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Wir Unternehmer – Porträt<br />

Der Ortsrat wur<strong>de</strong> befragt, man diskutierte und kam überein:<br />

Ja, man wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Stu<strong>de</strong>nten eine Chance geben. Vier<br />

Windkraftanlagen sollten auf <strong>de</strong>n Äckern entstehen. Raschemann<br />

musste nun Geld besorgen. Das erwies sich als schwierig.<br />

Auch die Bauanträge waren ein Problem: Was sollte in<br />

<strong>de</strong>m Antrag stehen? Alles war ja neu. Banken und Sparkassen<br />

hatten schon abgewunken, da empfahl ihm <strong>de</strong>r Windanlagenbauer<br />

Enercon, von <strong>de</strong>m er die Windrä<strong>de</strong>r kaufen<br />

wollte, einen Finanzierungsexperten namens Joachim Uecker<br />

aus Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern. Raschemann<br />

machte sich auf <strong>de</strong>n Weg und erinnert sich, dort mit drei an<strong>de</strong>ren<br />

Möchtegernunternehmern im Wartezimmer gesessen<br />

zu haben – „wie beim Zahnarzt“. Später stieg Uecker, <strong>de</strong>s Finanzierungswesens<br />

überdrüssig, in Raschemanns Projekt mit<br />

ein. Aber erst mal machte er 5,4 Millionen D-Mark klar, ein<br />

Kredit, <strong>de</strong>r zu 100 Prozent aus För<strong>de</strong>rmitteln bestand.<br />

Zur Inbetriebnahme ein Fest auf <strong>de</strong>m Acker<br />

Raschemann war also über Nacht hoch verschul<strong>de</strong>t. Kein<br />

schönes Gefühl, doch was folgte, half ihm, nicht allzu oft daran<br />

zu <strong>de</strong>nken: Stress. Die Baufi rmen rückten an in Feldheim,<br />

und Raschemann legte oft selbst mit Hand an. Und nebenher<br />

studierte er auch noch. In <strong>de</strong>n Pausen zwischen Vorlesungen<br />

hing er am Telefon, am öffentlichen Fernsprecher auf <strong>de</strong>m<br />

Universitätsgelän<strong>de</strong>. Berge von Münzen hat er dort versenkt,<br />

um seinen Windpark zu koordinieren. So wur<strong>de</strong> sein Vorhaben<br />

auch bei <strong>de</strong>n Kommilitonen bald Gesprächsstoff.<br />

Am 22. März 1995 stan<strong>de</strong>n alle vier Windkrafträ<strong>de</strong>r und daneben<br />

ein kleines Trafohäuschen. Zur Inbetriebnahme gab<br />

es ein Fest auf <strong>de</strong>m Acker. Die Bewohner Feldheims waren<br />

dort, Studienkollegen und natürlich Joachim Uecker. Dass<br />

Raschemanns Mutter selbst gebackenen Kuchen verteilte, hat<br />

bis heute niemand vergessen. Am Trafohäuschen hängt ein<br />

Schild mit <strong>de</strong>n technischen Daten (Turmhöhe 63 Meter. Rotordurchmesser<br />

40 Meter. Generatorleistung 500 kW) und Erläuterungen<br />

zur jährlichen Energielieferung (3.600.000 kWh,<br />

<strong>de</strong>r Strombedarf von etwa 900 Haushalten wird abge<strong>de</strong>ckt).<br />

Und ganz unten steht: „In unseren Hän<strong>de</strong>n liegt die Zukunft<br />

unserer Kin<strong>de</strong>r!“ Für die Feldheimer Beleg eines Verantwortungsgefühls,<br />

das über Profi tinteresse hinausgeht.<br />

Weil es in Feldheim gut angelaufen war, ging es dort zunächst<br />

auch weiter, mit sechs weiteren Windrä<strong>de</strong>rn, die im Jahr 1999<br />

loskreiselten. In <strong>de</strong>r Zwischenzeit hatte Raschemann sein<br />

Dip lom gemacht. Thema: „Errichten einer Win<strong>de</strong>nergieanlage<br />

unter schwierigen Bedingungen“, allerdings rein fi ktiv. Er<br />

verteidigte die Arbeit in <strong>de</strong>r Universitätsaula, so groß war das<br />

Interesse, bestand mit Auszeichnung und stellte dabei fest,<br />

dass die Menschen ihm gerne zuhören. Im Jahr 1997 grün<strong>de</strong>te<br />

er zusammen mit Uecker die Energiequelle GmbH. Als Logo<br />

wählten sie das Unendlichkeitszeichen. Und in genau diese<br />

Richtung ging es ab – o<strong>de</strong>r wie Raschemann es formuliert: „Es<br />

gab da eine gewisse Dynamik.“<br />

Die Nachfrage nach Windparks wuchs rasant, entsprechend<br />

wuchs die Bürokratie, wuchsen <strong>de</strong>ren Kosten. Raschemann<br />

erzählt, dass sein erster Bauantrag ungefähr 6.000 D-Mark<br />

gekostet habe, inzwischen zahle er bis zu 20.000 Euro. Außer<strong>de</strong>m<br />

wuchsen: die Effi zienz <strong>de</strong>r Anlagen, die Konkurrenz im<br />

In- und Ausland, die Zahl <strong>de</strong>r Windkraftgegner, die Zahl <strong>de</strong>r<br />

Energiequelle-Mitarbeiter (inzwischen 150) und in Feldheim<br />

ein kleines Wun<strong>de</strong>r heran. Das Örtchen wur<strong>de</strong>, ohne es je darauf<br />

angelegt zu haben, zur Mo<strong>de</strong>llstadt für ökologische Wirtschaft.<br />

Es wur<strong>de</strong> energieautark: Unabhängig von Kohle- und<br />

Atomstrom und unabhängig von <strong>de</strong>n Energieriesen. Es hat<br />

sich mit <strong>de</strong>r Energiequelle GmbH als Projektentwickler ein eigenes<br />

Wärmeleitungs- und Nie<strong>de</strong>rspannungsnetz gebaut.<br />

Das alles entstand natürlich nicht so schnell, wie es sich erzählt.<br />

Wie überhaupt die ganze Energiequelle laut Raschemann nur<br />

„ganz langsam immer größer gewor<strong>de</strong>n“ ist. Die Feldheimer<br />

haben lange über diese Baumaßnahmen diskutiert, sie haben<br />

dafür eine Bürgergesellschaft gegrün<strong>de</strong>t, sie haben Verträge<br />

schreiben lassen. An <strong>de</strong>r Bürgergesellschaft ist auch Raschemann<br />

beteiligt. Er hat ein Haus in Feldheim gekauft und eine<br />

Tochterfi rma seiner Energiequelle dort angesie<strong>de</strong>lt, die sich<br />

auf Solartechnik spezialisiert hat. Diese Verbun<strong>de</strong>nheit mit<br />

ihrem Ort, die hat <strong>de</strong>n Feldheimern immer gefallen. Und in<br />

<strong>de</strong>r Tat schätzt Raschemann die räumliche Verbun<strong>de</strong>nheit<br />

sehr hoch. Er bleibt Feldheim nicht aus Berechnung treu. Er<br />

meint das ernst.<br />

Erste energieautarke Gemein<strong>de</strong> Deutschlands<br />

So ernst, wie er auch die lokale Verwurzelung seiner Firma in<br />

Kallinchen nimmt. Aus diesem Ort stammt er, stammt seine<br />

Frau, hier leben die Eltern, hier wachsen die bei<strong>de</strong>n Söhne<br />

auf. Wer bei <strong>de</strong>r Energiequelle GmbH arbeiten will, muss<br />

nach Kallinchen kommen. Die Heimat hat ihn groß gemacht,<br />

jetzt gibt er etwas zurück, so kann man es sehen. O<strong>de</strong>r man<br />

sagt: Wer so starke Wurzeln hat, <strong>de</strong>r kann sich in <strong>de</strong>n Himmel<br />

strecken, ohne ins Wanken zu geraten. Seit <strong>de</strong>r Ernennung<br />

von Feldheim zur ersten energieautarken Gemein<strong>de</strong> Deutschlands<br />

im Oktober 2010 guckt die halbe Welt auf das, was da<br />

in Bran<strong>de</strong>nburg entstan<strong>de</strong>n ist. Seit<strong>de</strong>m kommen Besuchergruppen<br />

von überall, um zu sehen, wie das Energiekonzept<br />

funktioniert, das – zumin<strong>de</strong>st für kleine Orte – die Zukunft<br />

sein könnte. Aus Afrika, Südamerika, aus Russland und sogar<br />

aus Nordkorea waren Besucher da. Und seit <strong>de</strong>r Reaktorkatastrophe<br />

von Fukushima immer wie<strong>de</strong>r auch aus Japan.<br />

DAS UNTERNEHMEN<br />

Energiequelle GmbH wur<strong>de</strong> im Jahr 1997 gegrün<strong>de</strong>t und begann mit vier Windrä<strong>de</strong>rn in Feldheim im Landkreis Potsdam-Mittelmark.<br />

Bis dato hat Energiequelle mehr als 1.000 Windkraftanlagen, 50 Fotovoltaikkraftwerke und 20 Biogasanlagen errichtet. Rund die<br />

Hälfte <strong>de</strong>r Anlagen betreibt das Unternehmen selbst. Die Firma beschäftigt rund 150 Mitarbeiter an zwei Standorten.<br />

14 ProFirma 04 2012

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