Schwarzbuch Hund - Problemhundtherapie in NRW
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A U S G A B E 3 / 2 0 0 9 S E I T E 3 6<br />
Dies & Das...<br />
Die täglichen Spaziergänge – e<strong>in</strong>e Horrorvorstellung<br />
für die Halter<strong>in</strong>. Henry wurde ausschließlich<br />
an der Le<strong>in</strong>e geführt und angesichts<br />
se<strong>in</strong>er „Terroraktionen“ zitterte nicht nur se<strong>in</strong>e<br />
Halter<strong>in</strong>, sondern auch alle Passanten und<br />
<strong>Hund</strong>ehalter, die ihnen begegneten. Auch die<br />
(verständlichen) Reaktionen und Wortgefechte,<br />
denen sich die Halter<strong>in</strong> ausgesetzt fühlte,<br />
trugen das Ihrige dazu bei, dass die Halter<strong>in</strong><br />
nah der Verzweiflung war. Sie konnte Henry<br />
nirgendwo mehr mitnehmen, da sie Angst hatte,<br />
auf e<strong>in</strong>en fremden <strong>Hund</strong> zu treffen. Besuch<br />
bei Freunden, Bekannten oder Verabredungen<br />
im Restaurant oder auf „e<strong>in</strong>en Kaffe“…, Henry<br />
blieb zuhause; die Spaziergänge wurden auf<br />
e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum reduziert. Sie überlegte, den<br />
<strong>Hund</strong> abzugeben, suchte e<strong>in</strong> erfahrenes Zuhause<br />
für Henry und bat um Vermittlungshilfe. So<br />
lernten wir uns kennen.<br />
Während unserer Gespräche, die dem Zweck<br />
dienten, e<strong>in</strong> aussagefähiges Vermittlungsprofil<br />
für Henry zu erstellen, lernte ich <strong>Hund</strong> und<br />
Halter näher kennen. Die Halter<strong>in</strong> <strong>in</strong>formierte<br />
bereitwillig über die Vorgeschichte von Henry,<br />
se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schätzung durch die zuvor besuchte<br />
<strong>Hund</strong>eschule und das empfohlene<br />
„Todesurteil“. Ich mochte es nicht glauben…<br />
und wir verabredeten uns, damit ich mir Henry<br />
e<strong>in</strong>mal „live und <strong>in</strong> Aktion“ anschauen konnte.<br />
Ich lernte Henry im Haus, mit K<strong>in</strong>dern, mit<br />
ihm bekannten Artgenossen, auf dem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsgelände<br />
und auf den Spaziergängen mit<br />
fremden Artgenossen kennen. Und se<strong>in</strong> Verhalten<br />
gegenüber fremden Artgenossen sprach e<strong>in</strong>e<br />
deutliche Sprache: aggressiv? Ja, def<strong>in</strong>itiv.<br />
Aber e<strong>in</strong>deutig aus e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Grund:<br />
„Angriff ist die beste Verteidigung“! Man<br />
konnte <strong>in</strong> jeder Situation sehen, wie Henry <strong>in</strong><br />
deutlicher Körpersprache unsicher se<strong>in</strong> Umfeld<br />
beobachtete und tauchte e<strong>in</strong> fremder Artgenosse<br />
auf, versuchte er sich zunächst im Rückzug,<br />
um e<strong>in</strong>er Annäherung auszuweichen. Dies wurde<br />
von se<strong>in</strong>er Halter<strong>in</strong> nicht bemerkt bzw.<br />
falsch <strong>in</strong>terpretiert und sie „bugsierte“ Henry<br />
mit freundlichem Nachdruck <strong>in</strong> die jeweilige<br />
Konfrontation h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Da die Rückzugsvariante<br />
damit für Henry nicht realisierbar war, die<br />
B<strong>in</strong>dung und das Vertrauen zur Halter<strong>in</strong> jedoch<br />
nicht ausreichte, sich ihr<br />
„anzuvertrauen“, g<strong>in</strong>g er direkt und entschlossen<br />
zum Angriff über…<br />
Im Rahmen e<strong>in</strong>es Intensivtra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs lernte die<br />
Halter<strong>in</strong> zunächst e<strong>in</strong>mal, was die jeweilige<br />
Körpersprache ihres <strong>Hund</strong>es „erzählte“ und<br />
welche Motivation bzw. Absicht sich damit ankündigte.<br />
Henry war unsicher, hatte Angst<br />
und mangels Vertrauen <strong>in</strong> die Halter<strong>in</strong> und ihren<br />
„Schutz“ suchte er nach e<strong>in</strong>er Strategie, die<br />
ihm das höchstmögliche Maß an Unversehrtheit<br />
versprach. In dem Umfang, <strong>in</strong> dem die<br />
Halter<strong>in</strong> zunehmend e<strong>in</strong> Verständnis dafür<br />
entwickelte, dass ihr <strong>Hund</strong> alles andere als<br />
„unberechenbar“ ist, wuchs ihre Sicherheit im<br />
Umgang mit Henry.<br />
Wir stellten Regeln im Haus auf und Henry<br />
l e r n t e , d a s s d i e H a l t e r i n d i e<br />
„Erstentscheidung“ über viele Alltagsd<strong>in</strong>ge<br />
nun selbst übernahm. Besucher begrüßen…?<br />
Gerne; aber erst ruhig und entspannt abwarten,<br />
bis Frauchen ihr O.K. gibt. Ständig durch<br />
die Wohnung patroulieren und tonnenweise<br />
Spielzeug anschleppen und präsentieren…?<br />
Ne<strong>in</strong>; dafür e<strong>in</strong>e entsprechende körperliche und<br />
geistige Auslastung geme<strong>in</strong>sam mit Frauchen<br />
auf den Spaziergängen und kle<strong>in</strong>e Kopfaufgaben<br />
für zuhause – dazwischen … entspanntes<br />
Ruhen und Schlafen auf se<strong>in</strong>er Decke.<br />
Weiter…...