Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst - Notfallseelsorge in ...

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Johannes Zepezauer Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst amerikanische Studien belegen, gibt es bei belasteten Einsatzkräften eine überdurch- schnittliche Suizidrate. 312 Der Arbeitsplatz der RD-Mitarbeiter ist vielfältig und birgt nicht selten Gefahren wie beispielsweise Feuer, Explosionen, gefährliche Stoffe und gewalttätige Patienten in sich. 313 Die Einsatzkräfte müssen oft an Orten präsent sein, die andere Menschen mei- den oder fluchtartig verlassen. Auch der Straßenverkehr stellt eine Gefahr dar. So gibt es in Deutschland pro Jahr ca. 3.500 Unfälle mit Einsatzfahrzeugen des Rettungsdien- stes; bei ca. 200 dieser Unfälle gibt es Verletzte, bei ungefähr 50 von ihnen Schwerver- letzte und etwa 14 Mal verlieren Menschen dabei ihr Leben. 314 Das Unfallrisiko von Fahrzeugen mit Sondersignal wird viermal höher angesehen als bei allen anderen Ver- kehrsteilnehmern. 315 Einsätzkräfte können unter Umständen in der Gefahr stehen, sich zu überschätzen und als scheinbar omnipotente Lebensretter die eigenen Grenzen und Möglichkeiten falsch einzustufen und dadurch sich und andere zu gefährden. 316 Aufgrund dieser zahlreichen außergewöhnlichen Belastungen spricht vieles dafür, „dass diese Tätigkeit nicht bis zur gesetzlichen Altersgrenze ausgeübt werden kann.“ 317 Ge- setzliche Regelungen hierzu gibt es bislang keine. 3.4.2 Besonders belastende Einsätze Jeder RD-Einsatz bringt seine eigenen Belastungen mit sich. Auch oder sogar gerade Krankentransporte dürfen dabei nicht unterschätzt werden: Sie konfrontieren das RD- Personal oft mit schweren Krankheiten (beispielsweise Krebs) und den negativen Seiten des Alters (Einsamkeit, Multimorbidität, Demenz u. ä.). An dieser Stelle sollen beispielhaft drei konkrete Einsatzbereiche vorgestellt werden, die als solche besondere Belastungen für das Personal mit sich bringen. 3.4.2.1 Reanimation Wenn ein Patient klinisch tot ist, bei ihm also weder Spontanatmung noch Herz- und Kreislauftätigkeit vorliegen, kann eine rechtzeitig begonnene kardiopulmonale Reani- mation (CPR), auch Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) genannt, möglicherweise ein 312 Vgl. FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269. 313 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf im Rettungsdienst, 812. 314 Vgl. REDELSTEINER: Fahrzeuge, 674. 315 Vgl. REDELSTEINER: Fahrzeuge, 674. Bei Fahrten mit Sonderrechten und -signal ist statistisch ges ehen bei jedem 272.000. Einsatz mit einem tödlichen Verkehrsunfall zu rechnen. Vgl. REDELSTEINER: Fahrzeuge, 674. 316 Vgl. dazu auch SALOMON: Das Menschenbild, 246. 317 BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT : Informationsmappe 130, B 3,1 . 09/92. 68

Johannes Zepezauer Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst Weiterleben erreichen. 318 Die Basismaßnahmen der Wiederbelebungsversuche werden als Basic Cardiac Life Support (BCLS) bezeichnet, sind nach dem ABC-Schema ange- ordnet und können von jedermann angewendet werden: Atemwege freimachen, beatmen und die Circulation in Gang bringen (durch Hochlagern der Beine und Herzdruckmas- sage). 319 Die erweiterten Maßnahmen der CPR, die Advanced Cardiac Life Support (ACLS), werden vom RD-Personal durchgeführt. Dazu gehören die endotracheale Intubation 320 , die Beatmung mit medizinischem Sauerstoff über Tubus und Beatmungsgerät, ein venö- ser Zugang (für Medikamente), Volumengabe (Infusionen mit Vollelektrolytlösungen) und Medikamentengabe (vor allem ein Adrenalinpräparat und ferner Lidocain und Atropin) und bei Kammerflimmern gegebenenfalls Defibrillation mit in der Regel 200 beziehungsweise 360 Joule. 321 Das RD-Personal ist bei einem Patienten mit Herzkreislaufstillstand zur Reanimation verpflichtet bis ein Arzt deren Einstellung entscheidet. Die Verpflichtung besteht aller- dings nicht, wenn so genannte sichere Todeszeichen 322 erkennbar sind oder Verletzun- gen vorliegen, „die eindeutig mit dem Leben nicht vereinbar sind, wie schwerste Schä- digung von Gehirn, Rückenmark, Herz und großen Körpergefäßen.“ 323 Die ACLS werden vom RD-Personal regelmäßig in den verschiedenen Algorithmen trainiert, damit bei einer Reanimation wertvolle Zeit nicht unnötig verloren geht. Auf Außenstehende können die Reanimationsmaßnahmen und ihre Begleiterscheinungen durchaus gewalttätig und grausam wirken, denn „schnelles Lagern der leblosen Person auf einer harten Unterlage [...], Freimachen des Oberkörpers durch Zerreißen der Klei- 318 Eine Studie ergab einen primären Reanimationserfolg von 20 bis 50 % der Fälle (abhängig von den Bedingungen). Allerdings haben nur 7% der präklinisch reanimierten Patienten das Krankenhaus wieder lebend verlassen. Vgl. MOHR / KETTLER: Ethik in der Notfallmedizin, 121. „Spätestens nach einer mehr als 8 Minuten dauernden Unterbrechung der Sauerstoffversorgung des Gehirns muß mit irreversiblen Schädigungen dieses Organs gerechnet werden. Die Prognose von Patienten mit Herzkreislaufstillstand ist daher am günstigsten, wenn innerhalb von etwa 4 Minuten nach Eintritt des Stillstandes mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung begonnen wird und innerhalb von 8 Minuten erweitere Wiederbelebungsmaßnahmen wie Medikamentengabe oder elektrische Defibrillation bei Kammerflimmern vorgenommen werden.“ (MOHR / KETTLER: Ethik in der Notfallmedizin, 119. 319 Vgl. GERDTS: Reanimation, 309 u. 312. Vgl. dazu auch FLAKE / LUTOMSKY: Kardiopulmonale Reanimation, 192-194. Das Verhältnis zwischen Beatmung und Herzdruckmassage beträgt eine Beatmung zu 15 Kompressionen; zu Beginn der Maßnahmen wird zweimal beatmet. 320 Bei der Intubation wird ein Tubus zur Beatmung und Medikamentengabe durch die Luftröhre in die Lunge gelegt. 321 Vgl. GERDTS: Reanimation, 314 u. 318f u. 328. Vgl. dazu auch FLAKE / LUTOMSKY: Kardiopulmonale Reanimation, 194-198. Für Kinder gibt es je nach Altersgruppe eigene Besonderheiten bei der HLW, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. 322 Hierzu zählen vor allem die Totenflecken (Hypostase), die frühestens 20 Minuten nach dem Eintritt des klinischen Todes festgestellt werden können. Vgl. MOHR / KETTLER: Ethik in der Notfallmedizin, 120. 323 MOHR / KETTLER: Ethik in der Notfallmedizin, 120. 69

Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Weiterleben erreichen. 318 Die Basismaßnahmen der Wiederbelebungsversuche werden<br />

als Basic Cardiac Life Support (BCLS) bezeichnet, s<strong>in</strong>d nach dem ABC-Schema ange-<br />

ordnet und können von jedermann angewendet werden: Atemwege fre<strong>im</strong>achen, beatmen<br />

und die Circulation <strong>in</strong> Gang br<strong>in</strong>gen (durch Hochlagern der Be<strong>in</strong>e und Herzdruckmas-<br />

sage). 319<br />

Die erweiterten Maßnahmen der CPR, die Advanced Cardiac Life Support (ACLS),<br />

werden vom RD-Personal durchgeführt. Dazu gehören die endotracheale Intubation 320 ,<br />

die Beatmung mit mediz<strong>in</strong>ischem Sauerstoff über Tubus und Beatmungsgerät, e<strong>in</strong> venö-<br />

ser Zugang (für Medikamente), Volumengabe (Infusionen mit Vollelektrolytlösungen)<br />

und Medikamentengabe (vor allem e<strong>in</strong> Adrenal<strong>in</strong>präparat und ferner Lidoca<strong>in</strong> und<br />

Atrop<strong>in</strong>) und bei Kammerfl<strong>im</strong>mern gegebenenfalls Defibrillation mit <strong>in</strong> der Regel 200<br />

beziehungsweise 360 Joule. 321<br />

Das RD-Personal ist bei e<strong>in</strong>em Patienten mit Herzkreislaufstillstand zur Rean<strong>im</strong>ation<br />

verpflichtet bis e<strong>in</strong> Arzt deren E<strong>in</strong>stellung entscheidet. Die Verpflichtung besteht aller-<br />

d<strong>in</strong>gs nicht, wenn so genannte sichere Todeszeichen 322 erkennbar s<strong>in</strong>d oder Verletzun-<br />

gen vorliegen, „die e<strong>in</strong>deutig mit dem Leben nicht vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d, wie schwerste Schä-<br />

digung von Gehirn, Rückenmark, Herz und großen Körpergefäßen.“ 323<br />

Die ACLS werden vom RD-Personal regelmäßig <strong>in</strong> den verschiedenen Algorithmen<br />

tra<strong>in</strong>iert, damit bei e<strong>in</strong>er Rean<strong>im</strong>ation wertvolle Zeit nicht unnötig verloren geht. Auf<br />

Außenstehende können die Rean<strong>im</strong>ationsmaßnahmen und ihre Begleitersche<strong>in</strong>ungen<br />

durchaus gewalttätig und grausam wirken, denn „schnelles Lagern der leblosen Person<br />

auf e<strong>in</strong>er harten Unterlage [...], Fre<strong>im</strong>achen des Oberkörpers durch Zerreißen der Klei-<br />

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E<strong>in</strong>e Studie ergab e<strong>in</strong>en pr<strong>im</strong>ären Rean<strong>im</strong>ationserfolg von 20 bis 50 % der Fälle (abhängig von den<br />

Bed<strong>in</strong>gungen). Allerd<strong>in</strong>gs haben nur 7% der präkl<strong>in</strong>isch rean<strong>im</strong>ierten Patienten das Krankenhaus<br />

wieder lebend verlassen. Vgl. MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 121. „Spätestens nach<br />

e<strong>in</strong>er mehr als 8 M<strong>in</strong>uten dauernden Unterbrechung der Sauerstoffversorgung des Gehirns muß mit<br />

irreversiblen Schädigungen dieses Organs gerechnet werden. Die Prognose von Patienten mit Herzkreislaufstillstand<br />

ist daher am günstigsten, wenn <strong>in</strong>nerhalb von etwa 4 M<strong>in</strong>uten nach E<strong>in</strong>tritt des<br />

Stillstandes mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung begonnen wird und <strong>in</strong>nerhalb von 8 M<strong>in</strong>uten erweitere<br />

Wiederbelebungsmaßnahmen wie Medikamentengabe oder elektrische Defibrillation bei<br />

Kammerfl<strong>im</strong>mern vorgenommen werden.“ (MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 119.<br />

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Vgl. GERDTS: Rean<strong>im</strong>ation, 309 u. 312. Vgl. dazu auch FLAKE / LUTOMSKY: Kardiopulmonale Rean<strong>im</strong>ation,<br />

192-194. Das Verhältnis zwischen Beatmung und Herzdruckmassage beträgt e<strong>in</strong>e Beatmung<br />

zu 15 Kompressionen; zu Beg<strong>in</strong>n der Maßnahmen wird zwe<strong>im</strong>al beatmet.<br />

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Bei der Intubation wird e<strong>in</strong> Tubus zur Beatmung und Medikamentengabe durch die Luftröhre <strong>in</strong> die<br />

Lunge gelegt.<br />

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Vgl. GERDTS: Rean<strong>im</strong>ation, 314 u. 318f u. 328. Vgl. dazu auch FLAKE / LUTOMSKY: Kardiopulmonale<br />

Rean<strong>im</strong>ation, 194-198. Für K<strong>in</strong>der gibt es je nach Altersgruppe eigene Besonderheiten bei der<br />

HLW, auf die hier nicht näher e<strong>in</strong>gegangen werden kann.<br />

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Hierzu zählen vor allem die Totenflecken (Hypostase), die frühestens 20 M<strong>in</strong>uten nach dem E<strong>in</strong>tritt<br />

des kl<strong>in</strong>ischen Todes festgestellt werden können. Vgl. MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>,<br />

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