Glaube und Zweifel - Studi38
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„Von Deutschland<br />
sind viele enttäuscht“<br />
Wail Moammer lebt in Tripolis. Der 31-Jährige arbeitet seit seiner Rückkehr als Übersetzer für die<br />
Nachrichtenagentur Associated Press <strong>und</strong> gehört der Minderheit der Berber an, die vom Gaddafi-Regime besonders<br />
unterdrückt wurden. studi38 hat sich mit ihm in einem Chat getroffen.<br />
Von Holger Isermann<br />
Du bist aus Libyen geflohen. Wie lange<br />
warst du außer Landes?<br />
Ich habe Libyen im Juli verlassen.<br />
Warum?<br />
Weil ich als Nicht-Araber an jedem Check<br />
Point in Tripolis ins Visir genommen wurde.<br />
Ich bin 5 Monate in der Stadt geblieben <strong>und</strong><br />
konnte mir keine Waffe besorgen oder mich<br />
vor Gaddafi´s Leuten schützen.<br />
Für dich als Berber wurde es also zu gefähr-<br />
18<br />
Video<br />
→facebook.de/<br />
studi38<br />
lich, um zu bleiben?<br />
Nun, alle hauptsächlich von Berbern<br />
bewohnten Städte haben sich auf die Seite der<br />
Freiheitskämpfer gegen Gaddafi geschlagen.<br />
Deshalb wurde ich wie alle Berber in Tripoli<br />
ins Visir genommen.<br />
Glaubst du, dass die westlichen Medien den<br />
Bürgerkrieg <strong>und</strong> die Gräueltaten angemessen<br />
abgebildet haben?<br />
Es war zufriedenstellend. Deutschland war<br />
ein spezieller Fall. Es gibt diesen Deutschen<br />
Fernsehkanal, DWTV, der war Mist <strong>und</strong> niemand<br />
den ich kenne, hat sich den angeschaut.<br />
Die deutschen Medien haben zum Beispiel<br />
berichtet, dass Gaddafi seinen Soldaten<br />
Viagra verabreichen ließ <strong>und</strong> sie zu<br />
Massenvergewaltigungen angestachelt hat.<br />
Glaubst du, dass solche Verbrechen stattgef<strong>und</strong>en<br />
haben?<br />
Mit technischer Hilfe von außerhalb konnten<br />
die Freiheitskämpfer Telefonate von vielen<br />
Ministern der Gaddafiregierung <strong>und</strong> seinen<br />
Kriegsherren abhören. In vielen wurden<br />
Vergewaltigungen <strong>und</strong> Folter befohlen. In einem<br />
dieser Telefonate, das auch im libyschen<br />
Fernsehen veröffentlicht wurde, hat Gaddafis<br />
Premierminister, Al Baghadadi Al Mahoumdi<br />
belustigt davon gesprochen, dass er den Truppen<br />
in meiner Heimatstadt Zware Vergewaltigungen<br />
an den dortigen Frauen befohlen hat.<br />
Das Tonband mit diesem Gespräch wurde übrigens<br />
vom Internationalen Gerichtshof als<br />
glaubwürdiger Beweis anerkannt.<br />
Was hast du gefühlt als du wieder<br />
über die Libyische Grenze ins Land<br />
eingereist bist?<br />
Das kann ich dir ganz genau sagen,<br />
hier ist ein Video, dass ich damals gemacht<br />
habe.<br />
Wie sieht der Alltag in Libyen aus?<br />
Nun, fast jeder hier ist bewaffnet. Davon abgesehen<br />
ist es viel sicherer geworden als vor<br />
Gaddafis Sturz. Die Währung ist nicht kollabiert<br />
<strong>und</strong> die Läden sind voll auch wenn alles<br />
bis zu 50 Prozent teurer ist als vor dem Krieg.<br />
Wasser, Strom, Telefon <strong>und</strong> Internet funktionieren<br />
mittlerweile wieder recht gut hier in<br />
Tripolis. Es geht mit großen Schritten in Richtung<br />
Normalität.<br />
Foto: Privat