Glaube und Zweifel - Studi38
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Campus<br />
Rettet den Hipster!<br />
Was als inhaltslose Modebewegung begann, stößt auf Abscheu <strong>und</strong> Gegenwehr. Warum eigentlich stören uns Hipster?<br />
Von Benedikt Crone<br />
Look at this fucking Hipster“, ist<br />
nicht nur ein Blog im Internet, der<br />
junge Männer vorführt, die Vollbart<br />
wie Röhrenjeans tragen <strong>und</strong> eine<br />
Wollmütze leicht über den Hinterkopf<br />
stülpen. Dieser Satz könnte auch von<br />
einem texanischen Touristen stammen,<br />
der die Berliner Weserstraße im Bezirk<br />
Neukölln hoch zum Hermannplatz<br />
wandert. Der Ami stünde mit seinem<br />
Hass auf Hipness nicht alleine dar. Ein<br />
leidenschaftliches Hipster-Bashing hat<br />
längst das konservative Milieu verlassen<br />
<strong>und</strong> die breite Gesellschaft erreicht.<br />
Der Vorwurf, ein Hipster zu sein, erinnert<br />
inzwischen an eine Geschlechtskrankheit,<br />
die man dem anderen unterstellt,<br />
obwohl es einem schon selbst in<br />
der Hose juckt. Höchste Zeit, den Hipster<br />
unter Artenschutz zu stellen!<br />
Woher rührt diese neue Form der<br />
Hexenjagd? Es gibt durchaus Gründe,<br />
die Vertreter dieses Modestils auf den<br />
Scheiterhaufen treiben zu wollen. Durften<br />
sich ursprünglich nur auserwähl-<br />
te Musiker, Künstler <strong>und</strong> Literaten im<br />
Amerika der 50er <strong>und</strong> 60er Jahre als<br />
„hip“ betiteln, sind die heutigen Hipster<br />
eher benebelt von der Vorstellung<br />
zu einer Avantgarde zu gehören, ohne<br />
dafür auch nur einen Finger zu rühren<br />
– es sei denn, es geht darum, sich als<br />
Mann den Schnurrbart zu stutzen oder<br />
als Frau die Schlafanzughose so weit es<br />
geht über den Bauchnabel zu ziehen.<br />
Diese Frechheit, sich für etwas Besseres<br />
zu halten, nur weil man in Braunschweig<br />
Kunst studiert, in Berlin seine<br />
Wochenenden verbringt <strong>und</strong> ein postmodernes<br />
Potpourri im Kleiderschrank<br />
hängen hat, ist wohl die erstgenannte<br />
Antwort auf die Frage, die sich auch der<br />
britische Guardian stellte: „Why do people<br />
hate hipsters?“<br />
Was den Anblick eines Hipsters<br />
aber für viele sicherlich unerträglich<br />
macht, ist die Tatsache, dass dieser<br />
Szene-Mensch provoziert, ohne für<br />
eine erkennbare Ideologie einzutreten.<br />
Der Hipster ist die in Person geworde-<br />
24<br />
ne Oberfläche, als wäre Andy Warhol<br />
sein Ziehvater gewesen. Er greift die<br />
Klischees auf, die die Gesellschaft zur<br />
Einordnung von Randgruppen <strong>und</strong> Außenseitern<br />
angelegt hat: Die Brille eines<br />
Computernerds, die Jute-Tüte eines<br />
Ökofreaks <strong>und</strong> das auf alt gemachte<br />
Shirt mit dem Wolfskopf, als hätte es<br />
die letzten Jahre ein übergewichtiger<br />
Unterschichten-Amerikaner getragen.<br />
Die Haltung ist androgyn; der Körper<br />
abgemagert.<br />
Der Hipster steht für alles auf einmal,<br />
was in unseren Breitengraden schon<br />
viel Prügel einstecken musste. Er bricht<br />
mit unserem gewohnten Einordnen<br />
von Menschen in Klischees <strong>und</strong> Stereotypen,<br />
in Gewinner <strong>und</strong> Verlierer. Und<br />
für diese Leistung feiern sich die Hipster<br />
gegenseitig – ohne etwas zu tun. Das<br />
aber 24 St<strong>und</strong>en am Tag. Sieben Tage<br />
die Woche.<br />
Hut ab, Hipster! Jetzt nur nicht dem<br />
Anti-Hype folgen <strong>und</strong> die Jutetüte doch<br />
wieder zuhause lassen! #<br />
Foto: cubm<strong>und</strong>o