Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst - Notfallseelsorge in ...

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Johannes Zepezauer Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst Beim ASB waren im gleichen Jahr 2.959 Hauptamtliche und 5.429 Ehrenamtliche im Bereich des gesamten Rettungswesens eingesetzt (also beispielsweise auch im nichtme- dizinischen Krankentransport). Beim MHD setzte sich, ebenfalls 2002, das RD-Personal mit insgesamt 3.986 Personen aus 1.117 Hauptamtlichen, 662 Aushilfen, 464 Zivil- dienstleistenden und 1.743 Ehrenamtlichen zusammen. 280 Von der JUH waren (trotz Anfrage) keine Angaben zu erfahren. 3.2 Motivation des Personals Was bewegt Menschen dazu, sich im RD zu engagieren und dafür ungünstige Arbeits- zeiten, geringe Aufstiegsmöglichkeiten, hohe physische und psychische Belastungen und ein vergleichsweise niedriges Gehalt in Kauf zu nehmen? 281 Thomas Stepan stellt fest, „dass die Art der Motivation [...] ausschlaggebend dafür ist, ob der Betroffene bei der Tätigkeit längerfristig Erfüllung und Befriedigung erlangt oder aber der Sinn für das Helfen verloren geht.“ 282 Bei einer Umfrage unter dem RD-Personal eines Kreisverbandes wurden die folgenden Motivationsaspekte am häufigsten genannt: Umgang mit Menschen, Leben retten, Ab- wechslung und Herausforderung, Sinngebung und schließlich Blaulichtfahrten. 283 Ins- gesamt lassen sich bei den vielfältigen Motiven teils sinn- und teils erlebnisorientierte Aspekte finden. Am Anfang steht bei den meisten RD-Mitarbeitern eine „vorwiegend idealistische Auffassung“. 284 Die Antworten der Fragebögen lassen darauf schließen, dass die genannten Ideale eine wichtige Rolle bei der Motivation spielen, besonders das Ideal des Helfens. 285 280 Diese Informationen sind auf briefliche Anfrage im August 2003 vom Generalsekretariat bzw. vom Bundesvorstand der jeweiligen Hilfsorganisation zugesandt worden. Die zahlenmäßige Relation von weiblichem und männlichem Personal war daraus nicht zu erschließen. 281 Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 27f. Die genannten Aspekte werden später (unter III, 3.4) noch näher erläutert. 282 STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 29. 283 Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 30. Vgl. dazu auch die kritische Aussage im Fragebogen NFS (6): „Bei vielen Rettungsdienstlern wird der Dienst weniger als Dienst am Menschen gesehen, sondern eher als eigener Geltungsdrang. Es stärkt das Selbstbewusstsein, wenn jemand mit Blaulicht und Martinshorn durch die Straßen fährt, um auf sich aufmerksam zu machen.“ 284 STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 34. Wesentliche Motivationen sind: 1) Verantwortungsgefühl (moralische Verpflichtung), 2) Abenteuer und Neues erleben, keine Routine, 3) Wunsch nach Anerkennung durch das soziale Umfeld und Gesellschaft und 4) soziale Kontakte. Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 34. 285 Alle Befragten (Fragebögen RD und KID) gaben als Motivation an, anderen helfen zu können. Darüber hinaus war für RD 1 eine zusätzliche Motivation, dass er selbst etwas bewirken kann; RD 2 bewegte auch die Neugierde und Herausforderung und für RD 3 verleiht die Arbeit im RD zudem (e inen) Sinn. Vgl. dazu die Fragebögen RD 1-3 (jeweils 9) und KID (6). 62

Johannes Zepezauer Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst Nicht selten bleiben Zivildienstleistende nach ihrer Dienstzeit weiterhin im RD ehren- amtlich tätig; teilweise absolvieren ehemalige Zivildienstleistende sogar die RA- Ausbildung und treten in ein hauptamtliches Beschäftigungsverhältnis ein, anstatt in ihren zuvor erlernten Beruf zurückzukehren beziehungsweise ein Studium oder eine (andere) Ausbildung zu beginnen. 286 3.3 Spannung zwischen Klischee und Wirklichkeit Wer sich beim Arbeitsamt über den Beruf des Rettungsassistenten erkundigen will, fin- det in der aktuellen Informationsmappe folgende erste Berufsumschreibung: „Mit quiet- schenden Reifen und blinkendem Martinshorn bahnt sich der Rettungswagen seinen Weg durch die Autokolonne des Feierabendverkehrs. Der einsatzleitende RA und sein Beifahrer lassen sich davon jedoch nicht aus der Ruhe bringen.“ 287 Martinshorn und Blaulicht sind vermutlich die ersten Assoziationen, die dem Bevölke- rungsdurchschnitt zum Stichwort „Rettungsdienstin den Sinn kommen; denn auf diese Weise nehmen die meisten Menschen Tag für Tag den RD wahr. Der Beschreibung oben entsprechend werden die Mitarbeiter des Rettungsdienstes wohl oft als unerschüt- terlich, vielleicht auch als kühn und beinahe gefühllos bewertet. 288 In der Öffentlichkeit gibt es ohne Zweifel eine mangelnde Anerkennung des Rettungs- dienstes und seiner Mitarbeiter. 289 So werden qualifizierte Rettungsassistenten nicht selten lediglich als Krankenwagenfahrer bezeichnet; bei Einsätzen wird oft nur nach dem Notarzt gefragt und nach Zeitungsberichten sind an Unfallorten immer zahlreiche Ärzte, aber keine Rettungsassistenten oder -sanitäter aktiv. 290 286 Diese Angaben basieren auf eigenen Erfahrungen. Statistiken konnten hierzu nicht gefunden werden. Durch die Verkürzung der Zivildienstzeit auf zehn Monate und der langen Ausbildung lohnt es sich für Rettungswachen heutzutage kaum noch, Zivildienstleistende aufgrund der langen Ausbildung im RD einzusetzen. 287 BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT : Informationsmappe 130, A 03-92. Der Verfasser muss an dieser Stelle zugeben, dass er trotz mehrjähriger Erfahrung bislang noch „kein blinkendes Martinshorn“ entdeckt hat. Angesichts dieser mit Klischees angereicherten RD-Beschreibung im Zitat möge der Leser diese Bemerkung wohlwollend verzeihen. 288 Vgl. dazu auch die Vorurteile des Seelsorgers in der Karikatur von Daniel Lüdeling (Abb. 1), auf die in der Einleitung eingegangen wurde. Gelegentlich gibt es auch Vorurteile, nach denen die Rettungsdienstler mit Blaulicht mal schnell Pizza oder Eis holen fahren. Manchmal gehen auch Beschwerden auf Rettungswachen ein, weil ein Einsatzfahrzeug mit dem Martinshorn die Ruhe der Anwohner störte. Die Bevölkerung weiß in der Regel nicht sehr viel von der Realität des Rettungsdienstes. Geschätzt werden die Menschen in Einsatzkleidung oft nur, wenn ihre Unterstützung für einen selbst oder Angehörige benötigt wird. Ein Wort des Dankes für die geleistete Hilfe ist nicht mehr unbedingt selbstverständlich, weil der Einsatz oft als bezahlte Leistung der Krankenkasse aufgefasst wird. 289 Diese mangelnde Anerkennung und Kenntnis der Arbeit des Rettungsdienstes stimmt einen der Lehrrettungsassistenten in den Fragebögen unzufrieden. Vgl. Fragebogen RD 3 (10). 290 Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 37. 63

Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Nicht selten bleiben Zivildienstleistende nach ihrer Dienstzeit weiterh<strong>in</strong> <strong>im</strong> RD ehren-<br />

amtlich tätig; teilweise absolvieren ehemalige Zivildienstleistende sogar die RA-<br />

Ausbildung und treten <strong>in</strong> e<strong>in</strong> hauptamtliches Beschäftigungsverhältnis e<strong>in</strong>, anstatt <strong>in</strong><br />

ihren zuvor erlernten Beruf zurückzukehren beziehungsweise e<strong>in</strong> Studium oder e<strong>in</strong>e<br />

(andere) Ausbildung zu beg<strong>in</strong>nen. 286<br />

3.3 Spannung zwischen Klischee und Wirklichkeit<br />

Wer sich be<strong>im</strong> Arbeitsamt über den Beruf des Rettungsassistenten erkundigen will, f<strong>in</strong>-<br />

det <strong>in</strong> der aktuellen Informationsmappe folgende erste Berufsumschreibung: „Mit quiet-<br />

schenden Reifen und bl<strong>in</strong>kendem Mart<strong>in</strong>shorn bahnt sich der Rettungswagen se<strong>in</strong>en<br />

Weg durch die Autokolonne des Feierabendverkehrs. Der e<strong>in</strong>satzleitende RA und se<strong>in</strong><br />

Beifahrer lassen sich davon jedoch nicht aus der Ruhe br<strong>in</strong>gen.“ 287<br />

Mart<strong>in</strong>shorn und Blaulicht s<strong>in</strong>d vermutlich die ersten Assoziationen, die dem Bevölke-<br />

rungsdurchschnitt zum Stichwort „<strong>Rettungsdienst</strong>“ <strong>in</strong> den S<strong>in</strong>n kommen; denn auf diese<br />

Weise nehmen die meisten Menschen Tag für Tag den RD wahr. Der Beschreibung<br />

oben entsprechend werden die Mitarbeiter des <strong>Rettungsdienst</strong>es wohl oft als unerschüt-<br />

terlich, vielleicht auch als kühn und be<strong>in</strong>ahe gefühllos bewertet. 288<br />

In der Öffentlichkeit gibt es ohne Zweifel e<strong>in</strong>e mangelnde Anerkennung des Rettungs-<br />

dienstes und se<strong>in</strong>er Mitarbeiter. 289 So werden qualifizierte Rettungsassistenten nicht<br />

selten lediglich als Krankenwagenfahrer bezeichnet; bei E<strong>in</strong>sätzen wird oft nur nach<br />

dem Notarzt gefragt und nach Zeitungsberichten s<strong>in</strong>d an Unfallorten <strong>im</strong>mer zahlreiche<br />

Ärzte, aber ke<strong>in</strong>e Rettungsassistenten oder -sanitäter aktiv. 290<br />

286 Diese Angaben basieren auf eigenen Erfahrungen. Statistiken konnten hierzu nicht gefunden werden.<br />

Durch die Verkürzung der Zivildienstzeit auf zehn Monate und der langen Ausbildung lohnt es sich<br />

für Rettungswachen heutzutage kaum noch, Zivildienstleistende aufgrund der langen Ausbildung <strong>im</strong><br />

RD e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

287 BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT : Informationsmappe 130, A 03-92. Der Verfasser muss an dieser Stelle<br />

zugeben, dass er trotz mehrjähriger Erfahrung bislang noch „ke<strong>in</strong> bl<strong>in</strong>kendes Mart<strong>in</strong>shorn“ entdeckt<br />

hat. Angesichts dieser mit Klischees angereicherten RD-Beschreibung <strong>im</strong> Zitat möge der Leser diese<br />

Bemerkung wohlwollend verzeihen.<br />

288 Vgl. dazu auch die Vorurteile des <strong>Seelsorge</strong>rs <strong>in</strong> der Karikatur von Daniel Lüdel<strong>in</strong>g (Abb. 1), auf die<br />

<strong>in</strong> der E<strong>in</strong>leitung e<strong>in</strong>gegangen wurde. Gelegentlich gibt es auch Vorurteile, nach denen die <strong>Rettungsdienst</strong>ler<br />

mit Blaulicht mal schnell Pizza oder Eis holen fahren. Manchmal gehen auch Beschwerden<br />

auf Rettungswachen e<strong>in</strong>, weil e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satzfahrzeug mit dem Mart<strong>in</strong>shorn die Ruhe der Anwohner<br />

störte. Die Bevölkerung weiß <strong>in</strong> der Regel nicht sehr viel von der Realität des <strong>Rettungsdienst</strong>es. Geschätzt<br />

werden die Menschen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>satzkleidung oft nur, wenn ihre Unterstützung für e<strong>in</strong>en selbst<br />

oder Angehörige benötigt wird. E<strong>in</strong> Wort des Dankes für die geleistete Hilfe ist nicht mehr unbed<strong>in</strong>gt<br />

selbstverständlich, weil der E<strong>in</strong>satz oft als bezahlte Leistung der Krankenkasse aufgefasst wird.<br />

289 Diese mangelnde Anerkennung und Kenntnis der Arbeit des <strong>Rettungsdienst</strong>es st<strong>im</strong>mt e<strong>in</strong>en der Lehrrettungsassistenten<br />

<strong>in</strong> den Fragebögen unzufrieden. Vgl. Fragebogen RD 3 (10).<br />

290 Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 37.<br />

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