Glaube und Zweifel - Studi38

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08.01.2013 Aufrufe

Nichts für schwache Nerven die pRomotion: Vom langen Weg Zu höchSten aKademiSchen Weihen Von Shirin Schönberg Lars hat Chemie studiert. Als er sich entschieden hat zu promovieren, war gerade Wirtschaftskrise. Es war für Absolventen schwierig Jobs zu finden. Für einen Chemiker ohne Doktor war es praktisch unmöglich. Wer als Chemiker etwas werden will, der braucht den Doktor. Auch in wirtschaftlich rosigeren Zeiten kommt man mit dem Diplom nicht weit. „Für die Promotion habe ich mich entschieden, weil ich als Chemiker mit Diplom nicht die Möglichkeit habe besonders hoch aufzusteigen oder weiter Forschung zu be- treiben“, erklärt Lars. Damit ist er keine Ausnahme. Viele, die sich nach dem Studium für eine Promotion entscheiden, wollen nicht Professor werden, sondern mit dem Doktor ihre Ein- und Aufstiegschancen in der Wirtschaft verbessern. Eine Beobachtung, die auch die Promotionsberater Claudia Banke und Dr. Ferdinand Esser gemacht haben. Sie sind Mitarbeiter der Zentralen Studienberatung der TU Braunschweig und Ansprechpartner für Studierende und Absolventen, die sich mit dem Gedanken tragen zu promovieren. „In bestimm- 44 ten Berufsfeldern ist die Promotion für den Berufseinstieg hilfreich“, erklärt Claudia Banke. „Allerdings kann in den Naturwissenschaften die Promotion als selbsterfüllende Prophezeiung beobachtet werden.“ Es besteht die Gefahr, dass die Unternehmen keine Master-Absolventen einstellen, wenn sie einen Doktor bekommen können. Andererseits wissen die Unternehmen auch nicht, was Master-Absolventen für Fähigkeiten besitzen, solange den Studenten dieser Fachrichtungen gesagt wird, sie müssten promovieren, um einen Job zu

Fotos: Maria Boger, Privat bekommen. „Wenn die Unternehmen eine Promotion fordern, hat man natürlich keine andere Wahl“, meint auch Dr. Ferdinand Esser. „Außerdem kann es mit Doktor leichter sein, sich im Unternehmen in Richtung Führungsebene durchzusetzen.“ Auch bei Tobi gab die Verbesserung der Jobchancen den Ausschlag für die Promotion. Es sah auch alles gut aus. Das Thema seiner Dissertation war durch die Arbeiten seiner Vorgänger vorgegeben, er durfte selbst darüber entscheiden, welche Geräte angeschafft werden und war mit der Betreuung zufrieden. Die böse Überraschung kam, als er seinem Professor die erste Version seiner fertigen Doktorarbeit vorlegte. „Er hat erst mal ein halbes Jahr Zeit gebraucht, um meine Arbeit zu lesen und mir dann nur Textkorrekturen gegeben, obwohl es eigentlich um den Inhalt gehen sollte“, erzählt Tobi. Auch bei der überarbeiteten Version ließ sich sein Betreuer Zeit. „Nachdem wieder ein halbes Jahr nichts passiert ist, habe ich versucht ein bisschen Druck zu machen. Daraufhin hat mein Professor beschlossen die Arbeit einfach nicht zu lesen und mir per Mail mitzuteilen, dass das Ganze nicht gut genug ist und er es nicht bewerten wird.“ Ganz anders lief es bei Martin Eisemann. Er hat Computervisualistik in Koblenz studiert und am Institut für Computergraphik der TU promoviert. Obwohl in Martins Fachrichtung keine Promotion nötig ist, um einen gut bezahlten Job zu finden, hat er sich entschieden an der Uni zu bleiben. „Mir wurde immer gesagt, wenn ich Geld verdienen will, dann soll ich es lassen und keinen Doktor machen. Wenn man direkt in die Wirtschaft geht, verdient man sehr viel mehr“, erzählt er. Doch Martin wollte nicht in die Wirtschaft, sondern in die Wissenschaft. Fünf Jahre hat er an seiner Dissertation gearbeitet, gerade hat er eine Postdoc-Stelle an seinem Institut bekommen, das nächste Ziel heißt Professor. „Ich finde die wissenschaftliche Arbeit spannender und das Umfeld toll. Mir graut es vor Fabrikgeländen. Die Atmosphäre an der Uni ist angenehmer und inspirierender“, sagt er. Fragt man die Promotionsberater hatte Martin mit seiner Stelle Glück. Häufig können Institute ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter nur drei Jahre finanzieren. Das letzte halbe Jahr sollte eigentlich zum Zusammenschreiben der Doktorarbeit genutzt werden, was jedoch oft nicht ausreicht, da die wissenschaftlichen Mitarbeiter in den Instituten auch viele andere Aufgaben übernehmen. Laut Dr. Ferdinand Esser verbreitet sich dadurch nicht selten eine andere Praxis. „Es kann vorkommen, dass sich Mitarbeiter nach drei Jahren arbeitslos melden müssen und zuhause 45 „Es kann mit Doktor leichter sein, sich im Unternehmen in RichtungFührungsebene durchzu- setzen.“ Dr. Ferdinand Esser „In bestimmtenBerufsfeldern ist die Promotion für den Berufseinstieg hilfreich.“ Claudia Banke ihre Doktorarbeit f e r t i g s t e l l e n “ , erklärt er. Der Wissenschaftszeitvertrag macht es möglich. Demnach dürfen Wissenschaftler immer wieder befristete Verträge bekommen. Läuft dann nach drei Jahren der Vertrag aus und die Doktorarbeit ist noch nicht fertig, wird mit Arbeitslosengeld weitergearbeitet. Vom Betrug am Arbeitsamt ganz abgesehen, ist diese Regelung merkwürdig für ein Land, in dem ständig die Rede davon ist, dass mehr qualifizierte Nachwuchskräfte für die Bereiche Forschung und Entwicklung gebraucht werden. Eine Studie der TU Berlin, die 2009 im Auftrag von ver.di durchgeführt wurde, kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass befristete Verträge sich negativ auf die Arbeitsmotivation der wissenschaftlichen Mitarbeiter auswirken. 47 Prozent der Befragten gaben an, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses ein besonders demotivierender Faktor ist. Eigentlich ein alarmierendes Ergebnis. Schließlich werden die großen Innovationen, die die vielseitigen Probleme unserer Zeit lösen sollen, wahrscheinlich nicht von jungen Forschern gefunden, die zuhause vor ihren Laptops sitzen und auf die Überweisung des Arbeitslosengeldes warten. Lars befindet sich in der Endphase seiner Promotion und hofft im nächsten halben Jahr seine Doktorarbeit zu schaffen. Wie auch Martin und Tobi wurde er als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Möglichkeit zur Promotion eingestellt. Diese individuelle Promotion ist der Standardweg zum Doktor. Zwar gibt es in einigen Fächern auch Promotionsstudiengänge und die Möglichkeit in einem Unternehmen zu promovieren, diese machen jedoch einen geringeren Anteil aus. Dass der Doktorvater bei der individuellen Promotion gleichzeitig der Chef ist, kann es für die Promo-

Fotos: Maria Boger, Privat<br />

bekommen. „Wenn die Unternehmen<br />

eine Promotion fordern, hat man natürlich<br />

keine andere Wahl“, meint auch<br />

Dr. Ferdinand Esser. „Außerdem kann<br />

es mit Doktor leichter sein, sich im Unternehmen<br />

in Richtung Führungsebene<br />

durchzusetzen.“<br />

Auch bei Tobi gab die Verbesserung<br />

der Jobchancen den Ausschlag für die<br />

Promotion. Es sah auch alles gut aus.<br />

Das Thema seiner Dissertation war<br />

durch die Arbeiten seiner Vorgänger<br />

vorgegeben, er durfte selbst darüber<br />

entscheiden, welche Geräte angeschafft<br />

werden <strong>und</strong> war mit der Betreuung zufrieden.<br />

Die böse Überraschung kam,<br />

als er seinem Professor die erste Version<br />

seiner fertigen Doktorarbeit vorlegte.<br />

„Er hat erst mal ein halbes Jahr<br />

Zeit gebraucht, um meine Arbeit zu lesen<br />

<strong>und</strong> mir dann nur Textkorrekturen<br />

gegeben, obwohl es eigentlich um den<br />

Inhalt gehen sollte“, erzählt Tobi. Auch<br />

bei der überarbeiteten Version ließ sich<br />

sein Betreuer Zeit. „Nachdem wieder<br />

ein halbes Jahr nichts passiert ist, habe<br />

ich versucht ein bisschen Druck zu machen.<br />

Daraufhin hat mein Professor beschlossen<br />

die Arbeit einfach nicht zu lesen<br />

<strong>und</strong> mir per Mail mitzuteilen, dass<br />

das Ganze nicht gut genug ist <strong>und</strong> er es<br />

nicht bewerten wird.“<br />

Ganz anders lief es bei Martin Eisemann.<br />

Er hat Computervisualistik in<br />

Koblenz studiert<br />

<strong>und</strong> am Institut<br />

für Computergraphik<br />

der TU<br />

promoviert. Obwohl<br />

in Martins<br />

Fachrichtung keine<br />

Promotion nötig<br />

ist, um einen<br />

gut bezahlten Job<br />

zu finden, hat<br />

er sich entschieden<br />

an der Uni<br />

zu bleiben. „Mir<br />

wurde immer<br />

gesagt, wenn ich Geld verdienen will,<br />

dann soll ich es lassen <strong>und</strong> keinen Doktor<br />

machen. Wenn man direkt in die<br />

Wirtschaft geht, verdient man sehr viel<br />

mehr“, erzählt er. Doch Martin wollte<br />

nicht in die Wirtschaft, sondern in die<br />

Wissenschaft. Fünf Jahre hat er an seiner<br />

Dissertation gearbeitet, gerade hat<br />

er eine Postdoc-Stelle an seinem Institut<br />

bekommen, das nächste Ziel heißt Professor.<br />

„Ich finde die wissenschaftliche<br />

Arbeit spannender <strong>und</strong> das Umfeld toll.<br />

Mir graut es vor Fabrikgeländen. Die Atmosphäre<br />

an der Uni ist angenehmer<br />

<strong>und</strong> inspirierender“, sagt er.<br />

Fragt man die Promotionsberater<br />

hatte Martin mit seiner Stelle Glück.<br />

Häufig können Institute ihre wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiter nur drei Jahre<br />

finanzieren. Das letzte halbe Jahr sollte<br />

eigentlich zum Zusammenschreiben<br />

der Doktorarbeit genutzt werden, was<br />

jedoch oft nicht ausreicht, da die wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiter in den Instituten<br />

auch viele andere Aufgaben<br />

übernehmen. Laut Dr. Ferdinand Esser<br />

verbreitet sich dadurch nicht selten eine<br />

andere Praxis. „Es kann vorkommen,<br />

dass sich Mitarbeiter nach drei Jahren<br />

arbeitslos melden müssen <strong>und</strong> zuhause<br />

45<br />

„Es kann mit<br />

Doktor<br />

leichter<br />

sein, sich im<br />

Unternehmen<br />

in RichtungFührungsebene<br />

durchzu-<br />

setzen.“<br />

Dr. Ferdinand Esser<br />

„In bestimmtenBerufsfeldern<br />

ist<br />

die Promotion<br />

für<br />

den Berufseinstieg<br />

hilfreich.“<br />

Claudia Banke<br />

ihre Doktorarbeit<br />

f e r t i g s t e l l e n “ ,<br />

erklärt er. Der<br />

Wissenschaftszeitvertrag<br />

macht<br />

es möglich. Demnach<br />

dürfen<br />

Wissenschaftler<br />

immer wieder befristete<br />

Verträge<br />

bekommen. Läuft<br />

dann nach drei<br />

Jahren der Vertrag<br />

aus <strong>und</strong> die<br />

Doktorarbeit ist noch nicht fertig, wird<br />

mit Arbeitslosengeld weitergearbeitet.<br />

Vom Betrug am Arbeitsamt ganz abgesehen,<br />

ist diese Regelung merkwürdig<br />

für ein Land, in dem ständig die Rede<br />

davon ist, dass mehr qualifizierte Nachwuchskräfte<br />

für die Bereiche Forschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung gebraucht werden.<br />

Eine Studie der TU Berlin, die 2009 im<br />

Auftrag von ver.di durchgeführt wurde,<br />

kommt außerdem zu dem Ergebnis,<br />

dass befristete Verträge sich negativ auf<br />

die Arbeitsmotivation der wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiter auswirken. 47 Prozent<br />

der Befragten gaben an, dass die<br />

Befristung des Arbeitsverhältnisses ein<br />

besonders demotivierender Faktor ist.<br />

Eigentlich ein alarmierendes Ergebnis.<br />

Schließlich werden die großen Innovationen,<br />

die die vielseitigen Probleme unserer<br />

Zeit lösen sollen, wahrscheinlich<br />

nicht von jungen Forschern gef<strong>und</strong>en,<br />

die zuhause vor ihren Laptops sitzen<br />

<strong>und</strong> auf die Überweisung des Arbeitslosengeldes<br />

warten.<br />

Lars befindet sich in der Endphase seiner<br />

Promotion <strong>und</strong> hofft im nächsten<br />

halben Jahr seine Doktorarbeit zu schaffen.<br />

Wie auch Martin <strong>und</strong> Tobi wurde<br />

er als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

mit Möglichkeit zur Promotion eingestellt.<br />

Diese individuelle Promotion ist<br />

der Standardweg zum Doktor. Zwar gibt<br />

es in einigen Fächern auch Promotionsstudiengänge<br />

<strong>und</strong> die Möglichkeit in<br />

einem Unternehmen zu promovieren,<br />

diese machen jedoch einen geringeren<br />

Anteil aus. Dass der Doktorvater bei<br />

der individuellen Promotion gleichzeitig<br />

der Chef ist, kann es für die Promo-

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