Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst - Notfallseelsorge in ...

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Johannes Zepezauer Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst 31 Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. 32 Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden, und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. 33 Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken. 34 Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. 35 Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; 36 ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen. 37 Dann werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben? 38 Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben? 39 Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? 40 Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. (Mt 25,31-40) Dieser Ausschnitt der Weltgerichtszene im Rahmen der Endzeitreden Jesu im Matthäu- sevangelium wurde zu einem „Grundtext der Diakonie“ 38 . Von ihm wurden die so ge- nannten Werke der Barmherzigkeit abgeleitet, die bis heute (nicht nur) dem Christentum wichtige Impulse für karitatives Verhalten geben: Speisung von Hungrigen, Versorgung von Durstigen, Aufnahme von Fremden und Obdachlosen, Bekleidung von Nackten, Besuch der Kranken und Gefangenen (vgl. Verse 35f). Ab dem 13. Jahrhundert, vermutlich im Zusammenhang mit der Pest, wurde die Be- stattung von Toten (vgl. Tob 1,16f) und ferner auch der Besuch von Trauernden (vgl. Sir 7,34f) zu dieser Reihe hinzugefügt. 39 Ebenso wurden so genannte geistliche Werke der Barmherzigkeit im Katalog der christlichen Handlungsideale ergänzt: Belehrung 40 , Rat, Trost, Ermutigung, Vergebung und Ertragen von Unrecht in Geduld 41 und, bei Johannes Calvin und anderen, auch das Gebet. 42 Die Aufforderung, sich um die leiblichen und auch seelischen Nöte von leidenden Men- schen zu kümmern, spielt übrigens nicht nur im jüdisch-christlichen Kontext eine Rolle, sondern auch bei anderen Religionen. 43 37 Diese alte Darstellung kann auch ein Vorbild für den RD (Samariter), die Kirche (Engel) und deren Zusammenarbeit sein. 38 LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 522. Auf die Diakonie wird später (unter II, 2.2.2.3) näher eingegangen werden. Zu Mt 25,31-40 vgl. ferner ZIPPERT : Zur Theologie der Notfallseelsorge, 27, METZSCH: Menschen helfen Menschen, 44f und vgl. auch REUTER: Notfallseelsorge, 54f. 39 Vgl. METZSCH: Menschen helfen Menschen, 45 und vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 522 und vgl. ZIPPERT : Zur Theologie der Notfallseelsorge, 27. 40 Davon leitet Ulrich Luz übrigens folgendes ab, was hier durchaus nicht verschwiegen werden soll: „Auch Professoren können also gerettet werden!“ (LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 528; dort Anm. 93.) 41 Vgl. ZIPPERT : Zur Theologie der Notfallseelsorge, 27. 42 Vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 528. 43 Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die große Übereinstimmung der Liebeswerke aus Mt 25 mit denen, die in Texten anderer Religionen aufgezählt werden. Vgl. dazu LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 524. 18

Johannes Zepezauer Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst Die Exegeten sind sich uneinig, ob dieser paränetische Text universal oder exklusiv zu deuten ist, ob also Jesus in jedem Menschen, der Not leidet, gleich welcher Religion er angehört, begegnet oder – wie bis zum 19. Jahrhundert vorherrschend vertreten – nur in hilfsbedürftigen Mitgliedern der christlichen Gemeinde. 44 Ulrich Luz hält in seinem Kommentar fest, dass diese Perikope heute durchaus universal interpretiert werden darf und „sich im ‚geringsten Bruder’ Jesu – sei dies nun ein Gemeindemitglied oder nicht – der erhöhte Herr beziehungsweise Gott selbst verbirgt und erfahren läßt“ 45 , weil Jesus „derjenige ist, der neue Augen schenkt, die den armen Menschen und Gott neu sehen und erfahren lassen.“ 46 2.1.4 Apostolische Diakonie und Krisenintervention (Apg 9,36-42) 36 In Joppe lebte eine Jüngerin namens Tabita, das heißt übersetzt: Gazelle. Sie tat viele gute Werke und gab reichlich Almosen. 37 In jenen Tagen aber wurde sie krank und starb. Man wusch sie und bahrte sie im Obergemach auf. 38 Weil aber Lydda nahe bei Joppe liegt und die Jünger hörten, dass Petrus dort war, schickten sie zwei Männer zu ihm und ließen ihn bitten: Komm zu uns, zögere nicht! 39 Da stand Petrus auf und ging mit ihnen. Als er ankam, führten sie ihn in das Obergemach hinauf; alle Witwen traten zu ihm, sie weinten und zeigten ihm die Röcke und Mäntel, die Gazelle gemacht hatte, als sie noch bei ihnen war. 40 Petrus aber schickte alle hinaus, kniete nieder und betete. Dann wandte er sich zu dem Leichnam und sagte: Tabita, steh auf! Da öffnete sie ihre Augen, sah Petrus an und setzte sich auf. 41 Er gab ihr die Hand und ließ sie aufstehen; dann rief er die Heiligen und die Witwen und zeigte ihnen, daß sie wieder lebte. 42 Das wurde in ganz Joppe bekannt, und viele kamen zum Glauben an den Herrn. (Apg 9,36-42) Der Apostel Petrus leistet in dieser Perikope sozusagen eine Krisenintervention. Er wird unmittelbar nach dem Tod der engagierten Christin Tabita gerufen, weil sich die Ge- meinde von ihm Hilfe verspricht. Petrus lässt die Trauernden nicht im Stich, er macht sich auf den Weg, um die erbetene Hilfe zu leisten. Es geht hier sicher nicht um notfallmedizinische Hilfe, denn dazu fehlten dem Fischer Petrus und den anderen damals die Kenntnisse, sondern um ein „authentisches und von den Trauernden wahrnehmbares Zeugnis des auferstandenen Christus“ 47 , das Trost ver- mittelt, weil die Verstorbene nicht „in eine sinnlose Leere fällt.“ 48 Gemeint ist also „die Hilfe aus der Kraft des Glaubens und des Gebetes – und die Gemeinde erwartete nur noch diese Hilfe.“ 49 Durch diesen Glauben an den auferstandenen Herrn ersteht Tabita zu einem neuem Leben. Rudolf Pesch sieht in dieser Totenerweckung der Tabita, die sozusagen die Diakonie der Gemeinde von Joppe personifizierte (vgl. ihre Taten in Vers 36), auch eine Anrede des 44 Vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 521-530. 45 LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 544. 46 LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 544. 47 DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: Notfallseelsorge, 1. 48 DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: Notfallseelsorge, 1. 19

Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Exegeten s<strong>in</strong>d sich une<strong>in</strong>ig, ob dieser paränetische Text universal oder exklusiv zu<br />

deuten ist, ob also Jesus <strong>in</strong> jedem Menschen, der Not leidet, gleich welcher Religion er<br />

angehört, begegnet oder – wie bis zum 19. Jahrhundert vorherrschend vertreten – nur <strong>in</strong><br />

hilfsbedürftigen Mitgliedern der christlichen Geme<strong>in</strong>de. 44 Ulrich Luz hält <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Kommentar fest, dass diese Perikope heute durchaus universal <strong>in</strong>terpretiert werden darf<br />

und „sich <strong>im</strong> ‚ger<strong>in</strong>gsten Bruder’ Jesu – sei dies nun e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>demitglied oder nicht –<br />

der erhöhte Herr beziehungsweise Gott selbst verbirgt und erfahren läßt“ 45 , weil Jesus<br />

„derjenige ist, der neue Augen schenkt, die den armen Menschen und Gott neu sehen<br />

und erfahren lassen.“ 46<br />

2.1.4 Apostolische Diakonie und Krisen<strong>in</strong>tervention (Apg 9,36-42)<br />

36 In Joppe lebte e<strong>in</strong>e Jünger<strong>in</strong> namens Tabita, das heißt übersetzt: Gazelle. Sie tat viele gute<br />

Werke und gab reichlich Almosen. 37 In jenen Tagen aber wurde sie krank und starb. Man<br />

wusch sie und bahrte sie <strong>im</strong> Obergemach auf. 38 Weil aber Lydda nahe bei Joppe liegt und<br />

die Jünger hörten, dass Petrus dort war, schickten sie zwei Männer zu ihm und ließen ihn<br />

bitten: Komm zu uns, zögere nicht! 39 Da stand Petrus auf und g<strong>in</strong>g mit ihnen. Als er ankam,<br />

führten sie ihn <strong>in</strong> das Obergemach h<strong>in</strong>auf; alle Witwen traten zu ihm, sie we<strong>in</strong>ten und zeigten<br />

ihm die Röcke und Mäntel, die Gazelle gemacht hatte, als sie noch bei ihnen war.<br />

40 Petrus aber schickte alle h<strong>in</strong>aus, kniete nieder und betete. Dann wandte er sich zu dem<br />

Leichnam und sagte: Tabita, steh auf! Da öffnete sie ihre Augen, sah Petrus an und setzte<br />

sich auf. 41 Er gab ihr die Hand und ließ sie aufstehen; dann rief er die Heiligen und die<br />

Witwen und zeigte ihnen, daß sie wieder lebte. 42 Das wurde <strong>in</strong> ganz Joppe bekannt, und<br />

viele kamen zum Glauben an den Herrn. (Apg 9,36-42)<br />

Der Apostel Petrus leistet <strong>in</strong> dieser Perikope sozusagen e<strong>in</strong>e Krisen<strong>in</strong>tervention. Er wird<br />

unmittelbar nach dem Tod der engagierten Christ<strong>in</strong> Tabita gerufen, weil sich die Ge-<br />

me<strong>in</strong>de von ihm Hilfe verspricht. Petrus lässt die Trauernden nicht <strong>im</strong> Stich, er macht<br />

sich auf den Weg, um die erbetene Hilfe zu leisten.<br />

Es geht hier sicher nicht um notfallmediz<strong>in</strong>ische Hilfe, denn dazu fehlten dem Fischer<br />

Petrus und den anderen damals die Kenntnisse, sondern um e<strong>in</strong> „authentisches und von<br />

den Trauernden wahrnehmbares Zeugnis des auferstandenen Christus“ 47 , das Trost ver-<br />

mittelt, weil die Verstorbene nicht „<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nlose Leere fällt.“ 48 Geme<strong>in</strong>t ist also „die<br />

Hilfe aus der Kraft des Glaubens und des Gebetes – und die Geme<strong>in</strong>de erwartete nur<br />

noch diese Hilfe.“ 49 Durch diesen Glauben an den auferstandenen Herrn ersteht Tabita<br />

zu e<strong>in</strong>em neuem Leben.<br />

Rudolf Pesch sieht <strong>in</strong> dieser Totenerweckung der Tabita, die sozusagen die Diakonie der<br />

Geme<strong>in</strong>de von Joppe personifizierte (vgl. ihre Taten <strong>in</strong> Vers 36), auch e<strong>in</strong>e Anrede des<br />

44 Vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 521-530.<br />

45 LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 544.<br />

46 LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 544.<br />

47 DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1.<br />

48 DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1.<br />

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