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Kultur - Sport - Freizeit

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– das sagt die junge Frau öfter und meint damit nicht nur ihren Namen. Aber<br />

dazu später.<br />

Als sie 1 Jahr alt ist, gehen ihre Eltern von Stuttgart nach Schwäbisch Hall – die<br />

Mama lässt sich als Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie in Löwenstein<br />

nieder, der Papa arbeitet bei der Telecom als Ingenieur, und der jüngere Bruder<br />

Richard besucht das Evangelische Schulzentrum Michelbach. „Das sind alle<br />

Familienmitglieder?“, frage ich. Da blitzt es zum ersten Mal in ihren ausdrucksvollen<br />

Augen auf: „O nein, da ist noch „Nanni“ – die Bernersennen-<br />

Schäferhundmischlingsdame. Engster Begleiter auf allen Spaziergängen,<br />

Geheimnisträger vieler pubertärer Fragen, einfach da – genau wie ihre Pferde,<br />

gehörte das Reiten doch zu ihren bevorzugten <strong>Sport</strong>- und Fortbewegungsarten.<br />

Diese Liebe zu großen Tieren ist geblieben, auch wenn es in ihrem jetzt<br />

erwachsenen Leben nur noch für Besuche reicht.<br />

Neue Inhalte und Herausforderungen sind zu meistern. Umzug in die erste<br />

eigene Wohnung und der erste große Einschnitt in ihrem Leben: wohl überlegt und<br />

sicher das Gymnasium am erfolgreichen Ende der 11. Klasse zu verlassen, weil sie<br />

spürt und weiß, da drängt etwas ans Licht, das hat mit praktischem Handeln und<br />

Erleben zu tun. Das ist ihre Stärke.<br />

Aus den vielen Spaziergängen rund um den nahe gelegenen Sonnenhof e.V., in<br />

dem Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung leben und zur Schule gehen,<br />

hat sich ein Bild geformt von der möglichen Aufgabe, mit diesen Menschen eine<br />

gemeinsame Wirklichkeit zu teilen. Sehr anziehend waren für sie diese frühen<br />

heiteren und unkomplizierten Begegnungen, und nach einem<br />

Berufsorientierungspraktikum im Sonnenhof stand es felsenfest – und da ist es<br />

wieder: das Leuchten in ihren Augen – ich werde Heilerziehungspfl egerin.<br />

Und dann bewarb sie sich in der Behindertenhilfe DIAK, die sie bis dahin nicht<br />

kannte, aber von der Lage und Größe angetan war. „Im Sonnenhof war es mir<br />

einfach alles zu groß und weitläufi g. Ich mag es nahe beieinander“.<br />

Nun ist sie seit 7 Monaten Praktikantin in einer Förder- und Betreuungsgruppe der<br />

tagesstrukturierenden Abteilung, arbeitet mit einer Fachkraft zusammen und<br />

übernimmt schon viele auch eigenständige Arbeiten und Projekte. Sicherheit bezieht<br />

sie aus dieser engen kollegialen Gestaltung des Alltags, sie lernt die höchst unterschiedliche<br />

Individualität der Bewohner kennen und schätzen, ja bewundern, weil<br />

die „Aufrichtigkeit im Tun und Lassen für uns regelrecht vorbildlich sein kann“, meint<br />

Anne Muhler. Da ist er wieder, der Einstiegssatz „Ich bin einfach Anne Muhler“ und<br />

das soll auch heißen, ich möchte jeden anderen Menschen auch einfach den sein<br />

lassen, der er ist. Punkt.<br />

14<br />

Zur Person:<br />

„Ich bin einfach Anne Muhler“<br />

„TOLL“ ist ihr häufi gstes Attribut, wenn sie von<br />

Mitarbeitern und Bewohnern spricht. Sie lässt<br />

keinen Zweifel aufkommen, dass ihre Entscheidung<br />

für diesen Beruf vollkommen richtig ist – und der<br />

bestandene Aufnahmetest an der Evangelischen<br />

Fachschule für Heilerziehungspfl ege Schwäbisch Hall unterstreicht das deutlich,<br />

genauso wie die Einschätzung der Mitarbeiter im Team. So sehr der sanfte Einstieg<br />

in die Vielfalt der Betreuungsaufgaben in der Fördergruppe hilfreich war, freut sich<br />

Anne Muhler auf die Wohngruppe ab September, wenn die Ausbildung beginnt.<br />

Geschnuppert an diesem viel komplexeren Geschehen hat sie bei einem<br />

zweiwöchigen Einsatz im Haus 35. Begeistert erzählt sie von den sehr persönlichen,<br />

auch durch die Pfl ege intimeren Begegnungen mit Bewohnern, das deutlich spürbare<br />

Zuhausegefühl. Nach einem besonderen Erlebnis während dieser Zeit gefragt,<br />

berichtet sie von einer Kuschelstunde unter einer Decke auf dem Wasserbett im<br />

Snoezelenraum mit einer ihr bis dahin noch ziemlich fremden Bewohnerin, die das<br />

offensichtlich sehr genoss. Gänsehautgefühl!<br />

Auch am Heiligabend im Lotzesaal des Schönecks. Schon oft erzählte Anne Muhler<br />

ihren Eltern von der sehr besonderen Art, Gottesdienst zu feiern. Laut, fröhlich,<br />

feierlich, ungeordneter auch als sonst in Kirchen, aber eben sehr authentisch und<br />

unverwechselbar. Und nicht nur ihr Papa hatte Zeit, mitzukommen, sondern auch<br />

eine Bewohnerin aus ihrer Fördergruppe, die keinen Besuch hatte. Und zum<br />

Sommerfest am 2.Juli hat ihre Mama versprochen, sich nun auch die Arbeitswelt<br />

ihrer Tochter anzusehen. Für Anne Muhler ist es bedeutsam, dass ihre Eltern wissen<br />

und auch miterleben, wo sie mit wem für was sich engagiert.<br />

Überhaupt Familie...auf die Frage nach den Träumen in eine noch ferne Zukunft,<br />

kommt prompt „Australien“, ein Haus, auch für die ganze Familie, irgendwo da, wo<br />

ihre Sehnsucht sie jetzt schon oft sein lässt. Zunächst aber noch im Hier und Jetzt<br />

geht sie erst mal weiter ihren Lieblingsbeschäftigungen nach: Freunde treffen,<br />

quasselnd die Welt erkennen, Musik hören, sich selbst und ihre kleine Wohnung<br />

stylen, ja, und wenn die Zeit reicht, auch lesen, neuerdings schon die ersten<br />

Fachbücher, und überhaupt einfach Spaß am Leben haben!<br />

Das Gespräch ist vorbei.<br />

Da sitze ich und denke nach dieser schönen kleinen Stunde „TOLL!“<br />

Barbara Schrade<br />

„Ich möchte jeden anderen Menschen<br />

auch einfach den sein lassen, der er ist.“<br />

„Ich möchte da stehen, sicher und fest auf meinen<br />

zwei Beinen und die Hände ausstrecken,<br />

als Angebot und als Versprechen.“<br />

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