br />
nach Art. 12 des Abgeordnetenstatuts<br />
des Europäischen Parlaments auf die<br />
deutsche ESt).<br />
2. Steuerfreie Einnahmen<br />
Nach § 3 Nr. 12 S. 1 EStG sind die aus einer<br />
Landes- oder Bundeskasse gezahlten Bezüge, die<br />
in einem Bundes-, Landesgesetz oder einer bundes-<br />
oder landesrechtlichen Verordnung von der<br />
Bundes- oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung<br />
festgesetzt sind und als<br />
Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen<br />
werden, steuerfrei. Durch die Befreiung<br />
soll eine pauschalierte Abgeltung von Aufwendungen<br />
ohne Einzelprüfung über die Höhe<br />
des tatsächlich entstandenen Aufwandes ermöglicht<br />
werden. 36 Das Tatbestandsmerkmal „Festsetzung“<br />
statuiert, dass es nur auf ebendiese ankommt,<br />
nicht jedoch darauf, ob tatsächlich zu ersetzender<br />
Aufwand vorliegt. Für den Ausweis im<br />
Haushaltsplan ist es ausreichend, dass der Gesamtbetrag<br />
der Aufwandsentschädigungen dort<br />
ausgewiesen wird. 37<br />
Das BVerfG erklärte die Vorschrift mit Beschluss<br />
vom 11.11.1998 38 für unvereinbar mit<br />
Art. 3 I GG. Zur Begründung führte es aus, die<br />
Steuerbefreiung bestehe unabhängig von der Er-<br />
35 Lohr, DStR 1997, 1230, 1232.<br />
36 Der Begriff „Aufwendungen“ ist in diesem Zusammenhang<br />
weiter als der Werbungskostenbegriff zu verstehen,<br />
vgl. BFH BStBl III 1965, 144.<br />
37 Bergkemper in: Herrmann/Heuer/Raupach (Hrsg.),<br />
EStG/KStG Bd. 2, § 3 Nr. 12 Rn. 10.<br />
38 BVerfGE 99, 280.<br />
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