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ZInsO-Newsletter 7/2012

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<strong>ZInsO</strong> <strong>Newsletter</strong> • Krise • Sanierung • Insolvenz 7/<strong>2012</strong><br />

<strong>ZInsO</strong> <strong>Newsletter</strong> 7/<strong>2012</strong><br />

Krise, Sanierung, Insolvenz<br />

Herausgegeben von: <strong>ZInsO</strong> – Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht, verlegt durch die Wolters Kluwer Deutschland GmbH unter<br />

der Marke Carl Heymanns Verlag; Prof. Dr. Hans Haarmeyer, Bonn; RiAG Frank Frind, Hamburg; Dr. Andreas Fröhlich, München;<br />

WP/StB Michael Hermanns, Wuppertal; Dr. Marcel Köchling, Duisburg; in Zusammenarbeit mit dem Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e.V.<br />

(BAKinso), dem Bundesverband deutscher Inkassounternehmen (BDIU), der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V. (BKS), der<br />

Gläubigerschutzvereinigung Deutschland e.V. (GSV), dem Institut für Betriebsberatung, Wirtschaftsförderung und -forschung e.V. (IBWF);<br />

Redaktionelle Bearbeitung: Markus Haase, Düsseldorf, Angela Bühs, Köln<br />

Editorial<br />

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,<br />

in der augenblicklichen Eurokrise kann man sich als<br />

Unternehmer in Deutschland glücklich schätzen, denn<br />

Deutschland besitzt von allen Industrieländern den<br />

größten Leistungsbilanzüberschuss nach der aktuellen<br />

OECD- Studie. Dieser Überschuss soll in <strong>2012</strong> knapp<br />

200 Mrd. $ betragen, eine Steigerung wird erwartet.<br />

Auch wenn uns neue Meldungen über eine abflauende<br />

Konjunktur erreichen, ist dies ein Beleg für die deutsche<br />

Wettbewerbsfähigkeit.<br />

Diese positive volkswirtschaftliche Entwicklung ist<br />

in der Insolvenzstatistik auch zu finden gewesen. Seit<br />

dem Jahr 2009 (32.930) gehen die Unternehmensinsolvenzen<br />

nach den Auswertungen der Kreditreform<br />

bis 2011 (30.200) zurück. Wird das 1. Halbjahr 2011<br />

und <strong>2012</strong> betrachtet, ergibt sich allerdings eine leichte<br />

Steigerung der Unternehmensinsolvenzen um 0,7 %.<br />

Ob dies bereits ein Zeichen der abflauenden Konjunktur<br />

und der Beginn einer Rezession ist, bleibt abzuwarten.<br />

Daher bietet es sich an, Unternehmen auf schwere<br />

Zeiten vorzubereiten, indem Stresstests durchgeführt<br />

werden. Hierbei können mit Szenariotechniken<br />

Notfallpläne entwickelt oder Optimierungspotenziale<br />

entdeckt werden. Zu dem Notfallkoffer eines jeden<br />

Unternehmens kann – richtig angewendet – auch das<br />

Werkzeug „Schutzschirmverfahren“ gehören.<br />

Wir wünschen viel Spaß beim Lesen! n<br />

WP/StB Michael Hermanns<br />

Buth & Hermanns, Wuppertal<br />

Spruch des Monats<br />

„Bei Beratern und Insolvenzgerichten herrscht<br />

die eine oder andere Unsicherheit… Es werden<br />

aber auch keine Hexereien bei den Anträgen zum<br />

Schutzschirmverfahren verlangt.“<br />

Insolvenzverwalter Frank Kebekus, 22. Juli <strong>2012</strong><br />

Zahlen & Fakten:<br />

Im August hat sich die Stimmung im deutschen Mittelstand<br />

zum sechsten Mal in Folge verschlechtert, so<br />

das KfW-ifo-Mittelstandsbarometer. Die Geschäftserwartungen<br />

sanken dabei noch deutlicher als die inzwischen<br />

auf einem Zweijahrestief angekommenen Lageurteile.<br />

Die hohe Unsicherheit über die Zukunft der<br />

Eurozone und die ungünstige globale Wirtschaftsentwicklung<br />

haben auch die Stimmung der Großunternehmen<br />

erheblich beeinträchtigt. Die Abwärtsrisiken<br />

werden größer. Deutschland stehe konjunkturell eine<br />

schwierige Zeit bevor.<br />

(Quelle: KfW, September <strong>2012</strong>)<br />

Das ESUG bietet mehr Planungssicherheit für den<br />

Schuldner und stärkt den Einfluss der Gläubiger, so die<br />

überzeugende Mehrheit einer Umfrage für den Gläubigerkongress<br />

<strong>2012</strong>. Mehr als 90 % der befragten Gläubiger<br />

kennen die erweiterten Einflussmöglichkeiten<br />

und fast zwei Dritten wollen diese Möglichkeiten auch<br />

durch Beteiligung an einem vorläufigen Gläubigerausschuss<br />

wahrnehmen, auch und gerade um an der<br />

Entwicklung von Sanierungen stärker teilhaben zu<br />

können. Als Hürde wird das noch fehlende Know-how<br />

bei Beratern und Gerichten gesehen.<br />

(Quelle: www.glaeubigerkongress.de, 12. September <strong>2012</strong>)<br />

Die Zahl der Firmenpleiten ist im ersten Halbjahr <strong>2012</strong><br />

deutlich zurückgegangen. Insgesamt mussten 15.082<br />

Unternehmen den Gang zum Insolvenzgericht antreten.<br />

Damit ging die Zahl gegenüber dem Vorjahr<br />

um 1,4 % zurück. Im zweiten Halbjahr rechnet die<br />

Auskunftei Bürgel mit einer Wende und damit mit steigenden<br />

Zahlen. Für das Gesamtjahr erwartet Bürgel<br />

bis zu 31.000 Firmeninsolvenzen.<br />

(Quelle: Bürgel, 3. September <strong>2012</strong>)


2<br />

KlartExt<br />

Die transparente Verwalter-<br />

vorauswahl-Liste<br />

Das Vorschlagsrecht des vorläufigen Gläubigerausschusses<br />

zur Person des (vorläufigen) Insolvenzverwalters/Sachwalters,<br />

wie überhaupt eine verstärkte<br />

Gläubigerbeteiligung im Eröffnungsverfahren,<br />

kann nur umgesetzt werden, wenn es am Ziel des<br />

Insolvenzverfahrens orientiert genutzt wird (s. dazu<br />

bereits Klartext <strong>ZInsO</strong>-<strong>Newsletter</strong> 8/2011). Dieses<br />

Ziel heißt aus Gläubigersicht natürlich: möglichst hohe<br />

Quotenerzielung. Zu Recht wird im Vorfeld eines<br />

Insolvenzverfahren häufig beklagt (und gerätselt), wer<br />

denn eigentlich als Insolvenzverwalter beim jeweiligen<br />

InsO-Gericht/Richter „gelistet“ sei (das Bundesverfassungsgericht<br />

hatte bereits im Jahre 2004 jeden Insolvenzrichter<br />

verpflichtet, eine „Vorauswahl-Liste“ der<br />

geeigneten Verwalter zu führen). Natürlich kann darauf<br />

entgegnet werden, dass sich die beim jeweiligen<br />

Gericht regelmäßig bestellten – und somit „gelisteten“ –<br />

Verwalter aus den amtlichen Bekanntmachungen gem.<br />

§ 9 InsO (also auf www.insolvenzbekanntmachungen.de)<br />

ergeben. Weiterhin bestünde die Möglichkeit für interessierte<br />

Gläubiger, aus insolvenzrechtlichen Veröffentlichungen<br />

mit empirischen Bestellungsauswertungen,<br />

z.B. dem INDAT-Report oder privaten Datenbanken,<br />

z.B. insolnet.de, zumindest die beim jeweiligen Gericht<br />

am häufigsten bestellten Verwalter zu erfahren. Würde<br />

sich ein Gläubiger die Mühe machen, entsprechende<br />

Auswertungen vorzunehmen, wäre dies jedoch zeitraubend<br />

und würde wohl auch kein vollständiges<br />

Ergebnis produzieren (zumal im Internet die offiziellen<br />

Bekanntmachungen recht schnell (nach 2 Wochen)<br />

wieder so verschlüsselt werden, dass eine allgemeine<br />

Suche nicht möglich ist).<br />

Warum nicht die Vorauswahl-Listen bekannt machen?<br />

Es ist eigentlich kein Grund ersichtlich, ohnehin öffentlich<br />

zugängliche Informationen (die nur schwierig<br />

zu generieren sind), als „Serviceleistung“ der<br />

Insolvenzgerichte nicht auf deren Internet-Seiten<br />

(mittlerweile haben selbst kleine Amtsgerichte eigene<br />

Seiten) einzustellen. Ein Recht auf „informationelle<br />

Selbstbestimmung“ der betreffenden Verwalter dürfte<br />

nicht bestehen, da ihre Namen und Kanzlei-Adressen<br />

in den jeweiligen Beschlüssen der Insolvenzgerichte<br />

ersichtlich sind. Die Datengenerierungen statistischer<br />

Auswertungszeitschriften zeigen und benennen mit<br />

Zahlen sogar Häufigkeiten der jeweiligen Bestellungen.<br />

Nach Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes kann<br />

jeder Insolvenzrichter seine eigene Liste führen. Das<br />

Insolvenzgericht kann daher mit der Veröffentlichung<br />

entsprechender Listen auch die Unsicherheit bei<br />

Gläubigern und Gläubigervertretern beseitigen, ob<br />

<strong>ZInsO</strong> <strong>Newsletter</strong> • Krise • Sanierung • Insolvenz 7/<strong>2012</strong><br />

alle Insolvenzrichter die gleichen Verwalter gelistet<br />

haben. Denn zuweilen ist es in Vorbereitung eines<br />

Insolvenzantrages ja schon feststehend, welcher Richter<br />

nach dem Geschäftsverteilungsplan „buchstaben-<br />

mäßig“ zuständig sein wird. Ohnehin ist im Insolvenzgericht<br />

nicht ein „Turnus“ nach Akteneingang, sondern<br />

eine feste Buchstabenzuständigkeit einzig sinnvoll, um<br />

ggf. einen Vorkontakt bei Antragseinreichung in wichtigen<br />

Verfahren herstellen zu können.<br />

Nutzen einer Transparenz<br />

Natürlich müssen sich Gläubiger(ausschuss)-Vorschläge<br />

für Insolvenzverwalter nicht abschließend an der betreffenden<br />

richterlichen Vorauswahl-Liste orientieren.<br />

Das ist bereits vor Inkrafttreten des „ESUG“ in keinem<br />

insolvenzrechtlichen Kommentar mehr vertreten worden<br />

(entgegen einer kürzlich anderslautenden Behauptung<br />

(ohne Beleg) in der dem <strong>Newsletter</strong> namensgebenden<br />

insolvenzrechtlichen Fachzeitschrift). Es geht um einen<br />

anderen Beweggrund und Nutzen bei einem Plädoyer<br />

für die transparente Mitteilung der jeweiligen Listen:<br />

Die Gerichte haben bei der Listung die „generelle<br />

Eignung“ des Verwalterbewerbers zu prüfen. Häufig<br />

hat das Gericht in diesem Prüfungsverfahren auch<br />

Erkenntnisse über die Leistungsfähigkeit, Ausstattung<br />

des Verwalterbüros, bisher vorhandene Erfahrungen und<br />

Fähigkeiten des Verwalters gesammelt. Die Liste bietet<br />

damit einen Anhaltpunkt, um über Anforderungen an<br />

den Verwalter – anlässlich des konkreten Insolvenzfalles –<br />

mit dem Insolvenzrichter ins Gespräch zu kommen.<br />

Denn: Wer gelistet hat, muss auch begründen können,<br />

warum oder warum nicht oder warum nicht mehr. Es<br />

gibt für den Insolvenzrichter keinen Grund, listungsrelevante<br />

Fähigkeiten von Verwaltern im konkreten Fall<br />

eines vorliegenden Antrages auf Anfrage von (künftigen)<br />

Gläubigerausschussmitgliedern, wer in Betracht<br />

käme, zu verschweigen, da die „generelle Eignung“ bei<br />

einem Ausschuss-Vorschlag ohnehin vom Gericht zu<br />

prüfen ist (§ 56a Abs. 2 InsO).<br />

Außerdem erhalten Gläubiger mit der transparenten<br />

Vorauswahl-Liste einen Überblick, wer im Bezirk<br />

überhaupt für Insolvenzverwaltungen zur Verfügung<br />

steht. Mittelständische Verwalterbüros, wie auch jüngere<br />

Verwalter, erhalten damit die Möglichkeit, auch<br />

einmal vorgeschlagen zu werden (Gläubiger können<br />

dann z.B. auch zielgerichtet eigene Erkundigungen<br />

einziehen). Denn Gläubiger sind nicht „professionell“<br />

von Berufs wegen Gläubiger, sie beobachten die<br />

„Insolvenzrechtszene“ nicht ständig und haben von<br />

Verwaltern meist nur kurzzeitige Eindrücke oder keine<br />

Kenntnis. Allzu oft werden sie daher geneigt sein,<br />

Verwalter vorzuschlagen, die aus „Funk und Fernsehen“<br />

bereits bekannt sind. Einzuwenden ist dagegen nichts<br />

(jeder möchte, dass der „Star“ für ihn singt), aber –<br />

dies zeigen die Verfahrenskennzahlauswertungen des<br />

Verfassers – auch mittelständische Verwalter haben<br />

eine gute und sehr gute Performance. Sie sollten jeden-


<strong>ZInsO</strong> <strong>Newsletter</strong> • Krise • Sanierung • Insolvenz 7/<strong>2012</strong><br />

falls nicht „generell unbekannt“, wenn auch „generell<br />

geeignet“, bleiben. n<br />

Frank Frind<br />

Insolvenzrichter, AG Hamburg<br />

inso-intErviEw<br />

CENTROTHERM AG:<br />

Richter Dr. Webel im Gespräch<br />

über das Schutzschirmverfahren<br />

In Verantwortung des Richters Dr. Benjamin Webel<br />

hat das Amtsgericht Ulm am 12. Juli <strong>2012</strong> dem Antrag<br />

der CENTROTHERM photovoltaics AG auf Einleitung<br />

eines Schutzschirmverfahrens in Eigenverwaltung stattgegeben.<br />

Mit rd. 700 Mio. € Umsatz und knapp 2.000<br />

Mitarbeitern in 2011 ist dies die erste börsennotierte<br />

Konzern-Gesellschaft, die diesen Sanierungsweg über ein<br />

Insolvenzverfahren gezielt gewählt hat.<br />

Dr. Andreas Fröhlich, perspektiv GmbH München,<br />

befragte den verantwortlichen Richter Dr. Webel zu<br />

dem Verfahren. Ausgewählte Fragen bzw. Antworten<br />

werden im Folgenden dargestellt.<br />

Die Insolvenzszene streitet noch immer intensiv über Inhalt<br />

und Umfang der zum Eintritt ins Schutzschirmverfahren<br />

notwendigen Bescheinigung. Aber auch die Anforderungen<br />

an die Person des Bescheinigers stehen im Mittelpunkt der<br />

Diskussion. Einige Vertreter sind der Meinung, dass nur<br />

ein Berufsträger eine solche Bescheinigung ausstellen<br />

könne, während andere Diskutanten gerade diesen<br />

Berufsgruppen oftmals die entsprechend notwendige<br />

Sanierungs-Kompetenz oder das Insolvenz-Know-how<br />

absprechen. Welcher Berufsgruppe entstammte im betrachten<br />

Verfahren der Bescheiniger? Worauf stützen Sie<br />

Ihr Vertrauen, dass der in diesem Verfahren gewählte<br />

Bescheiniger die entsprechende Kompetenz aufweist?<br />

Dr. Webel: Der Bescheiniger entstammte der Gruppe<br />

der Berufsträger. Die entsprechende Kompetenz habe<br />

ich aus seinen Erfahrungen sowie dem brancheninternen<br />

Renommee abgeleitet. Es handelte sich um eine<br />

namhafte überregional tätige Consulting-Firma.<br />

Hat der Bescheiniger im Vorfeld hinsichtlich der notwendigen<br />

Akzeptanz durch das Gericht Kontakt zu<br />

Ihnen aufgenommen?<br />

Dr. Webel: Grundsätzlich ist es sinnvoll, wenn der<br />

Schuldner bei Gericht die konkreten Anforderungen<br />

an eine Bescheinigung erfragt.<br />

In welcher Form wurde in diesem Verfahren der<br />

Nachweis erbracht, dass die Sanierung nicht offensichtlich<br />

aussichtslos ist? In welcher Form erfolgte die<br />

Überprüfung der Bescheinigung durch das Gericht?<br />

Dr. Webel: Es handelte sich um eine ausführliche<br />

Bescheinigung, die alle relevanten insolvenzrechtlichen<br />

Fragen beleuchtete.<br />

Welche Rolle spielte bei der Antragstellung die Tatsache, dass<br />

mit Rechtsanwalt Tobias Hoefer ein in Großverfahren er-<br />

fahrener Insolvenzverwalter die angestrebte Eigenverwaltung<br />

im Unternehmen unterstützen sollte?<br />

Dr. Webel: Einen erfahrenen Sanierer in der Unternehmensführung<br />

zu haben, fördert sicherlich die allgemeine<br />

Akzeptanz eines § 270b-Verfahrens bei den<br />

Gläubigern.<br />

Im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens kann das<br />

Schuldnerunternehmen den Sachwalter „mitbringen“ –<br />

oftmals wird daher auch versucht, dem Gericht unbekannte<br />

Insolvenzexperten als vorläufige Sachwalter zu<br />

positionieren. Welche Bedeutung kommt für Sie in diesem<br />

Zusammenhang der Bestellung des dem Amtsgericht<br />

als professionellen Verwalter bekannten Rechtsanwalt<br />

Prof. Martin Hörmann als vorläufigem Sachwalter zu?<br />

Dr. Webel: Die Benennung eines gerichtsbekannten<br />

und bewährten Verwalters fördert die Effizienz eines<br />

Verfahrens aus meiner Sicht ungemein.<br />

Was sind aus Ihrer Sicht die Schlüsselfaktoren, um<br />

das Schutzschirmverfahren zu einem erfolgreichen<br />

Abschluss zu bringen?<br />

Dr. Webel: Hierbei spielen viele Faktoren eine Rolle.<br />

Insbesondere auch branchenspezifische wirtschaftliche<br />

Aspekte sowie eine frühzeitige Einbindung, Informations-<br />

und Mitwirkungsbereitschaft aller Interessensgruppen.<br />

Nur wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, kann<br />

ein § 270b-Verfahren zu einem Erfolg werden.<br />

Besten Dank für die Auskünfte. n<br />

Dr. Benjamin Webel,<br />

Richter am AG Ulm<br />

3


4<br />

inso-Monitor<br />

TOP-Antragsverfahren<br />

14. Juli bis 31. August <strong>2012</strong> 1)<br />

In dem betrachteten Zeitraum ist die Anzahl der<br />

Antragstellungen von Unternehmen mit über 20 Mio. €<br />

Umsatz und über 100 Mitarbeitern gegenüber den<br />

Vormonaten leicht zurückgegangen. Während in den<br />

anderen Monaten dieses Jahres durchschnittlich zehn<br />

Unternehmen dieser Größenkategorie pro Monat Antrag<br />

stellten, sind es derzeit nur rd. sieben Unternehmen.<br />

Auch hat sich der Trend, dass in den Großverfahren<br />

über 100 Mio. € Umsatz bevorzugt vorläufige<br />

Eigenverwaltungen angeordnet werden, nicht fortgesetzt.<br />

Gleichwohl zeigt sich seit dem 1. März, dass in einem<br />

Drittel der Antragsverfahren von Unternehmen mit<br />

über 20. Mio. € Umsatz vorläufige Eigenverwaltungen<br />

angeordnet wurden. Diese Verfahren teilen sich wiederum<br />

fast hälftig in Schutzschirm-Verfahren und<br />

Unternehmen /<br />

Unternehmensgruppe<br />

Branche Amtsgericht<br />

<strong>ZInsO</strong> <strong>Newsletter</strong> • Krise • Sanierung • Insolvenz 7/<strong>2012</strong><br />

„normale“ vorläufige Eigenverwaltungverfahren auf.<br />

Aufgrund der fehlenden Veröffentlichungspflichten<br />

vorläufiger Eigenverwaltungsverfahren (mit und ohne<br />

Schutzschirm) beruhen aber alle Angaben auf<br />

Presserecherchen und können nur als näherungsweise<br />

gültige Werte angesehen werden.<br />

Nach nunmehr 6 Monaten ESUG-Geltung zeigen<br />

sich aber auch erste Bremsspuren in der allgemeinen<br />

ESUG-Euphorie. In rd. 25 % der zunächst in vorläufiger<br />

Eigenverwaltung gestarteten Antragsverfahren<br />

(mit oder ohne Schutzschirm) wurde spätestens mit<br />

Eröffnung die Eigenverwaltung nicht bestätigt und ein<br />

– mehrmals vom vorläufigen Sachwalter unterschiedli-<br />

cher – Insolvenzverwalter bestellt.<br />

Eine detaillierte Betrachtung eröffneter Verfahren, die<br />

eine Analyse des Verlaufs der Eigenverwaltungsverfahren<br />

zulassen, erfolgt quartalsweise in der <strong>ZInsO</strong> –<br />

erstmalig im Heft 30/31/<strong>2012</strong> vom 26. Juli <strong>2012</strong>. n<br />

Quelle: perspektiv GmbH, München<br />

Vorl. Insolvenzverwalter/<br />

Vorl. Sachwalter<br />

(Sanierungsexperte) 4)<br />

1)<br />

Es erfolgt nur eine Darstellung von Antragsverfahren von Unternehmen mit einem Umsatz von über 20 Mio. € und einer Mitarbeiteranzahl von über 100. Im Falle der Insolvenz einer<br />

Unternehmensgruppe, d.h. die insolvente Gesellschaft verfügt über in- und/ oder ausländische Tochtergesellschaften, beziehen sich die Angaben über den Umsatz auf die konsolidierten<br />

Werte und die Angaben zu den Mitarbeiterzahlen inkludieren die Mitarbeiter in den Tochtergesellschaften. Eine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit wird nicht übernommen.<br />

2)<br />

Anzahl Arbeitnehmer: Vollzeitbeschäftigte, Teilzeitbeschäftigte werden zu 50 %, geringfügig Beschäftigte zu 25 % bewertet.<br />

3)<br />

perspektiv-Schätzung<br />

4)<br />

Nennung nur soweit durch das Unternehmen bzw. in den Medien bekanntgegeben<br />

5)<br />

Antragsverfahren in Eigenverwaltung (mit/ohne Schutzschirm) sind nicht veröffentlichungspflichtig, eine entsprechende Darstellung erfolgt daher nur soweit als eine entsprechende<br />

Veröffentlichung durch das Unternehmen bzw. in den Medien erfolgt ist.<br />

Umsatz<br />

Mio. €<br />

Anzahl<br />

Mitarbeiter 2)<br />

Vorläufige Eigenverwaltung5) Hein Gericke Unternehmensgruppe (S) Bekleidungs-Einzelhandel Düsseldorf RA Georg Kreplin 45 286<br />

Nürburgring GmbH Motorsport-/Freizeit-Industrie<br />

Bad Neuenahr-<br />

Ahrweiler<br />

RA Jens Lieser<br />

(RA Prof. Dr. Dr. Thomas B.<br />

Schmidt)<br />

33 136<br />

Autohaus Hansa GmbH<br />

Vorläufige Insolvenzverwaltung<br />

Automobilhandel Lübeck RA Stefan Denkhaus 31 100<br />

neckermann.de GmbH<br />

neckermann Logistik GmbH<br />

Versandhandel Frankfurt<br />

RA Dr. Michael Frege/<br />

RA Joachim Kühne<br />

1.292 3.978<br />

P+S WERFTEN GmbH Schiffsbau-Industrie Stralsund RA Berthold Brinkmann 407 1.977<br />

Wollfärberei Mönchengladbach GmbH Textil-Industrie Mönchengladbach RA Volker Quinkert 47 100<br />

Johannes Keller Bau GmbH Bau-Industrie Göppingen RA Michael Pluta 46 257<br />

Memmel Automobile GmbH Automobilhandel Weiden i.d.Opf. RA Dr. Harald Schwartz 45 144<br />

G+R Technology Gruppe Erneuerbare Energien Regensburg RA Hans-Wilhelm Bauer 27 110<br />

Franz Kleine Vertriebs & Engineering GmbH Maschinen- und Anlagenbau Paderborn RA Dr. Norbert Westhoff 21 106<br />

Vacufol GmbH Verpackungs-Industrie Memmingen RA Dr. jur. Marco Liebler 20 100<br />

Ausgewählte Verfahren mit vorläufiger Eigenverwaltung unterhalb 20 Mio. € Umsatz / 100 Mitarbeiter 5)<br />

Heidenreich & Harbeck AG Metallverarbeitende Industrie Schwarzenbek RA Udo Müller 17 194<br />

Weyermann Metallwarenfabrik GmbH & Co.<br />

KG<br />

Metallverarbeitende Industrie/<br />

Automobilzuliefer-Industrie<br />

Wuppertal RA Holger Rhode 14 110<br />

Stampka Elektro GmbH (S) Maschinen- und Anlagenbau Magdeburg RA Udo Müller 13 80<br />

Hermann Huster GmbH & Co. KG<br />

Metallverarbeitende Industrie/<br />

Automobilzuliefer-Industrie<br />

Hagen RA Dirk Hammes 11 106<br />

Basis: Antragsverfahren Quelle: perspektiv-Research<br />

(S) Schutzschirmverfahren, falls entsprechend veröffentlicht


<strong>ZInsO</strong> <strong>Newsletter</strong> • Krise • Sanierung • Insolvenz 7/<strong>2012</strong><br />

FinanzMarKt<br />

Ein Blick des Forderungsgläubigers auf<br />

die Reform des Restschuldbefreiungsverfahrens<br />

„Verbraucherkredite stützen die Konjunktur“ titelte<br />

Ende April die FAZ unter Bezugnahme auf eine<br />

Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung<br />

(IFH). „Finanzierungen werden für den Auto-,<br />

Möbel- und Elektrohandel immer wichtiger.“ Über<br />

100 Mrd. € an Konsumentenkrediten vergaben die<br />

im Bankenfachverband versammelten Verbraucherfinanzierer<br />

und Autobanken. Ohne Kredite könnte<br />

der Handel einen Großteil seiner Waren nicht absetzen.<br />

Der Kauf auf Pump wird für die Verbraucher offenbar<br />

immer mehr zum gängigen Mittel, Güter zu erwerben,<br />

die sie sich – zumindest zum Zeitpunkt des Kaufs –<br />

eigentlich gar nicht leisten können. Lockangebote mit<br />

0 % Finanzierungen und bargeldloses Einkaufen mittels<br />

Kundenkarten verstärken diesen Trend.<br />

Die Folge eines solchen kreditfinanzierten Konsums<br />

sind jedoch nicht nur höhere Ausfallraten bei den<br />

Krediten. Auch die Verschuldung der Haushalte<br />

steigt hierdurch – häufig mit der Konsequenz eines<br />

Verbraucherinsolvenzverfahrens. Vor diesem Hintergrund<br />

stimmt die Initiative der Bundesregierung, das<br />

Restschuldbefreiungsverfahren zu reformieren und<br />

verbraucherfreundlicher zu gestalten, bedenklich.<br />

Koalitionsvertrag: „Gründerland Deutschland“<br />

Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP sah<br />

vor, Unternehmensgründern nach misslungenem<br />

Start in ihr Unternehmerdasein mittels Halbierung<br />

der Wohlverhaltensperiode und anschließender Restschuldbefreiung<br />

einen Neustart zu ermöglichen. Diese –<br />

durchaus nachvollziehbare und an die U.S.-amerikanische<br />

„fresh start“-Mentalität angelehnte – Regelung wurde<br />

dann jedoch vom BMJ auf sämtliche Verbraucher<br />

ausgedehnt. Der begrüßenswerte wirtschaftspolitische<br />

Ansatz wird nun um eine umfassende sozialpolitische<br />

Komponente „bereichert“ – mit zu befürchtenden negativen<br />

Folgen für das Verschuldungsverhalten der<br />

Verbraucher und die Kreditvergabe der Banken.<br />

Hierzu zwei Beispiele:<br />

Abschaffung des § 114 InsO<br />

Derzeit ist es möglich, die Verpfändung von bereits vor<br />

der Insolvenzeröffnung verpfändeten Bezügen aus einem<br />

Dienstverhältnis im laufenden Insolvenzverfahren bis zu<br />

zwei Jahre aufrechtzuerhalten (§ 114 InsO). Sämtliche<br />

pfändbaren Bezüge gehen in diesem Zeitraum an den<br />

bevorrechtigten Lohnabtretungsgläubiger, der insoweit<br />

ein Absonderungsrecht an diesen Bezügen hat. Nach<br />

dem vorliegenden Gesetzentwurf soll § 114 InsO ersatzlos<br />

gestrichen werden, weil eine weiterhin insolvenzfeste<br />

Lohnabtretung nach Ansicht des BMJ die<br />

beabsichtigte Verkürzung des Verfahrens sowie die<br />

Mindestquote (siehe weiter unten) unterlaufen würde.<br />

Die Erlöse aus der Lohn-/Gehaltsabtretung würden<br />

damit unmittelbar in die Insolvenzmasse fallen.<br />

Diese Regelung dürfte Auswirkungen auf die Kreditvergabe-<br />

und insbesondere Kreditsicherungspolitik der<br />

Banken haben. Denn insbesondere bei Konsum- und<br />

Barkrediten hat der Forderungsinhaber kaum eine andere<br />

Möglichkeit, den Kredit abzusichern, als sich eine<br />

Lohnabtretung einräumen zu lassen. Und auch aus<br />

Verbrauchersicht ist dies oft die einzige Möglichkeit,<br />

Sicherheiten zu gewähren. Darüber hinaus wäre es bei<br />

Krediten zur Finanzierung von Konsumgütern aus Sicht der<br />

Banken nicht praktikabel, sich dingliche Sicherungsrechte<br />

einräumen zu lassen. Insofern überrascht die Auffassung<br />

der Bundesregierung, die in ihrem Referentenentwurf<br />

ausführt, „…dass die Lohnabtretung für die Vergabe<br />

von Kreditverträgen nicht von entscheidender Bedeutung<br />

ist, weil zahlreiche und erhebliche Unsicherheiten ihre<br />

Werthaltigkeit bestimmen.“ Die Folge eines Wegfalls des<br />

§ 114 InsO wäre eine Verteuerung der Kredite, was letztendlich<br />

zu Lasten der Verbraucher gehen würde.<br />

Aus Sicht der Forderungsinhaber bedeutet eine<br />

Aufhebung des § 114 InsO vielfach eine signifikante<br />

Einbuße von Barmitteln im Insolvenzverfahren für<br />

einen maximalen Zeitraum von zwei Jahren und damit<br />

eine Benachteiligung gegenüber anderen Vorrechten<br />

bei Kreditsicherheiten im laufenden Verfahren.<br />

Verkürzung der Wohlverhaltensperiode mit<br />

Einführung einer Mindestquote<br />

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eine Verkürzung<br />

der aktuell gültigen Wohlverhaltensperiode von sechs<br />

Jahren vor. Diese soll<br />

• drei Jahre betragen, wenn der Schuldner in der Lage<br />

ist, eine Mindestquote von 25 % zu erfüllen sowie<br />

die Kosten des Verfahrens zu begleichen und<br />

• fünf Jahre betragen, wenn zumindest die Kosten des<br />

Verfahrens beglichen werden.<br />

Weiterhin sechs Jahre beträgt sie, wenn keine der beiden<br />

vorgenannten Bedingungen erfüllt werden können.<br />

Ungeachtet der benachteiligenden Situation für die<br />

Gläubiger werden mit dieser Regelung völlig falsche<br />

Anreize für die Verbraucher gesetzt. Wer sich<br />

mit Kreditvergabe und vor allem mit Forderungsmanagement<br />

auseinandersetzt, der kann täglich beobachten,<br />

wie Schuldner trotz einer zwar bescheidenen,<br />

aber stabilen finanziellen Situation in Schieflage ge-<br />

5


6 <strong>ZInsO</strong> <strong>Newsletter</strong> • Krise • Sanierung • Insolvenz 7/<strong>2012</strong><br />

raten, weil sie die Konsequenzen ihres Konsums und<br />

der damit zusammenhängenden Ausgaben nicht überblicken.<br />

Die steigende Tendenz zum Konsum auf Kredit<br />

(siehe oben) lässt viele Verbraucher den Überblick<br />

über die Summe ihrer Ausgaben verlieren. Eine vermeintlich<br />

schnelle Bereinigung der Verschuldung durch<br />

ein kurzes Insolvenzverfahren setzt hier die falschen<br />

Signale. Selbst wenn die Mindestquote in vielen Fällen<br />

nicht erfüllt werden kann, dürfte dies von einigen<br />

nicht verantwortungsvoll handelnden Schuldnern als<br />

erreichbares Ziel wahrgenommen werden, sodass die<br />

Hemmschwelle zur Verschuldung sinkt.<br />

Mindestquote als Druckmittel<br />

Ferner können Schuldner die 25 %-Quote als Druckmittel<br />

nutzen, um vor der Insolvenz einen entsprechenden<br />

Vergleich auszuhandeln – mit dem negativen<br />

Effekt für den Gläubiger, dass eine eventuell höhere<br />

Befriedigungsquote nicht zu erreichen ist. Schuldner<br />

können in diesen Fällen die Insolvenz als Instrument<br />

nutzen, um sich mit ¼ ihrer Gesamtverschuldung „freizukaufen“.<br />

Wer „nur“ 25 % im Insolvenzverfahren aufbringen<br />

muss, wird vielfach nicht bereit sein, nur zu Lasten<br />

der Insolvenzvermeidung im Vorfeld mehr zu zahlen.<br />

Die sozialpolitisch Verantwortlichen gehen in ihren<br />

Überlegungen stets von einem redlichen Schuldner<br />

aus. Der unredliche Schuldner kann jedoch in einer<br />

weiteren Eskalationsstufe die 25 %-Quote auch ganz<br />

bewusst als Kalkül nutzen, um eine bewusst herbeigeführte<br />

Verschuldung zu beseitigen. Der Gesetzentwurf<br />

spricht in diesem Zusammenhang sogar offen von<br />

„Verwandtendarlehen“, die in Anspruch genommen<br />

werden können, um die Mindestquote zu erfüllen.<br />

Vielleicht erscheint dieses Szenario überzeichnet, aber<br />

für manchen mag diese Regelung attraktiv erscheinen<br />

und kann sogar taktisch als Instrument des geplanten<br />

Schuldenmachens und Entschuldens mit Hilfe von ähnlich<br />

Gesinnten genutzt werden.<br />

Aus sozialpolitischer Sicht darf die Freiheit des<br />

Verbrauchers grenzenlos sein. Aber manchmal muss<br />

man die Konsumenten auch vor sich selbst schützen.<br />

Schuldenmachen ist kein Kavaliersdelikt, und eine<br />

Gesetzesinitiative darf dies auch nicht suggerieren. n<br />

FinanzMarKt aBC<br />

Überschuldung privater Haushalte<br />

Die gute Konjunktur in Deutschland hat sich auch<br />

positiv auf die Überschuldungssituation der privaten<br />

Haushalte ausgewirkt. Als überschuldet gilt jemand,<br />

wenn er die Summe seiner finanziellen Verpflichtungen<br />

in absehbarer Zeit nicht erfüllen kann. Ende 2011<br />

fielen insgesamt 6,4 Mio. Bürger in Deutschland unter<br />

diese Definition. Der häufigste Grund für eine<br />

Überschuldungssituation ist Arbeitslosigkeit, gefolgt<br />

von Scheidung/Trennung, Erkrankung/Sucht/Unfall<br />

und nicht zuletzt das Konsumverhalten. Ein Viertel<br />

aller privaten Überschuldungen in Deutschland entfällt<br />

auf Personen unter 30 Jahren – mit steigender Tendenz.<br />

Die drei häufigsten Schuldenarten sind Bankkredite<br />

sowie Telekommunikation und Versandhandel. n<br />

Dr. Marcel Köchling<br />

Aktiv Kapital Deutschland,<br />

Duisburg


<strong>ZInsO</strong> <strong>Newsletter</strong> • Krise • Sanierung • Insolvenz 7/<strong>2012</strong><br />

saniErung<br />

Unternehmensfortführung unter finanzwirtschaftlichen<br />

Gesichtspunkten – Teil 3:<br />

Fremdkapitalmaßnahmen<br />

a) Einleitung<br />

Neben den Sanierungsmaßnahmen der Gesellschafter<br />

kann auch eine Stützung des angeschlagenen<br />

Unternehmens durch die Gläubiger erfolgen. Diese<br />

Maßnahmen sollen im Wege eines sog. außer-<br />

gerichtlichen Vergleichs eine Insolvenz verhindern.<br />

Insbesondere wenn die Kunden des krisenbehaf-<br />

teten Unternehmens strenge Compliance-Regeln<br />

haben und Auftragsverluste drohen, sollten Ver-<br />

handlungsmöglichkeiten genutzt werden. Voraussetzung<br />

für ein derartiges außergerichtliches Verfahren<br />

oder Moratorium sind die Anreize der Gläubiger, die<br />

nämlich bei einer Insolvenz höhere Verluste als bei<br />

einem Schuldenschnitt erwarten.<br />

b) Stundung<br />

Die Stundung von Gläubigerforderungen und darauf<br />

zu entrichtender Zinsen dient zur Überbrückung von<br />

Liquiditätsschwierigkeiten, jedoch nicht zur nachhaltigen<br />

Beseitigung einer Verlustsituation. Außerdem können<br />

aus Lieferantenkrediten mittelfristige und langfris-<br />

tige Darlehen in Form von Schuldumwandlungen<br />

entstehen oder Warenverbindlichkeiten in Wechselschulden<br />

umgewandelt werden, was als Novation bezeichnet<br />

wird.<br />

c) Verzicht auf Zinszahlung und Forderungsverzicht<br />

Der Verzicht auf Zinszahlungen schafft Zeit, steigert<br />

die Liquidität und vermindert eine noch höhere<br />

Überschuldung, ist jedoch eine ergebniswirksame<br />

Belastung für den Gläubiger. Zinsen können auch teilweise<br />

während der Sanierung erlassen (Sanierungszins)<br />

oder bei Besserung nachentrichtet werden.<br />

Ein Forderungsverzicht wird in einem formlosen<br />

Erlassvertrag abgeschlossen. In der Praxis ist eine<br />

schriftliche Abfassung des Vertrags zu empfehlen,<br />

damit der Wille nach außen erkennbar (insbesondere<br />

gegenüber Finanzämtern) dokumentiert wird.<br />

Der Vertrag entlastet die Passivseite der Bilanz<br />

und es entsteht ein steuerlich relevanter außerordentlicher<br />

Sanierungsgewinn. Um diese steuerlichen<br />

Folgen abzumildern, kann das Krisenunternehmen<br />

mit dem Finanzamt über eine Stundung bzw. über<br />

einen Erlass der auf den Sanierungsgewinn entstehenden<br />

Steuern verhandeln. Der seit 2003 bestehende<br />

Sanierungserlass der obersten Finanzbehörde gilt hier-<br />

für als Grundlage. Die Stundung und der Verzicht gehören<br />

zu praxiserprobten Maßnahmen, allerdings werden<br />

der Zeitaufwand und der formelle Anspruch unterschätzt,<br />

der notwendig ist, um im Wege einer verbindlichen<br />

Auskunft den Erlass bei den Finanzbehörden zu<br />

erwirken.<br />

d) Debt-Equity-Swap (DES)<br />

Der Debt-Equity-Swap im Bereich des Fremdkapital<br />

funktioniert im Grunde wie der unter Eigenkapitalmaßnahmen<br />

dargestellte DES. Auch hier<br />

wird eine Kapitalerhöhung sowohl durch ganz<br />

oder teilweise Einbringung von Forderungen realisiert,<br />

die Überschuldung und auch die anfallenden<br />

Finanzierungskosten gemindert.<br />

Ein Gläubiger wird diesen Schritt nur gehen, wenn<br />

sich strategische bzw. operative Vorteile ergeben, z.B.<br />

indem man selbst auf den Sanierungsprozess einwirkt.<br />

Ein Risiko entsteht durch die Bewertung der eingebrachten<br />

Forderung. Da die eingelegte Forderung in<br />

Krisensituationen regelmäßig nicht werthaltig ist, kann<br />

diese Sanierungsmaßnahme zu einer Differenzhaftung<br />

führen. Nur der werthaltige Teil der Forderung kann<br />

handelsrechtlich wirksam in Eigenkapital gewandelt<br />

werden. Der nicht werthaltige Teil der weitergehenden<br />

Forderung wird wie bei einem Forderungsverzicht als<br />

außerordentlicher Ertrag vereinnahmt. Wird bei einer<br />

Barkapitalerhöhung im Gegenzug auf die Forderung<br />

verzichtet, gilt die Einlage als nicht erbracht und der<br />

Neugesellschafter hat die Einlage im Insolvenzverfahren<br />

ggf. bar zu erbringen. Deshalb sollte der Debt-<br />

Equity-Swap nur im Wege einer Sachkapitalerhöhung<br />

erfolgen.<br />

Das Verhältnis zu den Gläubigern ist von enormer<br />

Bedeutung, wenn es um die Vermeidung einer Insolvenz<br />

geht. Eine gute und rechtzeitige Kommunikation<br />

ist hierbei ebenso wichtig wie ein dies einbindendes<br />

Sanierungskonzept. Die beschriebenen Eigen- und<br />

Fremdkapitalmaßnahmen stellen als finanzwirtschaftliche<br />

Sanierungsmaßnahmen notwendige Kriterien<br />

für den Restrukturierungserfolg dar. Ein nachhaltiger<br />

Turnaround ist allerdings in der Regel nur mit operativen<br />

Sanierungsmaßnahmen möglich. n<br />

WP/StB Michael Hermanns<br />

Buth & Hermanns, Wuppertal<br />

7


8 <strong>ZInsO</strong> <strong>Newsletter</strong> • Krise • Sanierung • Insolvenz 7/<strong>2012</strong><br />

Esug<br />

Das ESUG-Antragsverfahren als<br />

Haftungsfalle für Berater<br />

Mit dem Inkrafttreten der Gläubiger wie Schuldner<br />

stärkenden Reform des Insolvenzrechts – bekannt<br />

unter der Kurzbezeichnung ESUG – hat sich auch<br />

das Beratungsfeld für Unternehmens- und Wirtschaftsberater<br />

nachhaltig verändert. Das reformierte<br />

Recht bietet ihnen erstmals auch die Option für den<br />

Fall einer unvermeidlichen Insolvenz weiterhin begleitend<br />

und gestaltend „an Bord“ zu bleiben und den bisherigen<br />

Mandanten nicht zu verlieren. Die Möglichkeit<br />

zur Teilhabe hat aber ihren Preis und birgt damit<br />

zugleich erhebliche Risiken – und das nicht erst im<br />

Verfahren, sondern auch und gerade vor der Einleitung<br />

eines Insolvenzverfahrens. Der Gesetzgeber hat nämlich<br />

die Teilhabe der Gläubiger und die Mitbestimmung<br />

des Schuldners an hohe Hürden geknüpft, die das Ziel<br />

verfolgen, dem Gericht bereits bei Eingang eines<br />

Antrags eine entscheidungsfähige Grundlage für eine<br />

frühzeitige Beteiligung ….<br />

Die bisherigen Erfahrungen der Gerichte offenbaren<br />

demgegenüber eine erschreckende Unkenntnis der<br />

Schuldner über diese Voraussetzungen, aber auch der<br />

einen Schuldner/Gläubiger beratenden und begleitenden<br />

Personen.<br />

Mehr als 90 % unzulässige Anträge<br />

Nach einer Erhebung des größten deutschen Insolvenzgerichts,<br />

des AG Berlin-Charlottenburg, haben<br />

sich bei den dort bis Ende Juli <strong>2012</strong> anhängigen 237<br />

Eigenanträgen mehr als 90 % (!) als unzulässig erwiesen.<br />

In 209 Fällen fehlte allein die nach § 13 Abs. 1 InsO<br />

gesetzlich geforderte Versicherung der Richtigkeit der<br />

gemachten Angaben und in 177 Fällen das ebenfalls<br />

gesetzlich normierte Verzeichnis der Gläubiger und<br />

deren Forderungen – in nicht wenigen Fällen lagen<br />

mehrere Mängel gleichzeitig vor.<br />

In all diesen Fällen kommt es durch diese mangelhaften<br />

Anträge zu erheblichen Verzögerungen, die das<br />

Gericht oftmals nur dadurch kompensieren kann, dass<br />

es bei einem laufenden Geschäftsbetrieb einen vorläufigen<br />

Insolvenzverwalter zur Sicherung des Vermögens<br />

einsetzt. Dann haben die Gläubiger nicht mehr die<br />

Möglichkeit, von ihrem Bestimmungsrecht für die<br />

auszuwählende Person Gebrauch zu machen. Das<br />

Recht der Gläubiger zur Bestimmung eines vorläufigen<br />

Verwalters oder auch zu wichtigen wirtschaftlichen<br />

Weichenstellungen knüpft u.a. an einen vollständigen<br />

und richtigen Antrag an. Wenn dieser im Vorfeld nicht<br />

sauber abgearbeitet worden ist, verzögert sich nicht nur<br />

das Verfahren, sondern es gehen möglicherweise auch<br />

Handlungsoptionen im Rahmen der Sanierung verloren,<br />

bis hin zu dem Risiko, dass aufgrund einer eintretenden<br />

Verzögerung oder der gerichtlichen Auswahl<br />

eines weniger geeigneten vorläufigen Verwalters die<br />

Sanierung insgesamt scheitert.<br />

Vorheriger Kontakt zum Gericht sichert frühzeitige<br />

Mitbestimmung<br />

Die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit zur sofortigen<br />

Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses<br />

und damit die Einbindung der Gläubiger<br />

in die maßgeblichen wirtschaftlichen Entscheidungen<br />

hängt wesentlich davon ab, inwieweit der Schuldner<br />

und dessen Gläubiger im Sinne des Gesetzgebers im<br />

Vorfeld eines Insolvenzantrags bereits kooperieren.<br />

Diese Kooperation ermöglicht, dass dem Gericht bereits<br />

mit der Antragstellung alle für eine Entscheidung<br />

notwendigen und gesetzlich geforderten Unterlagen<br />

zur Verfügung gestellt werden können (vgl. dazu die<br />

Checklisten im <strong>ZInsO</strong> ESUG-Sonderheft 9/<strong>2012</strong>).<br />

Dabei hat es sich in der Praxis als außerordentlich<br />

sinnvoll erwiesen, spätestens 72 Stunden vor einer<br />

beabsichtigten Antragstellung Kontakt mit dem zuständigen<br />

Gericht aufzunehmen, die Einzelheiten des<br />

Verfahrens vorzubesprechen und dem Gericht die<br />

Möglichkeit zu eröffnen, die Antragsunterlagen einzusehen.<br />

Auf diese Weise besteht auch die Möglichkeit,<br />

noch vorhandene Bedenken des Gerichts aufzunehmen<br />

und ihnen bis zur Antragstellung zu entsprechen. Nur<br />

eine solche Vorgehensweise entspricht auch Belangen<br />

der ordnungsgemäßen Sachbehandlung durch einen<br />

Berater und vermeidet die ansonsten unausweichliche<br />

zivilrechtliche Haftung. n<br />

Prof. Dr. Hans Haarmeyer<br />

RheinAhrCampus, Remagen


<strong>ZInsO</strong> <strong>Newsletter</strong> • Krise • Sanierung • Insolvenz 7/<strong>2012</strong><br />

<strong>ZInsO</strong>-Jahrestagung <strong>2012</strong><br />

Impressum:<br />

Wolters Kluwer Deutschland GmbH<br />

Luxemburger Str. 449<br />

50939 Köln<br />

Telefon: +49 (0) 221 94373-7000<br />

Telefax: +49 (0) 221 94373-7201<br />

Geschäftsführer: Dr. Ulrich Hermann<br />

Handelsregister beim Amtsgericht Köln HRB 58843<br />

Umsatzsteuer-ID-Nummer: DE 188836808<br />

Fachkonferenz<br />

zum Insolvenzrecht<br />

28. / 29. September <strong>2012</strong> • Hotel Mondial am Dom, Köln<br />

1. Tag, 9.30 - 18.30 Uhr<br />

■ Das insolvenzrechtliche Eröffnungsverfahren im Licht der neueren<br />

Rechtsprechung des IX. Zivilsenats und der vorläufi ge Gläubigerausschuss<br />

nach ESUG (RiBGH Prof. Dr. Markus Gehrlein)<br />

■ Die Bedeutung der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters nach<br />

dem ESUG (RiAG Frank Frind)<br />

■ Aktuelle Rechtsprechung des IX. Zivilsenats zum Regelinsolvenzverfahren<br />

und zur Verbraucherinsolvenz (RiBGH Dr. Gerhard Pape)<br />

■ Die Bescheinigung des § 270b InsO – Eine Betrachtung im Lichte<br />

des IDW (E)S 9<br />

(WP/StB/Dipl.Kfm. Michael Hermanns)<br />

■ Too big to fail? Über die Abwicklung komplexer Insolvenzverfahren<br />

(Judge Arthur J. Gonzalez)<br />

■ Eigenverwaltung im Schutzschirmverfahren – Theorie und Praxis<br />

(RA Robert Buchalik)<br />

■ Immaterialgüterrechte, Lizenzen und ein möglicher neuer<br />

§ 108a InsO (Prof. Dr. Wolfgang Marotzke)<br />

■ Exportkontrollrecht – was jeder Insolvenzverwalter wissen muss<br />

(RA Stephan Müller)<br />

Das Programm und alle Infos fi nden Sie<br />

unter www.heymanns-fachseminare.de!<br />

Am besten noch heute anmelden!<br />

2. Tag, 9.00 - 13.30 Uhr<br />

■ Aktuelle Entwicklungen in der Insolvenzanfechtung und zum<br />

Vergütungsrecht (RiBGH Gerhard Vill)<br />

■ Competing Plans: Konkurrierende Insolvenzpläne als Verhandlungsinstrument<br />

konkurrierender Gläubigergruppen. Kann das<br />

Beispiel aus den USA als rechtspolitisches Vorbild für Deutschland<br />

dienen? (RA Tom Braegelmann, LL.M.)<br />

■ Debt to equity Swap im Planverfahren<br />

(Dipl.Kfm./StB/WP/RA Jens Weber)<br />

■ Black Box Datenschutz – Haftungsrisiken im Insolvenzverfahren?<br />

(RA Dr. Jürgen Hartung)<br />

■ Update zum Überschuldungsbegriff – was passiert 2014, wann<br />

reagiert der Gesetzgeber? (RiAG Dr. Philipp Böcker)<br />

ANZ_Seminar_ZInso_25-12_186x134_1c.indd 1 18.06.12 11:34<br />

Internet: www.insolvenzrecht.de/zinso/newsletter/<br />

Sie haben jederzeit die Möglichkeit, den Bezug dieses<br />

<strong>Newsletter</strong>s zu kündigen. Soweit der Vertrieb über einen<br />

unserer Medienpartner erfolgt, wenden Sie sich bitte über<br />

die verwendete E-Mail-Adresse an den Absender.<br />

Als Kunde des Portals Heymanns Insolvenzrecht.de deaktivieren/<br />

aktivieren Sie nach der Anmeldung im Produkt in<br />

den Einstellungen (Zugang rechts oben im Login-Bereich)<br />

die Option „Ja, ich möchte den <strong>ZInsO</strong>-<strong>Newsletter</strong> Krise,<br />

Sanierung, Insolvenz erhalten“.<br />

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