Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst - Notfallseelsorge in ...

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07.01.2013 Aufrufe

Johannes Zepezauer Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst ANHANG 1 Fragebogen NFS (Notfallseelsorge), überarbeitet I Zur Person 1 Name: XY 2 Wohnort: XY 3 Einige kurze Angaben zu Ihrem beruflichen Werdegang. Berufsausbildung, anschließend Zivildienst im Rettungsdienst (Rettungssanitäter). Danach hauptberufliche Tätigkeit im Rettungsdienst und Krankentransport. Studium der Theologie und Philosophie. Diakon- und Priesterweihe. 4 Seit wann sind Sie in der Notfallseelsorge (NFS) tätig? In der Notfallseelsorge bin ich seit August 2000 tätig. 5 Warum engagieren Sie sich in der NFS? Während meiner Zeit im Rettungsdienst fiel mir auf, dass zwar sehr vieles in der Medizin möglich wurde und auch angewendet wurde. Ich merkte aber sehr bald, dass das persönliche Gespräch, der Mensch als solcher, immer mehr in den Hintergrund trat. Während bei älteren Kollegen das persönliche Gespräch mit dem Patienten meistens dazugehörte, stellte ich fest, dass es bei den jüngeren Kollegen schwierig wurde, ein Gespräch mit dem Patienten zu führen. Die meisten beschränkten sich während des Transportes darauf, kurz zu erklären, was sie medizinisch taten und wie es dem Patienten momentan ginge. Zuweilen bemerkte ich auch, dass Kollegen sogar darauf aus waren, lieber vorne am Lenkrad zu sitzen, um erst gar kein Gespräch führen zu müssen. Im Dienst fiel mir auf, dass die Kollegen sehr oft mich die Gespräche führen ließen, weil sie merkten, dass ich dafür ein Charisma hatte, wie sie des Öfteren sagten. Durch diese Erfahrung und den erlebten Defizit, gerade beim Rettungsdienst, entschloss ich mich in der Notfallseelsorge mitzumachen. II Notfallseelsorge allgemein (NFS) 6 Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen der NFS der Kirche(n) auf der einen Seite und der Feuerwehr, den Rettungsdiensten und dem Kriseninterventionsdienst auf der anderen Seite? Haben Sie den Eindruck, dass die NFS von „den anderen“ als eine willkommene Unterstützung angesehen oder vielleicht eher belächelt wird? Seit dem verheerenden Zugunglück von Eschede habe ich den Eindruck, dass von den Leitungsgremien der Hilfsdienste und der Feuerwehr mehr Augenmerk auf die Betreuung der Patienten, der Angehörigen, sowie auch der Einsatzkräfte gelegt wird. Bei Mitarbeitern der Rettungsdienste, die konkret mit dem Leid konfrontiert sind, gibt es unterschiedliche Haltungen zu den Notfallseelsorgern. Es hängt auch sehr stark davon ab, welche Erlebnisse Rettungsdienstmitarbeiter mit Notfallseelsorgern gemacht haben. 122

Johannes Zepezauer Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst Bei der Beurteilung der Notfallseelsorge kommt es sehr stark darauf an, welche Einstellung der Mitarbeiter im Rettungsdienst zu seinem Dienst hat. Bei vielen Rettungsdienstlern wird der Dienst weniger als Dienst am Menschen gesehen, sondern eher als eigener Geltungsdrang. Es stärkt das Selbstbewusstsein, wenn jemand mit Blaulicht und Martinshorn durch die Straßen fährt, um auf sich aufmerksam zu machen. Solche Rettungsdienstler sehen in der Notfallseelsorge kaum eine Hilfe und belächeln eher das Angebot der Kirche. Mitarbeiter, die wirklich auf den Dienst am Menschen schauen, schätzen hingegen das Angebot als wichtige Hilfe und bestellen in Notfällen auch sehr häufig einen Notfallseelsorger hinzu. Hier besteht auch eher die Bereitschaft, sich selbst im Gespräch einem Notfallseelsorger anzuvertrauen, wenn schwierige Erlebnisse den Helfer belasten. Die erste Gruppe, ist schwer zugänglich, weil sie glauben, über den Dingen zu stehen und die Erlebnisse selbst bewältigen zu können, ohne fremde Hilfe und sei es mit Hilfe von Drogen wie Alkohol, Kaffee und Nikotin. 7 Welche Erfahrungen haben Sie im Hinblick auf das Thema Einsatzkleidung bei Notfallseelsorgerinnen bzw. -seelsorgern gemacht? Ist diese nötig und sollte sie sich von der Kleidung der (anderen) Rettungskräfte unterscheiden? Ich selbst habe noch keine Erfahrung mit Einsatzkleidung von Notfallseelsorgern gemacht. Allerdings wäre es in Großschadensfällen sehr hilfreich, wenn auch die Notfallseelsorger besser gekennzeichnet wären. So ist es z. B. für die Organisatorische Leitung bei Schadensereignissen sehr hilfreich auf den ersten Blick zu sehen, wo ein Helfer am besten einzusetzen ist. 8 Berichten Sie bitte, was Sie von Ihren Erlebnissen bei NFS-Einsätzen hier mitteilen möchten (besondere Erfahrungen oder Erkenntnisse). Ein Einsatz, der sich auf den ersten Blick als „einfach“ zeigte, entwickelte sich zu einer Mehrfachbetreuung. Ich wurde zu einem Suizid gerufen und sollte an die Angehörigen eine Todesnachricht überbringen. Zunächst fuhr ich zu der besagten Adresse; es war ein Mehrfamilien-Hochhaus. Die Verstorbene war psychisch krank und lebte mit Wahnvorstellungen. Bei einem Anfall ist sie in das Badezimmer, hatte sich eingeschlossen und sprang vom siebten Stockwerk aus dem Fenster [...] Vor dem Hochhaus standen noch die Feuerwehr und die Polizei, die damit beschäftigt waren, das Blut der Verstorbenen vom Beton zu entfernen. Hier ergaben sich bereits die ersten intensiven Gespräche mit den Polizisten und der Feuerwehr. Ich merkte, wie wichtig es für die Helfer war, dass ihnen jemand zuhörte und sie durch das Erzählen des ganzen Vorgangs vieles bearbeiten konnten. Erst nach eineinhalb Stunden konnte ich die Tochter aufsuchen, um ihr die Todesnachricht zu überbringen. Auch hier dauerte das Gespräch eine Stunde. Dies ist eine Zeit, die mit intensivem Zuhören sehr anstrengend sein kann und die der Rettungsdienst oder die Feuerwehr häufig nicht haben. 9 Welche Ratschläge und Tipps aus Ihrer Erfahrung möchten Sie gerne an zukünftige Notfallseelsorger/innen weitergeben? Es ist äußerst wichtig, dass sich der Seelsorger auf das Gespräch konzentriert. Wichtig ist dabei, dass er sich zurücknimmt und den Betroffenen erzählen lässt. Erfahrungsgemäß löst sich schon sehr viel an Anspannung, wenn der Betroffene von dem Erlebnis, das ihn belastet erzählt, je intensiver, desto besser. 123

Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Bei der Beurteilung der <strong>Notfallseelsorge</strong> kommt es sehr stark darauf an, welche<br />

E<strong>in</strong>stellung der Mitarbeiter <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> zu se<strong>in</strong>em Dienst hat. Bei vielen<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>lern wird der Dienst weniger als Dienst am Menschen gesehen,<br />

sondern eher als eigener Geltungsdrang. Es stärkt das Selbstbewusstse<strong>in</strong>, wenn<br />

jemand mit Blaulicht und Mart<strong>in</strong>shorn durch die Straßen fährt, um auf sich aufmerksam<br />

zu machen. Solche <strong>Rettungsdienst</strong>ler sehen <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

kaum e<strong>in</strong>e Hilfe und belächeln eher das Angebot der Kirche.<br />

Mitarbeiter, die wirklich auf den Dienst am Menschen schauen, schätzen h<strong>in</strong>gegen<br />

das Angebot als wichtige Hilfe und bestellen <strong>in</strong> Notfällen auch sehr häufig<br />

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den Helfer belasten. Die erste Gruppe, ist schwer zugänglich, weil sie glauben,<br />

über den D<strong>in</strong>gen zu stehen und die Erlebnisse selbst bewältigen zu können,<br />

ohne fremde Hilfe und sei es mit Hilfe von Drogen wie Alkohol, Kaffee und Nikot<strong>in</strong>.<br />

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bei <strong>Notfallseelsorge</strong>r<strong>in</strong>nen bzw. -seelsorgern gemacht? Ist diese nötig und<br />

sollte sie sich von der Kleidung der (anderen) Rettungskräfte unterscheiden?<br />

Ich selbst habe noch ke<strong>in</strong>e Erfahrung mit E<strong>in</strong>satzkleidung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn<br />

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Organisatorische Leitung bei Schadensereignissen sehr hilfreich auf den ersten<br />

Blick zu sehen, wo e<strong>in</strong> Helfer am besten e<strong>in</strong>zusetzen ist.<br />

8 Berichten Sie bitte, was Sie von Ihren Erlebnissen bei NFS-E<strong>in</strong>sätzen hier<br />

mitteilen möchten (besondere Erfahrungen oder Erkenntnisse).<br />

E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satz, der sich auf den ersten Blick als „e<strong>in</strong>fach“ zeigte, entwickelte sich<br />

zu e<strong>in</strong>er Mehrfachbetreuung. Ich wurde zu e<strong>in</strong>em Suizid gerufen und sollte an<br />

die Angehörigen e<strong>in</strong>e Todesnachricht überbr<strong>in</strong>gen. Zunächst fuhr ich zu der besagten<br />

Adresse; es war e<strong>in</strong> Mehrfamilien-Hochhaus.<br />

Die Verstorbene war psychisch krank und lebte mit Wahnvorstellungen. Bei e<strong>in</strong>em<br />

Anfall ist sie <strong>in</strong> das Badez<strong>im</strong>mer, hatte sich e<strong>in</strong>geschlossen und sprang vom<br />

siebten Stockwerk aus dem Fenster [...]<br />

Vor dem Hochhaus standen noch die Feuerwehr und die Polizei, die damit beschäftigt<br />

waren, das Blut der Verstorbenen vom Beton zu entfernen. Hier ergaben<br />

sich bereits die ersten <strong>in</strong>tensiven Gespräche mit den Polizisten und der Feuerwehr.<br />

Ich merkte, wie wichtig es für die Helfer war, dass ihnen jemand zuhörte<br />

und sie durch das Erzählen des ganzen Vorgangs vieles bearbeiten konnten. Erst<br />

nach e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Stunden konnte ich die Tochter aufsuchen, um ihr die Todesnachricht<br />

zu überbr<strong>in</strong>gen. Auch hier dauerte das Gespräch e<strong>in</strong>e Stunde. Dies ist<br />

e<strong>in</strong>e Zeit, die mit <strong>in</strong>tensivem Zuhören sehr anstrengend se<strong>in</strong> kann und die der<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> oder die Feuerwehr häufig nicht haben.<br />

9 Welche Ratschläge und Tipps aus Ihrer Erfahrung möchten Sie gerne an zukünftige<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen weitergeben?<br />

Es ist äußerst wichtig, dass sich der <strong>Seelsorge</strong>r auf das Gespräch konzentriert.<br />

Wichtig ist dabei, dass er sich zurückn<strong>im</strong>mt und den Betroffenen erzählen lässt.<br />

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