Campus Alles auf 1 Karte! 20 Foto: Fabian Stürtz
Campus Die meisten kennen den Rapper René El Khazraje nur als MC Rene oder Reen. Seine Freestyle-Künste waren in den 90ern legendär. 2005 veröffentlichte er seine bisher letzte Platte. Nach fünf Jahren Abstinenz setzte er im April 2010 schließlich Alles auf eine Karte: Der Braunschweiger kündigte seine Wohnung, verschenkte sein Hab <strong>und</strong> Gut, kaufte sich eine Bahncard 100 <strong>und</strong> wollte fortan vom Zug aus eine Karriere als Stand-Up-Comedian starten. Darüber schreibt er jetzt ein Buch. studi38 hat ihn angerufen <strong>und</strong> gefragt, in welchem Zug er gerade sitzt. Von Nico Bensch Wo steckst du gerade? Gerade bin ich sogar in Braunschweig, weil ich gleich mit meiner Mutter essen gehe. Bist du noch oft hier? Ich mache immer gerne einen Stopp hier. Dadurch, dass ich so viel reise, sehe ich meine Fre<strong>und</strong>e hier sogar häufiger. Als ich noch in Berlin gewohnt habe, kam ich nicht so oft dazu das schöne Braunschweig zu besuchen. Fehlen dir eigene vier Wände nicht? Ich habe mich ehrlich gesagt schon an diesen Zustand gewöhnt. Es gibt viele konkrete Anlaufpunkte, an die ich mich zurückziehen kann. Ab <strong>und</strong> zu ergibt sich auch mal was spontan. Ich bin immer da zu Hause, wo ich mich wohlfühle. Bei aller Spontanität klingt das nach viel Planung. Ja, das ist relativ schwierig. Ich hab zwar meinen Terminkalender, aber oft ergeben sich Auftritte auch von heute auf morgen. Durch die Bahncard bin ich total mobil – deswegen werde ich oft gefragt, ob ich kurzfristig auftreten kann. In der Comedy Fuß fassen ist das Eine, aber wieso hast du gleich dein ganzes Leben umgekrempelt? Das war auch ein finanzieller Gr<strong>und</strong>. Mit einer Bahncard 100 <strong>und</strong> zusätzlicher Miete müsste ich jeden Cent umdrehen. Außerdem wäre ich eh fast nie zu Hause gewesen. Ich habe sehr lange überlegt, ob ich diesen Schritt machen soll. Aber sich von allen Altlasten zu trennen hat sich gut angefühlt <strong>und</strong> markiert einen neuen Lebensabschnitt. Siehst du Parallelen zum Studentendasein? (lacht) Ich versuche quasi meinen Master in Comedy zu machen. Die komplette Show ist dann meine Abschlussarbeit. Viele Studierende wissen nicht was morgen ist <strong>und</strong> blicken in eine unsichere Zukunft. Das hat doch letztendlich jeder Mensch. Ein geregelter Tagesablauf ist nur eine Illusion, eine Scheinsicherheit. Ich kenne ja nur das unsichere Leben, weil ich schon mein ganzes Leben Künstler bin. Wieso hast du dich nicht für ein Comeback als Hip-Hop-Künstler entschieden? Wenn ich ein Comeback starte, dann nur über den Erfolg in der Comedy. Irgendwann ging es musikalisch für mich nicht mehr weiter. Es kamen viele neue angesagte Künstler <strong>und</strong> ich hatte keine Lust einen auf Gangster zu machen nur weil es angesagt war. Irgendwann dachte ich: „Warum nicht Comedy?“ Warum Comedy? Rapper erzählen im Prinzip auch Geschichten. In der Comedy kann ich mit meiner Energie <strong>und</strong> meinem Potential noch mehr Menschen erreichen als mit Hip-Hop – Humor ist generationsübergreifend. In deinem ersten Set spielst du trotzdem gezielt mit den Klischees des Hip-Hop. Natürlich bleibe ich dem Thema treu. Ich werde ja nicht von der Hip-Hop-Polizei angesprochen, dass ich ab jetzt keinen Hip-Hop mehr machen darf. Ich sehe mich auch ein wenig als Missionar für den Hip-Hop als Lösung für die Probleme der Welt. Obwohl die heutige Szene keinen friedlichen Ruf hat. Damit zu spielen ist ja gerade der Witz. Ich komme aus einer ganz anderen Generation von Hip-Hoppern. Früher waren Respekt <strong>und</strong> Kreativität die höchsten Werte. Was ist eigentlich, wenn keiner lacht? Das ist natürlich frustrierend, aber da musst du durch. Im Nachhinein bin ich für solche Auftritte aber sogar dankbar, denn sie bringen einen weiter. 21 Kannst du an dieser Stelle mit Bahnvorurteilen aufräumen? (lacht) Für mich ist Bahnfahren Alltag geworden – so wie für andere die Straßenbahn. Ich lasse mich deshalb nicht mehr stressen <strong>und</strong> kenne ja auch schon die Tricks. Tricks? Zum Beispiel sind erfahrungsgemäß hinten immer noch frei Plätze, egal wie voll die Bahn ist. Jetzt fährst du viel durch die Gegend – was ist dein großes Ziel? Mein persönliches Ziel wäre eine Mischung aus Comedy <strong>und</strong> Hip-Hop Konzert. Ich glaube, dass ich auf jeden Fall eine neue Nische besetzen konnte. Wie erfolgreich das dann letztendlich wird weiß ich nicht. Vielleicht sitze ich bald mit meinem Buch bei Stefan Raab <strong>und</strong> zeige meinen Eintracht-Schal. Es gibt ein Video von dir, in dem dich eine böse Stimme fragt, ob MC für „Miese Comedy“ steht. <strong>Zweifel</strong>st du innerlich doch? (lacht) Das ist an Gollum angelehnt. Und nein, ich parodiere mich einfach gerne selbst <strong>und</strong> diese ganze Aktion. Klar bekomme ich oft Mails mit „Los, mach wieder ein Album!“, aber im Moment ziehe ich diesen Weg durch. Lohnt sich der Weg denn für dich? Auf jeden Fall! Nicht nur finanziell, sondern vor allem menschlich. Man ist viel freier. Blockaden <strong>und</strong> Zukunftsängste sind weg. Ich kann machen, was ich will. Und wer will das nicht? # Infos MC Rene bloggt fleißig über seine bisherigen Stationen unter →www.mcrene.de