Fokus - Haufe.de

Unternehmensführung – Vertrieb
Aktuelle Studien prophezeien, dass
Kundenbeziehungsmanagement für die
Unternehmen an Bedeutung gewinnen
wird. Sind CRM-Systeme für die Mitarbeiter
im Verkauf wirklich hilfreich?
Unkel: Dazu waren sie jedenfalls gedacht.
Aber wie bei allen anderen Tools
gilt auch hier, dass sie nur so gut sein
können wie der Anwender, der sie benutzt.
Ich kann nicht vollständig alle
CRM-Systeme auf dem Markt beurteilen.
Aber ich habe zahlreiche Anwendungen
gesehen – und die meisten haben
mich nicht überzeugt. Es ist eine
Sam Reese
Herausforderung, die Verkaufsmitarbeiter
dazu zu bringen, Informationen
in diese Tools einzugeben. Der Einsatz
dieser CRM-Systeme mag nützlich sein.
Aber nur, wenn die Vertriebsmitarbeiter
sie auch mit wenig Aufwand einsetzen
können.
Rudolph: Da stimme ich vollends zu.
Wenn die Verkäufer durch das Befüllen
von CRM-Systemen mit Informationen
von ihrer eigentlichen Arbeit, dem Verkauf,
abgehalten werden, ist den Unternehmen
nicht geholfen. Dann wird
Kundenbeziehungsmanagement ad absurdum
geführt.
Ayrle: Die Verkäufer jammern auf hohem
Niveau. Auch wenn sie oft beim
Kunden sein sollen, kann man doch von
ihnen verlangen, ihre Informationen in
die Verkaufsorganisationen zurückzuspielen.
Es ist mehr als in Ordnung,
wenn die Verkäufer am Ende eines Tages
eine Stunde damit verbringen, Protokolle
über Geschäftstermine zu verfassen.
Das müssen andere Unternehmensbe-
reiche auch. Warum also nicht die Mitarbeiter
in den Sales-Teams? Gebt den
Verkäufern nicht nur einen Firmenwagen,
gebt ihnen ein CRM-Tool!
Jaschinski: Wichtig erscheint mir
auch, dass ein CRM-Tool vielfach nicht
nur ein Tool für das Management von
Kundenbeziehungen ist, sondern auch
als Kontroll-Tool durch das höhere
Management eingesetzt wird. In einem
solchen Fall kann CRM nicht funktionieren.
Reese: Die neue Generation an CRM-
Systemen ist einfacher zu bedienen.
Dr. Katja Unkel Marcel Woiton
SAP und Oracle haben dies begriffen.
Auch Salesforce.com hat erkannt, dass
der Verkaufsmitarbeiter einen Nutzen
durch das CRM-System haben muss.
Da kommt eine große Veränderung auf
uns zu. Die Verkaufsmitarbeiter werden
etwas zurückbekommen, wenn sie ihre
Daten in ein CRM-System eingeben.
Den Win-win-Aspekt haben die CRM-
Hersteller inzwischen berücksichtigt.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft:
Was wird sich in Vertrieb und Verkauf
in den kommenden Jahren ändern?
Reese: Derzeit fi ndet eine Aufspaltung
statt zwischen Unternehmen,
die sich auf die Automatisierung des
Verkaufsprozesses konzentrieren, und
Firmen, die sich auf eine hochwertige
Geschäftsentwicklung konzentrieren
und den Verkaufsmitarbeitern dazu die
nötigen Ressourcen geben. Allen Automatisierungsbestrebungen
zum Trotz
– das Wichtigste für mich ist immer
noch, wie man die Leute dazu bringt,
die Fähigkeiten des Unternehmens mit
den Anforderungen des Kunden zusammenzubringen.
Das braucht Talent,
Können und handwerkliches Geschick.
Jaschinski: Erstens frage ich mich, wie
die neuen Business-Intelligence-Tools
den Verkaufsprozess verändern werden.
Darauf habe ich derzeit keine Antwort.
Zweitens: Das Thema Compliance wird
in den kommenden Jahren im Vertrieb
an Bedeutung gewinnen. Wie kann
man angesichts rigider werdender
Compliance-Regeln noch die Nähe zum
Kunden beibehalten? Dritter Punkt: Ist
unser westlicher Ansatz im Verkauf für
die Zukunftsmärkte wie China, Indien,
Russland oder andere aufstrebende Regionen
noch zeitgemäß?
Unkel: Besonders wichtig erscheint
mir, dass Unternehmen weiter versuchen
sollten, den Kunden in den Mittelpunkt
ihres Handelns zu stellen. Dann
kann wenig schiefgehen. Wenn die Führungskräfte
im Vertrieb ihren Verkaufsmitarbeitern
dann noch eine hilfreiche
Struktur geben, müsste es mit dem
Teufel zugehen, wenn die Sales-Teams
nicht nachhaltig Erfolge erzielen.
Barnikel: Die sozialen Medien werden
in den kommenden Jahren eine große
Chance bieten. Nicht nur für das Marketing,
sondern auch für den Vertrieb.
Woiton: Vor allem müssen wir uns auf
die Bedürfnisse des Kunden und seine
Strategie konzentrieren – heute und
morgen. Und wir müssen immer mit einer
gewissen Ungewissheit leben. Auch
in diesen schnelleren Wirtschaftszyklen.
34 ProFirma 04 2012