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Glaube und Zweifel - Studi38

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Ein bisschen Frieden<br />

<strong>und</strong> einen Stempel bitte!<br />

gaSthöReR heineR BilleR hat eine Spannende geSchichte <strong>und</strong> Sie eRZählt<br />

Von Lisa Simon<br />

Es ist 9.45 Uhr – die Vorlesung<br />

beginnt. Inmitten der Studentenschar<br />

sitzt Gasthörer Heiner<br />

Biller. Schmunzelnd lehnt er sich<br />

in seinem mäßig bequemen Holzstuhl<br />

zurück <strong>und</strong> beobachtet die Studenten.<br />

Was ihn von all den anderen unterscheidet?<br />

Sein graues Haar? Eine ordentliche<br />

Portion Lebenserfahrung? Auf jeden<br />

Fall eine Geschichte, die einen sprachlos<br />

macht…<br />

Der gebürtige Bayer ist pensionierter<br />

Hauptkommissar. Der Beruf des Polizisten<br />

kam anfangs eigentlich nie für<br />

ihn in Frage. Bald nahm sein Leben allerdings<br />

Wege, die ihn geradewegs in<br />

eine grüne Uniform steckten. Und dann<br />

kam München. Gerade die Ausbildung<br />

abgeschlossen bekam er einen Einsatz<br />

bei den Olympischen Spielen 1972. Zur<br />

falschen Zeit am falschen Ort – Heiner<br />

Biller geriet in das Attentat einer palästinensischen<br />

Terrororganisation an der<br />

israelischen Mannschaft. Und er überlebte.<br />

Dieses Ereignis führte schnell zu<br />

einer Neuordnung der Polizei. Und so-<br />

Campus<br />

mit wurde das Mobile Einsatzkommando<br />

(MEK) ins Leben gerufen. Mit dabei<br />

Heiner Biller, denn er hatte ja nun „Terrorerfahrung“.<br />

„Beim MEK waren wir<br />

die Besten zu unserer Zeit. Aber die Zeit<br />

geht weiter.“ Sein Gesicht wirkt sehr angespannt,<br />

wenn er sich zurückerinnert<br />

– schlaflose Nächte, Adrenalin, Angst.<br />

Das Alter schritt voran, die Pension<br />

rückte näher <strong>und</strong> Heiner Biller wollte<br />

seinen, wie er ihn nennt, „dritten<br />

Lebensabschnitt“ beginnen. Aber der<br />

zweite war noch lange nicht abgeschlossen.<br />

Er wollte in sich aufräumen, den<br />

Kopf frei bekommen. Und so begab er<br />

sich 2006 auf den Jakobsweg. Die Frage<br />

„Warum tust du dir das eigentlich an?“<br />

stellte er sich nicht nur einmal. Dann<br />

traf er eine holländische Nonne, die<br />

sein Leben veränderte. Leichten Schrittes<br />

überholte sie den schnaufenden Biller,<br />

der völlig verw<strong>und</strong>ert fragte „Wie<br />

machen Sie das?“ Die Nonne erwiderte<br />

wie selbstverständlich: „Beten Sie.“<br />

Doch der Pilger zweifelte. Bruchstückhaft<br />

kam das Vaterunser nach 43-jähri-<br />

14<br />

ger Kirchenabstinenz nach <strong>und</strong> nach<br />

zurück in sein Gedächtnis. Und tatsächlich<br />

half es ihm die drückenden Schuhe<br />

zu vergessen. „Auf einmal fielen mir<br />

Bilder ein, als wäre es gestern gewesen.“<br />

Mit der Zeit kamen weitere dazu. „Man<br />

sieht das Geschehene plötzlich aus ganz<br />

anderen Perspektiven.“ Doch es ging<br />

ihm nicht darum herauszufinden, was<br />

hätte sein können, sondern was war.<br />

„Hätte“ gehört für ihn nämlich zu den<br />

deutschen Unwörtern: „Ich habe es aus<br />

meinem Wortschatz gestrichen.“<br />

Im Jahr 2008 stand seine zweite Pilgereise<br />

an: der Weg nach Rom. Von<br />

Oberstdorf sollte es losgehen. Doch der<br />

Start war mehr als holprig. Um in den<br />

Klöstern entlang des Pilgerweges übernachten<br />

zu dürfen, ist ein kirchlicher<br />

Stempel nötig. Vor seiner Reise kontaktierte<br />

er den zuständigen Pfarrer in<br />

Oberstdorf mehrfach per Mail. Aber es<br />

kam keine Antwort.<br />

Also schlug er in der Kirche persönlich<br />

auf <strong>und</strong> bat um den Stempel <strong>und</strong><br />

den sogenannten Pilgersegen. Der Pfar-<br />

Fotos: lobo studio hamburg, Lisa Simon

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