Glaube und Zweifel - Studi38

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08.01.2013 Aufrufe

Campus You and me everyday die KünStleRin eliSaBeth WuRSt Will mit peRfoRmanceS die menSchen Zum nachdenKen BRingen Von Janina Göbel Eine Tankstelle im tiefen, verschneiten Winter in Braunschweig. Menschen betanken unter Eile ihre Autos, bezahlen und fahren wieder. In der tristen Alltagshektik fällt eine junge Frau auf, die tänzelnd um die Tanksäulen herumläuft, sie umarmt und liebevoll mit altbekannten Popsongs wie „Quit playin‘ Games“ von den Backstreet Boys ansingt. Die kritischen Blicke der Passanten scheinen ihr egal zu sein, sie hat nur Augen für die Tankstation… Diese zunächst seltsam wirkende Szene stammt aus der Abschlussarbeit der Künstlerin Elizabeth Wurst. Die Diplomandin der Freien Kunst gab studi38 Einblicke in ihre Arbeiten. Ihre Videoperformance mit dem Titel „You and me everyday“ widmet sich dem kontrovers diskutierten Thema der Energie- versorgung. Für ihre Installation fertigte sie zwei Videos an, die gleichzeitig auf zwei nebeneinander angebrachten Projektionsflächen gezeigt werden. Ihre Abschlussarbeit war im Juli auf dem HBK Rundgang zu sehen. Weitere Ausstellungen sollen nun folgen. Einer der beiden Filme wird auf einer fünf Meter großen Wand ausgestrahlt und zeigt die Künstlerin wie beschrieben Lovesongs singend an verschiedenen Tankstellen in Braunschweig. Die unabdingbare Verbindung von Popsongs und Liebe möchte Wurst durch ihre Arbeit auf die Abhängigkeit der Menschen von Energieressourcen übertragen. Die Videoperformance sei eine Art Popaktivismus. „Mit der großen Projektion möchte ich das Gefühl vermitteln, dass man sich mitten auf der Straße befindet und der Zuschauer in die 10 Arbeit körperlich eingebunden ist“, so Wurst. Dies werde nicht zuletzt auch durch die zusätzliche Anregung des Geruchssinns vermittelt. Die Leinwände wurden jeweils mit Diesel besprüht und verströmen einen dezenten Benzingeruch. Gleichzeitig zu dieser Projektion wird auf einer kleineren Wand ein Video abgespielt, in dem Wurst in der heißen Wüste Perus vor einer Ölförderungsanlage eine Choreografie performt. „Mein Ziel war es die Bewegungen der Ölpumpe nachzuahmen“, sagt die Künstlern. So wollte sie darstellen, wie sich die Menschen an den von der Industrie vorgegebenen Takt zwanghaft anpassen. Für das Projekt ist die Braunschweigerin extra nach Peura in Peru gereist. Die beiden Projektionen zeigen außerdem den krassen Gegensatz zwi-

Fotos: Philipp Pohlmann, Kristina Branz „Wenn man so etwas macht, ist es eine politische Geste, ein Akt der Rebellion.“ Elisabeth Wurst schen den Industrieländern und der dritten Welt. „Die reiche erste Welt nimmt sich die Ressourcen, die in der dritten Welt gefördert werden“. Wichtig sei es ihr daher, den Besuchern mit ihrer Arbeit die Endlichkeit der Energieversorgung vor Augen zu führen, ihnen einen Denkanstoß zu geben und im besten Fall dadurch festgefahrene Verhaltensmuster bei den Zuschauern aufzubrechen. Viele Passanten, die Wurst während des Drehs an den Tankstellen beobachtet haben, reagierten irritiert und mit Unverständnis auf die Kunst im öffentlichen Raum. „Ich bin aber in meiner Rolle geblieben und habe mich nicht auf Gespräche während des Spielens eingelassen“, betont Wurst. Selbst dann nicht, als die Polizei gerufen wurde. Erst nach dem Dreh suchte die Künstlerin den Dialog mit den Menschen. Bei der Ausstellung auf dem HBK Rundgang fiel die Resonanz auf ihre Installation positiv aus. „Die meisten Besucher sind sehr interessiert oder lachen über das Video“. Elizabeth Wurst macht schon seit geraumer Zeit Kunst im öffentlichen Raum. 2010 gründete sie gemeinsam mit vier weiteren Künstlern „acutalitas“. Die Künstlervereinigung, die aus der Performancegruppe der HBK hervorgegangen ist, hat seitdem drei Projekte zu den Themen Macht, Natur und Konsum in Braunschweig durchgeführt. Aller Voraussicht nach wird im Oktober dank der Förderung durch Campus die HBK das nächste Projekt unter dem Motto „Privatwelten“ stattfinden. Dieses Mal soll der Unterschied zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit dargestellt werden und „dafür werden wir in verschiedenen Wohnungen performen“, so Wursts Plan. Der Künstlerin ist es wichtig die Menschen in ihre Arbeiten mit einzubeziehen. Ihre Kunst werde somit immer auch durch die Umwelt beeinflusst. „Wenn man so etwas macht, ist es eine politische Geste, ein Akt der Rebellion“, erläutert Wurst. Kunst und Leben gingen ihrer Meinung nach fließend ineinander über. Daher müsse Kunst im Alltag stattfinden und die Menschen zur Reflexion anregen. Dass die Passanten nicht immer sofort den Sinn hinter der Performance erkennen, macht der popaktivismus: elisabeth Wurst kuschelt mit der Zapfsäule. 11 Künstlerin nichts aus. Es bleibe trotzdem immer etwas hängen. „Ich übernehme oft die Rolle des Kunstvermittlers“, so Wurst. „Im Dialog kann ich mich mit den Zuschauern über das Gesehene austauschen und ihnen dabei helfen sich mit der Kunst aktiv auseinanderzusetzen.“ # Weitere Infos zu den Projekten von actualitas findet ihr unter →www.actualitas.org

Campus<br />

You and me everyday<br />

die KünStleRin eliSaBeth WuRSt Will mit peRfoRmanceS<br />

die menSchen Zum nachdenKen BRingen<br />

Von Janina Göbel<br />

Eine Tankstelle im tiefen, verschneiten<br />

Winter in Braunschweig.<br />

Menschen betanken<br />

unter Eile ihre Autos, bezahlen <strong>und</strong> fahren<br />

wieder. In der tristen Alltagshektik<br />

fällt eine junge Frau auf, die tänzelnd<br />

um die Tanksäulen herumläuft, sie umarmt<br />

<strong>und</strong> liebevoll mit altbekannten<br />

Popsongs wie „Quit playin‘ Games“ von<br />

den Backstreet Boys ansingt. Die kritischen<br />

Blicke der Passanten scheinen ihr<br />

egal zu sein, sie hat nur Augen für die<br />

Tankstation…<br />

Diese zunächst seltsam wirkende<br />

Szene stammt aus der Abschlussarbeit<br />

der Künstlerin Elizabeth Wurst. Die Diplomandin<br />

der Freien Kunst gab studi38<br />

Einblicke in ihre Arbeiten. Ihre Videoperformance<br />

mit dem Titel „You and<br />

me everyday“ widmet sich dem kontrovers<br />

diskutierten Thema der Energie-<br />

versorgung. Für ihre Installation fertigte<br />

sie zwei Videos an, die gleichzeitig<br />

auf zwei nebeneinander angebrachten<br />

Projektionsflächen gezeigt werden. Ihre<br />

Abschlussarbeit war im Juli auf dem<br />

HBK R<strong>und</strong>gang zu sehen. Weitere Ausstellungen<br />

sollen nun folgen.<br />

Einer der beiden Filme wird auf einer<br />

fünf Meter großen Wand ausgestrahlt<br />

<strong>und</strong> zeigt die Künstlerin wie beschrieben<br />

Lovesongs singend an verschiedenen<br />

Tankstellen in Braunschweig. Die<br />

unabdingbare Verbindung von Popsongs<br />

<strong>und</strong> Liebe möchte Wurst durch<br />

ihre Arbeit auf die Abhängigkeit der<br />

Menschen von Energieressourcen übertragen.<br />

Die Videoperformance sei eine<br />

Art Popaktivismus. „Mit der großen Projektion<br />

möchte ich das Gefühl vermitteln,<br />

dass man sich mitten auf der Straße<br />

befindet <strong>und</strong> der Zuschauer in die<br />

10<br />

Arbeit körperlich eingeb<strong>und</strong>en ist“, so<br />

Wurst. Dies werde nicht zuletzt auch<br />

durch die zusätzliche Anregung des<br />

Geruchssinns vermittelt. Die Leinwände<br />

wurden jeweils mit Diesel besprüht<br />

<strong>und</strong> verströmen einen dezenten Benzingeruch.<br />

Gleichzeitig zu dieser Projektion wird<br />

auf einer kleineren Wand ein Video abgespielt,<br />

in dem Wurst in der heißen<br />

Wüste Perus vor einer Ölförderungsanlage<br />

eine Choreografie performt. „Mein<br />

Ziel war es die Bewegungen der Ölpumpe<br />

nachzuahmen“, sagt die Künstlern.<br />

So wollte sie darstellen, wie sich die<br />

Menschen an den von der Industrie vorgegebenen<br />

Takt zwanghaft anpassen.<br />

Für das Projekt ist die Braunschweigerin<br />

extra nach Peura in Peru gereist.<br />

Die beiden Projektionen zeigen außerdem<br />

den krassen Gegensatz zwi-

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