Anhalt international - Anhalt 800
Anhalt international - Anhalt 800
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Kennen Sie <strong>Anhalt</strong>? Das Land zwischen Harz und Mulde<br />
wird dieses Jahr <strong>800</strong> Jahre alt. Wenn das keine Gelegenheit<br />
für einen Rückblick ist! Nein, nicht was Sie jetzt denken.<br />
Nicht in der Art: Am Anfang war das, dann kam der, danach<br />
die und immer so weiter. Das wäre ziemlich langweilig.<br />
Wir haben uns was Besonderes ausgedacht. Wir wollten<br />
mal sehen, wie dieses kleine Ländchen <strong>Anhalt</strong> <strong>international</strong><br />
vernetzt war und ist. Wie bitte, <strong>international</strong>? Ja genau,<br />
und wir haben Erstaunliches gefunden: Irgendwie war<br />
dieses <strong>Anhalt</strong> immer ziemlich weltoffen.<br />
<strong>Anhalt</strong> <strong>international</strong><br />
Eine Ausstellung der Stadt Dessau-Roßlau in Zusammen-<br />
arbeit mit dem Landeshauptarchiv Sachsen-<strong>Anhalt</strong> und<br />
dem Verein für <strong>Anhalt</strong>ische Landeskunde e.V. im Rahmen<br />
des Landes jubiläums von<br />
Ort: Marienkirche Dessau, Schloßplatz 1 und<br />
Museum für Stadtgeschichte Dessau (Johannbau),<br />
Schloßplatz 3a, 06844 Dessau-Roßlau<br />
29. Juni 2012 Eröffnung<br />
durch Schirmherrn Ministerpräsident Dr. Rainer Haseloff<br />
Ausstellungsdauer: 30. Juni – 30. September 2012<br />
Öffnungszeiten: Mo nach Vereinbarung<br />
Di, Mi, Fr, Sa und So 10.00 – 17.00 Uhr, Do 10.00 – 20.00 Uhr<br />
Projektbüro: anhalt<strong>international</strong>@googlemail.com<br />
Öffentliche Führungen: täglich außer Mo um 11.00 und 14.00 Uhr.<br />
Beginn: Portal der Marienkirche. Angemeldete Führungen nach Vereinbarung.<br />
Anmeldung für Führungen (ausgenommen Schülerführungen):<br />
Tourist-Information Dessau-Roßlau, Zerbster Straße 2c, 06844 Dessau-Roßlau<br />
Tel. 0340 / 2 04 14 42, Fax 0340 / 2 04 11 42, E-Mail touristinfo@dessau-rosslau.de<br />
Anmeldung für Schülergruppen, museumspädagogische Sonderführungen:<br />
Birgit Wetzel, Tel. 0340 / 5 16 84 33, E-Mail mdd@dessauweb.de<br />
Eintrittspreise: Erwachsene: 7,00 €; Ermäßigte: 3,50 €; Gruppen je Person ab<br />
10 Personen: 6,00 €; Familienkarte: 16,00 €; Schulklassen je Person (im Rahmen<br />
des Unterrichts): 2,00 €<br />
Ausstellungsführung für Gruppen bis 20 Personen: 40,00 €; Ausstellungsführung<br />
für Schulklassen: 25,00 €; Öffentliche Führung ab 3 Personen: 5,50 €<br />
Mit freund licher Unterstützung<br />
Titel: Weltkarte, 1595<br />
akg-images, Berlin<br />
<strong>Anhalt</strong><br />
<strong>international</strong>
Es beginnt grenzüberschreitend: Albrecht der Bär war nicht nur der<br />
Stammvater der Askanier, sondern auch der erste Markgraf von Brandenburg.<br />
Als sein Enkel Heinrich als erster „Fürst von <strong>Anhalt</strong>“ ab 1212<br />
das Land regierte, schrieb Eike von Repgow aus dem Dorf Reppichau,<br />
das zwischen Dessau und Köthen liegt, den „Sachsenspiegel“, ein<br />
Rechtsbuch, an dem sich andere ein Vorbild nahmen. In Osteuropa<br />
zum Beispiel, aber auch in den Niederlanden.<br />
Überhaupt: Die Verbindung <strong>Anhalt</strong>s mit Holland. Seit dem Mittelalter<br />
haben sich Siedler aus Flandern zwischen Elbe und Mulde niedergelassen.<br />
Und als Johann Georg II. von <strong>Anhalt</strong>-Dessau 1659 die<br />
niederländische Prinzessin Henriette Catharina von Nassau-Oranien<br />
heiratete, kam mit ihr ein Schub niederländischer Kultur nach <strong>Anhalt</strong>,<br />
heute noch sichtbar am Schloss Oranienbaum.<br />
Sicher wussten Sie, dass die russische Zarin Katharina die Große<br />
eine Prinzessin aus <strong>Anhalt</strong>-Zerbst mit dem Namen Sophie Auguste<br />
Friederike war!? Aber wussten Sie auch, dass diese Zarin über Friesland<br />
herrschte? Sie hat 1793 die Herrschaft Jever von ihrem Bruder<br />
Friedrich August geerbt, da die Fürsten von <strong>Anhalt</strong>-<br />
Zerbst seit 1667 auch Jever regierten. Um seine immer<br />
leeren Kassen zu füllen verkaufte Friedrich August über<br />
1000 seiner Untertanen als Soldaten nach Amerika.<br />
Ganz schön <strong>international</strong>, oder?<br />
Das waren auch andere Fürsten. Die Standesherrschaft<br />
Pleß in Schlesien war von 1765 bis 1847 mit <strong>Anhalt</strong>-Köthen<br />
verbunden. Und Herzog Ferdinand von <strong>Anhalt</strong>-Köthen<br />
hat 1828 die Kolonie Askania Nova in der<br />
Ukraine gegründet. Man stelle sich vor: <strong>Anhalt</strong> war bis<br />
1858 sogar „Kolonialmacht“.<br />
Jetzt ist es aber genug mit Fürsten, oder? Naja, zwei<br />
noch. Im 17. Jahrhundert hat Christian I. von <strong>Anhalt</strong>-<br />
Bernburg europaweit diplomatische Strippen gezogen.<br />
Das Ergebnis: Die protestantische Union und ein wenig<br />
Ansicht von<br />
Schloss und Park<br />
Oranienbaum<br />
Museum für Stadtgeschichte<br />
Dessau<br />
Muslimischer<br />
Grabstein,<br />
Dessau 1607<br />
Stadtarchiv<br />
Dessau-Roßlau<br />
auch der Dreißigjährige Krieg. Er agierte<br />
übrigens von Amberg in der Oberpfalz<br />
aus, das damals Ausland war.<br />
Und dann natürlich Fürst Leopold Friedrich<br />
Franz von <strong>Anhalt</strong>-Dessau, kurz: Fürst<br />
Franz. Ja, genau der. Was der alles losgetreten<br />
hat. Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich, klassizistische<br />
Archi tektur, das Philanthropin. Das hat natürlich<br />
Leute von überall her magisch ange zogen. „Fremdlinge<br />
holen sich Kunst und Weisheit aus seinem Lande“. So hat<br />
es der Weltreisende Johann Reinhold Forster formuliert,<br />
der Fürst Franz die Südseesammlung geschenkt hat, als<br />
dieser 1775 in England war. Dort und in Italien war der<br />
Fürst, zusammen mit Erdmannsdorff, öfters, um sich <strong>international</strong>e<br />
Anregungen für sein Gartenreich zu holen, das<br />
dann inter nationalen Gästen als Anregung diente.<br />
Da kann man schon ein bisschen schwindlig werden, oder? Jetzt mal<br />
ganz nüchtern: Bier aus Zerbst. Das war ein Exportschlager. Vom 16. bis ins<br />
20. Jahrhundert. Es soll in Afrika und sogar in Indonesien gern getrunken<br />
worden sein. Und was kam nach dem Bier? Es kamen Schrauben! Die Zerbster<br />
Schrauben natürlich. Die werden seit fast 100 Jahren in aller Welt verwendet,<br />
früher beim Autobau in Amerika, heute für Gleisanlagen in Nigeria.<br />
Ob dort auch Schiffe fahren, die auf der Werft der Brüder Sachsenberg in<br />
Roßlau gebaut wurden, wissen wir noch<br />
nicht. Auf den Flüssen Europas aber und<br />
sogar in Lateinamerika fahren diese Schiffe<br />
seit über 100 Jahren. Keine Entfernung für<br />
die Söhne und Nachfolger des Dessauer<br />
Schlossermeisters Polysius, die sich auf den<br />
Bau von Zementwerken spezialisiert hatten.<br />
Wo sie die gebaut haben? Eigentlich<br />
überall auf der Welt, in Ägypten, in China<br />
und in Japan zum Beispiel.<br />
Zarin Katharina die<br />
Große von Russland<br />
Museum für Stadtgeschichte<br />
Dessau<br />
Das Herzoglich <strong>Anhalt</strong>ische Dorf Askania Nova<br />
Landeshauptarchiv Sachsen-<strong>Anhalt</strong>, Abt. Dessau<br />
Polysius-Werbeplakat<br />
mit dem<br />
Zementwerk in<br />
Nanao, Japan<br />
Ernst Steigenberger,<br />
Dessau<br />
Werbefaltblatt<br />
für Junkers-<br />
Flugzeugmotoren<br />
Deutsches<br />
Technikmuseum,<br />
Berlin<br />
Das ist nicht mehr zu überbieten?<br />
Doch, das ist es. Denken Sie an Hugo<br />
Junkers in Dessau und seine Flugzeuge.<br />
Die flogen in den 20er-Jahren<br />
in den USA und der UdSSR, in Persien<br />
und der Türkei, in Kolumbien<br />
und in Kuba und ab 1928 auch in<br />
Japan. Was mit den Gasbadeöfen von Junkers ist, die ja auch weltweit vertrieben<br />
wurden? Nein, die haben wir nicht vergessen.<br />
Es kommt noch ne ganze Menge. Es war ja nicht nur so: Aus <strong>Anhalt</strong> in die<br />
Welt. Sondern auch umgekehrt: Aus der Welt nach <strong>Anhalt</strong>. Und da kamen<br />
vor allem Menschen und Ideen. Hatte ich schon Cornelis Ryckwaert erwähnt,<br />
den holländischen Architekten der Schlösser Coswig, Oranienbaum<br />
und Zerbst? Oder Mahmud Kasmi? Von ihm gibt es in Dessau einen Grabstein<br />
aus dem Jahre 1607, an dem klar wird, dass er Muslim war, also von<br />
weiter her nach <strong>Anhalt</strong> gekommen sein muss. Vielleicht kennen Sie die ganze<br />
Geschichte?<br />
Und da sind der Russe Wassily Kandinsky, der Ungar Laszlo Moholy-Nagy<br />
und der Schweizer Hannes Meyer. Damit sind wir beim Bauhaus. „Internationale<br />
Architektur“ – so der Titel des ersten Bandes der Bauhaus-Bücher<br />
1925 von Walter Gropius. International war diese Architektur in der Tat.<br />
Vorbilder aus den USA wie Frank Lloyd Wright und aus den Niederlanden<br />
wie Theo van Doesburg spielten für die Bauhaus-Meister eine große Rolle.<br />
Umgekehrt natürlich, wer wüsste das nicht, hat die Arbeit am Bauhaus<br />
welt weit Wirkung gezeitigt. Durch Bauhaus-Absolventen zum Beispiel.<br />
Einer von ihnen, Arieh Sharon, machte Tel Aviv zur „Bauhausstadt“. Walter<br />
Gropius, Marcel Breuer und Mies van der Rohe bauten Häuser in den USA.<br />
Wieso dort? Weil sie dorthin emigrierten.<br />
Das ist eben auch <strong>Anhalt</strong> <strong>international</strong>. Es gab immer wieder Menschen,<br />
die den Weg aus <strong>Anhalt</strong> in die weite Welt nicht freiwillig antraten.<br />
Kurt Weill zum Beispiel, der 1900 als Sohn des Kantors der Jüdischen<br />
Gemeinde zu Dessau geboren wurde, hatte sich sicher nicht<br />
träumen lassen, dass er seine großen Triumphe als Komponist im fernen<br />
Amerika feiern würde. Und welche der zahlreichen jüdischen Familien,<br />
die nach 1933 <strong>Anhalt</strong> verlassen mussten, hat sich damit nicht<br />
nationalsozialistischer Gewalt gebeugt? Ausgerechnet <strong>Anhalt</strong>, dessen<br />
jüdische Bevölkerung lange so überragende Bedeutung für das Land<br />
und weit über die Grenzen des Landes hinaus hatte.<br />
Um jetzt noch einmal die Perspektive zu wechseln – zum letzten<br />
Mal, versprochen: Viele Menschen kamen auch nicht unbedingt freiwillig<br />
aus der Welt nach <strong>Anhalt</strong>. Die Zwangsarbeiter aus Ostmitteleuropa<br />
und vor allem aus der Ukraine, die während des Zweiten Weltkriegs<br />
unter brutalen Bedingungen in den großen Industriebetrieben<br />
schufteten. Oder die Vertriebenen aus Böhmen, etwas euphemistisch<br />
„Umsiedler“ genannt, die nach Anfangsschwierigkeiten in <strong>Anhalt</strong> heimisch<br />
wurden. Und die sogenannten „Vertragsarbeiter“ aus Vietnam<br />
und China. Was schließlich ist mit den Migranten, die heute in <strong>Anhalt</strong><br />
leben und ihre Heimat nicht selten aus Not verlassen mussten?<br />
Merken Sie was? Wenn man einmal anfängt, scheint es kein Ende<br />
nehmen zu wollen. Wohin man den Blick auch richtet: <strong>international</strong>e<br />
Beziehungen. Das ganze Land der Knotenpunkt eines globalen Netzwerks.<br />
Sie hatten gedacht, Sie kennen <strong>Anhalt</strong>? Kommen Sie vom<br />
30. Juni bis 30. September 2012 in die Ausstellung in der Dessauer<br />
Marienkirche. Sie werden es dort noch besser kennenlernen.