Wege zur Kultur - Deutscher Museumsbund

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08.01.2013 Aufrufe

Rechtliche Voraussetzungen von BamertjTeiheit 73 der Verbände behinderter Menschen, der Schluss von Zielvereinbarungen sowie die Institutionalisierung von Behindertenbeauftragten geregelt. Mit den Behindertengleichstellungsgesetzen von Bund und Ländern 3 ! wurde eine Vielzahl weiterer Gesetze des öffentlichen Rechts geändert, so das Wahlrecht, das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht, die Gerichtsordnungen, das allgemeine Sozialrecht, die Straßen- und Wegegesetze, das Personenbeförderungs- und Nahverkehrsrecht, das Bauordnungsrecht 32 , das Gaststättenrecht, das Schulrecht und das Hochschulrecht. Die Regelungen in den Ländern unterscheiden sich. In einzelnen Bereichen - etwa dem Gaststättenrecht und dem Hochschulrecht - hat es durch die Reform der bundesstaatlichen Ordnung Kompetenzverschiebungen zu den Ländern gegeben, die dort zu weiterer Gesetzgebung Anlass gegeben haben. Die Umsetzung des Prinzips der Barrierefreiheit in das Privatrecht und außerhalb des öffentlichen Sektors ist bislang nur punktuell vorgenommen worden. Art. 9 Abs. 2 b Behindertenrechtskonvention verpflichtet aber die Vertragsstaaten ausdrücklich zu geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass private Rechtsträger, die Einrichtungen und Dienste, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen oder fiir sie bereitgestellt werden, anbieten, alle Aspekte der Zugänglichkeit berücksichtigen. Damit wird fiir den Geltungsbereich des Zugänglichkeitsprinzips nicht auf den staatlich-hoheitlichen Sektor abgestellt, sondern auf eine auch privat vorgenommene Widmung zum öffentlichen Gebrauch 33 und fiir einen unbestimmten Personenkreis. Öffentlich-rechtliche Normen der Bauaufsicht oder der Aufsicht über Betreiber von Verkehrsunternehmen schaffen einen Rahmen auch für private Entscheidungen. Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 34 ist die Benachteiligung wegen einer Behinderung im Zivilrecht verboten worden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dient zum Teil - ebenso wie das im Sozialgesetzbuch IX 2001 und 2004 neu gefasste Schwerbehindertenrecht - der Umsetzung der Europäischen Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie fiir Beschäftigung und Beruf, erfasst aber darüber derer Gesetze v. 20.12.2004 (GVBl. 492); Hamburgisches Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen v. 21.3.2005 (GVBl. 75); Baden-Württembergisches Landesgesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen v. 3.5.2005 (GBl. 2005, 327); Thüringer Gesetz zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen v. 16.12.2005 (GVBl. 383); Gesetz zur Gleichstellung, gleichberechtigten Teilhabe und Integration von Menschen mit Behinderungen Mecklenburg-Vorpommern v. 10.7.2006 (GVOBl. 539). 31 Umfassende Textsammlung mit Erläuterungen bei Horst Frehe, Felix Welti: Behindertengleichstellungsrecht, Baden-Baden: Nomos, 2010. 32 § 55 BauONRW; § 42 Abs. 1 BWBauO; Art. 51 Abs. 1 BayBauO; § 51 Abs. 1 BeriBauO; § 45 Abs. 2 und 3 BbgBauO; § 53 Abs. 1 BremLBO; § 52 Abs. 1 HmbBauO; § 73 Abs. 1 HessBO; § 52 Abs. 1 MVLBauO; § 48 Abs. 1 NdsBauO; § 51 Abs. 1 RhPfLBauO; § 54 Abs. 1 SLBauO; § 53 Abs. 1 Sächs­ BauO; § 57 Abs. 1 BauO LSA; § 59 Abs. 1 SHLBauO; § 53 Abs. 2 ThürBauO; dazu Hans-Joachim Steinbrück: Barrierefreiheit von Wohn- und öffentlich zugänglichen Gebäuden - Regelungsgehalt, Wirkung und Durchsetzung baurechtlicher Bestimmungen, in: Behindertenrecht 48, 2009, H. 6, S. 157-165. 33 Zum Bauordnungsrecht: OVG Sachsen-Anhalt v. 16.12.2010, Az. 2 L 246/09. 34 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz v. 14. August 2006 (BGBl. I, S. 1897).

Rechtliche Voraussetzungen von Bamerqreiheit 75 zeigt er auch auf, dass der komplementäre Begriff der Barrierefreiheit umfassend zu verstehen ist. 2.3 Begriff der Barrierefreiheit Barrierefreiheit ist in § 4 Behindertengleichstellungsgesetz definiert: "Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie fiir behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind." Diese Definition ist so oder ähnlich in den Behindertengleichstellungsgesetzen der Länder erhalten. 36 Sie macht deutlich, dass sich Barrierefreiheit nicht allein auf bauliche Barrieren fur mobilitätsbehinderte Menschen bezieht, sondern umfassend jede Art von Barrieren fur behinderte Menschen, unabhängig von den der Behinderung zu Grunde liegenden Funktions- und Gesundheitseinschränkungen erfasst. Der Anwendungsbereich umfasst alle gestalteten Lebensbereiche und ist damit jedenfalls in einem entwickelten Industrie-, Agrar- und Kulturland wie der Bundesrepublik Deutschland sehr umfassend, da kaum noch Lebensbereiche nicht gestaltet sind. Selbst Naturräume wie Nationalparks oder zugängliche Naturdenkmäler gehen in ihrer Gestaltung auf menschliche Entscheidungen zurück. Schranken findet die Barrierefreiheit in diesen Fallen eher darin, dass sie nicht weiter gehen muss als die allgemein übliche Nutzbarkeit. In Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Behindertenrechtskonvention werden - nicht abschließend - hervorgehoben Gebäude, Straßen, Transportmittel sowie andere Einrichtungen in Gebäuden und im Freien, einschließlich Schulen, Wohnhäusern, medizinischer Einrichtungen und Arbeitsstätten, Informations-, Kommunikations- und andere Dienste, einschließlich elektronischer Dienste und Notdienste. Barrierefreiheit ist als strukturelle Anforderung formuliert, die eine Zugänglichkeit und Nutzbarkeit ohne fremde Hilfe ermöglichen soll. Der Rückgriff auf personale Hilfen kann zwar im Einzelfall richtig und geboten sein, entspricht aber nicht der Barrierefreiheit, sondern ist eine personenbezogene angemessene Vorkehrung im Einzelfall. Es genügt gegen die Forderung nach Barrierefreiheit nicht, geltend zu machen, dass eine öffentliche Einrichtung bislang noch nicht von behinderten Menschen betreten worden sei, um sich aus dem Anwendungsbereich der Norm zu retten. Dies hat 2004 der VerwaltungsgerichtshofBaden-Wiürttemberg im Fall eines Fitnessstudios entschiedenY Wäre es anders, ließen sich mit bisherigen Zugangsproblemen stets Neue recht- 36 § 2 Abs. 3 LBGG SH; § 2 Abs. 3 RhP!LGGBehM; § 4 BbgBGG; Art. 4 BayBGG; § 3 SächslntegrG; § 3 Abs. 3 SBGG; § 4 BremBGG; § 3 Abs. 1 HessBGG; § 4 HmbGGbM; § 3 LBGGBW; § 5 Thür­ GIG; § 6 LBGGMV; § 2 Abs. 3 NBGG; § 4a LGBG Berlin; § 4 BGG NRW; § 5 BGG LSA. 37 VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2005, 795.

Rechtliche Voraussetzungen von Bamerqreiheit 75<br />

zeigt er auch auf, dass der komplementäre Begriff der Barrierefreiheit umfassend zu<br />

verstehen ist.<br />

2.3 Begriff der Barrierefreiheit<br />

Barrierefreiheit ist in § 4 Behindertengleichstellungsgesetz definiert: "Barrierefrei sind<br />

bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände,<br />

Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen<br />

und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie<br />

fiir behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis<br />

und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind."<br />

Diese Definition ist so oder ähnlich in den Behindertengleichstellungsgesetzen der<br />

Länder erhalten. 36 Sie macht deutlich, dass sich Barrierefreiheit nicht allein auf bauliche<br />

Barrieren fur mobilitätsbehinderte Menschen bezieht, sondern umfassend jede<br />

Art von Barrieren fur behinderte Menschen, unabhängig von den der Behinderung zu<br />

Grunde liegenden Funktions- und Gesundheitseinschränkungen erfasst. Der Anwendungsbereich<br />

umfasst alle gestalteten Lebensbereiche und ist damit jedenfalls in einem<br />

entwickelten Industrie-, Agrar- und <strong>Kultur</strong>land wie der Bundesrepublik Deutschland<br />

sehr umfassend, da kaum noch Lebensbereiche nicht gestaltet sind. Selbst Naturräume<br />

wie Nationalparks oder zugängliche Naturdenkmäler gehen in ihrer Gestaltung auf<br />

menschliche Entscheidungen <strong>zur</strong>ück. Schranken findet die Barrierefreiheit in diesen<br />

Fallen eher darin, dass sie nicht weiter gehen muss als die allgemein übliche Nutzbarkeit.<br />

In Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Behindertenrechtskonvention werden - nicht abschließend<br />

- hervorgehoben Gebäude, Straßen, Transportmittel sowie andere Einrichtungen<br />

in Gebäuden und im Freien, einschließlich Schulen, Wohnhäusern, medizinischer Einrichtungen<br />

und Arbeitsstätten, Informations-, Kommunikations- und andere Dienste,<br />

einschließlich elektronischer Dienste und Notdienste.<br />

Barrierefreiheit ist als strukturelle Anforderung formuliert, die eine Zugänglichkeit<br />

und Nutzbarkeit ohne fremde Hilfe ermöglichen soll. Der Rückgriff auf personale<br />

Hilfen kann zwar im Einzelfall richtig und geboten sein, entspricht aber nicht der<br />

Barrierefreiheit, sondern ist eine personenbezogene angemessene Vorkehrung im<br />

Einzelfall.<br />

Es genügt gegen die Forderung nach Barrierefreiheit nicht, geltend zu machen, dass<br />

eine öffentliche Einrichtung bislang noch nicht von behinderten Menschen betreten<br />

worden sei, um sich aus dem Anwendungsbereich der Norm zu retten. Dies hat 2004<br />

der VerwaltungsgerichtshofBaden-Wiürttemberg im Fall eines Fitnessstudios entschiedenY<br />

Wäre es anders, ließen sich mit bisherigen Zugangsproblemen stets Neue recht-<br />

36 § 2 Abs. 3 LBGG SH; § 2 Abs. 3 RhP!LGGBehM; § 4 BbgBGG; Art. 4 BayBGG; § 3 SächslntegrG;<br />

§ 3 Abs. 3 SBGG; § 4 BremBGG; § 3 Abs. 1 HessBGG; § 4 HmbGGbM; § 3 LBGGBW; § 5 Thür­<br />

GIG; § 6 LBGGMV; § 2 Abs. 3 NBGG; § 4a LGBG Berlin; § 4 BGG NRW; § 5 BGG LSA.<br />

37 VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2005, 795.

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