Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst - Notfallseelsorge in ...
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Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />
2.1 Geschichte des Helfens: Von den Anfängen zur Professionalität<br />
Bereits der griechische Arzt Hippokrates von Kos (5. Jahrhundert vor Christus) forderte<br />
die Versorgung von Verletzten und Kranken ohne Ansehen der Person. Doch erst durch<br />
das Evangelium Jesu bekam der Hilfsgedanke e<strong>in</strong>e beachtsame Bedeutung. 220 Die Er-<br />
zählung vom barmherzig handelnden Samariter (Lk 10,25-37) und die Werke der Barm-<br />
herzigkeit (vor allem aus Mt 25,31-40) spielten dabei e<strong>in</strong>e besondere Rolle. 221<br />
Hilflosen, verletzten und kranken Menschen beizustehen, galt zunächst vor allem nur <strong>im</strong><br />
Rahmen der eigenen Familie und Geme<strong>in</strong>de als Selbstverständlichkeit. Im Mittelalter<br />
wurde dann die notwendige Hilfe durch Bruderschaften und Gilden organisiert; parallel<br />
dazu gab es die Armen- und Hospitale<strong>in</strong>richtungen der Kirche. 222<br />
Der Wandel zur Industriegesellschaft machte die Hilfeleistungen zur öffentlichen An-<br />
gelegenheit. Das Helferse<strong>in</strong> wurde <strong>im</strong>mer mehr professionalisiert und entwickelte sich<br />
zur beruflichen Tätigkeit der Ärzte, Krankenschwestern, Altenpfleger<strong>in</strong>nen, Feuer-<br />
wehrmänner, Polizisten, <strong>Rettungsdienst</strong>ler und anderen. 223 Dennoch gehört das Helfen<br />
zur Bürgerpflicht und e<strong>in</strong>e unterlassene Hilfeleistung kann nach § 323c des Strafgesetz-<br />
buches (StGB) angezeigt und bestraft werden. 224<br />
Ebenso wie die Organisation der Hilfe entwickelte sich allmählich die Notfallmediz<strong>in</strong>.<br />
Die Mund-zu-Mund-Beatmung gehört vermutlich zu den ältesten mediz<strong>in</strong>ischen Maß-<br />
nahmen. Bereits 1300 Jahre vor Christus kannten Hebammen <strong>im</strong> Volk Israel e<strong>in</strong>e Me-<br />
thode, um Säugl<strong>in</strong>ge mit Atemstillstand wieder zu beleben. Auch <strong>in</strong> der Bibel wird <strong>in</strong><br />
mehreren Perikopen von Totenerweckungen berichtet, die teilweise als Wiederbelebun-<br />
219 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 4. Vgl. ferner Lk 12,54-57.<br />
220 Vgl. METZSCH: Menschen helfen Menschen, 69.<br />
221 Auf diese biblischen Quellen wurde bereits e<strong>in</strong>gegangen. Vgl. II, 2.1.2 und II, 2.1.3.<br />
222 Hier ist beispielsweise die Ritterbruderschaft Sankt Johannis zum Spital von Jerusalem zu nennen,<br />
die <strong>im</strong> Rahmen des ersten Kreuzzuges entstanden ist, um die Verletzten und Kranken <strong>in</strong> Jerusalem zu<br />
versorgen. Weil <strong>in</strong> dieser Bruderschaft die geme<strong>in</strong>samen Wurzeln der JUH und des MHD liegen,<br />
wird später (unter III, 4.2.1) noch genauer darauf e<strong>in</strong>gegangen werden. Ferner können hier selbstverständlich<br />
zahlreiche (zum Teil auch heilig gesprochene) Menschen angeführt werden, die sich um<br />
Notleidende und Kranke vorbildhaft bemüht haben; Franziskus von Assisi und Elisabeth von Thür<strong>in</strong>gen<br />
seien stellvertretend erwähnt.<br />
223 Vgl. ADAMS: Die Kunst des Helfens, 5f. Ursula Adams bemerkt dazu <strong>im</strong> Blick auf Lk 10,30-35: „Wir<br />
haben den Samaritaner zum Samariter und damit zum Mitglied e<strong>in</strong>er Hilfsorganisation gemacht. Das<br />
war er damals nicht. Er war ganz und gar ke<strong>in</strong> Professioneller; das waren se<strong>in</strong>e Vorhut, der Priester<br />
und der Levit [...]. Er hatte e<strong>in</strong>en Hauptberuf, der ihn <strong>in</strong> ganz anderer Richtung verpflichtete. Er hatte<br />
auch ke<strong>in</strong>e Zeugen für se<strong>in</strong> Tätigwerden – nichts, was mit Rücksicht auf e<strong>in</strong> zu erwerbendes Renomée<br />
als soziale Persönlichkeit oder Lebensretter e<strong>in</strong> Tätigwerden nahe legen könnten. Er tat e<strong>in</strong>fach<br />
den Dienst am anderen. Und der, der da schon zwe<strong>im</strong>al liegengelassen worden war und gewiß<br />
nicht mehr mit Hilfe rechnete, durfte staunend erfahren, daß ihn doch e<strong>in</strong> Mensch annahm, aufnahm,<br />
mitnahm.“ (ADAMS: Die Kunst des Helfens, 19f.)<br />
224 Vgl. UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 770.<br />
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