Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst - Notfallseelsorge in ...
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Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />
Der Schichtdienst entgegen dem Lebensrhythmus, unregelmäßige Mahlzeiten, körperli-<br />
che Höchstleistungen und Adrenal<strong>in</strong>schübe zu unterschiedlichen Tageszeiten belasten<br />
den menschlichen Körper. Die unregelmäßige Schichte<strong>in</strong>teilung stellt zudem e<strong>in</strong>e Bela-<br />
stung für die Familie und die soziale Umgebung dar. 305 Die Scheidungs- und Tren-<br />
nungsrate liegt bei RD-Mitarbeitern über dem Durchschnitt. 306<br />
Zu den typischen Berufskrankheiten zählen Wirbelsäulenverletzungen und Ansteckung<br />
durch Infektionen. 307 Nicht zu vernachlässigen s<strong>in</strong>d auch psychosomatische und -soziale<br />
Folgen wie ungesunde Ernährung, Schlaf- und Essstörungen oder die Abhängigkeit von<br />
Kaffee, Alkohol, Tabletten, Nikot<strong>in</strong> und anderen Drogen, die unter RD-Mitarbeitern<br />
nicht selten vorkommt, wenn Probleme, Schuldgefühle und traumatische Bilder ver-<br />
drängt werden. 308 Ferner können sich bei E<strong>in</strong>satzkräften auch Posttraumatische Bela-<br />
stungsstörungen entwickeln, wenn schreckliche E<strong>in</strong>satzerlebnisse nicht rechtzeitig auf-<br />
gearbeitet werden. 309 Es ist wichtig zu beachten, dass „nicht nur dramatische Ereignisse<br />
[...], sondern auch ‚kle<strong>in</strong>ere’ <strong>im</strong>mer wiederkehrende Belastungen [...] kumulieren und<br />
zu den [...] vegetativen bzw. sich chronifizierenden psychosomatischen traumareaktiven<br />
Beschwerden führen“ 310 können. Bei Nichtbehandlung sehen Betroffene nicht selten<br />
den Selbstmord als letzte Lösungsmöglichkeit, als „ult<strong>im</strong>ate stress reaction“ 311 . Wie<br />
305 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 811.<br />
306 Vgl. FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269.<br />
307 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 812. So s<strong>in</strong>d beispielsweise weltweit<br />
bisher 73 HIV-Infektionen gezählt worden, die sehr wahrsche<strong>in</strong>lich beruflich bed<strong>in</strong>gt erworben wurden.<br />
In Deutschland s<strong>in</strong>d es zwei publizierte und gesicherte Fälle und zwei wahrsche<strong>in</strong>liche. Vgl.<br />
RUNGGALDIER: Tips für den <strong>Rettungsdienst</strong>alltag, 19. Mohr und Kettler schreiben dazu: „Der unbekannte<br />
Patient birgt [...] auch e<strong>in</strong> erhöhtes Risiko der eigenen Gefährdung durch Infektionen. Die<br />
Zahl HIV-positiver Patienten <strong>in</strong> den Notfallaufnahmen von Krankenhäusern und unter Unfallopfern<br />
beträgt bei überwiegend städtischen E<strong>in</strong>zugsgebieten bis zu 5%. Die Versorgung von Drogenabhängigen<br />
oder blutenden Verletzten, aber auch der Umgang mit Kanülen bei unkooperativen Patienten<br />
stellen potentielle Gefahrenquellen dar. Die Arbeit <strong>in</strong> der Stresssituation des Notfalls verleitet schnell<br />
zur Missachtung entsprechender Vorsichtsregeln.“ (MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>,<br />
119.) Wesentlich größer als das Risiko e<strong>in</strong>er HIV-Infektion ist allerd<strong>in</strong>gs das e<strong>in</strong>er Hepatitis B- oder<br />
Hepatitis C-Infektion. Vgl. RUNGGALDIER: Tips für den <strong>Rettungsdienst</strong>alltag, 19.<br />
308 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 812 und vgl. BENGEL: Psychische<br />
Belastungen des Rettungspersonals, 52. Vgl. dazu auch die Fragebögen RD 1-3 (jeweils 14) und ferner<br />
Fragebögen KID (13) und NFS (12), die alle die Suchtgefahr <strong>im</strong> RD hoch e<strong>in</strong>schätzen. So<br />
schreibt beispielsweise e<strong>in</strong> Rettungsassistent: „Die Suchtgefahr halte ich für sehr hoch! Alkohol ist,<br />
denke ich, für viele Kollegen oft die ‚Erste Lösung’ um nach dem Dienst mit dem Erlebten fertig zu<br />
werden.“ (Fragebogen RD 1.)<br />
309 Auf die PTBS wurde bereits unter II, 3.1.1.3 (vor allem Anm. 137) näher e<strong>in</strong>gegangen. Vgl. dazu<br />
auch RUNGGALDIER: Psychologie, 846-848 und vgl. BENGEL: Posttraumatische Belastungsstörung.<br />
Feuerwehr, RD und Katastrophenschutz lassen sich mit Blick auf die PTBS-Gefährdung als Hochrisiko-Berufsgruppen<br />
bezeichnen. Vgl. HEINRICHS: E<strong>in</strong>satzbelastungen, 4.<br />
310 FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269. Nach Markus He<strong>in</strong>richs „zeigen E<strong>in</strong>satzkräfte [...] auch <strong>im</strong>mer<br />
erhöhte körperliche Beschwerden <strong>im</strong> Vergleich zur Allgeme<strong>in</strong>bevölkerung – <strong>in</strong>sbesondere <strong>im</strong> Bereich<br />
Herz/Kreislauf.“ (HEINRICHS: E<strong>in</strong>satzbelastungen, 5.) So s<strong>in</strong>d bei RD-Mitarbeitern nicht selten<br />
gesundheitliche Beschwerden vorgekommen, „die eben nicht <strong>im</strong>mer organisch entsprechend abgeklärt<br />
werden können.“ (HEINRICHS: E<strong>in</strong>satzbelastungen, 5.)<br />
311 FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269.<br />
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