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Folge 57 - Louise Otto- Louise Aston - Kathinka Zitz

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<strong>57</strong>. <strong>Folge</strong><br />

<strong>Louise</strong> <strong>Otto</strong> (1819 – 1895)<br />

<strong>Louise</strong> <strong>Aston</strong> (1814 - ?)<br />

<strong>Kathinka</strong> <strong>Zitz</strong> (1801 – 1877)<br />

Durch die starke demokratische Bewegung des so genannten Vormärz und seinen radikalen<br />

Tendenzen, mit ausgelöst durch Metternichs Karlsbader Beschlüsse von 1819, die den<br />

Bürgern den Mund verbieten wollten, nahm auch die Frauenliteratur politische Züge an.<br />

Die erste Lyrikerin, die ich Ihnen in diesem Zusammenhang vorstellen will, ist <strong>Louise</strong><br />

<strong>Otto</strong>. Lerche der deutschen Frauenbewegung, so wurde die 1819 Geborene genannt. Mit<br />

einundzwanzig Jahren, wird <strong>Louise</strong> <strong>Otto</strong> zur sozialen Schriftstellerin. Sieben Jahre später<br />

erschien ihr Gedichtband Lieder eines deutschen Mädchens. Ein Jahr nach der gescheiterten<br />

Revolution gab sie die Deutsche Frauenzeitung heraus und 1865, mit vierundvierzig Jahren,<br />

wird sie Mitbegründerin des Allgemeinen deutschen Frauenvereins, dem die männlich<br />

beherrschten Gewerkschaften noch lange die Zusammenarbeit verwehren sollten. 1895 ist<br />

<strong>Louise</strong> <strong>Otto</strong>, die mit dem Schriftsteller August Peters verheiratet war, im Alter von<br />

sechsundsiebzig Jahren gestorben. Klöpplerinnen, so heißt eines ihrer Gedichte, das uns<br />

veraltet vorkommen könnte, wenn wir im reichen Europa den Blick vor den armen Ländern<br />

der Welt verschlössen.<br />

Klöpplerinnen<br />

Seht Ihr sie sitzen am Klöppelkissen<br />

Die Wangen bleich und die Augen rot?<br />

Sie mühen sich ab für einen Bissen,<br />

Für einen Bissen schwarzes Brot!<br />

Großmutter hat sich die Augen erblindet,<br />

Sie wartet, bis sie der Tod befreit –<br />

Im stillen Gebet sie die Hände windet:<br />

Gott schütze uns in der schweren Zeit.<br />

Die Kinder regen die kleinen Hände.<br />

Die Klöppel fliegen hinab, hinauf.<br />

Der Müh und Sorge kein Ende, kein Ende!<br />

Das ist ihr künftiger Lebenslauf.<br />

Die jungen Frauen, dass Gott sich erbarme,<br />

Sie ahnen nimmer der Jugend Lust –<br />

Das Elend schließt sie in seine Arme,<br />

Der Mangel schmiegt sich an ihre Brust.<br />

Seht Ihr sie sitzen am Klöppelkissen,<br />

Seht Ihr die Spitzen, die sie gewebt:<br />

Ihr Reichen, Großen – hat das Gewissen<br />

Euch nie in der innersten Seele gebebt?<br />

Ihr schwelgt und prasset, wo sie verderben,<br />

Genießt das Leben in Saus und Braus,<br />

Indessen sie vor Hunger sterben,


Gott dankend, dass die Qual nun aus!<br />

Seht Ihr sie sitzen am Klöppelkissen?<br />

Und fühlt kein Erbarmen in solcher Zeit?<br />

Dann werde Euer Sterbekissen<br />

Der Armut Fluch und all ihr Leid!<br />

Eine andere Dichterin aus dieser Zeit ist <strong>Louise</strong> <strong>Aston</strong>. Sie ist 1814 in Berlin geboren und als<br />

17-Jährige wird sie mit dem englischen Fabrikanten <strong>Aston</strong> zwangsverheiratet. Sie löst sich<br />

aber aus dieser Ehe und schließt sich der Berliner Vormärzbewegung an. Sie propagiert die<br />

freie Liebe und praktiziert sie auch. Sie geht rauchend und in Männerhosen gekleidet Unter<br />

den Linden spazieren und gibt im Ein-Frau-Betrieb die Zeitschrift Der Freischärler heraus.<br />

Sie wird verhaftet und schließlich der Stadt verwiesen. Sie lässt sich in Bremen nieder,<br />

heiratet dort den Chefarzt des städtischen Krankenhauses, bekommt in Bremen ähnliche<br />

Probleme, verlässt mit ihren Mann Deutschland und verstummt im Exil. Ihre Spur verliert<br />

sich. Ich zumindest weiß nicht, wann und wo sie gestorben ist.<br />

Nachtphantasien von <strong>Louise</strong> <strong>Aston</strong><br />

Ich liebe die Nacht! Ich liebe die Nacht!<br />

Doch nicht die einsame, trübe!<br />

Nein, die aus seligen Augen lacht,<br />

In flammender Pracht, in Zaubermacht,<br />

Die heilige Nacht der Liebe.<br />

Es mahne der Tod mich, der finstere bleiche,<br />

An das Leben, das lichte, das reiche,<br />

An den heiteren Genius der Welt!<br />

Drum hab ich ein knöchern Beingerippe<br />

Mit Kruzifix und drohender Hippe<br />

In meinem Zimmer aufgestellt.<br />

Fest schau ich es an bei Mondenscheine,<br />

Wenn ich in verzweifeltem Schmerze weine.<br />

Ein kämpfendes Kind der kämpfenden Zeit!<br />

Dann tauml ich empor in wildem Entzücken,<br />

Das Leben noch einmal ans Herz zu drücken,<br />

Bevor es vernichtendem Tode geweiht!<br />

Ja, kühlen in frischen Lebensfluten<br />

Will ich der lodernden Seele Gluten!<br />

Ich will, vor Sünde und Kreuz bewahrt,<br />

Stark durch des eigenen Geistes Ringen,<br />

Mich aus Fesseln und Banden schwingen<br />

Auf zu begeisterter Himmelfahrt!<br />

Sie merken schon an <strong>Louise</strong> <strong>Otto</strong>s Klöpplerinnen und <strong>Louise</strong> <strong>Aston</strong>s Nachtphantasien, dass<br />

da zwei unterschiedliche Temperamente die Welt beschreiben. Will die eine beharrlich Stufe<br />

für Stufe die Stellung der Frauen verbessern, will es die andere spontan und als<br />

’Freischärlerin.


Noch eine dritte Haltung gibt es. Die vertritt <strong>Kathinka</strong> <strong>Zitz</strong>. Sie ist 1801 in Mainz geboren und<br />

erhielt dort und in Straßburg eine Pensionatserziehung. Ging dann zurück ins Elternhaus und<br />

arbeitete als Erzieherin. Sie war kurze Zeit mit dem Rechtsanwalt Franz <strong>Zitz</strong> verheiratet, der<br />

Mitglied des Frankfurter Parlaments war und einer der Führer der revolutionären Bewegung<br />

in Mainz wurde. <strong>Kathinka</strong> <strong>Zitz</strong> war zeitlebens arm und schrieb, um zu überleben. Sie starb,<br />

fast erblindet, als 76-Jährige in ihrer Heimatstadt Mainz.<br />

Farbenwechsel<br />

»Warum nur gehst du immer grau gekleidet?«<br />

So sprach der Freund zu einer ernsten Frau.<br />

»Mein Aug sich gern an bunten Farben weidet,<br />

Du aber gehst so lange schon in Grau.«<br />

»Mein treuer Freund, dir will ich wohl es sagen.<br />

Die graue Stimmung herrscht mir im Gemüt,<br />

Und keine bunten Farben kann ich tragen,<br />

Seit mir des Lebens Baum hat abgeblüht.<br />

Das Kind trug Weiß – Der Unschuld Engelfarbe<br />

Umhüllte es so duftig, hell und klar.<br />

Und aus der Ähren aufgehäufter Garbe<br />

Zog es sich Blumen für sein Lockenhaar.<br />

Dann kam die Zeit der aufgewachten Triebe,<br />

Die in dem Lenz des Lebens feurig glühn.<br />

Ich ging im Kleid der rosenroten Liebe<br />

Und in der Hoffnung heilig-schönem Grün.<br />

Dann kam ein Tag, der brachte die Gewänder<br />

Der wilden feuerfarbnen Leidenschaft,<br />

Die mich umschloss mit ihren Glutenbändern,<br />

Mir aufgezehrt des Geistes rege Kraft.<br />

Die Gattin ging einher im blauen Kleide<br />

Der ewig duldenden Ergebenheit.<br />

Und später trug ich violette Seide.<br />

Die Farbe, die dem edlen Zorn geweiht.<br />

Dann sah ich Jahre auf mich niederschweben<br />

Wie Rabenzüge mit dem Unglücks-Flug,<br />

In welchen ich um ein verfehltes Leben.<br />

Das dunkle Schwarz der tiefen Trauer trug.<br />

Allmählich trug ich Braun – Denn die Bestrebung<br />

Des Selbstbewusstseins lichtete den Sinn.<br />

Die braune Farbe deutet auf Ergebung<br />

In ein Geschick, an dem ich schuldlos bin.<br />

Jetzt ist das Grau die Farbe meiner Tage.<br />

Das Sinnbild einer blassen Dämmerzeit,


In der gestorben ist die Freude wie die Klage.<br />

Die graue Farbe zeigt Gleichgültigkeit.«

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