Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst - Notfallseelsorge in ...

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Johannes Zepezauer Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst Pastoraltheologische Untersuchungen zur Zusammenarbeit zwischen Kirche & Rettungsdienst Die vorliegende Untersuchung ist die überarbeitete und gekürzte Ausgabe einer „Wissenschaftlichen Arbeit für die Zulassung zur theologischen Abschlussprüfung (Diplom)“, die im November 2003 am Fachbereich Katholische Theologie der Johannes Gutenberg – Universität in Mainz eingereicht wurde. Mainz 2004

Johannes Zepezauer<br />

<strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Pastoraltheologische Untersuchungen<br />

zur Zusammenarbeit zwischen<br />

Kirche & <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die vorliegende Untersuchung ist die überarbeitete und gekürzte Ausgabe e<strong>in</strong>er<br />

„Wissenschaftlichen Arbeit für die Zulassung zur theologischen Abschlussprüfung<br />

(Diplom)“, die <strong>im</strong> November 2003 am Fachbereich Katholische Theologie<br />

der Johannes Gutenberg – Universität <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z e<strong>in</strong>gereicht wurde.<br />

Ma<strong>in</strong>z 2004


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

<strong>Rettungsdienst</strong><br />

„Im Zentrum<br />

der Bemühungen der<br />

Notfallmediz<strong>in</strong> steht<br />

der hilfsbedürftige<br />

Mensch.<br />

Er braucht die<br />

Kompetenz der Helfer<br />

als Vitalfunktionsexperten<br />

und ebenso<br />

ihre persönliche<br />

Zuwendung.“<br />

(SALOMON :<br />

Das Menschenbild , 245)<br />

Geme<strong>in</strong>sam<br />

&<br />

den Menschen<br />

<strong>im</strong> Mittelpunkt<br />

2<br />

Kirche<br />

„Der Mensch also,<br />

der e<strong>in</strong>e<br />

und ganze<br />

Mensch,<br />

mit Leib und Seele,<br />

Herz und Gewissen,<br />

Vernunft und Willen<br />

steht <strong>im</strong><br />

Mittelpunkt<br />

unserer<br />

Ausführungen.“<br />

(ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL:<br />

Gaudium et spes, Nr. 3)<br />

Die Abbildung zeigt e<strong>in</strong>en Ausschnitt e<strong>in</strong>er byzant<strong>in</strong>ischen Buchmalerei <strong>im</strong> Codex Rossanensis<br />

aus dem 6. Jahrhundert (Museo Civico Rossano, Kalabrien). Es ist die älteste bekannte bildliche<br />

Darstellung des Gleichnisses vom Barmherzigen Samariter (vgl. METZSCH: Menschen helfen<br />

Menschen, 76f).


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

3<br />

Seite<br />

Vorwort 7<br />

I EINLEITUNG<br />

1 E<strong>in</strong>e erste Begegnung von <strong>Rettungsdienst</strong> und Kirche 8<br />

2 Zielsetzung, Gegenstand, Methode und Disposition der Arbeit 10<br />

2.1 Zur Zielsetzung 10<br />

2.2 Zum Gegenstand 10<br />

2.3 Zur Methode 10<br />

2.4 Zur Disposition 11<br />

II KRITERIOLOGIE – Aufgaben der Kirche und ihre Umsetzung<br />

1 E<strong>in</strong>führung 13<br />

2 Theologische Grundlegung: Ort und Auftrag der Kirche bei Krisen 13<br />

2.1 Kriterien <strong>in</strong> der Heiligen Schrift 13<br />

2.1.1 Jesus als Retter und Heiland (Mt 8,1-4 u. a.) 13<br />

2.1.2 Gebot der Gottes- und Nächstenliebe (Lk 10,25-37) 15<br />

2.1.3 Werke der Barmherzigkeit (Mt 25,31-40) 17<br />

2.1.4 Apostolische Diakonie und Krisen<strong>in</strong>tervention (Apg 9,36-42) 19<br />

2.1.5 Trost durch die Getrösteten (2 Kor 1,3-5) 20<br />

2.1.6 Tragende Hoffnung (1 Petr 3,15b.16a) 20<br />

2.1.7 Alttestamentliche Lebenskunst (Sir 7,33-36) 21<br />

2.2 Kriterien <strong>in</strong> der kirchlichen Tradition 22<br />

2.2.1 Kirche als Instrument Christi 22<br />

2.2.2 Pr<strong>in</strong>zipien der christlichen Geme<strong>in</strong>de 23<br />

2.2.2.1 Mystik 23<br />

2.2.2.1.1 Leiturgia 24<br />

2.2.2.1.2 Martyria 24<br />

2.2.2.2 Ko<strong>in</strong>onia 25<br />

2.2.2.3 Diakonia 25<br />

2.2.3 Zusammenarbeit mit anderen Menschen und Organisationen 26<br />

2.3 Zusammenfassung 27


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3 Aktuelle Praxis der Kirche 28<br />

3.1 <strong>Notfallseelsorge</strong> 29<br />

3.1.1 Erste Begriffsbest<strong>im</strong>mung und Unterscheidungen 29<br />

3.1.1.1 <strong>Kirchliche</strong> <strong>Notfallseelsorge</strong> 29<br />

3.1.1.2 Krisen<strong>in</strong>tervention des <strong>Rettungsdienst</strong>es 32<br />

3.1.1.3 Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen 34<br />

3.1.1.4 <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> 35<br />

3.1.2 Entwicklungsgeschichte der <strong>Notfallseelsorge</strong> 36<br />

3.1.3 Auswahl, Ausbildung und Fortbildung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn 38<br />

3.1.4 Ausstattung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn 40<br />

3.1.5 Erwartungen der <strong>Notfallseelsorge</strong> an den <strong>Rettungsdienst</strong> 41<br />

3.1.6 Aktuelle Praxis <strong>im</strong> Bistum Ma<strong>in</strong>z 41<br />

3.1.6.1 Rahmenordnung für die <strong>Notfallseelsorge</strong> 41<br />

3.1.6.2 <strong>Notfallseelsorge</strong>-E<strong>in</strong>richtungen 43<br />

3.2 <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> 44<br />

3.3 Geme<strong>in</strong>deebene 46<br />

3.4 Zusammenfassung 47<br />

III KAIROLOGIE – „Zeichen der Zeit“ <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

1 E<strong>in</strong>führung 49<br />

2 Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es 50<br />

2.1 Geschichte des Helfens: Von den Anfängen zur Professionalität 50<br />

2.2 Organisatorische Grundlagen 52<br />

2.2.1 Allgeme<strong>in</strong>e Organisation 52<br />

2.2.2 E<strong>in</strong>satzarten 55<br />

2.2.3 Qualifikationen, Aus- und Fortbildungen 56<br />

2.2.4 Rettungsmittel 58<br />

2.2.5 Gesetzliche Best<strong>im</strong>mungen 59<br />

3 Arbeitsplatz <strong>Rettungsdienst</strong> 60<br />

3.1 Personal <strong>in</strong> Zahlen 60<br />

3.2 Motivation des Personal 61<br />

3.3 Spannung zwischen Klischee und Wirklichkeit 62<br />

4


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3.4 Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen 63<br />

3.4.1 Arbeitszeiten und Vergütung 63<br />

3.4.2 Belastungen und Gefahren 64<br />

3.4.2.1 Physische und psychische Belastungen und Gefahren 64<br />

3.4.2.2 Besonders belastende E<strong>in</strong>sätze 67<br />

3.4.2.2.1 Rean<strong>im</strong>ation 67<br />

3.4.2.2.2 K<strong>in</strong>dernotfall 69<br />

3.4.2.2.3 Massenanfall an Verletzten 71<br />

3.4.2.3 Helfersyndrom und Burnout-Gefahr 73<br />

3.4.3 Zufriedenheit und Befürchtungen des Personals 74<br />

3.5 Konkretes Beispiel: Rettungswache <strong>in</strong> Großkrotzenburg 76<br />

4 Mensch und Kirche <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> 80<br />

4.1 Menschenbild <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> 80<br />

4.1.1 Konsequenzen <strong>in</strong> der Patientenbetreuung 80<br />

4.1.2 Konsequenzen bei der Fürsorge für die E<strong>in</strong>satzkräfte 82<br />

4.2 Mensch und Kirche bei den Hilfsorganisationen 84<br />

4.2.1 Mit der Kirche verbundene Hilfsorganisationen 85<br />

4.2.1.1 Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. 85<br />

4.2.1.2 Malteser-Hilfsdienst e. V. 86<br />

4.2.2 Andere Hilfsorganisationen 88<br />

4.2.2.1 Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V. 88<br />

4.2.2.2 Deutsches Rotes Kreuz e. V. 89<br />

5 Begegnungen und Zusammenarbeit mit der Kirche 91<br />

5.1 Erfahrungen mit der Kirche 91<br />

5.2 Erwartungen und Wünsche an die Kirche 93<br />

6 Zusammenfassung 94<br />

IV PRAXEOLOGIE – Opt<strong>im</strong>ierung der Praxis<br />

1 E<strong>in</strong>führung 96<br />

2 Handlungs<strong>im</strong>pulse für die kirchliche Praxis 97<br />

2.1 Im Bereich der <strong>Notfallseelsorge</strong> 97<br />

2.1.1 Organisation und Ausstattung der <strong>Notfallseelsorge</strong> 98<br />

5


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

2.1.2 Eignung und Qualifikation der <strong>Notfallseelsorge</strong>r 99<br />

2.2 Im Bereich der <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> 102<br />

2.3 Im Bereich der Stressbearbeitung nach belastenden E<strong>in</strong>sätzen 103<br />

2.4 Im Bereich der Aus- und Fortbildungen <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> 104<br />

2.5 Auf Geme<strong>in</strong>deebene 104<br />

2.5.1 Wohlwollen und gegenseitige Unterstützung 104<br />

2.5.2 <strong>Seelsorge</strong> 106<br />

2.5.3 Liturgie 108<br />

3 Abschließende Überlegungen und Ausblick 109<br />

E<strong>in</strong> letztes Wort: Danke 110<br />

Abbildungsverzeichnis 110<br />

Quellen- und Literaturverzeichnis 111<br />

Abkürzungsverzeichnis 119<br />

� Anhang 1<br />

- Fragebogen NFS (<strong>Notfallseelsorge</strong>), überarbeitet 120<br />

- Fragebogen-Vorlage KID (Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst) 125<br />

- Fragebogen-Vorlage RD (<strong>Rettungsdienst</strong>) 127<br />

� Anhang 2<br />

- <strong>Rettungsdienst</strong>praktikum (Berichte) 129<br />

H<strong>in</strong>weise zu den Anhängen:<br />

Um Rückschlüsse auf die befragten Personen zu vermeiden, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dieser überarbeiten<br />

Ausgabe lediglich die Vorlagen der Fragebögen für den Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst<br />

und <strong>Rettungsdienst</strong> aufgenommen. Aus dem gleichen Grund s<strong>in</strong>d auch<br />

e<strong>in</strong>ige Daten <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>satzberichten <strong>im</strong> Rahmen des <strong>Rettungsdienst</strong>praktikums<br />

verändert worden.<br />

Ich bedanke mich für Ihr Interesse an der vorliegenden Arbeit<br />

und freue mich auch über Rückmeldungen.<br />

Mit herzlichem Gruß<br />

Johannes Zepezauer<br />

(Ernst Barlach - Straße 6, 63456 Hanau, E-mail:Johannes.Zepezauer@gmx.net)<br />

6


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Vorwort<br />

Während me<strong>in</strong>es Theologiestudiums kam es regelmäßig vor, dass das Mart<strong>in</strong>shorn<br />

e<strong>in</strong>es vorbeifahrenden Rettungswagens oder die Rotorgeräusche des Rettungshub-<br />

schraubers Christoph 77 die Vorlesungen kurz unterbrachen. <strong>Rettungsdienst</strong> und Theo-<br />

logie der Kirche s<strong>in</strong>d sich hier kurz und auf ganz eigene Weise begegnet. Auf beiden<br />

Seiten g<strong>in</strong>g und geht es (oft) um das Leben und den Menschen.<br />

Die vorliegende Diplomarbeit <strong>im</strong> Fach Pastoraltheologie soll der Versuch se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e<br />

andere Art der Begegnung zwischen der Theologie beziehungsweise genauer der Kirche<br />

und dem <strong>Rettungsdienst</strong> zu ermöglichen. In der Realität begegnen sich beide schon auf<br />

vielfältige Weise – vor allem durch Christen, die sich haupt- oder ehrenamtlich <strong>in</strong><br />

Hilfsorganisationen engagieren, <strong>in</strong> besonderer Weise auch durch die kirchlich geprägten<br />

Organisationen Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) auf evangelischer und Malteser-<br />

Hilfsdienst (MHD) auf katholischer Seite. An e<strong>in</strong>igen Orten geschieht diese Begegnung<br />

auch durch pastorale Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter, die das Personal von Rettungs-<br />

wachen seelsorglich betreuen oder <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong> aktiv s<strong>in</strong>d, die sich seit e<strong>in</strong>i-<br />

gen Jahren <strong>im</strong>mer mehr <strong>in</strong> Deutschland verbreitet.<br />

Auch ich b<strong>in</strong> nicht ganz unbeteiligt an dieser Begegnung: Durch me<strong>in</strong>en Zivildienst,<br />

den ich auf e<strong>in</strong>er Rettungswache des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) und e<strong>in</strong>er Sozi-<br />

alstation des Caritasverbandes <strong>im</strong> Mobilen Sozialen Hilfsdienst geleistet habe, durfte<br />

ich den <strong>Rettungsdienst</strong> genauer kennen lernen. Seitdem fahre ich gelegentlich als Prak-<br />

tikant auf e<strong>in</strong>em Rettungswagen mit, um Erfahrungen für Betreuungsgespräche und <strong>in</strong><br />

Erste-Hilfe-Maßnahmen zu sammeln. Außerdem ist es mir wichtig geworden, mich ne-<br />

ben me<strong>in</strong>em Studium und der Ausbildung <strong>im</strong> Priestersem<strong>in</strong>ar auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „weltlichen“<br />

Hilfsorganisation zu engagieren, dabei Freude und Geme<strong>in</strong>schaft zu erleben und vor<br />

allem Menschen zu helfen. In dieser Zeit habe ich unterschiedliche Erfahrungen der<br />

Zusammenarbeit und Begegnung zwischen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern von Kir-<br />

che und <strong>Rettungsdienst</strong> erlebt.<br />

Me<strong>in</strong>e Arbeit will e<strong>in</strong>en bescheidenen Beitrag zu e<strong>in</strong>er guten Begegnung mite<strong>in</strong>an-<br />

der leisten und auf Möglichkeiten e<strong>in</strong>er Zusammenarbeit h<strong>in</strong>weisen – zugunsten der<br />

Menschen, sowohl der Hilfsbedürftigen als auch der Helfenden.<br />

Diese Arbeit und das Engagement, die Zeit und Liebe, die ich <strong>in</strong> ihre Entstehung<br />

<strong>in</strong>vestiert habe, widme ich allen Menschen auf der ganzen Welt, die sich <strong>im</strong> Rettungs-<br />

dienst, <strong>in</strong> der Krisen<strong>in</strong>tervention und <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong> für Menschen e<strong>in</strong>setzen,<br />

die dr<strong>in</strong>gend Hilfe für Leib und Seele benötigen.<br />

7


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

I EINLEITUNG<br />

1 E<strong>in</strong>e erste Begegnung von <strong>Rettungsdienst</strong> und Kirche<br />

Es mag vielleicht etwas ungewöhnlich se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Arbeit mit e<strong>in</strong>er Ka-<br />

rikatur zu beg<strong>in</strong>nen; es sei an dieser Stelle dennoch gewagt, weil die folgende Karikatur<br />

des Rettungssanitäters Daniel Lüdel<strong>in</strong>g das zum Ausdruck br<strong>in</strong>gt, worum es <strong>in</strong> dieser<br />

pastoraltheologischen Untersuchung gehen soll:<br />

Zusammenarbeit und Begegnung von <strong>Rettungsdienst</strong> und Kirche<br />

Abb. 1<br />

Lüdel<strong>in</strong>g zeichnet hier (Abbildung 1) po<strong>in</strong>tiert e<strong>in</strong>e erste fiktive Begegnung zwischen<br />

e<strong>in</strong>em <strong>Rettungsdienst</strong>mitarbeiter und e<strong>in</strong>em <strong>Seelsorge</strong>r; die beiden Figuren stehen<br />

gleichsam für den <strong>Rettungsdienst</strong> (RD) und die Kirche.<br />

Es ist e<strong>in</strong>e eigenartige Begegnung; aber <strong>im</strong>merh<strong>in</strong> treffen sich die beiden, Rettungs-<br />

dienstler und <strong>Seelsorge</strong>r. Im Gleichnis beziehungsweise der Beispielerzählung Jesu vom<br />

Barmherzigen Samariter <strong>in</strong> Lk 10,25-37 haben sich sozusagen die Vorfahren von beiden,<br />

jüdischer Priester und Levit auf der e<strong>in</strong>en und helfender Samariter auf der anderen Seite,<br />

noch verpasst. 1 Hier begegnen sie sich nun endlich.<br />

Vielleicht führt sie die geme<strong>in</strong>same Sorge um den Menschen zusammen. Doch ihre Be-<br />

gegnung sche<strong>in</strong>t gestört zu se<strong>in</strong>: Da stehen sich zwar zwei Menschen guten Willens<br />

gegenüber, aber offenbar fällt es ihnen erst e<strong>in</strong>mal nicht ganz so leicht, sich zu begeg-<br />

nen. Beide merken, dass das Gegenüber anders ist als erwartet – anders, als die Vorur-<br />

1 Auf diese Erzählung, mit der Jesus e<strong>in</strong>e Antwort auf die Frage nach dem Nächsten geben wollte, sei<br />

hier nur kurz h<strong>in</strong>gewiesen; unter II, 2.1.2 wird später näher darauf e<strong>in</strong>gegangen. Das Beispiel des<br />

barmherzigen Samariters wurde für viele Menschen und Hilfsorganisationen zu e<strong>in</strong>em Leitbild für<br />

die Nächstenliebe. Durch die unterlassene Hilfeleistung der religiösen Amtspersonen (Priester und<br />

Levit), die vermutlich aus kultischen Gründen und vielleicht auch aus Angst so handeln, wird die<br />

professionelle Hilfe durch den von den Hörern Jesu verachteten Fremden (Samariter) umso mehr e<strong>in</strong><br />

vorbildhaftes Beispiel. Vgl. dazu auch METZSCH: Menschen helfen Menschen, bes. 14-19.<br />

8


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

teile, Klischees und bisherigen Erfahrungen es vorgegeben haben. Sie kennen sich noch<br />

nicht – zum<strong>in</strong>dest nicht richtig.<br />

Der <strong>Rettungsdienst</strong>ler hatte e<strong>in</strong>en von der Welt abgehobenen, engels- und heiligenglei-<br />

chen <strong>Seelsorge</strong>r erwartet, der vor allem Kirchenlieder, fromme Bücher und Sprüche <strong>im</strong><br />

Kopf hat, dessen Arbeitsplatz geradezu h<strong>im</strong>mlisch (abgehoben von der Welt) und ver-<br />

klärt zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t. 2 Nun erlebt der Mann <strong>in</strong> E<strong>in</strong>satzkleidung aber e<strong>in</strong>en ebenso auf der<br />

Erde stehenden Menschen, der ihm die Hand reichen will und auf den ersten Blick e<strong>in</strong>en<br />

freundlichen und sympathischen E<strong>in</strong>druck macht.<br />

Auch der <strong>Seelsorge</strong>r <strong>im</strong> Talar hat e<strong>in</strong>e Vorstellung vom RD-Mitarbeiter, die nicht ad-<br />

äquat dem Menschen entspricht, der ihm jetzt begegnet. Se<strong>in</strong>e Gedanken s<strong>in</strong>d von Kli-<br />

schees geprägt, die e<strong>in</strong>em <strong>Rettungsdienst</strong>ler nicht selten zugeordnet werden: sche<strong>in</strong>bar<br />

gefühllos, unerschütterlich, cool (mit Sonnenbrille), geradezu blutrünstig steht er <strong>in</strong> der<br />

Gedankenblase mit e<strong>in</strong>er Spritze und dem Laryngoskop für die Intubation <strong>in</strong> den Hän-<br />

den. Se<strong>in</strong> Arbeitsplatz gleicht e<strong>in</strong>em Schlachtfeld voll Blut, Knochen und Feuerflam-<br />

men.<br />

Karikaturen überzeichnen von ihrer Art her – und so ist es auch hier. Aber sie stellen<br />

dadurch e<strong>in</strong> Stück der Realität umso treffender dar: Menschen haben Vorurteile gegen-<br />

über anderen Menschen, die die Begegnungen mit ihnen beh<strong>in</strong>dern oder gar verh<strong>in</strong>dern.<br />

Sie übertragen Erfahrungen, die sie mit dem Vertreter e<strong>in</strong>er (Berufs-) Gruppe gemacht<br />

haben, leicht auf alle, die dieser Gruppe angehören.<br />

Bei der Begegnung zwischen RD und Kirche schw<strong>in</strong>gt das alles mit. Persönliche Erfah-<br />

rungen und auch Klischees bee<strong>in</strong>flussen das Zusammentreffen entweder positiv oder<br />

negativ, denn hier begegnen sich nicht nur zwei Institutionen, sondern lebendige Men-<br />

schen mit Emotionen.<br />

Es gilt also, e<strong>in</strong>ander besser kennen zu lernen. In der Realität ist dies bereits an vielen<br />

Orten auf gute Weise geschehen. Vertreter<strong>in</strong>nen und Vertreter auf beiden Seiten haben<br />

dazu beigetragen.<br />

In dieser Diplomarbeit soll nun e<strong>in</strong>e weitere Begegnung auf e<strong>in</strong>er anderen, theoretischen<br />

Ebene stattf<strong>in</strong>den, damit der <strong>Seelsorge</strong>r nicht nur <strong>in</strong> der Karikatur e<strong>in</strong>e realistische Vor-<br />

stellung vom RD bekommt und beide Seiten die Chancen e<strong>in</strong>er guten Zusammenarbeit<br />

erkennen und sich kollegial oder freundschaftlich begegnen können.<br />

2 Vgl. dazu auch SADOWSKI: Warum arbeiten Theologen <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 534. Vgl. ferner<br />

ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 54f und vgl. auch WIETERSHEIM: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 139.<br />

9


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

2 Zielsetzung, Gegenstand, Methode und Disposition der Arbeit<br />

2.1 Zur Zielsetzung<br />

Das vorrangige Ziel dieser Diplomarbeit <strong>im</strong> Fach Pastoraltheologie soll se<strong>in</strong>, die Zu-<br />

sammenarbeit der Kirche mit dem RD zu untersuchen.<br />

Diese Arbeit will und soll die Kirche und ihre Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

sensibilisieren und ermutigen, <strong>in</strong> der pastoralen Praxis sowohl Menschen <strong>in</strong> Krisensi-<br />

tuationen als auch das RD-Personal nicht aus dem Blick zu verlieren und Chancen des<br />

Zusammenwirkens mit den Hilfsorganisationen wahrzunehmen.<br />

2.2 Zum Gegenstand<br />

Gegenstand der Arbeit s<strong>in</strong>d Erfahrungen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwi-<br />

schen RD 3 und Kirche <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland. Neben dem Zusammenwir-<br />

ken auf dem Gebiet der Krisen<strong>in</strong>tervention und <strong>Notfallseelsorge</strong> soll auch auf weitere<br />

Bereiche der Pastoral e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

Die vorliegenden Untersuchungen behandeln e<strong>in</strong>en Ausschnitt der kirchlichen Praxis,<br />

vor allem <strong>im</strong> Bereich der <strong>Seelsorge</strong>, und s<strong>in</strong>d deshalb der Diszipl<strong>in</strong> Pastoraltheologie<br />

zuzuordnen, die ja auch als „<strong>Seelsorge</strong>-Theologie“ 4 bezeichnet wird.<br />

2.3 Zur Methode<br />

In der pastoraltheologischen Perspektive werden theologische und notfallmediz<strong>in</strong>ische<br />

Fachliteratur, kirchliche Dokumente und die normativen Leitbilder der Hilfsorganisa-<br />

tionen analysiert.<br />

Ebenso werden empirische Daten e<strong>in</strong>bezogen, um neben der wissenschaftlichen Litera-<br />

tur auch <strong>in</strong> den Erfahrungen und Gedanken der Menschen zu lesen. Neben persönlichen<br />

Erfahrungen des Verfassers werden auch ausgewertete Antworten aus Fragebögen e<strong>in</strong>-<br />

bezogen. Diese Fragebögen wurden <strong>in</strong> drei verschiedenen Fassungen für den Krisen<strong>in</strong>-<br />

terventionsdienst des <strong>Rettungsdienst</strong>es (KID), die <strong>Notfallseelsorge</strong> (NFS) und den Ret-<br />

tungsdienst (RD) konzipiert und <strong>im</strong> August und September 2003 zur Beantwortung an<br />

fünf RD-Mitarbeiter 5 , an e<strong>in</strong>e Krisen<strong>in</strong>terventionshelfer<strong>in</strong> des <strong>Rettungsdienst</strong>es und drei<br />

3 Dabei wird der Schwerpunkt auf den vier großen Hilfsorganisationen liegen, die sich <strong>in</strong> der Bundesrepublik<br />

<strong>im</strong> RD engagieren: der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), das Deutsche Rote Kreuz (DRK),<br />

die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und der Malteser-Hilfsdienst (MHD).<br />

4 SCHMID: Die Praxis als Ort der Theologie, 104.<br />

5 Von diesen waren zur Zeit der Befragung zwei Personen hauptamtlich (jeweils männlich) und drei<br />

ehrenamtlich (e<strong>in</strong>e Frau und zwei Männer) <strong>im</strong> RD und auf derselben Rettungswache aktiv.<br />

10


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r ausgegeben, die zuvor ihre Bereitschaft zur Teilnahme bekundet hat-<br />

ten.<br />

Bei der Auswahl der Personen wurde ke<strong>in</strong> besonderes Verfahren angewendet. Dennoch<br />

sollen zu den Befragten folgende Anmerkungen festgehalten werden: Bei den Mitar-<br />

beitern des <strong>Rettungsdienst</strong>es wurden bewusst zwei Personen e<strong>in</strong>bezogen, von denen<br />

bekannt war, dass sie negative Erfahrungen bei E<strong>in</strong>sätzen <strong>in</strong> Kirchen gesammelt haben,<br />

um auch solche negativen Begegnungen dem Leser vor Augen führen zu können. Die<br />

KID-Mitarbeiter<strong>in</strong> leitet e<strong>in</strong> KID-Team, das seit mehr als fünf Jahren aktiv ist und mit<br />

der kirchlichen NFS zusammenarbeitet. Bei den Mitarbeitern der NFS wurden zwei<br />

katholische Priester und e<strong>in</strong> evangelischer Pfarrer gewählt, die unterschiedliche und<br />

besondere Erfahrungen auf diesem Gebiet e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen: e<strong>in</strong> Dechant, der als Notfallseel-<br />

sorger be<strong>im</strong> Zugunglück <strong>in</strong> Eschede (1998) tätig gewesen ist, e<strong>in</strong> Kaplan, der persönlich<br />

<strong>im</strong> RD aktiv ist, und e<strong>in</strong> evangelischer Pastor.<br />

Die gewählten Personen wurden gebeten, ihre Antworten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Datei mit den Fragen<br />

e<strong>in</strong>zufügen. Im Gegensatz zu e<strong>in</strong>em Interview konnte durch dieses Vorgehen die Zeit<br />

der Bearbeitung von den Personen selbst gewählt und e<strong>in</strong>geteilt werden.<br />

Von den neun ausgeteilten Bögen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt fünf Bögen <strong>in</strong>nerhalb der vere<strong>in</strong>barten<br />

Zeit von sieben Wochen zurückgesandt worden: dre<strong>im</strong>al RD (von fünf) und jeweils<br />

e<strong>in</strong>mal KID (von e<strong>in</strong>em) und NFS (von drei). 6<br />

Die Bögen aus den Bereichen RD und KID s<strong>in</strong>d bewusst anonym gehalten, um Rück-<br />

schlüsse auf Personen und Orte zu vermeiden und möglichst authentische Antworten zu<br />

fördern. Die Namen von Dritten s<strong>in</strong>d bei allen Angaben anonymisiert worden.<br />

Bei der Erhebung der Fragebögen geht es nicht um e<strong>in</strong>e quantitative und repräsentative<br />

Umfrage, sondern um die Ermittlung von exemplarischen Erfahrungen und Me<strong>in</strong>ungen.<br />

An geeigneten Stellen der vorliegenden Untersuchungen werden Aussagen aus den Bö-<br />

gen übernommen oder auf entsprechende Antworten verwiesen. 7<br />

2.4 Zur Disposition<br />

Nach der E<strong>in</strong>leitung (I) wird <strong>in</strong> drei Schritten vorgegangen werden, die mit den Term<strong>in</strong>i<br />

Kriteriologie (II), Kairologie (III) und Praxeologie (IV) überschrieben s<strong>in</strong>d. 8<br />

6 Hier lässt sich weiter unterscheiden: Vom RD haben zwei hauptamtliche (RD 1 u. RD 3) und e<strong>in</strong><br />

ehrenamtlicher Mitarbeiter (alle männlich) ihre Antworten zurückgesandt. Alle weiteren Angaben zu<br />

diesen und den anderen Personen (über Alter, Ausbildung usw.) s<strong>in</strong>d den e<strong>in</strong>zelnen Fragebögen zu<br />

entnehmen (vgl. Anhang 1 – jedoch nicht <strong>in</strong> dieser überarbeiteten und gekürzten Ausgabe!).<br />

11


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Folgende Aspekte sollen bei diesem Dreischritt berücksichtigt werden:<br />

� Im ersten Schritt, der Kriteriologie, sollen die Kriterien der Kirche für den zu<br />

untersuchenden Bereich, ihre Aufgaben und Ziele, vorgestellt werden. Zu-<br />

nächst gilt es zu begründen, warum die Kirche ihren Ort und ihre Aufgabe<br />

(auch und besonders) bei Menschen <strong>in</strong> Not- und Krisensituationen hat und<br />

ebenso bei den Menschen, die sich <strong>im</strong> RD um diese kümmern. Danach werden<br />

die <strong>Notfallseelsorge</strong> und weitere Bereiche vorgestellt, <strong>in</strong> denen Kirche und RD<br />

bereits zusammenarbeiten und sich regelmäßig begegnen.<br />

� Die Kairologie hat die Aufgabe, die aktuelle „Situation“ zu erforschen und <strong>in</strong><br />

ihr die „Zeichen der Zeit“ 9 zu suchen, um Handlungs<strong>im</strong>pulse für die zukünfti-<br />

ge Praxis der Kirche aufzeigen zu können. Für die Untersuchungen bedeutet<br />

das, den Bereich des <strong>Rettungsdienst</strong>es mit se<strong>in</strong>en verschiedenen Facetten vor-<br />

zustellen und se<strong>in</strong>e Erwartungen gegenüber der Kirche wahrzunehmen.<br />

� In der Praxeologie sollen schließlich aus den bisherigen Untersuchungen Kon-<br />

sequenzen für die zukünftige Praxis der Kirche <strong>im</strong> Bereich der Zusammenar-<br />

beit mit dem RD gezogen und Möglichkeiten e<strong>in</strong>er „Praxisopt<strong>im</strong>ierung“ 10 dar-<br />

gestellt werden. Mit e<strong>in</strong>em Resümee soll diese Diplomarbeit abgeschlossen<br />

werden. 11<br />

Um e<strong>in</strong>e leichtere Lesbarkeit zu ermöglichen, wird <strong>in</strong> der Regel ausschließlich die<br />

männliche Form verwendet. 12 Spezifische Abkürzungen werden bei der ersten Verwen-<br />

dung ausgeschrieben und s<strong>in</strong>d <strong>im</strong> Abkürzungsverzeichnis noch e<strong>in</strong>mal aufgeschlüsselt.<br />

Ferner werden <strong>in</strong> den Fußnoten bei den Literaturangaben nur die <strong>im</strong> Quellen- und Lite-<br />

raturverzeichnis kursiv gedruckten Kurztitel und die <strong>in</strong> Kapitälchen geschriebenen Na-<br />

men (der Autoren beziehungsweise der Herausgeber o. ä.) verwendet.<br />

7<br />

In der Fußnote werden dann der entsprechende Bogen bzw. die Bögen angegeben; <strong>in</strong> der Klammer<br />

dah<strong>in</strong>ter ist die jeweilige Nummer (der Antwort bzw. Antworten) auf dem Bogen vermerkt. Es lohnt<br />

sich aber auch, die beantworteten Fragebögen als solche zu studieren.<br />

8<br />

Zur Verwendung der genannten Term<strong>in</strong>i bei Zulehner vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 15.<br />

9<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 4. Vgl. ferner Lk 12,54-57.<br />

10<br />

ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 37. Vgl. dazu auch das kybernetische Handlungsmodell von<br />

Rolf Zerfaß bei ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 37-39.<br />

11<br />

E<strong>in</strong>e weitere Beschreibung der Vorgehensweise erfolgt <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>führung zu Beg<strong>in</strong>n des jeweiligen<br />

Schrittes.<br />

12<br />

Der Verfasser bittet höflich darum, die weibliche Form <strong>im</strong>mer mitgeme<strong>in</strong>t zu verstehen.<br />

12


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

1 E<strong>in</strong>führung<br />

II KRITERIOLOGIE<br />

– Aufgaben der Kirche und ihre Umsetzung –<br />

In diesem ersten Schritt, der Kriteriologie, soll das Fundament dieser Untersuchung<br />

gelegt werden. Es gilt, die Kriterien, Aufgaben und Ziele der Kirche zu prüfen und fest-<br />

zustellen, warum die Kirche e<strong>in</strong>en Handlungsort bei Menschen <strong>in</strong> Krisensituationen hat<br />

und e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit mit dem RD sich von ihrer Seite aus anbietet.<br />

Anhand der überlieferten Offenbarung Gottes <strong>in</strong> der Heiligen Schrift und <strong>in</strong> der kirchli-<br />

chen Tradition sollen geeignete Kriterien gefunden werden, die der Treue der Kirche zu<br />

Gott und se<strong>in</strong>er Botschaft entsprechen und den Handlungsort der Kirche begründen.<br />

Nach dieser theologischen Grundlegung wird dann e<strong>in</strong> Blick auf die aktuelle Praxis der<br />

Kirche geworfen. Dazu werden die <strong>Notfallseelsorge</strong> und weitere Bereiche, <strong>in</strong> denen sich<br />

Kirche und RD begegnen und auch zusammenwirken, vorgestellt.<br />

2 Theologische Grundlegung: Ort und Auftrag der Kirche bei Krisen<br />

2.1 Kriterien <strong>in</strong> der Heiligen Schrift<br />

Im Folgenden werden <strong>in</strong> sieben Unterpunkten e<strong>in</strong>ige Perikopen und Worte aus der Hei-<br />

ligen Schrift herangezogen, von denen sich Aussagen ableiten lassen, welchen Ort und<br />

welche Aufgaben die Kirche, das von Gott (heraus-) gerufene Volk <strong>in</strong> der Nachfolge<br />

Jesu, e<strong>in</strong>zunehmen und zu erfüllen hat, wenn sie den ihr vorgegebenen Spuren treu se<strong>in</strong><br />

will. 13<br />

2.1.1 Jesus als Retter und Heiland (Mt 8,1-4 u. a.)<br />

1 Als Jesus von dem Berg herabstieg, folgten ihm viele Menschen. 2 Da kam e<strong>in</strong> Aussätziger,<br />

fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, wenn du willst, kannst du machen, daß ich re<strong>in</strong> werde.<br />

3 Jesus streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es – werde re<strong>in</strong>! Im gleichen<br />

Augenblick wurde der Aussätzige re<strong>in</strong>. 4 Jesus aber sagte zu ihm: N<strong>im</strong>m dich <strong>in</strong> acht! Erzähl<br />

niemand davon, sondern geh, zeig dich dem Priester und br<strong>in</strong>g das Opfer dar, das Mose angeordnet<br />

hat. Das soll für sie e<strong>in</strong> Beweis (de<strong>in</strong>er Heilung) se<strong>in</strong>. (Mt 8,1-4)<br />

13 Sicher s<strong>in</strong>d diese Bibeltexte nicht die e<strong>in</strong>zigen, die hier angeführt werden können. Der vorgegebene<br />

Rahmen dieser Arbeit möge aber diese Beschränkung und e<strong>in</strong> nicht re<strong>in</strong> exegetisches Vorgehen entschuldigen.<br />

Die wichtigsten Ergebnisse aus II, 2.1 (Hl. Schrift) und II, 2.2 (kirchliche Tradition) werden<br />

<strong>in</strong> II, 2.3 kurz zusammengefasst.<br />

13


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

In dieser Perikope, die sich an die Bergpredigt anschließt, begegnet Jesus e<strong>in</strong>em Aus-<br />

sätzigen. 14 Dieser Aussätzige ist e<strong>in</strong> Mensch, der durch se<strong>in</strong>e Krankheit zum Tod ver-<br />

urteilt ist und dessen Heilung der Auferweckung e<strong>in</strong>es Toten gleichkommen würde. 15<br />

Neben der physischen Krankheit belastet ihn zudem auch die soziale Isolation; denn für<br />

die Gesellschaft ist er aufgrund se<strong>in</strong>er Krankheit e<strong>in</strong>em Toten vergleichbar. Ke<strong>in</strong>er will<br />

und darf etwas mit ihm zu tun haben.<br />

Jesus steigt vom Berg herab und geht zu diesem Menschen, der sich <strong>im</strong> tiefsten Tal des<br />

Lebens, mitten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schweren Krise bef<strong>in</strong>det. Dieser kranke Mann vertraut auf die<br />

Hilfe von Jesus. Und der Menschensohn, so schildert es der Evangelist Markus <strong>in</strong> der<br />

älteren Parallelerzählung (Mk 1,40-45), „hatte Mitleid“ (Mk 1,41) mit dem Aussätzigen.<br />

Genauer übersetzt „erregt “16 ihn dessen Schicksal, es geht ihm an das Herz; 17 Jesus lei-<br />

det also mit diesem Menschen.<br />

Jesus tritt aber auch für ihn e<strong>in</strong>: Er berührt ihn und spricht zu dem Ausgegrenzten. Er<br />

schenkt ihm das Ansehen wieder, das dieser Kranke verloren hatte, und die Zuwendung,<br />

die dieser lange vermisst hatte. Jesus heilt also nicht nur die körperliche Krankheit, son-<br />

dern geht auch auf die seelischen Bedürfnisse dieses Menschen e<strong>in</strong>. 18 Jesus wird so zum<br />

Heiland für Leib und Seele 19 und schenkt ihm e<strong>in</strong>en Ort zum Heilwerden, e<strong>in</strong> „Heil-<br />

Land“ 20 . So kann dieser wieder une<strong>in</strong>geschränkt am Leben des Volkes teilnehmen. 21<br />

E<strong>in</strong> weiterer Blick soll auf die Menschen gelenkt werden, die Jesus vom Berg „folgten“<br />

(Mt 8,1). Dieses Leitverb „kennzeichnet sie als potentielle Kirche“ 22 . Wer Jesus nach-<br />

14<br />

Die Parallelstellen zu Mt 8,1-4 f<strong>in</strong>den sich bei Mk 1,40-45 und Lk 5,12-16. Zu Mt 8,1-4 vgl. auch<br />

ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 16-24 und vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 71-76.<br />

15<br />

Vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 9 (dort Anm. 8).<br />

16<br />

Übersetzung bei PESCH: Das Markusevangelium, 141; <strong>im</strong> Griechischen heißt es: „sp?a????s?e?? “.<br />

17<br />

Mt und Lk lassen diese Gemütsbewegung wahrsche<strong>in</strong>lich weg, um die Souveränität Jesu nicht zu<br />

schmälern (vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 10). Aus heutiger, humanistisch aufgeklärter<br />

Sicht machen aber gerade diese Gefühle Jesus sympathisch, ja sogar souverän. Auch JHWH lässt<br />

sich u. a. <strong>in</strong> Ex 3,7-10 von den Schreien se<strong>in</strong>es leidenden Volkes berühren und hat Mitleid. „Gott ist<br />

leidempf<strong>in</strong>dlich“ (ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 128) und greift rettend e<strong>in</strong>.<br />

18<br />

In der Auslegungsgeschichte der Kirche wurde der Aussatz oft als Synonym für die tödliche Sünde<br />

angesehen, so zum Beispiel bei August<strong>in</strong>us und Johannes Calv<strong>in</strong>. Die Heilung des Körpers und deren<br />

soziale D<strong>im</strong>ension wurden bis zum Humanismus und der Aufklärung oft übersehen. Vgl. LUZ: Das<br />

Evangelium nach Matthäus, 11.<br />

19<br />

Die Liturgiekonstitution bezeichnet Jesus <strong>in</strong> Anlehnung an e<strong>in</strong> Zitat des Ignatius von Antiochien als<br />

„den Arzt für Leib und Seele“. (ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Sacrosanctum Concilium, Nr. 5.)<br />

20<br />

Das Wortspiel „Heil-Land“ stammt von Markus Beranek. Vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral,<br />

75. Ebenso muss auch die Kirche <strong>in</strong> der Nachfolge Jesu e<strong>in</strong> Ort se<strong>in</strong>, an dem sich Heilung ereignet<br />

und Menschen He<strong>im</strong>at f<strong>in</strong>den. Vgl. hierzu ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 90-94.<br />

21<br />

Vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 74.<br />

22<br />

LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 9.<br />

14


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

folgen will, geht ihm h<strong>in</strong>terher, beobachtet se<strong>in</strong>e Praxis, schaut ihm sozusagen auf die<br />

F<strong>in</strong>ger und handelt auf Jesu Weise heilend an den Menschen. 23<br />

Das Vorbild Jesu ist also entscheidend für die kirchliche Praxis. Jesus, so schildern die<br />

Evangelien, heilt Menschen von ihren körperlichen und seelischen Krankheiten und<br />

setzt sich dabei auch über Grenzen religiöser oder geographischer Art h<strong>in</strong>weg (vgl. Joh<br />

4,1-26 und Mk 7,24-30). Er wendet sich Menschen zu, die trauern (Mk 5,35-43 u. a.).<br />

Es geht Jesus <strong>im</strong>mer um den Menschen, um den ganzen Menschen. Deshalb n<strong>im</strong>mt er<br />

zum Beispiel auch e<strong>in</strong>en Taubstummen „beiseite, von der Menge weg“ (Mk 7,33) und<br />

schützt ihn so vor neugierigen und schaulustigen Blicken. Gerade weil es Jesus um den<br />

Menschen geht, stellt er auch e<strong>in</strong> (schutzloses und unbeachtetes) K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die Mitte (vgl.<br />

Mt 18,2 und Mk 9,36) und geht den Verlorenen nach (vgl. Mk 9,12 und Mk 18,12-14).<br />

Jesus sorgt sich um alle Menschen, von den K<strong>in</strong>dern bis zu den Sterbenden und sogar<br />

den Toten, von den Suchenden bis zu den Verzweifelten und Verlorengegangenen.<br />

Von Jesus lässt sich auch lernen, dass er sich für sich selbst und se<strong>in</strong>e von ihrer Mission<br />

zurückgekehrten Apostel Zeit n<strong>im</strong>mt, um sich mit ihnen abseits der Menge über ihr Tun<br />

auszutauschen, geme<strong>in</strong>sam Kraft zu schöpfen und zu beten (vgl. Lk 9,10 und Lk 9,18). 24<br />

Abschließend kann also festgehalten werden, dass Jesus e<strong>in</strong> wahrer Meister des Heilens<br />

und Rettens ist, das den ganzen Menschen umfasst und Leben <strong>in</strong> Fülle (vgl. Joh 10,10)<br />

verheißt. Er ist der verwundete Arzt, der für uns Menschen durch die Krisen, Leiden<br />

und Nöte des menschlichen Lebens bis <strong>in</strong> den Tod h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> gegangen ist und der sie<br />

überwunden hat. Jesus ist also das Vorbild schlechth<strong>in</strong> für alle, die anderen Menschen<br />

helfen wollen.<br />

2.1.2 Gebot der Gottes- und Nächstenliebe (Lk 10,25-37)<br />

25 Da stand e<strong>in</strong> Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Meister,<br />

was muß ich tun, um das ewige Leben zu gew<strong>in</strong>nen? 26 Jesus sagte zu ihm: Was steht<br />

<strong>im</strong> Gesetz? Was liest du dort? 27 Er antwortete: Du sollst den Herrn, de<strong>in</strong>en Gott, lieben mit<br />

ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all de<strong>in</strong>er Kraft und all de<strong>in</strong>en Gedanken, und: De<strong>in</strong>en<br />

Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. 28 Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet.<br />

Handle danach, und du wirst leben. 29 Der Gesetzeslehrer wollte se<strong>in</strong>e Frage rechtfertigen<br />

und sagte zu Jesus: Und wer ist me<strong>in</strong> Nächster? 30 Darauf antwortete ihm Jesus: E<strong>in</strong><br />

Mann g<strong>in</strong>g von Jerusalem nach Jericho h<strong>in</strong>ab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten<br />

ihn aus und schlugen ihn nieder; dann g<strong>in</strong>gen sie weg und ließen ihn halbtot liegen.<br />

31 Zufällig kam e<strong>in</strong> Priester denselben Weg herab; er sah ihn und g<strong>in</strong>g weiter. 32 Auch e<strong>in</strong><br />

23 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 22-24 und vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral,<br />

75f. Zulehner verweist dabei auf e<strong>in</strong>e Darstellung der Perikope <strong>im</strong> so genannten Codex Echternach,<br />

<strong>in</strong> der die nachfolgende Kirche durch zwei Apostel (vermutlich Petrus und Johannes) und dann auch<br />

durch Zeitgenossen des Malers, erkennbar an der entsprechenden Kleidung, dargestellt wird. Das<br />

Bild sagt also, dass die Praxis Jesu für die Kirche von damals und auch von heute e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

und entscheidende Bedeutung hat.<br />

24 Für diesen H<strong>in</strong>weis bedanke ich mich bei Joach<strong>im</strong> Michalik.<br />

15


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und g<strong>in</strong>g weiter. 33 Dann kam e<strong>in</strong> Mann aus Samarien,<br />

der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid, 34 g<strong>in</strong>g zu ihm h<strong>in</strong>, goß Öl und We<strong>in</strong><br />

auf se<strong>in</strong>e Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf se<strong>in</strong> Reittier, brachte ihn zu e<strong>in</strong>er<br />

Herberge und sorgte für ihn. 35 Am andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem<br />

Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen,<br />

wenn ich wiederkomme. 36 Was me<strong>in</strong>st du: Wer von diesen dreien hat sich als der<br />

Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde? 37 Der Gesetzeslehrer<br />

antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh<br />

und handle genauso! (Lk 10,25-37)<br />

Der barmherzig und hilfsbereit handelnde Samariter, den Jesus <strong>in</strong> dieser bekannten Bei-<br />

spielgeschichte <strong>im</strong> Rahmen e<strong>in</strong>es Streitgespräches mit e<strong>in</strong>em Gesetzeslehrer schildert,<br />

ist zum „Kernbild der christlichen Ethik“ 25 geworden. 26<br />

Der Ausgangspunkt für diese Geschichte Jesu ist die Frage e<strong>in</strong>es Schriftgelehrten: „Und<br />

wer ist me<strong>in</strong> Nächster?“ (Lk 10,29b). Jesus erzählt darauf von e<strong>in</strong>em Mann, der <strong>im</strong> Wadi<br />

Quilt zwischen Jerusalem und Jericho unterwegs war und überfallen wurde. E<strong>in</strong> Priester<br />

und e<strong>in</strong> Levit, die nache<strong>in</strong>ander an dem Schwerverletzten vorüberg<strong>in</strong>gen, sahen diesen<br />

Hilflosen zwar, beachteten ihn aber nicht.<br />

Jesus selbst spricht nicht von den Gründen dieser jüdischen Kultbeamten für die unter-<br />

lassene Hilfeleistung. Heute wird dieses Fehlverhalten oft mit der Bewahrung kultischer<br />

Re<strong>in</strong>heit, mit Erfahrungsmangel <strong>im</strong> Umgang mit Verletzten oder mit bloßer Angst zu<br />

erklären versucht. 27 Statt ihren Gottesdienst <strong>im</strong> Tempel mit der Nächstenliebe zu ver-<br />

b<strong>in</strong>den, unterlassen die beiden Männer das geforderte barmherzige Handeln. 28 Ihr passi-<br />

ves Vorübergehen ist „unentschuldbar“ 29 , ist unbegründbar und provoziert.<br />

E<strong>in</strong> Samariter, für die jüdischen Hörer Jesu e<strong>in</strong> Fremder und Verachteter, kam als dritte<br />

Person an dem schwer verletzten Mann vorbei. Auch er sah ihn, aber er g<strong>in</strong>g nicht vor-<br />

über. Er hatte – ebenso wie Jesus bei dem Aussätzigen <strong>in</strong> Mk 1,40-45 – Mitleid mit die-<br />

sem Menschen. François Bovon übersetzt: Der Samariter „war <strong>im</strong> Innersten berührt“ 30 ,<br />

so dass e<strong>in</strong>e Beziehung zwischen den beiden Menschen entstehen konnte. 31 Der Sama-<br />

riter war sensibel für das Leid des Überfallenen, der vermutlich bewusstlos am Weg lag.<br />

25 WIETERSHEIM: Der barmherzige Samariter, 36. Später wird <strong>in</strong> der Kairologie darauf e<strong>in</strong>gegangen,<br />

welche wesentliche Bedeutung diese Perikope für die Hilfsorganisationen hat.<br />

26 Zu Lk 10,25-37 vgl. auch METZSCH: Menschen helfen Menschen, bes. 8-27 und vgl. auch WIE-<br />

TERSHEIM: Der barmherzige Samariter, 35f und vgl. auch REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 53f.<br />

27 Vgl. METZSCH: Menschen helfen Menschen, 17.<br />

28 Vgl. BOVON: Das Evangelium nach Lukas, 89.<br />

29 Vgl. BOVON: Das Evangelium nach Lukas, 90.<br />

30 BOVON: Das Evangelium nach Lukas, 81. Friedrich-August von Metzsch weist auf folgende Übersetzungsmöglichkeit<br />

h<strong>in</strong>: „Be<strong>im</strong> Anblick (des Verletzten) drehten sich ihm Magen und E<strong>in</strong>geweide <strong>im</strong><br />

Leib um.“ (METZSCH: Menschen helfen Menschen, 19.) Der Samariter ist also betroffen vom Leid<br />

des andern, das ihm sogar auf den Magen schlägt, so dass er mit ihm mit leidet.<br />

31 Bovon bemerkt dazu: „Der verletzliche Leib des e<strong>in</strong>en weckt das aufmerksame Herz des andern.“<br />

(BOVON: Das Evangelium nach Lukas, 90.)<br />

16


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Er versorgte die Wunden des Verletzten nach damaligem Wissen und Brauch professio-<br />

nell mit Öl und We<strong>in</strong> zur Re<strong>in</strong>igung, Des<strong>in</strong>fektion und Schmerzl<strong>in</strong>derung. 32 Der Helfer<br />

transportierte ihn anschließend auf se<strong>in</strong>em Reittier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Herberge und sorgte dort<br />

weiter für ihn. Erst am nächsten Tag setzte er se<strong>in</strong>e Reise fort, nachdem er den Wirt mit<br />

der Weiterversorgung beauftragt und die Kosten dafür übernommen hatte.<br />

Im Anschluss an diese Beispielgeschichte, die die Sympathie der Hörer leicht auf die<br />

Seite des Verletzten und vor allem des Samariters lenkt, folgt die Po<strong>in</strong>te des Streitge-<br />

sprächs: Jesus dreht die Frage des Schriftgelehrten um und fragt diesen selbst, wer sich<br />

dem Hilfsbedürftigen als Nächster erwiesen habe. 33 Der Schriftgelehrte verweist auf den<br />

Helfer, der barmherzig an dem Verletzten gehandelt hat (vgl. Lk 10,37b) und dessen<br />

Volkszugehörigkeit offenbar ke<strong>in</strong>e Rolle dabei spielte. Was alle<strong>in</strong> zählt, ist die Barm-<br />

herzigkeit und diese „ist e<strong>in</strong>e Eigenschaft Gottes [...]. Barmherzigkeit ist der ungeschul-<br />

dete Dienst.“ 34 Nach der Antwort des Schriftgelehrten fordert Jesus diesen und damit<br />

auch alle anderen auf: „Dann geh und handle genauso!“ (Lk 10,37b).<br />

Jesus fordert alle auf, die das Gebot Gottes erfüllen wollen, sich den Hilfsbedürftigen<br />

als Nächste zu erweisen und wie der Samariter nicht nach Ausreden zu suchen, sondern<br />

sensibel und nach bestem Wissen und Gewissen aktiv zu helfen. Gottes- und Nächsten-<br />

liebe können nicht vone<strong>in</strong>ander getrennt werden.<br />

Interessant ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die Darstellung dieser Beispielgeschichte <strong>im</strong><br />

Codex Rossanensis aus dem 6. Jahrhundert. 35 Sie zeigt den Samariter mit dem<br />

Kreuzn<strong>im</strong>bus Christi, der sich professionell um den verletzten Menschen <strong>in</strong> der Mitte<br />

sorgt und von e<strong>in</strong>er weißen Gestalt, e<strong>in</strong>em Engel gleich, dabei assistierend unterstützt<br />

wird. 36 Nach diesem Bild hilft jeder an Jesu Christi Statt, der wie der Samariter e<strong>in</strong>em<br />

Menschen <strong>in</strong> Not beisteht.<br />

Aufgabe der Kirche ist es, diese Forderung Jesu <strong>in</strong> ihr und <strong>in</strong> der Welt wach zu halten<br />

und die Hilfeleistungen wohlwollend und – wie der Engel <strong>in</strong> der oben genannten Dar-<br />

stellung – fördernd zu unterstützen. 37<br />

2.1.3 Werke der Barmherzigkeit (Mt 25,31-40)<br />

32<br />

Vgl. BOVON: Das Evangelium nach Lukas, 91 (dort Anm. 43) und vgl. METZSCH: Menschen helfen<br />

Menschen, 19.<br />

33<br />

Die Frage lautet also, wer sich wie der Samariter als Nächster erweist und nicht wer e<strong>in</strong>em selbst der<br />

Nächste ist.<br />

34<br />

ADAMS: Die Kunst des Helfens, 20.<br />

35<br />

Der betreffende Ausschnitt der Darstellung ist auf Seite 2 der vorliegenden Arbeit abgedruckt.<br />

36 Vgl. METZSCH: Menschen helfen Menschen, 76.<br />

17


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

31 Wenn der Menschensohn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird<br />

er sich auf den Thron se<strong>in</strong>er Herrlichkeit setzen. 32 Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen<br />

werden, und er wird sie vone<strong>in</strong>ander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den<br />

Böcken scheidet. 33 Er wird die Schafe zu se<strong>in</strong>er Rechten versammeln, die Böcke aber zur<br />

L<strong>in</strong>ken. 34 Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von<br />

me<strong>in</strong>em Vater gesegnet seid, nehmt das Reich <strong>in</strong> Besitz, das seit der Erschaffung der Welt<br />

für euch best<strong>im</strong>mt ist. 35 Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war<br />

durstig, und ihr habt mir zu tr<strong>in</strong>ken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt<br />

mich aufgenommen; 36 ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank,<br />

und ihr habt mich besucht; ich war <strong>im</strong> Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen. 37 Dann<br />

werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir<br />

zu essen gegeben, oder durstig und dir zu tr<strong>in</strong>ken gegeben? 38 Und wann haben wir dich<br />

fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben?<br />

39 Und wann haben wir dich krank oder <strong>im</strong> Gefängnis gesehen und s<strong>in</strong>d zu dir gekommen?<br />

40 Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für e<strong>in</strong>en me<strong>in</strong>er<br />

ger<strong>in</strong>gsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. (Mt 25,31-40)<br />

Dieser Ausschnitt der Weltgerichtszene <strong>im</strong> Rahmen der Endzeitreden Jesu <strong>im</strong> Matthäu-<br />

sevangelium wurde zu e<strong>in</strong>em „Grundtext der Diakonie“ 38 . Von ihm wurden die so ge-<br />

nannten Werke der Barmherzigkeit abgeleitet, die bis heute (nicht nur) dem Christentum<br />

wichtige Impulse für karitatives Verhalten geben: Speisung von Hungrigen, Versorgung<br />

von Durstigen, Aufnahme von Fremden und Obdachlosen, Bekleidung von Nackten,<br />

Besuch der Kranken und Gefangenen (vgl. Verse 35f).<br />

Ab dem 13. Jahrhundert, vermutlich <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Pest, wurde die Be-<br />

stattung von Toten (vgl. Tob 1,16f) und ferner auch der Besuch von Trauernden (vgl. Sir<br />

7,34f) zu dieser Reihe h<strong>in</strong>zugefügt. 39 Ebenso wurden so genannte geistliche Werke der<br />

Barmherzigkeit <strong>im</strong> Katalog der christlichen Handlungsideale ergänzt: Belehrung 40 , Rat,<br />

Trost, Ermutigung, Vergebung und Ertragen von Unrecht <strong>in</strong> Geduld 41 und, bei Johannes<br />

Calv<strong>in</strong> und anderen, auch das Gebet. 42<br />

Die Aufforderung, sich um die leiblichen und auch seelischen Nöte von leidenden Men-<br />

schen zu kümmern, spielt übrigens nicht nur <strong>im</strong> jüdisch-christlichen Kontext e<strong>in</strong>e Rolle,<br />

sondern auch bei anderen Religionen. 43<br />

37<br />

Diese alte Darstellung kann auch e<strong>in</strong> Vorbild für den RD (Samariter), die Kirche (Engel) und deren<br />

Zusammenarbeit se<strong>in</strong>.<br />

38<br />

LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 522. Auf die Diakonie wird später (unter II, 2.2.2.3) näher<br />

e<strong>in</strong>gegangen werden. Zu Mt 25,31-40 vgl. ferner ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 27,<br />

METZSCH: Menschen helfen Menschen, 44f und vgl. auch REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 54f.<br />

39<br />

Vgl. METZSCH: Menschen helfen Menschen, 45 und vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 522<br />

und vgl. ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 27.<br />

40<br />

Davon leitet Ulrich Luz übrigens folgendes ab, was hier durchaus nicht verschwiegen werden soll:<br />

„Auch Professoren können also gerettet werden!“ (LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 528; dort<br />

Anm. 93.)<br />

41<br />

Vgl. ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 27.<br />

42<br />

Vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 528.<br />

43<br />

H<strong>in</strong>gewiesen sei <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auf die große Übere<strong>in</strong>st<strong>im</strong>mung der Liebeswerke aus Mt<br />

25 mit denen, die <strong>in</strong> Texten anderer Religionen aufgezählt werden. Vgl. dazu LUZ: Das Evangelium<br />

nach Matthäus, 524.<br />

18


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Exegeten s<strong>in</strong>d sich une<strong>in</strong>ig, ob dieser paränetische Text universal oder exklusiv zu<br />

deuten ist, ob also Jesus <strong>in</strong> jedem Menschen, der Not leidet, gleich welcher Religion er<br />

angehört, begegnet oder – wie bis zum 19. Jahrhundert vorherrschend vertreten – nur <strong>in</strong><br />

hilfsbedürftigen Mitgliedern der christlichen Geme<strong>in</strong>de. 44 Ulrich Luz hält <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Kommentar fest, dass diese Perikope heute durchaus universal <strong>in</strong>terpretiert werden darf<br />

und „sich <strong>im</strong> ‚ger<strong>in</strong>gsten Bruder’ Jesu – sei dies nun e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>demitglied oder nicht –<br />

der erhöhte Herr beziehungsweise Gott selbst verbirgt und erfahren läßt“ 45 , weil Jesus<br />

„derjenige ist, der neue Augen schenkt, die den armen Menschen und Gott neu sehen<br />

und erfahren lassen.“ 46<br />

2.1.4 Apostolische Diakonie und Krisen<strong>in</strong>tervention (Apg 9,36-42)<br />

36 In Joppe lebte e<strong>in</strong>e Jünger<strong>in</strong> namens Tabita, das heißt übersetzt: Gazelle. Sie tat viele gute<br />

Werke und gab reichlich Almosen. 37 In jenen Tagen aber wurde sie krank und starb. Man<br />

wusch sie und bahrte sie <strong>im</strong> Obergemach auf. 38 Weil aber Lydda nahe bei Joppe liegt und<br />

die Jünger hörten, dass Petrus dort war, schickten sie zwei Männer zu ihm und ließen ihn<br />

bitten: Komm zu uns, zögere nicht! 39 Da stand Petrus auf und g<strong>in</strong>g mit ihnen. Als er ankam,<br />

führten sie ihn <strong>in</strong> das Obergemach h<strong>in</strong>auf; alle Witwen traten zu ihm, sie we<strong>in</strong>ten und zeigten<br />

ihm die Röcke und Mäntel, die Gazelle gemacht hatte, als sie noch bei ihnen war.<br />

40 Petrus aber schickte alle h<strong>in</strong>aus, kniete nieder und betete. Dann wandte er sich zu dem<br />

Leichnam und sagte: Tabita, steh auf! Da öffnete sie ihre Augen, sah Petrus an und setzte<br />

sich auf. 41 Er gab ihr die Hand und ließ sie aufstehen; dann rief er die Heiligen und die<br />

Witwen und zeigte ihnen, daß sie wieder lebte. 42 Das wurde <strong>in</strong> ganz Joppe bekannt, und<br />

viele kamen zum Glauben an den Herrn. (Apg 9,36-42)<br />

Der Apostel Petrus leistet <strong>in</strong> dieser Perikope sozusagen e<strong>in</strong>e Krisen<strong>in</strong>tervention. Er wird<br />

unmittelbar nach dem Tod der engagierten Christ<strong>in</strong> Tabita gerufen, weil sich die Ge-<br />

me<strong>in</strong>de von ihm Hilfe verspricht. Petrus lässt die Trauernden nicht <strong>im</strong> Stich, er macht<br />

sich auf den Weg, um die erbetene Hilfe zu leisten.<br />

Es geht hier sicher nicht um notfallmediz<strong>in</strong>ische Hilfe, denn dazu fehlten dem Fischer<br />

Petrus und den anderen damals die Kenntnisse, sondern um e<strong>in</strong> „authentisches und von<br />

den Trauernden wahrnehmbares Zeugnis des auferstandenen Christus“ 47 , das Trost ver-<br />

mittelt, weil die Verstorbene nicht „<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nlose Leere fällt.“ 48 Geme<strong>in</strong>t ist also „die<br />

Hilfe aus der Kraft des Glaubens und des Gebetes – und die Geme<strong>in</strong>de erwartete nur<br />

noch diese Hilfe.“ 49 Durch diesen Glauben an den auferstandenen Herrn ersteht Tabita<br />

zu e<strong>in</strong>em neuem Leben.<br />

Rudolf Pesch sieht <strong>in</strong> dieser Totenerweckung der Tabita, die sozusagen die Diakonie der<br />

Geme<strong>in</strong>de von Joppe personifizierte (vgl. ihre Taten <strong>in</strong> Vers 36), auch e<strong>in</strong>e Anrede des<br />

44 Vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 521-530.<br />

45 LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 544.<br />

46 LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 544.<br />

47 DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1.<br />

48 DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1.<br />

19


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Herrn an die Geme<strong>in</strong>de, die <strong>in</strong> ihr gestorbene Diakonie wiederaufleben zu lassen. E<strong>in</strong>e<br />

lebendige Diakonie ist also lebenswichtiger Bestandteil für e<strong>in</strong>e christliche Geme<strong>in</strong>de. 50<br />

Petrus wird hier sozusagen als e<strong>in</strong> biblischer <strong>Notfallseelsorge</strong>r dargestellt, der gerufen<br />

wird, um durch die Kraft des Glaubens und des Gebetes Trost und neues Leben zu er-<br />

möglichen. Petrus hilft durch se<strong>in</strong>en Glauben den Trauernden aus ihrer Krise heraus. 51<br />

2.1.5 Trost durch die Getrösteten (2 Kor 1,3-5)<br />

3 Gepriesen sei der Gott und Vater Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater des Erbarmens und<br />

der Gott allen Trostes. 4 Er tröstet uns <strong>in</strong> all unserer Not, damit auch wir die Kraft haben,<br />

alle zu trösten, die <strong>in</strong> Not s<strong>in</strong>d, durch den Trost, mit dem auch wir von Gott getröstet werden.<br />

5 Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteil geworden s<strong>in</strong>d, so wird uns durch<br />

Christus auch überreicher Trost zuteil. (2 Kor 1,3-5)<br />

Der Gott, den das Christentum verkündet, ist e<strong>in</strong> Gott des Trostes und des Lebens. Der<br />

dreie<strong>in</strong>ige Gott tröstet uns, weil er se<strong>in</strong>e Geschöpfe liebt:<br />

Aus dieser Liebe heraus hat Gott die gesamte Schöpfung samt den Menschen erschaf-<br />

fen. Er hat se<strong>in</strong> auserwähltes Volk aus der Knechtschaft der Ägypter befreit (vgl. Ex)<br />

und durch die Wüste <strong>in</strong> das gelobte Land geleitet (vgl. Jos) und <strong>im</strong>mer wieder aus den<br />

Händen fremder Mächte <strong>in</strong> die Freiheit geführt (vgl. 1 Kön 19, vgl. 2 Chr 36,22f u. a.).<br />

Der Herr hat sich als JHWH, als „Ich-b<strong>in</strong>-da“ (Ex 3,14), offenbart und <strong>im</strong>mer wieder als<br />

solcher erwiesen – als e<strong>in</strong> Gott, der mitfühlt und rettend e<strong>in</strong>greift. Aus dieser Liebe her-<br />

aus hat Gott se<strong>in</strong>en Sohn als Menschensohn auf die Erde gesandt, hat ihn für die Erlö-<br />

sung der Menschen h<strong>in</strong>gegeben und ihn die irdischen Leiden ertragen und überw<strong>in</strong>den<br />

lassen (vgl. Röm 8,32). Und aus dieser Liebe heraus ist auch Gottes Heiliger Geist als<br />

Beistand bei se<strong>in</strong>em Volk und stärkt es, damit wir als K<strong>in</strong>der Gottes leben und die Her-<br />

ausforderungen und Nöte unserer Zeit bestehen können (vgl. Röm 8,9-17 und vgl. 1 Kor<br />

12,1-11).<br />

Weil Gott se<strong>in</strong> Volk also getröstet hat, kann und muss die Kirche auch alle trösten, die<br />

des Trostes bedürfen. Das Volk Gottes gibt den Trost weiter, den Gott geschenkt hat. 52<br />

2.1.6 Tragende Hoffnung (1 Petr 3,15b.16a)<br />

15b Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die<br />

euch erfüllt; 16a aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Gewissen.“<br />

(1 Petr 3,15b.16a)<br />

49<br />

PESCH: Die Apostelgeschichte, 325.<br />

50<br />

Vgl. PESCH: Die Apostelgeschichte, 325. Das Pr<strong>in</strong>zip der Diakonie wird, wie bereits erwähnt, später<br />

unter II, 2.2.2.3 ausführlicher behandelt.<br />

51<br />

Vgl. DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1. Zu Apg 9,36-42 vgl. ferner REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>,<br />

56f.<br />

52<br />

Vgl. zu 2 Kor 3,1-5 ferner REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 56.<br />

20


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Christen leben aus e<strong>in</strong>er lebendigen Hoffnung, die <strong>in</strong> der Auferweckung Jesu Christi<br />

begründet ist. Sie glauben an e<strong>in</strong> Leben nach dem Tod <strong>im</strong> Reich Gottes, <strong>in</strong> dem der Tod<br />

nicht mehr se<strong>in</strong> wird, <strong>in</strong> dem es ke<strong>in</strong>e Trauer, ke<strong>in</strong>e Klage und ke<strong>in</strong>e Mühsal mehr ge-<br />

ben wird, weil das Alte dann vergangen ist (vgl. Offb 21,4). Ihre Hoffnung reicht also<br />

über die Grenzen und das Leid dieser Welt h<strong>in</strong>weg. Der Verfasser des ersten Petrusbrie-<br />

fes mahnt die christliche Geme<strong>in</strong>de, von dieser Hoffnung erfüllt zu leben und dadurch<br />

die Zeitgenossen zum Nachfragen herauszufordern. In der Hoffnung liegt e<strong>in</strong> wesentli-<br />

cher Moment des Glaubens (vgl. auch 1 Petr 1,3). 53<br />

Im Neuen Testament trägt die Hoffnung <strong>in</strong> sich „Momente der Erwartung des Künfti-<br />

gen, des Vertrauens und der Geduld [...] und steht <strong>in</strong> der Spannung von Gegenwart und<br />

Zukunft, der Grunderfahrung des schon gegenwärtigen Heiles und des ‚Noch-nicht’ der<br />

ausstehenden Endvollendung.“ 54 Das Christentum hat also allen Menschen e<strong>in</strong>e Hoff-<br />

nung zu bieten und zu verkündigen; und das besonders an den Orten, die von Hoff-<br />

nungslosigkeit und Not geprägt und beherrscht s<strong>in</strong>d. Es ist die Hoffnung auf die Rettung<br />

durch den gütigen und die Menschen liebenden Gott (vgl. Tit 3,4).<br />

2.1.7 Alttestamentliche Lebenskunst (Sir 7,33-36)<br />

33 Schenk jedem Lebenden de<strong>in</strong>e Gaben, und auch dem Toten versag de<strong>in</strong>e Liebe nicht!<br />

34 Entzieh dich nicht den We<strong>in</strong>enden, vielmehr trauere mit den Trauernden! 35 Säume nicht,<br />

den Kranken zu besuchen, dann wirst du von ihm geliebt. 36 Bei allem, was du tust, denk an<br />

das Ende, so wirst du niemals sündigen. (Sir 7,33-36)<br />

Dieser siebte Bibeltext ist dem alttestamentlichen Buch Jesus Sirach entnommen und<br />

vermutlich um 180 vor Christus <strong>in</strong> Jerusalem verfasst worden ist; das Buch wirbt für e<strong>in</strong><br />

Leben gemäß der Weisheit JHWHs. 55 Jesus Sirach fordert zur Hilfsbereitschaft gegen-<br />

über den Lebenden und den Toten auf. 56 Er leitet dazu an, Menschen <strong>in</strong> Krisensituatio-<br />

nen (We<strong>in</strong>enden, Trauernden und Kranken) beizustehen und sie nicht zu meiden, son-<br />

dern mit ihnen ihr Leid zu tragen. Bei der Sorge um die Toten hat der biblische Verfas-<br />

ser neben deren Bestattung bewusst auch die Versorgung und Tröstung der Angehöri-<br />

gen <strong>im</strong> Blick. 57<br />

53 Vgl. SCHELKLE: Die Petrusbriefe, 101.<br />

54 WOSCHITZ: Hoffnung, 316.<br />

55 Vgl. SCHREINER: Jesus Sirach, 8. Zu Sir 7,33-36 vgl. auch REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 57f.<br />

56 In diesem Zusammenhang gilt es, an die so genannte Goldene Regel zu er<strong>in</strong>nern: „Alles, was ihr also<br />

von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Dar<strong>in</strong> besteht das Gesetz und die Propheten.“ (Mt 7,12.)<br />

57 Vgl. SCHREINER: Jesus Sirach, 54.<br />

21


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Wer bei allen se<strong>in</strong>en Entscheidungen die eigene Sterblichkeit als Mahnung vor Augen<br />

hat, wird entsprechend handeln und <strong>im</strong> Alter dankbar und zufrieden auf e<strong>in</strong> erfülltes und<br />

an guten Taten reiches Leben zurückblicken können. 58<br />

Wer also e<strong>in</strong> Leben nach JHWHs Gesetz führen will, hat se<strong>in</strong>en Platz an Sterbebetten,<br />

an Unfallorten und überall dort, wo psychische und physische Hilfe und menschliche<br />

Begleitung benötigt wird. Er meidet solche Orte nicht und trägt die Sorgen und Gefühle<br />

dieser Menschen mit. 59<br />

2.2 Kriterien <strong>in</strong> der kirchlichen Tradition<br />

Ad fontes – Anhand e<strong>in</strong>iger wichtiger Quellen der kirchlichen Tradition sollen nun<br />

weitere theologische Grundlagen für die Zusammenarbeit zwischen Kirche und RD dar-<br />

gestellt werden. In e<strong>in</strong>em Kirchenbild aus der Zeit der Kirchenväter und <strong>in</strong> den drei we-<br />

sentlichen Pr<strong>in</strong>zipen der christlichen Geme<strong>in</strong>de sollen wichtige Kriterien gefunden und<br />

mit Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) bekräftigt werden.<br />

2.2.1 Kirche als Instrument Christi<br />

E<strong>in</strong> Fresko <strong>in</strong> den römischen Domitilla-Katakomben überträgt den Orpheus-Mythos der<br />

Antike auf Christus und die Menschheit. 60 Das frühchristliche Gemälde zeigt Christus<br />

als Orpheus mit e<strong>in</strong>er Leier und e<strong>in</strong>em Spielblättchen (Plektron) <strong>in</strong> der Hand.<br />

Im Vergleich zum Orpheus des Mythos hat es Christus aber geschafft, se<strong>in</strong>e Geliebte,<br />

die Menschheit, aus dem Reich des Todes zu befreien. Se<strong>in</strong> Instrument – die Leier –<br />

hilft ihm dabei, das befreiende „Lied des Lebens, des Lachens, der Hoffnung und der<br />

Auferweckung“ 61 zu spielen. 62<br />

Zwei Kirchenväter, Ignatius von Antiochien und Clemens von Alexandrien, sahen <strong>in</strong> der<br />

Leier die christliche Geme<strong>in</strong>de symbolisiert, deren Aufgabe es ist, Christus bei der Be-<br />

freiung der Menschheit als Instrument und Werkzeug zu dienen. Durch den Heiligen<br />

58 Vgl. SCHREINER: Jesus Sirach, 54.<br />

59 E<strong>in</strong>e knappe Zusammenfassung dieses und des folgenden Abschnitts erfolgt <strong>in</strong> II, 2.3.<br />

60 Vgl. dazu ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 70f und ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 58-<br />

60. Der genannte griechische Mythos erzählt von dem Spielmann Orpheus, der aus Liebe zu Eurydike,<br />

mit se<strong>in</strong>er Lyra (Leier) den Weg <strong>in</strong> die Unterwelt wagt, um die Verstorbene von den Fesseln des<br />

Todes zu befreien. Die Götter s<strong>in</strong>d von se<strong>in</strong>en herzerweichenden Liedern und se<strong>in</strong>er Liebe zu dieser<br />

Frau so bee<strong>in</strong>druckt, dass sie ihm erlauben, Eurydike aus dem Totenreich herauszuführen. Orpheus<br />

darf auf dem Rückweg allerd<strong>in</strong>gs nicht zurückschauen, um zu prüfen, ob ihm se<strong>in</strong>e Geliebte auch<br />

folgt. Doch aus Zweifel, ob sie h<strong>in</strong>ter ihm ist, dreht er sich deshalb – entgegen der Vere<strong>in</strong>barung –<br />

unterwegs um und verliert se<strong>in</strong>e Geliebte so für <strong>im</strong>mer. Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 70<br />

und vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 58.<br />

61 ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 70.<br />

62 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 70 und vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 58.<br />

22


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Geist, dargestellt durch das Plektron, werden die Saiten der Leier zum Schw<strong>in</strong>gen und<br />

Kl<strong>in</strong>gen gebracht. 63<br />

Die Kirche, das Volk Gottes, ist also nach dieser Kirchenvision aus der frühchristlichen<br />

Zeit lediglich Werkzeug <strong>in</strong> der Hand Jesu Christi, um am Reich Gottes mitzubauen. Sie<br />

dient also nicht e<strong>in</strong>em Selbstzweck, sondern hat von Gott die Aufgabe erhalten, Chri-<br />

stus zum Wohl des Menschen zu dienen. Ebenso treffend formuliert die Vision der Kir-<br />

chenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Die Kirche ist ja <strong>in</strong> Christus<br />

gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die <strong>in</strong>nigste Vere<strong>in</strong>igung<br />

mit Gott wie für die E<strong>in</strong>heit der ganzen Menschheit.“ 64<br />

Der Kirche muss es also um Gott und se<strong>in</strong>etwillen um den Menschen gehen. So heißt es<br />

<strong>in</strong> der Pastoralkonstitution Gaudium et spes klar und deutlich: „Der Mensch also, der<br />

e<strong>in</strong>e und ganze Mensch, mit Leib und Seele, Herz und Gewissen, Vernunft und Willen<br />

steht <strong>im</strong> Mittelpunkt unserer Ausführungen.“ 65<br />

2.2.2 Pr<strong>in</strong>zipien der christlichen Geme<strong>in</strong>de<br />

Die christliche Geme<strong>in</strong>de <strong>im</strong> Großen (Weltkirche) wie <strong>im</strong> Kle<strong>in</strong>en (Teilkirche bezie-<br />

hungsweise Diözese und auch die Pfarrgeme<strong>in</strong>de als „Kirche Gottes vor Ort“ 66 ) hat fol-<br />

gende Pr<strong>in</strong>zipien und Grundvollzüge, die für die Bildung und das Fortbestehen der Ge-<br />

me<strong>in</strong>de wesentlich s<strong>in</strong>d und untrennbar zusammengehören: die Mystik (mit Martyria<br />

und Leiturgia), die Ko<strong>in</strong>onia und die Diakonia. 67 Diese drei Grundfunktionen werden<br />

nun näher erläutert.<br />

2.2.2.1 Mystik<br />

63<br />

Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 70 und vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 58.<br />

Zulehner verweist weiter auf Rolf Zerfaß, der diese Kirchenvision für die Pastoraltheologie erschlossen<br />

hat. Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 70 (dort Anm. 163).<br />

64<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Lumen gentium, Nr. 1. Vgl. dazu auch ZULEHNER: Pastoraltheologie,<br />

Bd. 2, 71.<br />

65<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 3. Nach der Enzyklika Redemptoris hom<strong>in</strong>is<br />

ist der Mensch „der erste und grundlegende Weg der Kirche.“ (JOHANNES PAUL II.: Redemptoris<br />

hom<strong>in</strong>is, 27; Hervorhebung <strong>im</strong> Orig<strong>in</strong>al.)<br />

66<br />

ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 50.<br />

67<br />

Verwendet werden hier die Bezeichnungen nach ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 83-127. He rmann<br />

Wieh bezeichnet die Grundvollzüge der Geme<strong>in</strong>de ähnlich mit Verkündigung, Eucharistie und<br />

Brüderlichkeit. Vgl. WIEH: Konzil und Geme<strong>in</strong>de, 216-220. Ferd<strong>in</strong>and Klostermann entspricht der<br />

Aufteilung von Zulehner: der Geist des Herrn (begründet die Ko<strong>in</strong>onia), das Wort des Herrn (Martyria),<br />

der Kult des Herrn (Leiturgia) und die Bruderliebe des Herrn (Diakonia). Vgl. KLOSTERMANN:<br />

Pr<strong>in</strong>zip Geme<strong>in</strong>de, 40-58. Vgl. ebenso ZERFAß: Lebensnerv Caritas, 86 und SCHMID: Die Praxis als<br />

Ort der Theologie, 108. Auch Joach<strong>im</strong> Müller-Lange spricht von Martyria, Diakonia, Leiturgia und<br />

Ko<strong>in</strong>onia. Vgl. MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 18. Vgl. auch KIRCHENKANZLEI<br />

DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND: <strong>Kirchliche</strong>s Handeln bei Unglücksfällen und Katastrophen,<br />

16f.<br />

23


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Kirche ist das Volk Gottes, die Geme<strong>in</strong>schaft der von Gott Herausgerufenen (?<br />

e????s?a); Gott will also <strong>in</strong> ihr gegenwärtig se<strong>in</strong>. Die Kirche hat den Auftrag, sozusa-<br />

gen randvoll mit dem Evangelium auf der von Gott vorgegebenen Spur durch die Ge-<br />

schichte zu gehen und diese mitzugestalten. In der christlichen Geme<strong>in</strong>de muss Gott für<br />

Menschen erfahrbar und erlebbar se<strong>in</strong>. Aus diesem Verwurzelt se<strong>in</strong> <strong>in</strong> Gott 68 , der My-<br />

stik mit ihrer „Grundbewegung empfangen – loben – austeilen“ 69 , erwachsen Leiturgia<br />

und Martyria. 70<br />

2.2.2.1.1 Leiturgia<br />

In der Liturgie (? ?e?t?????a), der „Heiligung und Heilung“ 71 , ereignet sich e<strong>in</strong> wahrer<br />

Gottesdienst <strong>in</strong> zwei Richtungen: Gottes Dienst an uns Menschen (vor allem soteriolo-<br />

gisch) und der Dienst der Menschen für Gott (latreutisch); Liturgie verb<strong>in</strong>det H<strong>im</strong>mel<br />

und Erde, Gott und Menschen <strong>in</strong> ganz besonderer Weise. 72<br />

Gebete und zeichenhafte Rituale (wie Segnungen und die Sakramente) haben neben<br />

ihrer religiösen D<strong>im</strong>ension auch e<strong>in</strong>e heilsame, beruhigende Wirkung und e<strong>in</strong>e soziale<br />

D<strong>im</strong>ension. 73 Das Zweite Vatikanische Konzil stellt fest: „Die Sakramente s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>ge-<br />

ordnet auf die Heiligung der Menschen.“ 74 Die Heiligung schließt die Heilung mit e<strong>in</strong>.<br />

In Krisensituationen kann die Kirche durch ihre <strong>Seelsorge</strong>r den Menschen, die das wün-<br />

schen, gemäß den kirchlichen Richtl<strong>in</strong>ien die Sakramente spenden, den Segen und die<br />

Nähe Gottes zusagen und für sie – gegebenenfalls auch mit ihnen – beten.<br />

2.2.2.1.2 Martyria<br />

Der Dienst der Verkündigung (? µa?t???a) steht für den Auftrag der Kirche, allen Men-<br />

schen die Frohe Botschaft des Evangeliums zu verkünden (vgl. Mt 28,16-20 u. a.). Es<br />

geht also darum, Zeugnis von der christlichen Hoffnung zu geben, die dem Leben S<strong>in</strong>n<br />

68 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 84.<br />

69 ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 86; Hervorhebung <strong>im</strong> Orig<strong>in</strong>al.<br />

70 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 86.<br />

71 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 88.<br />

72 In der Liturgiekonstitution heißt es dazu: „In der irdischen Liturgie nehmen wir vorauskostend an<br />

jener h<strong>im</strong>mlischen Liturgie teil, die <strong>in</strong> der heiligen Stadt Jerusalem gefeiert wird, zu der wir pilgernd<br />

unterwegs s<strong>in</strong>d.“ (ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Sacrosanctum Concilium, Nr. 59.)<br />

73 Unter anderem „haben Rituale e<strong>in</strong>e therapeutische D<strong>im</strong>ension. Sie ereignen sich an der Schnittstelle<br />

zwischen Bewußtem und Unbewußtem und vermögen tiefsitzende Ambivalenzen des Dase<strong>in</strong>s zu<br />

verarbeiten [...]. Rituale wirken <strong>im</strong> Widerstreit tiefer seelischer Kräfte entchaotisierend, schützend<br />

vor dem befürchteten Verschlungenwerden, spenden Trost <strong>in</strong> der Untröstlichkeit. Zudem vernetzen<br />

sie. Denn Rituale s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e private Angelegenheit, sondern lassen die Nähe e<strong>in</strong>er tragenden Geme<strong>in</strong>schaft<br />

spürbar werden.“ (ZULEHNER: Für Kirchenliebhaber<strong>in</strong>nen, 57f.) Ebenso darf nicht vergessen<br />

werden, dass die Feier der Sakramente nicht nur für die e<strong>in</strong>zelnen Empfänger bedeutsam s<strong>in</strong>d,<br />

sondern <strong>im</strong>mer zugleich auch für die ganze Kirche, weil sie <strong>in</strong> ihr gespendet werden.<br />

74 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Sacrosanctum Concilium, Nr. 59.<br />

24


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

und Kraft schenkt. 75 „Wer verkündigt, der denkt, redet und handelt <strong>im</strong> Namen Jesu, der<br />

gekommen ist, die Menschheit von der Macht des Todes zu befreien und ihr den Weg<br />

zum ewigen Leben zu öffnen“ 76 , schreibt Henri J. M. Nouwen.<br />

In Gaudium et spes heißt es: „Der Vater will, daß wir <strong>in</strong> allen Menschen Christus als<br />

Bruder sehen und lieben <strong>in</strong> Wort und Tat und so der Wahrheit Zeugnis geben und ande-<br />

ren das Gehe<strong>im</strong>nis der Liebe des h<strong>im</strong>mlischen Vaters mitteilen. Auf diese Weise wird <strong>in</strong><br />

den Menschen überall <strong>in</strong> der Welt e<strong>in</strong>e lebendige Hoffnung erweckt.“ 77<br />

2.2.2.2 Ko<strong>in</strong>onia<br />

Die Geme<strong>in</strong>schaft (? ???????a) der Kirche mit Gott <strong>in</strong> Jesus Christus (vgl. 1 Kor 1,9) 78<br />

trägt und hält ihre Mitglieder, die christlich Getauften, zusammen. Diese Geme<strong>in</strong>schaft,<br />

die besonders <strong>in</strong> der geme<strong>in</strong>sam gefeierten Leiturgia erfahrbar ist und durch diese ge-<br />

stärkt wird, ist aber nicht alle<strong>in</strong> für sich selbst da; die Kirche ist ke<strong>in</strong> Selbstzweck. 79 In<br />

Krisensituationen können und dürfen sich Menschen, die das wollen, von dieser Glau-<br />

bens- und Weggeme<strong>in</strong>schaft mitgetragen wissen und <strong>in</strong> ihr geborgen fühlen.<br />

Die Pastoralkonstitution schreibt zu dieser Geme<strong>in</strong>schaft der Kirche mit allen Men-<br />

schen:<br />

„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen<br />

und Bedrängten aller Art, s<strong>in</strong>d auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger<br />

Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht <strong>in</strong> ihren Herzen se<strong>in</strong>en Widerhall<br />

fände. Ist doch ihre eigene Geme<strong>in</strong>schaft aus Menschen gebildet, die, <strong>in</strong> Christus gee<strong>in</strong>t,<br />

vom Heiligen Geist auf ihrer Pilgerschaft zum Reich des Vaters geleitet werden und<br />

e<strong>in</strong>e Heilsbotschaft empfangen haben, die allen auszurichten ist. Darum erfährt diese Geme<strong>in</strong>schaft<br />

sich mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden.“ 80<br />

2.2.2.3 Diakonia<br />

Die Diakonie (? d?a????a) umfasst den Dienst an und die Unterstützung von Not lei-<br />

denden Menschen <strong>in</strong>nerhalb und außerhalb der christlichen Geme<strong>in</strong>de. Diakonie be-<br />

deutet, Not zu m<strong>in</strong>dern (helfende Diakonie oder Caritas) und ungerechte Strukturen zu<br />

verh<strong>in</strong>dern und zu verr<strong>in</strong>gern (politische Diakonie). 81 Die e<strong>in</strong>deutige Option Gottes für<br />

die Armen, Unterdrückten und Leidenden gilt ohne Zweifel auch für se<strong>in</strong>e Kirche. 82<br />

75<br />

Vgl. dazu auch II, 2.1.6 und vgl. auch II, 2.1.5.<br />

76<br />

NOUWEN: <strong>Seelsorge</strong>, die aus dem Herzen kommt, 65.<br />

77<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 93. Ferner heißt es <strong>in</strong> der Liturgiekonstitution:<br />

„Darum verkündet die Kirche denen, die nicht glauben, die Botschaft des Heils, damit alle Menschen<br />

den alle<strong>in</strong> wahren Gott erkennen und den, den er gesandt hat, Jesus Christus, und daß sie sich<br />

bekehren von ihren Wegen und Buße tun.“ (ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Sacrosanctum Concilium,<br />

Nr. 9.)<br />

78<br />

Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 91.<br />

79<br />

Vgl. dazu die Kirchenvision <strong>in</strong> II, 2.2.1.<br />

80<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 1; eigene Hervorhebungen.<br />

81<br />

Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 118-127 (bes. 118).<br />

82<br />

Vgl. Ex 3 und weitere Grundtexte der Diakonie (vgl. zum Beispiel II, 2.1.2 u. II, 2.1.3 u. II, 2.1.1).<br />

25


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Bereits e<strong>in</strong>e syrische Kirchenordnung aus dem fünften Jahrhundert, Testamentum Do-<br />

m<strong>in</strong>i (Vermächtnis des Herrn), gibt klare Anweisungen für das Amt des Diakons, das<br />

sozusagen der Kirche ihr Grundpr<strong>in</strong>zip der Diakonie ständig vor Augen führen und sie<br />

an die fürsorgliche Nächstenliebe er<strong>in</strong>nern soll. 83<br />

In Testamentum Dom<strong>in</strong>i heißt es, der Diakon „ist Ratgeber des ganzen Klerus und so<br />

etwas wie das S<strong>in</strong>nbild der ganzen Kirche. Er pflegt die Kranken, kümmert sich um die<br />

Fremden [...] und geht <strong>in</strong> den Häusern der Armen aus und e<strong>in</strong>, um festzustellen, ob es<br />

niemanden gibt, der <strong>in</strong> Angst, Krankheit oder Not geraten ist [...]. Er bekleidet und<br />

‚schmückt’ die verstorbenen Männer, er begräbt die Fremden, er n<strong>im</strong>mt sich derer an,<br />

die ihre He<strong>im</strong>at verlassen haben oder aus ihr vertrieben wurden. Er macht der Geme<strong>in</strong>de<br />

die Namen derer bekannt, die der Hilfe bedürfen.“ 84<br />

Diese Fürsorge des Diakons beschränkt sich aber nicht auf Christen. Die alte Kir-<br />

chenordnung fordert den Diakon ausdrücklich dazu auf, die gestrandeten Leichen von<br />

(unbekannten) Schiffbrüchigen ordentlich zu bestatten und auch <strong>in</strong> den Unterkünften<br />

der Fremden nach Notleidenden, Kranken und Verstorbenen zu suchen, damit sich die<br />

Geme<strong>in</strong>de um diese entsprechend sorgen kann. 85<br />

Testamentum Dom<strong>in</strong>i bezeichnet den Diakon sogar als „Auge der Kirche“ 86 . Das be-<br />

deutet für die christliche Geme<strong>in</strong>de, dass sie ihre Augen (und Ohren) den Menschen<br />

zuwenden soll, die Not an Leib und Seele erleiden. 87<br />

Auch das Zweite Vatikanische Konzil äußert sich e<strong>in</strong>deutig zur christlichen Caritas und<br />

Nächstenliebe. So heißt es <strong>in</strong> Lumen gentium:<br />

„Christus wurde vom Vater gesandt, ‚den Armen frohe Botschaft zu br<strong>in</strong>gen, zu heilen, die<br />

bedrückten Herzens s<strong>in</strong>d’ (Lk 4,18), ‚zu suchen und zu retten, was verloren war’ (Lk 19,10).<br />

In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit<br />

angefochten s<strong>in</strong>d, ja <strong>in</strong> den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie<br />

gegründet hat und selbst e<strong>in</strong> Armer und Leidender war. Sie müht sich, deren Not zu erleichtern,<br />

und sucht Christus <strong>in</strong> ihnen zu dienen.“ 88<br />

Im Dekret über das Apostolat der Laien, Apostolicam actuositatem, s<strong>in</strong>d die folgenden<br />

Aussagen zu f<strong>in</strong>den, die mit dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe, der soli-<br />

83<br />

Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 124. Vgl. dazu auch ZERFAß: Lebensnerv Caritas, 57-67.<br />

84<br />

TESTAMENTUM DOMINI (I. 34,1), 265f.<br />

85<br />

Vgl. TESTAMENTUM DOMINI (I. 34,3), 266.<br />

86<br />

TESTAMENTUM DOMINI (I. 35), 266. So gibt dieses Dokument wertvolle H<strong>in</strong>weise für die Grundaufgaben<br />

und Handlungsorte aller, die zum diakonischen Dienst bestellt s<strong>in</strong>d. Leider s<strong>in</strong>d die Diakone<br />

teilweise zu e<strong>in</strong>er Art Priesterersatz geworden. Ihre eigentliche Berufung zum Dienst an den Armen<br />

und Kranken, aus dem heraus auch ihre liturgische Assistenz (am Altar) zu verstehen ist, geriet dadurch<br />

bedauerlicherweise <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund. Vgl. dazu auch ZULEHNER: Dienende Männer, bes. 60.<br />

87<br />

Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 124.<br />

88<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Lumen gentium, Nr. 8; eigene Hervorhebung. Vgl. dazu auch<br />

DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 2.<br />

26


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

darischen Menschwerdung Jesu und se<strong>in</strong>em Auftrag an die Jünger, an der Liebe er-<br />

kennbar zu se<strong>in</strong>, begründet werden 89 :<br />

„Der barmherzige S<strong>in</strong>n für die Armen und Kranken und die sogenannten caritativen Werke,<br />

die gegenseitige Hilfe zur Erleichterung aller menschlichen Nöte, stehen deshalb <strong>in</strong> der<br />

Kirche besonders <strong>in</strong> Ehren [...].<br />

Das caritative Tun kann und muß heute alle Menschen und Nöte umfassen. Wo <strong>im</strong>mer<br />

Menschen leben, denen es an [...] notwendigen Mitteln zu e<strong>in</strong>em menschenwürdigen Leben<br />

fehlt, wo Menschen von Drangsal und Krankheit gequält werden, [...] muß die christliche<br />

Hilfe sie suchen und f<strong>in</strong>den, alle Sorgen für sie aufwenden, um sie zu trösten und mit tätiger<br />

Hilfe ihr Los zu erleichtern.“ 90<br />

Mit Paul M. Zulehner lässt sich schließlich knapp zusammenfassen: „Wenn die Kirche<br />

sich zu Gott bekehrt, wird sie sich auch zu den Leidenden bekehren.“ 91<br />

2.2.3 Zusammenarbeit mit anderen Menschen und Organisationen<br />

Was die Kooperation der Kirche mit allen Menschen und E<strong>in</strong>richtungen angeht, die sich<br />

für das Wohl der Menschen e<strong>in</strong>setzen, f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> den Dokumenten des Zweiten Va-<br />

tikanischen Konzils m<strong>in</strong>destens zwei Texte, die sich e<strong>in</strong>deutig für e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Tun<br />

aussprechen. So heißt es <strong>in</strong> Gaudium et spes:<br />

„Wenn die Kirche auch den Atheismus e<strong>in</strong>deutig verwirft, so bekennt sie doch aufrichtig,<br />

daß alle Menschen, Glaubende und Nichtglaubende, zum richtigen Aufbau dieser Welt, <strong>in</strong><br />

der sie geme<strong>in</strong>sam leben, zusammenarbeiten müssen. Das kann gewiß nicht geschehen ohne<br />

e<strong>in</strong>en aufrichtigen und klugen Dialog.“ 92<br />

Auch das Dekret über das Apostolat der Laien ermutigt zur Kooperation:<br />

„Die Laien mögen also die Werke der Liebe und die Unternehmungen der sozialen Hilfe,<br />

private oder öffentliche, auch die <strong>in</strong>ternationalen Hilfswerke hochschätzen und nach Kräften<br />

fördern. Durch sie wird e<strong>in</strong>zelnen Menschen und ganzen Völkern <strong>in</strong> ihrer Not wirklich<br />

geholfen. Dabei sollen die christlichen Laien mit allen Menschen guten Willens zusammenarbeiten.“<br />

93<br />

Die Laien werden folglich besonders dazu aufgefordert, die Hilfswerke – zu denen auch<br />

die Hilfsorganisationen (<strong>im</strong> RD) gehören, die <strong>im</strong> späteren Verlauf dieser Untersuchun-<br />

gen (<strong>in</strong> III, 4.2) näher vorgestellt werden – zu schätzen und zu unterstützen. 94<br />

89 Vgl. ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem, Nr. 8. Dort heißt es unter anderem:<br />

„Er (Jesus; eigene Anmerkung) selbst hat ja, als er die menschliche Natur annahm, die ganze<br />

Menschheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er übernatürlichen Solidarität zu e<strong>in</strong>er Familie zusammengefaßt und an sich gebunden.“<br />

(ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem, Nr. 8.)<br />

90 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem, Nr. 8; eigene Hervorhebungen. Vgl.<br />

dazu auch DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 2 und vgl. auch REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>,<br />

60. Weiter heißt es <strong>im</strong> oben genannten Dekret: „Damit die Übung dieser Liebe über jeden<br />

Verdacht erhaben sei und als solche auch <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung trete, muß man <strong>im</strong> Nächsten das Bild Gottes<br />

sehen, nach dem er geschaffen ist, und Christus den Herrn [...]. Man muß auch <strong>in</strong> tiefer Menschlichkeit<br />

auf die personale Freiheit und Würde dessen Rücksicht nehmen, der die Hilfe empfängt.“<br />

(ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem, Nr. 8; eigene Hervorhebung.)<br />

91 ZULEHNER: Für Kirchenliebhaber<strong>in</strong>nen, 46f.<br />

92 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 21.<br />

93 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem, Nr. 8; eigene Hervorhebungen.<br />

27


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

2.3 Zusammenfassung<br />

Die theologische Grundlegung zeigt, dass die Kirche, will sie der von Gott vorgegebe-<br />

nen Spur gemäß der Heiligen Schrift und der Tradition treu bleiben, e<strong>in</strong>en Handlungsort<br />

und -auftrag auch (und besonders) bei Menschen <strong>in</strong> Krisen- und Notsituationen hat.<br />

E<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de, die <strong>in</strong> der Nachfolge Jesu Christi steht, sorgt sich um den ganzen Men-<br />

schen mit se<strong>in</strong>en physischen, psychischen und spirituellen Bedürfnissen. Neben der vor-<br />

rangigen Option für die Armen und Unterdrückten gibt es also auch e<strong>in</strong>e Option für die<br />

(<strong>in</strong> welcher Weise auch <strong>im</strong>mer) Leidenden.<br />

Die Kirche hat neben materieller Hilfe und seelsorgerlicher Kompetenz vor allem auch<br />

e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nstiftende Hoffnung zu bieten, die nicht welt<strong>im</strong>manent, sondern <strong>in</strong> der Trans-<br />

zendenz des dreie<strong>in</strong>igen Gottes begründet liegt, der jeden Menschen liebt. Gerade <strong>in</strong><br />

Zeiten der Not und Krise kann die Religion, die gläubige Rückb<strong>in</strong>dung (religio) an<br />

Gott, Halt und Kraft geben. 95<br />

Ebenfalls kann festgehalten werden, dass Hilfsbereitschaft sich nicht nur von e<strong>in</strong>em<br />

Humanitätsgedanken ableiten lässt, sondern vor allem <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie religiös-ethische<br />

Ursprünge hat, die nicht zuletzt auch <strong>im</strong> Alten und <strong>im</strong> Neuen Testament liegen. Das<br />

Bild vom barmherzig handelnden Samariter (aus Lk 10,25-37) und die Werke der Barm-<br />

herzigkeit (Mt 25,35f, Tob 1,16f und Sir 7,34f) spielten und spielen dabei tragende Rol-<br />

len. Wer e<strong>in</strong>em Menschen <strong>in</strong> Not hilft und beisteht, handelt an Christi Stelle. Die Kirche<br />

hat also auch e<strong>in</strong>en Ort und e<strong>in</strong>e Aufgabe bei den Menschen, die Hilfe leisten, die sich<br />

zu Mitmenschen <strong>in</strong> Krisen wagen und dadurch selbst <strong>in</strong> Krisen geraten können.<br />

Weiter kann festgestellt werden, dass die Kirche und ihre Glieder die Zusammenarbeit<br />

mit Hilfsorganisationen und allen „Menschen guten Willens“ 96 suchen und fördern<br />

wollen und sollen – zum Wohl der Welt und Menschheit.<br />

Für die Kirche und ihre pastorale Praxis steht schließlich fest: „Der Mensch also, der<br />

e<strong>in</strong>e und ganze Mensch, mit Leib und Seele, Herz und Gewissen, Vernunft und Willen<br />

steht <strong>im</strong> Mittelpunkt unserer Ausführungen.“ 97 So ist also der Mensch „der erste und<br />

grundlegende Weg der Kirche“ 98 , wie Papst Johannes Paul II. <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ersten Enzykli-<br />

ka schreibt. 99<br />

94 Das Dekret hat – se<strong>in</strong>em Titel entsprechend – als Adressaten die Laien <strong>im</strong> Blick; es spricht aber gewiss<br />

nichts dagegen, diese Aufforderungen auch auf die Mitglieder des Klerus zu übertragen.<br />

95 Vgl. SARBACH: Beispiel Gondo, 90.<br />

96 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem, Nr. 8.<br />

97 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 3.<br />

98 JOHANNES PAUL II.: Redemptor hom<strong>in</strong>is, 27; Hervorhebung <strong>im</strong> Orig<strong>in</strong>al.<br />

99 In der Kairologie wird später zu prüfen se<strong>in</strong>, ob mit diesen kirchlichen Grundlagen auch e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />

Basis mit den Hilfsorganisationen, die sich <strong>im</strong> RD engagieren, gegeben ist.<br />

28


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3 Aktuelle Praxis der Kirche<br />

Nach dieser ausführlichen, aber notwendigen theologischen Grundlegung gilt es nun,<br />

sich dem zu behandelnden Gegenstand direkt zuzuwenden. So wird <strong>in</strong> diesem Kapitel<br />

auf die bisherige Umsetzung der oben festgestellten Kriterien <strong>in</strong> der kirchlichen Praxis<br />

e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Dabei sollen die Bereiche, <strong>in</strong> denen RD und Kirche sich bereits ständig begegnen und<br />

zusammenarbeiten, dargestellt werden: die <strong>Notfallseelsorge</strong>, die <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuer-<br />

wehr und <strong>Rettungsdienst</strong> und schließlich auch Aspekte <strong>im</strong> Rahmen der Geme<strong>in</strong>depasto-<br />

ral.<br />

3.1 <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

3.1.1 Erste Begriffsbest<strong>im</strong>mung und Unterscheidungen<br />

Der entsprechende Artikel <strong>im</strong> Lexikon der Pastoral def<strong>in</strong>iert <strong>Notfallseelsorge</strong> (NFS)<br />

folgendermaßen: „In der <strong>Notfallseelsorge</strong> (seit 1989 <strong>in</strong> der BRD) leisten haupt- und<br />

ehrenamtlich dafür geschulte und kirchlich beauftragte Priester und kirchliche Mitar-<br />

beiter/-<strong>in</strong>nen den Opfern, Angehörigen oder H<strong>in</strong>terbliebenen akuter Krisensituationen<br />

[...] auf der Basis des christlichen Glaubens ‚psychische Erste Hilfe’, e<strong>in</strong>gebunden <strong>in</strong><br />

die Rettungskette der Notfallversorgung.“ 100 Ebenso ist der seelsorgliche Dienst an den<br />

E<strong>in</strong>satzkräften (von RD, Feuerwehr, Polizei u. a.) dazuzuzählen. 101<br />

Im Rahmen dieser ersten Begriffsbest<strong>im</strong>mung von NFS ist es hilfreich und wichtig, vier<br />

E<strong>in</strong>richtungen auf diesem Gebiet vone<strong>in</strong>ander zu unterscheiden, die <strong>im</strong> Folgenden dar-<br />

gestellt werden: die kirchliche <strong>Notfallseelsorge</strong>, die Krisen<strong>in</strong>tervention des Rettungs-<br />

dienstes, die Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen und die <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feu-<br />

erwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>. 102<br />

3.1.1.1 <strong>Kirchliche</strong> <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

100 MÜLLER-CYRAN / SCHMID: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1200. Vgl. dazu auch ZIPPERT : <strong>Notfallseelsorge</strong>, 397f.<br />

101 Vgl. MÜLLER-CYRAN / SCHMID: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1200. Allerd<strong>in</strong>gs ist dieser Dienst nicht als organisierte<br />

Betreuung zu verstehen <strong>im</strong> Gegensatz zur Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen<br />

(unter II, 3.1.1.3) und zur <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> (unter II, 3.1.1.4). Vgl.<br />

KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1 u. 3f. Diese Def<strong>in</strong>itionen wurden von der Konferenz<br />

der Diözesanbeauftragten für <strong>Notfallseelsorge</strong> <strong>in</strong> Bayern erarbeitet und von der Konferenz der evangelischen<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r <strong>in</strong> Bayern anerkannt. Sie s<strong>in</strong>d also für Bayern normativ und für die anderen<br />

Bundesländer lediglich empfehlend zu verstehen. Für die H<strong>in</strong>weise hierzu danke ich Hanjo von<br />

Wietershe<strong>im</strong>.<br />

102 Vgl. dazu KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1-4.<br />

29


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die NFS ist „Grundbestandteil des <strong>Seelsorge</strong>auftrags der Kirche.“ 103 Sie hat also e<strong>in</strong><br />

„explizit kirchliches Selbstverständnis“ 104 und gehört, sei es als Teil oder Erweiterung,<br />

zur Geme<strong>in</strong>depastoral. 105 Ziel der NFS ist es, allen Menschen (unabhängig von deren<br />

Religion oder Konfession) <strong>in</strong> akuten Not- und Krisensituationen seelsorgliche Beglei-<br />

tung anzubieten; sie ist sozusagen „erste Hilfe für die Seele“ 106 , wie es die Kasseler<br />

Thesen formulieren. 107<br />

In der NFS engagieren sich hauptamtliche <strong>Seelsorge</strong>r der evangelischen und katholi-<br />

schen Kirche, die <strong>in</strong> der Regel auch e<strong>in</strong>e entsprechende Zusatzausbildung absolviert<br />

haben. 108 Nur <strong>in</strong> seltenen Fällen werden zusätzlich ehrenamtliche Mitarbeiter<strong>in</strong>nen offi-<br />

ziell von der Kirche dazu beauftragt. 109<br />

Die Dienst habenden <strong>Notfallseelsorge</strong>r, werden von der zuständigen Rettungsleitstelle<br />

per Funkmeldeempfänger oder Mobiltelefon alarmiert, sobald e<strong>in</strong> entsprechender E<strong>in</strong>-<br />

satzanlass (Indikation) vorliegt oder Rettungskräfte am E<strong>in</strong>satzort die NFS anfordern. 110<br />

Zu den Indikationen für die NFS zählen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie: erfolgloser Wiederbelebungs-<br />

versuch (Rean<strong>im</strong>ation), Tod e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des, Suizidankündigung beziehungsweise Suizid<br />

103<br />

Karl Lehmann und Manfred Kock <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e<br />

Handreichung, 3 (Geleitwort). Ebenso ist dieses Verständnis <strong>in</strong> den so genannten Kasseler Thesen<br />

zur NFS festgehalten, die 1997 von Vertretern der NFS aus verschiedenen Landeskirchen und Diözesen<br />

verabschiedet wurden. Vgl. EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung,<br />

21f. An dieser Stelle sei darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass es von der Deutschen Bischofskonferenz<br />

(DBK) bisher ke<strong>in</strong>e offizielle Stellungnahme zur NFS gibt; diese Feststellung wurde vom Sekretariat<br />

der DBK <strong>im</strong> August 2003 auf Anfrage bestätigt. Lediglich das oben zitierte geme<strong>in</strong>same Geleitwort<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Text- und Materialheft zur NFS (1997) des Vorsitzenden der DBK, Bischof Karl Lehmann,<br />

und des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche <strong>in</strong> Deutschland, Präses Manfred Kock,<br />

kann <strong>in</strong> diesem Zusammenhang angeführt werden.<br />

104<br />

KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1.<br />

105<br />

Vgl. KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1.<br />

106<br />

Kasseler Thesen <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung, 21.<br />

107<br />

Zu den Kasseler Thesen vgl. Anm. 103. Für genaue Def<strong>in</strong>itionen und Aspekte von Krisensituationen,<br />

auf die <strong>in</strong> dieser Arbeit nicht näher e<strong>in</strong>gegangen werden kann, sei verwiesen auf SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention,<br />

15-18 u. 29-60. An dieser Stelle sei aber zum<strong>in</strong>dest auf die Ambivalenz von Krisensituationen<br />

aufmerksam gemacht: Krisen stellen sowohl e<strong>in</strong>e Gefahr für den Menschen dar, tragen aber<br />

auch e<strong>in</strong>e Chance (Impuls zur positiven Veränderung) <strong>in</strong> sich. So ist auch zu verstehen, warum das<br />

ch<strong>in</strong>esische Schriftzeichen für Krise aus dem Zeichen für Gefahr und dem für Chance zusammengesetzt<br />

ist. Vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 29.<br />

108<br />

Auf die Ausbildung für <strong>Notfallseelsorge</strong>r wird unter II, 3.1.3 noch genauer e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

109<br />

Die kirchliche Beauftragung ist nicht zuletzt <strong>in</strong> Bezug auf das Zeugnisverweigerungsrecht notwendig.<br />

Denn dieses kann unter Umständen hilfreich se<strong>in</strong>, wenn dem <strong>Notfallseelsorge</strong>r <strong>im</strong> Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

Betreuungsgespräches <strong>in</strong> vertraulicher Weise Sachverhalte mitgeteilt worden s<strong>in</strong>d, die strafrechtlich<br />

relevant s<strong>in</strong>d. „Priester und Diakone genießen Zeugnisverweigerungsrecht [...]. Diese können, wenn<br />

ihnen das persönliche Ersche<strong>in</strong>en am E<strong>in</strong>satzort ausnahmsweise nicht möglich se<strong>in</strong> sollte, für den<br />

E<strong>in</strong>zelfall e<strong>in</strong>en Mitarbeiter, der nicht Geistlicher ist, oder e<strong>in</strong>e Mitarbeiter<strong>in</strong>, mit der Wahrnehmung<br />

e<strong>in</strong>er Tätigkeit am E<strong>in</strong>satzort beauftragen. E<strong>in</strong> solcher Mitarbeiter genießt dann e<strong>in</strong> Zeugnisverweigerungsrecht<br />

als sogenannter Berufshelfer. Darüber h<strong>in</strong>aus besteht für alle Mitarbeiter e<strong>in</strong>e Verschwiegenheitspflicht,<br />

<strong>in</strong>soweit sie als öffentlich Bedienstete anzusehen s<strong>in</strong>d.“ (BISCHÖFLICHES ORDI-<br />

NARIAT MAINZ: Rahmenordnung, 24).<br />

110<br />

Vgl. ZIPPERT : Organisationsmodelle von <strong>Notfallseelsorge</strong>, 13.<br />

30


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

oder -versuch und e<strong>in</strong> schweres E<strong>in</strong>satzbild (zum Beispiel schwerer Verkehrsunfall,<br />

Brand e<strong>in</strong>es Wohnhauses, Großschadensereignis). 111<br />

Zur Aufgabe der <strong>Notfallseelsorge</strong>r gehört <strong>im</strong> E<strong>in</strong>satzfall die seelsorgliche Begleitung<br />

von unverletzten Beteiligten, Verletzten und Angehörigen, die sich am E<strong>in</strong>satzort auf-<br />

halten. Wenn von den Betroffenen gewünscht, können auch Gebete, Segensrituale und,<br />

je nach Beauftragung oder Weihe, gemäß den kirchlichen Richtl<strong>in</strong>ien gegebenenfalls<br />

auch die Spendung von Sakramenten angeboten werden. 112<br />

Ebenso zählt die Fürsorge für erschöpfte E<strong>in</strong>satzkräfte zur NFS, die aber von e<strong>in</strong>er or-<br />

ganisierten E<strong>in</strong>satznachsorge zu unterscheiden ist. 113 Ferner ist möglich, dass Notfall-<br />

seelsorger von der Polizei gebeten werden, Polizeibeamte bei der Überbr<strong>in</strong>gung von<br />

Todesnachrichten zu begleiten und die Angehörigen des Verstorbenen zu betreuen. 114<br />

Die NFS bietet also <strong>in</strong> akuten Krisensituationen menschlichen Beistand und seelsorgli-<br />

che Begleitung an und sorgt sich, geme<strong>in</strong>sam mit dem RD, um Leib und Seele von<br />

Menschen, die Hilfe, Trost und Mitmenschlichkeit benötigen. NFS tritt für die Würde<br />

von Toten, Verletzten und Beteiligten e<strong>in</strong> und ermutigt betroffene Personen, sich die<br />

Zeit zur Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse zu nehmen, die diese dafür benöti-<br />

gen. Sie greift dort e<strong>in</strong>, wo andere lieber wegschauen und weggehen. 115<br />

Abb. 2<br />

Alles <strong>in</strong> allem steht die NFS für e<strong>in</strong>e „Option für das Leben“ 116 : Durch<br />

ihre Anwesenheit und ihre Dienste aus dem christlichen Glauben heraus<br />

bezeugt sie <strong>in</strong> Situationen, die von Tod, Verzweiflung und S<strong>in</strong>nlosigkeit<br />

geprägt s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>e religiöse Botschaft und D<strong>im</strong>ension, die S<strong>in</strong>n, Hoffnung,<br />

Weiterleben und Gottes Liebe und Nähe verkündigen. 117<br />

Die NFS setzt also genau die Aufgaben und Pr<strong>in</strong>zipien um, die <strong>in</strong> der<br />

theologischen Grundlegung bereits vorgestellt worden s<strong>in</strong>d. Sie handelt<br />

111 Vgl. Kasseler Thesen <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung,<br />

22 und <strong>in</strong> MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 20f. Vgl. praxisorientiert dazu auch<br />

die E<strong>in</strong>satzstatistik 2002 der NFS Wetterau <strong>in</strong>: www.notfallseelsorge-wetterau.de (vom 27.06.2003).<br />

Weiter sei verwiesen auf WIETERSHEIM: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 140-142.<br />

112 KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1.<br />

113 Vgl. dazu die Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen unter II, 3.1.1.3.<br />

114 Vgl. Kasseler Thesen <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung,<br />

21 und <strong>in</strong> MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 20.<br />

115 Vgl. dazu NOTFALLSEELSORGE WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 2f.<br />

116 KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1.<br />

117 Das drückt auch das Logo der NFS aus (vgl. Abb. 2): Über der Welt, auch mit ihren Wunden und<br />

Leiden (roter Kreis), leuchtet das gelbe Sternenkreuz – Symbol für den christlichen Glauben, der den<br />

Sieg Jesu Christi über Leid und Tod verkündet. Dieses Kreuz weist über den Kreis der Welt h<strong>in</strong>aus<br />

auf Gott, der se<strong>in</strong>e Geschöpfe liebt und e<strong>in</strong> Freund des wahren Lebens (vgl. Weish 11,26) ist. Vgl.<br />

www.notfallseelsorge.de/logob.htm (vom 03.09.2003) und vgl. WIETERSHEIM: Partner für Menschen<br />

<strong>in</strong> Not, 15.<br />

31


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

<strong>im</strong> Auftrag Gottes und se<strong>in</strong>er Kirche und ist folglich e<strong>in</strong> berechtigter und notwendiger<br />

kirchlicher Dienst an hilfsbedürftigen Menschen und zur Unterstützung der Helfer.<br />

Organisatorisch gesehen zählt die NFS zu den so genannten Notfallfolgediensten und ist<br />

daher von den Notfallfachdiensten wie Feuerwehr, RD und Polizei zu unterscheiden. 118<br />

NFS unterstützt die Notfallfachdienste und arbeitet mit diesen und anderen Behörden<br />

und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) zusammen, koord<strong>in</strong>iert durch die<br />

jeweilige Rettungsleitstelle. Neben dem dargestellten Pr<strong>in</strong>zip der Kooperation s<strong>in</strong>d für<br />

die Arbeit der NFS auch folgende Grundmerkmale wichtig: die Kollegialität unter den<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>rn, die Regionalität (Gliederung der NFS nach Rettungsleitstellen) 119<br />

und die Geme<strong>in</strong>debezogenheit (Stellvertretung für und E<strong>in</strong>bezug von der jeweiligen<br />

Ortsgeme<strong>in</strong>de). Auch die Pr<strong>in</strong>zipien der Ökumenizität (Offenheit gegenüber und Zu-<br />

sammenarbeit mit anderen Konfessionen und Religionen), der Freiwilligkeit und ebenso<br />

der Professionalität s<strong>in</strong>d hier anzuführen. 120<br />

Nach dieser allgeme<strong>in</strong>en Darstellung der NFS <strong>im</strong> Rahmen der Begriffsbest<strong>im</strong>mung wird<br />

später noch auf ihre Entwicklungsgeschichte, ferner auf die Auswahl, Ausbildung und<br />

Ausstattung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn und schließlich auf die aktuelle Situation der NFS<br />

<strong>im</strong> Bistum Ma<strong>in</strong>z e<strong>in</strong>gegangen. 121<br />

3.1.1.2 Krisen<strong>in</strong>tervention des <strong>Rettungsdienst</strong>es<br />

Die Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> (KIT) beziehungsweise der Krisen<strong>in</strong>terventi-<br />

onsdienst des <strong>Rettungsdienst</strong>es (KID) ist als „nichtkirchliches, aber nicht automatisch<br />

säkulares Pendant“ 122 zur NFS entstanden. Mittlerweile decken die NFS und die KIT<br />

zusammen ungefähr drei Viertel aller Landkreise <strong>in</strong> Deutschland ab. 123<br />

„Zielgruppe, E<strong>in</strong>satz<strong>in</strong>dikationen, psychotraumatologische Grundkenntnisse und Me-<br />

thoden s<strong>in</strong>d bei NFS und KIT <strong>in</strong> der Regel nahezu identisch.“ 124 Der Unterschied zwi-<br />

schen beiden E<strong>in</strong>richtungen liegt vor allem <strong>im</strong> Selbstverständnis und der Träger-<br />

118 Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 28. Notwendige Hilfe kann <strong>in</strong> Notfällen<br />

nicht <strong>im</strong>mer alle<strong>in</strong> durch die Notfallfachdienste geleistet werden kann, so dass die Notfallfolgedienste<br />

zum E<strong>in</strong>satz kommen; als Beispiel sei die Betreuung von aufgeregten und verstörten Personen bei<br />

e<strong>in</strong>em Wohnungsbrand genannt, die ke<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische Betreuung benötigen.<br />

119 Mit Hilfe dieses Pr<strong>in</strong>zips kann e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle NFS-Struktur entstehen, die e<strong>in</strong>e zuverlässige Erreich-<br />

barkeit und schnelle Verfügbarkeit der NFS garantiert.<br />

120 Vgl. ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 54-56 und vgl. ZIPPERT : Organisationsmodelle<br />

von <strong>Notfallseelsorge</strong>, 15.<br />

121 Vgl. II, 3.1.2 – II, 3.1.6. Darüber h<strong>in</strong>aus sei auf den Fragebogen NFS (<strong>im</strong> Anhang 1) verwiesen.<br />

122 ZIPPERT : Notfälle und Katastrophen begleiten, 228.<br />

123 Vgl. ZIPPERT : Notfälle und Katastrophen begleiten, 228. E<strong>in</strong>e ständig aktualisierte Liste der gemeldeten<br />

NFS- und KIT- bzw. KID-E<strong>in</strong>heiten ist unter www.notfallseelsorge.de/systeme.htm (Stand:<br />

22.08.2003) zu f<strong>in</strong>den.<br />

124 DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 17.<br />

32


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

schaft. 125 Seit 1994, zeitlich fast parallel zur E<strong>in</strong>richtung der NFS 126 , entwickelt sich<br />

dieses System offiziell <strong>in</strong> Deutschland, <strong>in</strong> dem eigens dafür qualifizierte RD-Mitarbeiter<br />

und zum Teil auch weitere Ehrenamtliche der Hilfsorganisationen Menschen <strong>in</strong> Krisen-<br />

situationen begleiten. 127<br />

Es handelt sich bei diesem Dienst um e<strong>in</strong>e kurzfristige Krisen<strong>in</strong>tervention für Menschen<br />

<strong>in</strong> Trauer oder mit akuter Traumatisierung unmittelbar nach e<strong>in</strong>em belastenden Ereignis;<br />

e<strong>in</strong>e solche Intervention kann schwere Folgeschäden <strong>im</strong> psychischen Bereich vermei-<br />

den. 128 Dadurch soll „der orig<strong>in</strong>ären Aufgabe der präkl<strong>in</strong>ischen Notfallmediz<strong>in</strong>, nämlich<br />

gesundheitliche Folgeschäden zu verh<strong>in</strong>dern, entsprochen“ 129 werden, zu der der RD<br />

durch das RD-Gesetz des jeweiligen Landes verpflichtet ist. 130<br />

Im Vergleich zur NFS verstehen sich KIT-Mitarbeiter von ihrer Institution her religi-<br />

onsneutral und sehen bei Gesprächen mit Klienten e<strong>in</strong>e religiöse D<strong>im</strong>ension nicht <strong>im</strong><br />

Vordergrund; wenn Menschen bei e<strong>in</strong>em KIT-E<strong>in</strong>satz um e<strong>in</strong> Gebet, religiöse Rituale,<br />

Segnungen oder gar die Spendung von Sakramenten bitten, muss der KIT-Mitarbeiter<br />

diese Anliegen <strong>in</strong> der Regel an die NFS oder den entsprechenden <strong>Seelsorge</strong>r vor Ort<br />

weitergegeben. 131 Carl-He<strong>in</strong>z Daschner stellt daher fest: „KIT als rettungsdienstliche<br />

Aufgabe und NFS als kirchliches Engagement ergänzen sich zwar, können sich aber<br />

ke<strong>in</strong>esfalls gegenseitig ersetzen. Insbesondere die Verh<strong>in</strong>derung schwerer gesundheitli-<br />

125<br />

Vgl. DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 17.<br />

126<br />

In manchen Gebieten entstand KIT bzw. KID sogar vor der NFS (so zum Beispiel <strong>im</strong> Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-<br />

Kreis).<br />

127<br />

Vgl. DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 119 und vgl. KONFERENZ: Tabellari-<br />

sche Begriffsklärung, 2.<br />

128 Vgl. KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 2. Hartmut Jatzko def<strong>in</strong>iert Trauma als „e<strong>in</strong>e unvorbereitete,<br />

plötzlich über den Menschen here<strong>in</strong>brechende, höchstmögliche Konfrontation mit der<br />

Endlichkeit des Se<strong>in</strong>s. E<strong>in</strong>e Reizüberflutung führt zur Blockierung der Gefühle und des Bewusstse<strong>in</strong>s<br />

[...]. Je nach Veranlagung und <strong>in</strong>dividueller Lebensgeschichte resultieren hieraus unterschiedliche<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigungen bis h<strong>in</strong> zum Krankheitswert.“ (JATZKO: Katastrophen-Nachsorge, 45.) Carl-<br />

He<strong>in</strong>z Daschner schreibt: „Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass 30 bis 50% aller Menschen,<br />

die traumatische Erfahrungen <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n machen mussten, später Symptome e<strong>in</strong>es psychischen<br />

Traumas zeigen.“ (DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 26.) Weiter sei auf<br />

den folgenden Abschnitt (II, 3.1.1.3) verwiesen, <strong>in</strong> dem näher auf die Posttraumatische Belastungsreaktion<br />

und -störung e<strong>in</strong>gegangen wird.<br />

129 DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 18. Vgl. auch BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszi-<br />

pl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 18.<br />

130 Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 18 und DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention<br />

<strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 12f. Diese Verpflichtung gibt es <strong>in</strong> den RD-Gesetzen aller Bundesländer.<br />

Daschner verweist dort beispielhaft auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 3 des Bayerischen <strong>Rettungsdienst</strong>gesetztes<br />

<strong>in</strong> der Fassung vom 9. Dezember 1997. Vgl. DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong><br />

<strong>Rettungsdienst</strong>, 13 (dort Anm. 2).<br />

131 Vgl. dazu DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 17. E<strong>in</strong> Zeugnisverweigerungsrecht<br />

(vgl. dazu Anm. 109) haben KIT-Mitarbeiter nur, wenn sie bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz von e<strong>in</strong>em Arzt<br />

mit der Betreuung e<strong>in</strong>es oder mehreren Klienten beauftragt werden (Zeugnisverweigerungsrecht als<br />

so genannte Berufshelfer).<br />

33


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

cher Folgeschäden ist die zentrale Aufgabe des <strong>Rettungsdienst</strong>es und der präkl<strong>in</strong>ischen<br />

Notfallmediz<strong>in</strong>.“ 132<br />

Es ist also s<strong>in</strong>nvoll, dass es beide E<strong>in</strong>richtungen, die KIT und die NFS, gibt und es ist<br />

möglich, dass beide zusammenarbeiten und sich ergänzen. Vor allem ist es für beide<br />

Seiten wichtig, sich gegenseitig wahrzunehmen, kennen zu lernen und den jeweils ande-<br />

ren zu akzeptieren.<br />

KIT-Mitarbeiter s<strong>in</strong>d zwar ke<strong>in</strong>e offiziellen <strong>Seelsorge</strong>r der Kirche, doch ist nach der<br />

theologischen Grundlegung oben durchaus festzuhalten, dass sie <strong>im</strong> S<strong>in</strong>ne Jesu und sei-<br />

ner Kirche handeln, wenn sie Menschen <strong>in</strong> Not nach bestem Wissen und Gewissen bei-<br />

stehen und helfen. 133<br />

3.1.1.3 Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen<br />

NFS und KIT <strong>im</strong> strengen S<strong>in</strong>n leisten ke<strong>in</strong>e organisierte Betreuung von E<strong>in</strong>satzkräften,<br />

sondern unterstützen diese <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie. 134 Allerd<strong>in</strong>gs können (Notfall-) <strong>Seelsorge</strong>r,<br />

Ärzte, Psychologen und Mitarbeiter vom KID und RD mit entsprechender Zusatzaus-<br />

bildung auf dem Gebiet der Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen (SbE ® ) für<br />

Rettungskräfte (und gegebenenfalls auch für deren Angehörige) tätig werden. 135<br />

Durch pr<strong>im</strong>äre Prävention, also Vorbereitung der E<strong>in</strong>satzkräfte auf belastende E<strong>in</strong>sätze<br />

und Vermittlung von Verarbeitungsmöglichkeiten, und sekundäre Prävention, soll auf<br />

Posttraumatische Belastungsreaktionen (PTB) 136 bei belasteten Personen reagiert wer-<br />

den, bevor diese sich zu Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS, englisch<br />

Posttraumatic Stress Disorder, PTSD), weiterentwickeln. 137 Die sekundäre Prävention,<br />

132 DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 17.<br />

133 H<strong>in</strong>gewiesen sei bereits hier auf den Fragebogen KID. Für weitere Informationen zu diesem Thema<br />

sei verwiesen auf DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> und FERTIG / WIE-<br />

TERSHEIM: Menschliche Begleitung, 115-131 und RUNGGALDIER: Psychologie, 850f und MÜLLER-<br />

CYRAN: Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 108-122 und ferner auf PETER: Der Betreuungse<strong>in</strong>satz,<br />

64-68.<br />

134 Vgl. KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1f.<br />

135 E<strong>in</strong> SbE ® -Team besteht <strong>in</strong> der Regel aus e<strong>in</strong> bis zwei Fachleuten aus dem psychosozialen Bereich<br />

(beispielsweise Mediz<strong>in</strong>er, Psychologen oder <strong>Notfallseelsorge</strong>r) und zwei bis drei so genannten<br />

Peers, die der gleichen Gruppe wie die zu betreuenden E<strong>in</strong>satzkräfte angehören (für RD-Personal<br />

s<strong>in</strong>d es also RD-Mitarbeiter). Vgl. MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>satznachsorge, 270f. Zur SbE ® allgeme<strong>in</strong> sei<br />

weiter verwiesen auf MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>satznachsorge, 264-284 und RUNGGALDIER: Psychologie,<br />

852-828 und FERTIG: Streß und Streßbewältigung, 375-393 und KELLER: Alptraum „Retten“.<br />

136 Vgl. dazu auch ALBRECHT : Die Posttraumatische Belastungsreaktion, bes. 607.<br />

137 Vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 50-56 und vgl. dazu auch ALBRECHT : Die Posttraumatische<br />

Belastungsreaktion und vgl. ferner DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 24-29.<br />

Gernot Sonneck schreibt: „Die zahlreichen, teils sehr unterschiedlichen Symptome stellen zunächst<br />

e<strong>in</strong>e normale Reaktion auf e<strong>in</strong>e extreme Situation dar [...]. Von e<strong>in</strong>er Posttraumatischen Belastungsstörung<br />

spricht man erst dann, wenn die Symptome über e<strong>in</strong>en Zeitraum von mehr als e<strong>in</strong>em Monat<br />

andauern.“ (SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 52.) Generell lassen sich die Symptome <strong>in</strong> drei charakteristische<br />

Gruppen e<strong>in</strong>ordnen: Übererregung (z. B. Schlafstörungen und Reizbarkeit), Intrusion (Alp-<br />

34


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

die so genannte E<strong>in</strong>satznachsorge, besteht aus e<strong>in</strong>leitenden Defus<strong>in</strong>g-Gesprächen zur<br />

Entschärfung (ca. 8 Stunden nach dem belastenden Ereignis) und strukturierten E<strong>in</strong>satz-<br />

nachbesprechungen, dem Debrief<strong>in</strong>g (24 bis 72 Stunden danach). 138<br />

E<strong>in</strong>e standardisierte Rolle spielt dabei das von den US-Amerikanern Jeffrey T. Mitchell<br />

und George S. Everly entwickelte Critical Incident Stress Management (CISM), oft mit<br />

Stressmanagement nach kritischen Ereignissen 139 übersetzt, das mittlerweile von den<br />

Vere<strong>in</strong>ten Nationen als Non-Government-Organisation (NGO) anerkannt ist. 140 E<strong>in</strong>e<br />

professionelle Methode aus diesem Programm ist das Critical Incident Stress Debrie-<br />

f<strong>in</strong>g (CISD) mit se<strong>in</strong>en sieben Stufen: E<strong>in</strong>leitung, Fakten, Gedanken, Reaktionen, Sym-<br />

ptome, Information und Rückorientierung. 141<br />

Die SbE ® als solche ist ke<strong>in</strong>e Therapie, sondern betreut Menschen, die etwas außerge-<br />

wöhnlich Schreckliches erlebt haben. 142 Daher müssen Klienten, die bereits an psychia-<br />

trischen Erkrankungen leiden, an entsprechende Spezialisten weitergeleitet werden.<br />

Mittlerweile gibt es zahlreiche <strong>Notfallseelsorge</strong>r, die die entsprechende Zusatzausbil-<br />

dung absolviert haben und die SbE ® <strong>im</strong> Rahmen ihres NFS-Systems anbieten. 143 Ferner<br />

existiert die Bundesvere<strong>in</strong>igung SbE ® e. V., <strong>in</strong> der sich auch kirchliche Mitarbeiter en-<br />

gagieren und die gewährleistet, dass bundesweit und zu jeder Zeit e<strong>in</strong> SbE ® -Team zur<br />

Verfügung steht und <strong>im</strong> Bedarfsfall von E<strong>in</strong>satzkräften angefordert werden kann. 144<br />

Die Frage bleibt, wie die <strong>Rettungsdienst</strong>e diese Angebote <strong>in</strong> ihre Arbeit e<strong>in</strong>beziehen und<br />

welche SbE ® -Angebote die Hilfsorganisationen für ihre RD-Mitarbeiter (mit oder ohne<br />

kirchliche Kooperation) entwickelt haben. 145<br />

3.1.1.4 <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

träume und so genannte Flash-Backs, die den Betroffenen nach auslösenden, oft m<strong>in</strong><strong>im</strong>alen Reizen<br />

an das Trauma er<strong>in</strong>nern) und Konstriktion (depressive St<strong>im</strong>mung, Schuld- und Schamgefühle bis h<strong>in</strong><br />

zu Selbstmordhandlungen). Vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 52.<br />

138 Vgl. GIESEN: E<strong>in</strong>satznachbereitung, 5 und vgl. KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 4. Vgl.<br />

dazu auch BIEGE: Nachsorge, 164f. Im zuletzt genannten Artikel wird e<strong>in</strong> vorbildliches Nachsorgekonzept<br />

<strong>in</strong> Schottland vorgestellt. Der Autor hat allerd<strong>in</strong>gs Bedenken, was e<strong>in</strong>e Übertragung auf das<br />

deutsche System angeht.<br />

139 Vgl. dazu EVERLY / MITCHELL: CISM – Stressmanagement nach kritischen Ereignissen.<br />

140 Vgl. KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 4. Vgl. zur Bedeutung von CISM auch MÜLLER-<br />

LANGE: Facetten des Krisen- und Katastrophenmanagements, 644-646.<br />

141 Vgl. EVERLY / MITCHELL: CISM – Stressmanagement nach kritischen Ereignissen, 85-88. Weiter sei<br />

verwiesen auf MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>satznachsorge, 270-277 und APPEL-SCHUMACHER: Streßmanagement<br />

nach traumatischen Ereignissen, bes. 261-267 und GIESEN: E<strong>in</strong>satznachbereitung, 5f.<br />

142 Vgl. NOTFALLSEELSORGE WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 8.<br />

143 So s<strong>in</strong>d zum Beispiel sechs von 20 <strong>Notfallseelsorge</strong>rn der NFS Wetterau zusätzlich für die SbE ®<br />

ausgebildet. Vgl. NOTFALLSEELSORGE WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 5.<br />

144 Vgl. MÜLLER-LANGE: Die Bundesvere<strong>in</strong>igung SBE, 26.<br />

145 Auf diese Frage wird <strong>in</strong> der Kairologie e<strong>in</strong>zugehen se<strong>in</strong>. Vgl. bes. III, 4.1.2 und III, 4.2.<br />

35


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Dieser pastorale Dienst ist e<strong>in</strong>e dauerhaft e<strong>in</strong>gerichtete Kategorialseelsorge, die <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie nur die Berufsgruppe der E<strong>in</strong>satzkräfte von Feuerwehr und RD <strong>im</strong> Blick hat. Aus<br />

diesem Grund ist sie von den bereits dargestellten Diensten (NFS, KIT und SbE ® ) zu<br />

unterscheiden, die nur bei akuten Notfallsituationen agieren. Diese Sonder- oder Be-<br />

rufsgruppenseelsorge wird daher (unter II, 3.2) eigens behandelt.<br />

3.1.2 Entwicklungsgeschichte der <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

Eigentlich ist NFS nichts Neues <strong>in</strong> der Kirche. Wie schon <strong>in</strong> der theologischen Grund-<br />

legung deutlich wurde, zählt die Begleitung von und die Hilfe für Menschen <strong>in</strong> Not- und<br />

Krisensituationen seit den Anfängen des Christentums zu den Grundaufgaben der<br />

kirchlichen Geme<strong>in</strong>de ebenso wie der Beistand für Sterbende und die würdige Bestat-<br />

tung von Toten. 146 In e<strong>in</strong>em Lehrbuch zur Krisen<strong>in</strong>tervention ist zu lesen: „Schon <strong>im</strong>-<br />

mer haben sich die Priester der Religionsgeme<strong>in</strong>schaften auch mit Menschen befasst,<br />

die <strong>in</strong> Krisen geraten s<strong>in</strong>d. Lange Zeit h<strong>in</strong>durch war es e<strong>in</strong>fach nur der Priester, den man<br />

<strong>in</strong> solchen Krisensituationen aufsuchte, dessen Rat man erbat.“ 147<br />

Bis vor etwa vierzig Jahren war es selbstverständlich, dass e<strong>in</strong> Priester zu den Schwer-<br />

kranken und Sterbenden gerufen wurde. Durch die Fortschritte <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong> und den<br />

Ausbau des Rettungswesens wurden Krankheit und Sterben mehr und mehr <strong>in</strong> die Kli-<br />

niken verlagert; deshalb wurde die Krankenhausseelsorge als Kategorialseelsorge auf-<br />

gebaut. Seitdem wurde der Ortspfarrer oft erst dann <strong>in</strong>formiert, wenn die Beerdigung<br />

anstand. 148 Der Arbeitsort von RD und <strong>Seelsorge</strong>rn entwickelte sich <strong>im</strong>mer mehr aus-<br />

e<strong>in</strong>ander, e<strong>in</strong>e Begegnung war eher selten oder zufällig. 149<br />

Als e<strong>in</strong> Schritt der (evangelischen) Kirche zu den Rettungsorganisationen h<strong>in</strong> kann e<strong>in</strong>e<br />

Veröffentlichung der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche <strong>in</strong> Deutschland am Ende<br />

der 1970er Jahre angesehen werden. 150 Im Bewusstse<strong>in</strong> der Gefährdung durch Katastro-<br />

phen und Unglücksfälle und der kirchlichen Verantwortung forderte diese Handrei-<br />

chung die Kirchenmitarbeiter und -geme<strong>in</strong>den zur Zusammenarbeit mit den Rettungsor-<br />

ganisationen auf, um sich geme<strong>in</strong>sam auf die Hilfe bei Katastrophenfällen vorzubereiten<br />

146<br />

Vgl. MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 17.<br />

147<br />

SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention und Suizidverhütung, 213. Manuel Rupp schreibt: „Sowohl die römisch<br />

katholische Kirche wie die evangelischen Kirchen bieten e<strong>in</strong> differenziertes Angebot unterschiedlichster<br />

Hilfeleistungen an. Entsprechend s<strong>in</strong>d viele kirchliche Mitarbeiter mit psychosozialen<br />

Fällen konfrontiert“ (RUPP: Notfall Seele, 25).<br />

148<br />

Vgl. Karl Lehmann und Manfred Kock <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT :<br />

E<strong>in</strong>e Handreichung, 3.<br />

149<br />

Vgl. SADOWSKI: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 427.<br />

150<br />

Vgl. KIRCHENKANZLEI DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND: <strong>Kirchliche</strong>s Handeln bei<br />

Unglücksfällen und Katastrophen.<br />

36


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

und <strong>im</strong> Ernstfall gerüstet zu se<strong>in</strong>. 151 Doch wurde dies nicht konsequent genug <strong>in</strong> die<br />

Praxis umgesetzt, so dass diese Schrift eher e<strong>in</strong> Beleg für die Hilflosigkeit der kirchli-<br />

chen Organisation <strong>in</strong> Bezug auf Katastrophen war. 152<br />

Der eigentliche Beg<strong>in</strong>n der (modernen) NFS liegt dar<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>ige Mitarbeiter <strong>in</strong> Kir-<br />

che und RD bemerkten, dass etwas Wichtiges <strong>in</strong> der <strong>im</strong>mer professioneller werdenden<br />

Rettungskette außer Acht gelassen wurde: e<strong>in</strong> ganzheitliches Menschenbild, das sich<br />

nicht auf die Vitalfunktionen reduzieren lässt. Durch diese Reduktion spielten <strong>in</strong> der<br />

Praxis der Notfallrettung die psychischen, spirituellen und seelsorglichen Bedürfnisse<br />

der Menschen (sowohl Patienten, Angehörige als auch E<strong>in</strong>satzkräfte) meistens ke<strong>in</strong>e<br />

Rolle. 153<br />

Um dies zu ändern, trafen sich Ende der 1980er Jahre an e<strong>in</strong>igen Orten <strong>in</strong> Deutschland<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte und <strong>Seelsorge</strong>r und entwickelten Konzepte für die NFS, Krisen<strong>in</strong>terventi-<br />

on und Schulung der E<strong>in</strong>satzkräfte.<br />

Bemerkenswerterweise liegt also der „Ursprung der ‚zeitgenössischen’ <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

[...] nicht etwa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er pastoralpsychologischen oder -soziologischen Analyse, aus der<br />

sich die Forderung e<strong>in</strong>er verlässlichen Erreichbarkeit e<strong>in</strong>es <strong>Seelsorge</strong>rs ableitet.“ 154 Er<br />

liegt vielmehr bei den E<strong>in</strong>satzkräften selbst, „die auf die Kirche mit der Bitte zugehen,<br />

<strong>in</strong> ‚Notfällen’ erreichbar zu se<strong>in</strong> und persönlich zur Verfügung zu stehen.“ 155<br />

Die Zusammenarbeit mit der Kirche hat sich den E<strong>in</strong>satzkräften angeboten: Die Kirche<br />

verfügt „über e<strong>in</strong> dichtes Netz von Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern, die Erfahrung mit<br />

Trauernden haben. Im Notfall-E<strong>in</strong>satz haben sie ke<strong>in</strong>e anderen Aufgaben und können<br />

sich darum ganz ihren GesprächspartnerInnen widmen.“ 156<br />

151<br />

So heißt es <strong>in</strong> diesem Dokument: (Durch Unglücke und Katastrophen) „werden Christen, Geme<strong>in</strong>den<br />

und Kirchen [...] gefordert [...]. Die Öffentlichkeit erwartet den Dienst der Kirche, aber es wird auch<br />

befürchtet, daß die Kirche sich <strong>in</strong> die Zuständigkeit anderer e<strong>in</strong>mischt und ihren eigenen Auftrag dabei<br />

überschreitet. Beidem muß die Kirche Rechnung tragen. Ihr Beitrag zur Bewältigung von Katastrophen<br />

besteht <strong>in</strong> der <strong>Seelsorge</strong>, Verkündigung und Dienst am Nächsten. Die Kirche wird das ihr<br />

Aufgetragene tun ohne Lärm, und ohne falsche Ansprüche, gewissenhaft und möglichst umgehend,<br />

nicht <strong>in</strong> Abhängigkeit, aber mit e<strong>in</strong>em Höchstmaß an Zusammenarbeit [...]. Wenn Menschen nach<br />

der Präsenz der Kirche fragen und Hilfe von Christen erwarten, sollten wir bereit se<strong>in</strong>, das unsere besonnen<br />

zu tun.“ (Helmut Claß <strong>in</strong> KIRCHENKANZLEI DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND:<br />

<strong>Kirchliche</strong>s Handeln bei Unglücksfällen und Katastrophen, 1f.) Die Handreichung gibt ferner detaillierte<br />

Informationen über die Arbeit und Organisation des Katastrophenschutzes und stellt zahlreiche<br />

Möglichkeiten dar, mit denen die Kirchengeme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Absprache und Zusammenarbeit mit den<br />

Rettungsorganisationen den Menschen <strong>in</strong> Not helfen können. Vgl. KIRCHENKANZLEI DER EVAN-<br />

GELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND: <strong>Kirchliche</strong>s Handeln bei Unglücksfällen und Katastrophen,<br />

bes. 8-38.<br />

152<br />

Vgl. MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 18f.<br />

153<br />

Vgl. GIERING: Lücke <strong>im</strong> Gefüge der <strong>Rettungsdienst</strong>e, A-874.<br />

154<br />

DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 2.<br />

155<br />

DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 2.<br />

156<br />

Walter Meier <strong>in</strong> MEIER / CIMASCHI-OBERTI: <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> Katastrophenfall, 346. Vgl. dazu auch<br />

RUPP: Notfall Seele, 25.<br />

37


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Besonderheit der NFS liegt <strong>im</strong> Vergleich zur traditionellen <strong>Seelsorge</strong> also dar<strong>in</strong>,<br />

dass sie „unter den Bed<strong>in</strong>gungen des heutigen Rettungswesens“ 157 aktiv wird und mit<br />

den <strong>Rettungsdienst</strong>en zusammenarbeitet; dazu gehört auch die Sorge um die E<strong>in</strong>satz-<br />

kräfte. 158<br />

In zahlreichen Regionen, <strong>in</strong> denen die NFS mittlerweile aufgebaut ist, garantiert sie den<br />

zuständigen Rettungsleitstellen und E<strong>in</strong>satzkräften rund um die Uhr abrufbereite und<br />

entsprechend ausgebildete <strong>Seelsorge</strong>r zur Unterstützung. Die Zahl der Dienst habenden<br />

<strong>Seelsorge</strong>r wird dabei regional geregelt und dem durchschnittlichen Bedarf angepasst.<br />

Ferner kann bei Großschadensfällen und Katastrophen auf e<strong>in</strong>en großen Pool an Not-<br />

fallseelsorgern aus ganz Deutschland zurückgegriffen werden; so geschah es zum Bei-<br />

spiel be<strong>im</strong> Zugunglück 1998 <strong>in</strong> Eschede 159 und der großen Flutkatastrophe <strong>in</strong> Süd- und<br />

Ostdeutschland <strong>im</strong> Jahr 2002. 160<br />

Mittlerweile gibt es zahlreiche Tagungen, Konferenzen und e<strong>in</strong>en jährlich stattf<strong>in</strong>den-<br />

den Bundeskongress <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention, die zu e<strong>in</strong>em gegenseiti-<br />

gen Erfahrungsaustausch und e<strong>in</strong>er ständigen Verbesserung auf diesen Gebieten beitra-<br />

gen. 161<br />

Mit den Worten des evangelischen Pfarrers Hanjo von Wietershe<strong>im</strong>, der zu den Pionie-<br />

ren der NFS zählt, kann zusammenfassend festgestellt werden: „In den 10 Jahren, <strong>in</strong><br />

denen es <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention gibt, hat sich viel getan. Die psychi-<br />

sche Komponente <strong>im</strong> Rettungswesen wird mittlerweile sowohl bei der Betreuung der<br />

Geschädigten als auch bei der Unterstützung des E<strong>in</strong>satzpersonals gesehen und zum<br />

Teil auch beachtet. Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist die Integration der vorliegenden<br />

Erkenntnisse <strong>in</strong> Ausbildung, E<strong>in</strong>satz und Personalmanagement und die Entwicklung<br />

zuverlässiger Standards, die bei der Unterscheidung der verschiedenen Ansätze und<br />

Systeme helfen können.“ 162<br />

157<br />

SADOWSKI: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 427.<br />

158<br />

Sigurd Sadowski schreibt dazu: „Bisher war es kaum möglich, unter solchen Bed<strong>in</strong>gungen zu arbeiten,<br />

da sich Kirchen und <strong>Rettungsdienst</strong>e zu weit ause<strong>in</strong>anderentwickelt hatten. Das betrifft v. a. Organisationen,<br />

die nicht auf besondere kirchliche Traditionen verweisen.“ (SADOWSKI: <strong>Notfallseelsorge</strong>,<br />

427). Ferner bezeichnet Günther Kames die „direkte E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung aller bei e<strong>in</strong>em Rettungse<strong>in</strong>satz<br />

Beteiligten, das Zusammenrücken von Kirchenleuten und nicht Kirchenleuten“ (KAMES: Erste Hilfe<br />

für die Seele, 20) als Schlüssel für die Entstehung der NFS Wetterau.<br />

159<br />

Vgl. dazu HÖLTERHOFF: Katastrophenseelsorge (zur <strong>Notfallseelsorge</strong>) und vgl. auch HELMERICHS:<br />

E<strong>in</strong>satznachsorge.<br />

160<br />

Zum Thema NFS (allgeme<strong>in</strong>) vgl. auch die ausführlicheren Darstellungen bei ZIPPERT : Notfälle und<br />

Katastrophen begleiten, 245-254 und vgl. ferner ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 27-34.<br />

161<br />

Vgl. dazu den Bericht vom 3. Bundeskongress <strong>in</strong> Augsburg <strong>im</strong> Januar 2000 <strong>in</strong> WIETERSHEIM: H<strong>in</strong>ter<br />

Blaulicht und Mart<strong>in</strong>shorn, 807f.<br />

162<br />

WIETERSHEIM: H<strong>in</strong>ter Blaulicht und Mart<strong>in</strong>shorn, 808. Für Thomas Zippert ist zurzeit noch offen,<br />

„wie sich die N. [<strong>Notfallseelsorge</strong>; Anm. des Autors] <strong>in</strong> zunehmend multirel. Umfeld zu den Polen<br />

38


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3.1.3 Auswahl, Ausbildung und Fortbildung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn<br />

Das Anforderungsprofil und die Qualifikation von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn werden durch die<br />

entsprechenden Rahmenordnungen der jeweiligen Landeskirche beziehungsweise Di-<br />

özese festgesetzt. Darüber h<strong>in</strong>aus liegt es an den e<strong>in</strong>zelnen NFS-E<strong>in</strong>heiten, Kriterien für<br />

die Auswahl und die Aus- und Weiterbildung der eigenen <strong>Notfallseelsorge</strong>r festzulegen.<br />

Hier gibt es e<strong>in</strong>e Fülle an Regelungen, die je nach Region unterschiedlich s<strong>in</strong>d: von<br />

niedrigen Standards (jeder pastorale Mitarbeiter <strong>in</strong> der Kirchengeme<strong>in</strong>de) bis h<strong>in</strong> zu<br />

hohen Anforderungen (strenge Auswahlkriterien und Fortbildungsverpflichtungen). 163<br />

Die folgenden Ausführungen s<strong>in</strong>d anhand der bereits oben erwähnten so genannten<br />

Kasseler Thesen und der Fachliteratur zusammengestellt und bieten e<strong>in</strong>e Übersicht über<br />

e<strong>in</strong>en „Quasi-Standard“ 164 , der aber unverb<strong>in</strong>dlich ist:<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r sollten pastorale Mitarbeiter se<strong>in</strong>, die hauptamtlich <strong>in</strong> der evangeli-<br />

schen oder katholischen Kirche tätig s<strong>in</strong>d, damit sie die NFS als Vertretung für den<br />

Ortspfarrer leisten und das Zeugnisverweigerungsrecht <strong>in</strong> Anspruch nehmen können;<br />

außerdem kann den Hauptamtlichen der E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> der NFS als Arbeitszeit angerechnet<br />

werden. 165 Der Standard für die Mitarbeit <strong>in</strong> der NFS ist e<strong>in</strong>e kirchlich anerkannte pa-<br />

storale Ausbildung, um auch <strong>in</strong> den Notsituationen auf e<strong>in</strong>e seelsorgliche und theologi-<br />

sche Kompetenz zurückgreifen zu können. 166 Durch weitere Zusatzausbildungen, die<br />

auch psychologische (vor allem psychotraumatologische) und mediz<strong>in</strong>ische Kenntnisse<br />

bezüglich der Krisen<strong>in</strong>tervention berücksichtigen, soll die Arbeit <strong>in</strong> der NFS vorbereitet<br />

und verbessert werden, da <strong>Notfallseelsorge</strong>r „<strong>in</strong>sbesondere Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

pfarramtlicher Grundaufgabe und funktionaler Spezialisierung, gesellschaftsdiakonischer Dienstleistung<br />

(neben anderen Anbietern) und theol. Kritik des Machbarkeitsdenkens und der E<strong>in</strong>satzrout<strong>in</strong>e<br />

zu verorten ist.“ (ZIPPERT : <strong>Notfallseelsorge</strong>, 398.)<br />

163<br />

So erwartet das Konzept der NFS Wetterau von se<strong>in</strong>en Mitarbeitern unter anderem, dass sie m<strong>in</strong>destens<br />

fünf Jahre seelsorgliche Berufserfahrung haben, Supervision <strong>in</strong> Anspruch nehmen, seelsorglich<br />

kompetent s<strong>in</strong>d und nicht von Profilierungssucht oder Selbstüberschätzung bee<strong>in</strong>trächtigt werden.<br />

Vgl. NOTFALLSEELSORGE WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 10.<br />

164<br />

WIETERSHEIM: Fortbildung <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 287. Für konkrete Beispiele sei verwiesen auf<br />

die Darstellungen bei REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, bes. 36-38 und ferner auf die Rahmenordnung für<br />

die <strong>Notfallseelsorge</strong> der Diözese Ma<strong>in</strong>z, die später (unter II, 3.1.6.1) dargestellt wird. Vgl. BI-<br />

SCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24f.<br />

165<br />

Vgl. MÜLLER-LANGE: Erwartungen an den Amts<strong>in</strong>haber, 317 und vgl. WIETERSHEIM: Fortbildung <strong>in</strong><br />

der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 287.<br />

166<br />

Vgl. WIETERSHEIM: Fortbildung <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 287. Durch diese Grundvoraussetzung<br />

n<strong>im</strong>mt die NFS „ernst, daß bei Menschen <strong>in</strong> existentiellen Extremsituationen die religiösen und weltanschaulichen<br />

Prägungen offenbar werden.“ (Karl Lehmann und Manfred Kock <strong>in</strong> EVANGELISCH-<br />

KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung, 3).<br />

39


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

über [...] Reaktionsformen von Menschen <strong>in</strong> Not- und Extremsituationen“ 167 benötigen<br />

und wissen müssen, wie diesen Menschen am besten zu helfen ist. 168<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r <strong>im</strong> Dienst müssen bereit se<strong>in</strong>, jederzeit e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>satz zu übernehmen,<br />

der sie mit Extremsituationen, Leid und Tod konfrontieren kann. 169 Sie müssen <strong>in</strong> der<br />

Lage se<strong>in</strong>, diese belastenden Erfahrungen zu verarbeiten und sich durch Gespräche und<br />

Supervision dabei helfen zu lassen. 170<br />

Ferner wird erwartet, dass sie kooperativ s<strong>in</strong>d und „sich auf die Arbeitsweisen, Arbeits-<br />

abläufe, Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen und die Mentalität von E<strong>in</strong>satzkräften e<strong>in</strong>stellen kön-<br />

nen“ 171 . Deshalb setzt NFS „die Kenntnis des Systems der <strong>Rettungsdienst</strong>e samt se<strong>in</strong>er<br />

Kompetenzen und <strong>in</strong>ternen Hierarchien und die stetige Pflege der persönlichen Be-<br />

kanntschaft mit den Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern der <strong>Rettungsdienst</strong>e vor Ort vor-<br />

aus.“ 172 Um dies zu erreichen, werden Besuche von Rettungs- und Feuerwehrwachen<br />

vorgeschlagen. Manche NFS-E<strong>in</strong>heiten fordern von ihren Mitarbeitern sogar Praktika <strong>in</strong><br />

diesen Bereichen. 173 Für Thomas Zippert ist es „wünschenswert“ 174 , dass Notfallseel-<br />

sorger sogar e<strong>in</strong>en Grundlehrgang der Feuerwehr oder e<strong>in</strong>e Rettungshelferausbildung<br />

absolvieren; zum<strong>in</strong>dest sollte aber e<strong>in</strong> Erste-Hilfe-Kurs der M<strong>in</strong>deststandard se<strong>in</strong>, um<br />

auf dem Gebiet der Notfallmediz<strong>in</strong> nicht ganz unbeholfen aufzutreten. 175 Ferner gehö-<br />

ren Fortbildungen und Übungen (auch geme<strong>in</strong>sam mit Feuerwehr und RD) bei vielen<br />

NFS-E<strong>in</strong>heiten dazu.<br />

3.1.4 Ausstattung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn<br />

167<br />

Vgl. Kasseler Thesen <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung,<br />

22.<br />

168<br />

So gibt es zum Beispiel e<strong>in</strong>en viertägigen Grundkurs NFS (<strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Belastungssituationen), der<br />

neben theologischen Grundlagen, e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die NFS und Rollenspielen zu E<strong>in</strong>satzsituationen<br />

auch Themen der Psychotraumatologie behandelt. Ferner werden dort die Organisation und Arbeitsweise<br />

der <strong>Rettungsdienst</strong>e vorgestellt. Weiter gibt es Konzepte für Aufbaukurse zur Vertiefung.<br />

Auch zusätzliche Qualifikationen s<strong>in</strong>d möglich: Leitender <strong>Notfallseelsorge</strong>r, der speziell für die NFS-<br />

Leitung bei Großschadensfällen vorbereitet ist, oder Mitarbeiter <strong>in</strong> der Stressbearbeitung nach belastenden<br />

Ereignissen (SbE ® ) oder ausgebildete <strong>Seelsorge</strong>r <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>. Vgl.<br />

WIETERSHEIM: Fortbildung <strong>in</strong> der Notfallseelso rge, 288-302.<br />

169<br />

Vgl. MÜLLER-LANGE: Erwartungen an den Amts<strong>in</strong>haber, 317.<br />

170<br />

Vgl. Kasseler Thesen <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung,<br />

22 und vgl. ZIPPERT : Anforderungsprofil und Qualifikation, 18.<br />

171<br />

MÜLLER-LANGE: Erwartungen an den Amts<strong>in</strong>haber, 317.<br />

172<br />

ZIPPERT : Anforderungsprofil und Qualifikation, 18.<br />

173<br />

So gehören zum Ausbildungskatalog der NFS Wetterau Praktika bei Feuerwehr, RD und Polizei.<br />

Vgl. NOTFALLSEELSORGE WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 10.<br />

174<br />

ZIPPERT : Anforderungsprofil und Qualifikation, 18. Vgl. dazu auch die so genannten Kasseler Thesen<br />

<strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung, 22.<br />

175<br />

Vgl. ZIPPERT : Anforderungsprofil und Qualifikation, 18.<br />

40


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die allgeme<strong>in</strong>e Grundausstattung besteht aus e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>satzjacke 176 (<strong>in</strong> der Regel gelb<br />

und blau, oft mit der Aufschrift „<strong>Notfallseelsorge</strong>“ oder „<strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>“), e<strong>in</strong>em<br />

Dienstausweis, e<strong>in</strong>em Funkmeldeempfänger (FME) und dem Mobiltelefon. Des Weite-<br />

ren empfiehlt sich e<strong>in</strong> Koffer mit Bibel, Kerze, Schreibzeug, e<strong>in</strong>e Mappe mit Gebet-<br />

stexten 177 , eventuell mit Spielzeug für K<strong>in</strong>der, Zigaretten und anderen Materialien (bei<br />

Priestern zum Beispiel das Öl für das Sakrament der Krankensalbung). Außerdem ist es<br />

hilfreich, <strong>im</strong> Fahrzeug des <strong>Notfallseelsorge</strong>rs die Stadtpläne der Umgebung, e<strong>in</strong> Adres-<br />

senverzeichnis der Pfarrämter der Region, Decken, e<strong>in</strong>e Taschenlampe und e<strong>in</strong>e Auto-<br />

kennzeichnung („<strong>Notfallseelsorge</strong>“) deponiert zu haben. 178<br />

E<strong>in</strong>igen NFS-Gruppen stehen sogar eigene E<strong>in</strong>satzfahrzeuge zur Verfügung. In den<br />

meisten E<strong>in</strong>heiten muss h<strong>in</strong>gegen auf den Privat- beziehungsweise kirchlichen Dienst-<br />

wagen zurückgegriffen werden. In Sondersituationen, zum Beispiel bei gebotener Eile,<br />

ist es aber auch möglich, die Leitstelle um e<strong>in</strong> Transportmittel mit Fahrer zu bitten, das<br />

den <strong>Notfallseelsorge</strong>r zum E<strong>in</strong>satzort befördert (gegebenenfalls sogar mit Sonderrech-<br />

ten, also Blaulicht und Mart<strong>in</strong>shorn). 179<br />

3.1.5 Erwartungen der <strong>Notfallseelsorge</strong> an den <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem RD erwartet die NFS der Kirche von der<br />

Leitung und dem Personal der jeweiligen Rettungswache e<strong>in</strong>en entsprechend kollegia-<br />

len Umgang und Akzeptanz; dafür bietet die NFS umgekehrt dasselbe. 180<br />

Die Kooperation sollte durch gegenseitiges Interesse und Wohlwollen für die Arbeit<br />

und die Anliegen des anderen geprägt se<strong>in</strong>; e<strong>in</strong> gegenseitiges Kennenlernen ist zu för-<br />

dern. Zudem unterstützt der RD die NFS, <strong>in</strong>dem er deren Angebot und Erreichbarkeit<br />

durch ständigen Aushang auf den Wachen und durch H<strong>in</strong>weise <strong>in</strong> Fortbildungsveran-<br />

staltungen bei se<strong>in</strong>em Personal bekannt macht. Außerdem sollten <strong>Notfallseelsorge</strong>r die<br />

Rettungswachen, E<strong>in</strong>satzorte und -kräfte ungeh<strong>in</strong>dert aufsuchen dürfen. 181<br />

176<br />

E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>satzjacke beispielsweise ist wichtig, um am E<strong>in</strong>satzort von Polizei, Feuerwehr, RD und den<br />

Betroffenen als NFS (und nicht-mediz<strong>in</strong>ischer Dienst) erkennbar zu se<strong>in</strong>; ferner dient sie dem Eigenschutz<br />

(besonders auf der Straße). Vgl. dazu auch die Fragebögen NFS (7) und RD 1-3 (dort jeweils<br />

21).<br />

177<br />

Zur Auswahl an Gebeten, Texten, Abschiedsritualen und weiteren liturgischen Vorlagen vgl.<br />

MÜLLER-LANGE: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, 331-349.<br />

178<br />

Vgl. MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 22 und vgl. NOTFALLSEELSORGE<br />

WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 12 und vgl. ferner WIETERSHEIM: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 143.<br />

179<br />

Vgl. MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 22 und vgl. NOTFALLSEELSORGE<br />

WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 12. Vgl. auch REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 38-40.<br />

180<br />

So heißt es <strong>im</strong> Fragebogen NFS (14.2): „Es sollte klar se<strong>in</strong>, dass der oder die <strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong><br />

akzeptiert wird.“<br />

41


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3.1.6. Aktuelle Situation <strong>im</strong> Bistum Ma<strong>in</strong>z<br />

3.1.6.1 Rahmenordnung für die <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

E<strong>in</strong>e erste Rahmenordnung für die <strong>Notfallseelsorge</strong> für das Bistum Ma<strong>in</strong>z wurde <strong>im</strong><br />

Januar 2000 <strong>in</strong> Kraft gesetzt und sollte ursprünglich probeweise nur bis zum 31. Januar<br />

2003 gelten. 182 Da die zweite Rahmenordnung derzeit (Oktober 2003) aber noch erar-<br />

beitet wird und nicht veröffentlicht ist, kann <strong>in</strong> dieser Untersuchung nur auf die alte und<br />

noch geltende Bezug genommen werden. 183<br />

Die Rahmenordnung aus dem Jahr 2000 regelt neben grundsätzlichen Best<strong>im</strong>mungen<br />

zur NFS auch den zeitlichen Umfang (<strong>im</strong> Rahmen der Arbeitszeit), die Unfall- und<br />

Haftpflichtversicherung, die Fahrtkostenerstattung, das Zeugnisverweigerungsrecht, die<br />

Auswahl und Beauftragung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn und deren Aus- und Weiterbil-<br />

dung. 184 Zur Grundausstattung e<strong>in</strong>es <strong>Notfallseelsorge</strong>rs gehören nach der Rahmenord-<br />

nung Schutzkleidung (E<strong>in</strong>satzjacke) und Handy oder Funkmeldeempfänger (FME); für<br />

deren Anschaffung tritt das Bischöfliche Ord<strong>in</strong>ariat e<strong>in</strong>, falls ke<strong>in</strong>e Unterstützung von<br />

dritter Seite zu erwarten ist. 185<br />

Im Bistum Ma<strong>in</strong>z können, gemäß der Rahmenordnung, nur (hauptamtliche) „Priester,<br />

Diakone, Pastoralreferenten/<strong>in</strong>nen und Geme<strong>in</strong>dereferenten/<strong>in</strong>nen“ 186 <strong>in</strong> der NFS tätig<br />

werden. Die bischöfliche Beauftragung durch den Generalvikar erfolgt erst, nachdem<br />

der zuständige Dekan die Eignung des Bewerbers überprüft und der Personaldezernent<br />

der Bewerbung zugest<strong>im</strong>mt hat. 187<br />

Das Dokument hält fest, dass das Bistum Ma<strong>in</strong>z der Träger der NFS auf dem Diözesan-<br />

gebiet ist, <strong>in</strong>sofern diese durch katholische Mitarbeiter geleistet wird. H<strong>in</strong>gewiesen sei<br />

auf die ausdrückliche Festlegung der Rahmenordnung, dass die NFS <strong>in</strong> der Diözese<br />

181 Vgl. MÜLLER-LANGE: Erwartungen an Träger von Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 317.<br />

182 Vgl. BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24f.<br />

183 Für diese Informationen danke ich Ord<strong>in</strong>ariatsrat Bernd Krämer vom Bischöflichen Ord<strong>in</strong>ariat <strong>in</strong><br />

Ma<strong>in</strong>z. [Nachtrag: Die neue Rahmenordnung wurde am 7. November 2003 vom Ma<strong>in</strong>zer Generalvikar<br />

Dietmar Giebelmann unterzeichnet und am 12. Januar 2004 veröffentlicht <strong>in</strong>: <strong>Kirchliche</strong>s Amtsblatt<br />

für die Diözese Ma<strong>in</strong>z 146 (2004) 6-8.]<br />

184 Vgl. BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24f. Zum Zeugnisverweigerungsrecht<br />

vgl. auch Anm. 109. Auf die Aus- und Weiterbildung der <strong>Notfallseelsorge</strong>r wird <strong>im</strong><br />

Dokument – wie zu erwarten – nur eher allgeme<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gegangen. E<strong>in</strong>e Kooperation mit der Evangelischen<br />

Kirche Hessen-Nassau (EKHN) wird <strong>in</strong> diesem Bereich angestrebt. Vgl. BISCHÖFLICHES<br />

ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 25. In der Rahmenordnung heißt es: „Das Bistum<br />

Ma<strong>in</strong>z trägt Sorge für e<strong>in</strong>e bedarfsgerechte Qualifizierung und Fortbildung der <strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen<br />

[...]. Die zentralen Maßnahmen werden vom Bistum regelmäßig angeboten und f<strong>in</strong>anziert.<br />

Die dezentralen Maßnahmen werden von den <strong>Notfallseelsorge</strong>-Teams <strong>in</strong> Absprache mit der Abteilung<br />

Fortbildung nach Bedarf organisiert.“ (BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung,<br />

25.)<br />

185 Vgl. BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 25.<br />

186 BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24.<br />

187 Vgl. BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24f.<br />

42


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Ma<strong>in</strong>z „nur auf Anforderung und <strong>in</strong> Abst<strong>im</strong>mung mit der zuständigen Leitstelle gelei-<br />

stet“ 188 wird und be<strong>im</strong> Zusammenwirken „die Eigenständigkeit aller beteiligten Dien-<br />

ste“ 189 als Grundlage zu betrachten ist. Außerdem wird von den <strong>Notfallseelsorge</strong>rn „e<strong>in</strong><br />

geeigneter Nachweis über das Vorhandense<strong>in</strong> aktueller Kenntnisse bezüglich des Ver-<br />

haltens am Unfallort und der Befähigung zur Ersten Hilfe“ 190 verlangt.<br />

3.1.6.2 <strong>Notfallseelsorge</strong>-E<strong>in</strong>richtungen<br />

Derzeit gibt es <strong>in</strong> 17 von 20 Dekanaten der Diözese Ma<strong>in</strong>z e<strong>in</strong>e organisierte (re<strong>in</strong> kirch-<br />

liche) NFS. In 13 Dekanaten wird diese von der evangelischen und katholischen Kirche<br />

<strong>in</strong> ökumenischer Zusammenarbeit getragen. Entsprechend der ungleichen Konfessions-<br />

verteilung der Bevölkerung ist <strong>in</strong> den Dekanaten Darmstadt, Dieburg und Erbach über-<br />

wiegend die evangelische Kirche, <strong>im</strong> Dekanat Seligenstadt eher die katholische Kirche<br />

<strong>in</strong> der NFS tätig. 191<br />

188 BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24.<br />

189 BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24. Im Dokument heißt es auch:<br />

„Den <strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen, die den E<strong>in</strong>satz geleistet haben, obliegt die Übergabe der weiteren<br />

seelsorglichen Begleitung an den zuständigen Ortspfarrer bzw. den zuständigen <strong>Seelsorge</strong>r/<strong>in</strong> vor<br />

Ort. Dies betrifft <strong>in</strong>sbesondere die Trauerbegleitung, Begräbnisfeier usw.“ (BISCHÖFLICHES OR-<br />

DINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24.)<br />

190 BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 25.<br />

191 Vgl. Abbildung 3.<br />

43


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Abb. 3<br />

BISTUM MAINZ<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong><br />

<strong>in</strong> den Dekanaten<br />

B<strong>in</strong>gen<br />

Alzey /<br />

Gau-<br />

Bickelhe<strong>im</strong><br />

Ma<strong>in</strong>z-<br />

Stadt<br />

Ma<strong>in</strong>z-<br />

Süd<br />

Worms<br />

Legende:<br />

Ökumenisch<br />

Überwiegend evangelisch<br />

Überwiegend katholisch<br />

SiN Rüsselshe<strong>im</strong> e.V.<br />

Rüsselshe<strong>im</strong><br />

Bergstraße<br />

- West<br />

Wetterau<br />

- West<br />

Dreieich<br />

Darmstadt<br />

Bergstraße<br />

- Mitte<br />

E<strong>in</strong>e Besonderheit gibt es <strong>im</strong> Dekanat Rüsselshe<strong>im</strong>: Hier übern<strong>im</strong>mt die Krisen<strong>in</strong>ter-<br />

vention und NFS der Vere<strong>in</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Notfällen (SiN) Rüsselshe<strong>im</strong> e. V., <strong>in</strong> dem sich<br />

<strong>Seelsorge</strong>r der Kirchen und Mitarbeiter der Rettungsorganisationen geme<strong>in</strong>sam engagie-<br />

ren. 192 Da – wie oben bereits erwähnt – nach der Rahmenordnung für die Notfallseel-<br />

sorge <strong>im</strong> Bistum Ma<strong>in</strong>z nur (hauptamtliche) pastorale Mitarbeiter anerkannt werden,<br />

192 Für weitere Informationen zu diesem Vere<strong>in</strong> sei auf die Diplomarbeit von Markus Reuter verwiesen,<br />

die den SiN Wiesbaden e. V. vorstellt, von dem sich SiN Rüsselshe<strong>im</strong> e. V. abgeleitet hat. Vgl.<br />

REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 36 u. 44-46 u. 88-91.<br />

44<br />

Offenbach<br />

Gießen<br />

Rodgau<br />

Seligenstadt<br />

Dieburg<br />

Bergstraße<br />

- Ost<br />

Erbach<br />

Wetterau - Ost<br />

Alsfeld


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

zählt diese E<strong>in</strong>richtung als solche nicht zur offiziellen, von der Diözese Ma<strong>in</strong>z getrage-<br />

nen NFS. 193<br />

3.2 <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Dieser <strong>Seelsorge</strong>bereich wird <strong>in</strong> die Kategorial- beziehungsweise Sonderseelsorge e<strong>in</strong>-<br />

geordnet und hat e<strong>in</strong> Vorbild <strong>in</strong> der seit e<strong>in</strong>igen Jahren fest <strong>in</strong>stitutionalisierten Polizei-<br />

seelsorge. 194 Zu bemerken ist allerd<strong>in</strong>gs, dass es <strong>im</strong> Vergleich zur genannten Polizei-<br />

seelsorge bislang nur wenige kirchliche Stellen gibt, die vollständig oder zum<strong>in</strong>dest<br />

teilweise für diese spezielle Berufsgruppenseelsorge zuständig s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>ige Evangeli-<br />

sche Landeskirchen haben jeweils e<strong>in</strong>en und die bayerischen Diözesen geme<strong>in</strong>sam ei-<br />

nen Beauftragten für die <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> angestellt. 195<br />

Neben der Ausbildung zum <strong>Notfallseelsorge</strong>r empfiehlt es sich für diese Sonderseelsor-<br />

ge, auch e<strong>in</strong>en entsprechenden Aufbaukurs <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

absolviert zu haben. 196 Nicht selten waren beziehungsweise s<strong>in</strong>d diese <strong>Seelsorge</strong>r selbst<br />

<strong>im</strong> RD oder bei der Feuerwehr aktiv.<br />

Im Rahmen dieser Berufsgruppenseelsorge begleiten pastorale Mitarbeiter seelsorglich<br />

die E<strong>in</strong>satzkräfte von Rettungs- und Feuerwehrwachen 197 , die bei ihrer alltäglichen Ar-<br />

beit mit außergewöhnlichen Belastungen (zum Beispiel Tod, Krankheit, schwere Ver-<br />

kehrsunfälle) konfrontiert werden. 198 Annähernd vergleichbar s<strong>in</strong>d diese <strong>Seelsorge</strong>r mit<br />

den Chapla<strong>in</strong>s der Rettungs- und Feuerwachen <strong>in</strong> den USA, deren Präsenz und Arbeit<br />

<strong>in</strong> den Medien nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 <strong>im</strong>mer wieder lo-<br />

bend erwähnt wurden.<br />

Hanjo von Wietershe<strong>im</strong> gliedert diese seelsorgliche Betreuung <strong>in</strong> folgende drei Aufga-<br />

benbereiche:<br />

1) Vorbereitung: Bei der Ausbildung von E<strong>in</strong>satzkräften wird darauf geachtet, dass<br />

ethische, theologische und psychologische Aspekte ausreichend berücksichtigt wer-<br />

193<br />

Ebenso gehört die Krisen<strong>in</strong>tervention des KID bzw. der KIT (der RD-Organisationen), die auf der<br />

NFS-Karte (Abb. 3) überhaupt nicht berücksichtigt s<strong>in</strong>d, nicht zur NFS der Diözese.<br />

194<br />

Vgl. WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 145 u. 147. Zur spezifischen Feuerwehrseelsorge<br />

sei h<strong>in</strong>gewiesen auf WATERSTRAAT : Feuerwehrseelsorge, 1-19.<br />

195<br />

Vgl. dazu das Adressenverzeichnis <strong>in</strong> MÜLLER-LANGE: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, 357-361. Weitere<br />

Informationen über kirchliche Stellen <strong>in</strong> dieser Kategorialseelsorge konnten leider nicht e<strong>in</strong>geholt<br />

werden. In der Diözese Ma<strong>in</strong>z ist diese Sonderseelsorge bislang nicht vorgesehen.<br />

196<br />

Die Ausbildungs<strong>in</strong>halte e<strong>in</strong>es solchen Aufbaukurses s<strong>in</strong>d abgedruckt <strong>in</strong> WIETERSHEIM: Fortbildung<br />

<strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 291f.<br />

197<br />

Vgl. KONFERENZ: Tabellarische Begriffserklärung, 3.<br />

198<br />

Vgl. dazu auch ALBRECHT : Die Posttraumatische Belastungsreaktion, 607.<br />

45


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

den. 199 Die Helfer sollen lernen, mit den eigenen Gefühlen und den Emotionen der<br />

Menschen, denen sie Hilfe br<strong>in</strong>gen, aufmerksam und sensibel umzugehen. Außer-<br />

dem werden die Arbeit und die Angebote der NFS und Krisen<strong>in</strong>tervention vorge-<br />

stellt. Die E<strong>in</strong>satzkräfte lernen die <strong>Seelsorge</strong>r auf diese Weise kennen und es kann<br />

sich e<strong>in</strong> Vertrauensverhältnis entwickeln. Bei Fortbildungen und Übungen werden<br />

die bereits genannten Ausbildungsaspekte wiederholt und vertieft. Gottesdienste mit<br />

dem Rettungspersonal und seelsorgliche Gespräche gehören ebenfalls dazu. 200<br />

2) E<strong>in</strong>satz: Bei best<strong>im</strong>mten E<strong>in</strong>satz<strong>in</strong>dikationen fahren die <strong>Seelsorge</strong>r auch zum E<strong>in</strong>-<br />

satzort, um die Helfer dort zu unterstützen. Hierbei überschneiden sich ihre Aufga-<br />

ben mit denen der NFS: Betreuung der Verletzten und Angehörigen und Sorge um<br />

die psychisch stark belasteten E<strong>in</strong>satzkräfte. 201<br />

3) Nachbereitung: In Gruppen- oder E<strong>in</strong>zelgesprächen haben die E<strong>in</strong>satzkräfte die<br />

Möglichkeit, mit ihrem <strong>Seelsorge</strong>r belastende Erlebnisse bei den Rettungsarbeiten<br />

zu besprechen und zu verarbeiten (entsprechend der <strong>in</strong> II, 3.1.1.3 vorgestellten<br />

SbE ® ). 202<br />

Des Weiteren organisieren diese Kategorialseelsorger auch Bes<strong>in</strong>nungstage und weitere<br />

religiöse Programme für die E<strong>in</strong>satzkräfte. Je nach Wunsch, kirchlicher Zugehörigkeit<br />

und Beauftragung beziehungsweise Weihe kann auch die Feier von Sakramenten für<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte und deren Angehörige zu ihrem Dienst gehören. 203<br />

Aufgrund der wenigen vorhandenen Stellen kann diese Kategorialseelsorge <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie nur <strong>in</strong> Rettungs- und Feuerwachen von Großstädten und <strong>in</strong> den entsprechenden<br />

Ausbildungse<strong>in</strong>richtungen tätig se<strong>in</strong>.<br />

In kle<strong>in</strong>eren Städten und Geme<strong>in</strong>den ist die Initiative von pastoralen Mitarbeitern der<br />

Pfarrgeme<strong>in</strong>den vor Ort gefragt, die aber gewiss nicht <strong>im</strong> gleichen Umfang stattf<strong>in</strong>den<br />

kann. Auch hier gilt das Pr<strong>in</strong>zip der ökumenischen Zusammenarbeit.<br />

H<strong>in</strong>zuweisen ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang ferner auf die Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>Seelsorge</strong><br />

<strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> (AGS), <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>satzkräfte und <strong>Seelsorge</strong>r sich ge-<br />

199 Vgl. WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 146. Die Evangelische Kirche <strong>in</strong><br />

Deutschland wies bereits Ende der 1970er Jahre auf die Notwendigkeit h<strong>in</strong>, dass Theologen geme<strong>in</strong>sam<br />

mit Katastrophenschutzbeauftragten e<strong>in</strong>e Unterrichtse<strong>in</strong>heit für Helfer der Hilfsorganisationen<br />

ausarbeiten sollen, die solche Themen anspricht und von Vertretern der Kirchen durchgeführt werden<br />

sollen. Vgl. KIRCHENKANZLEI DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND: <strong>Kirchliche</strong>s Handeln<br />

bei Unglücksfällen und Katastrophen, 22f. Zum Aspekt der Ausbildung von E<strong>in</strong>satzkräften sei verwiesen<br />

auf WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 147.<br />

200 Vgl. WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 146.<br />

201 Vgl. WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 146.<br />

202 Vgl. WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 146.<br />

203 Vgl. WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 146.<br />

46


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

me<strong>in</strong>sam „<strong>im</strong> weitesten S<strong>in</strong>n für mehr Menschlichkeit <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

e<strong>in</strong>setzen“ 204 und an e<strong>in</strong>er besseren Zusammenarbeit zwischen E<strong>in</strong>satzkräften und Seel-<br />

sorgern arbeiten. 205<br />

3.3 Auf Geme<strong>in</strong>deebene<br />

Auf Geme<strong>in</strong>deebene gibt es unterschiedliche Ansätze der Zusammenarbeit und gegen-<br />

seitigen Unterstützung: von gar ke<strong>in</strong>en oder eher zufälligen Begegnungen zwischen<br />

Kirche und RD bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em lebendigen und guten Mite<strong>in</strong>ander. 206<br />

In (noch) religiös-kirchlich geprägten Gebieten und bei den christlich und kirchlich ge-<br />

prägten Hilfsorganisationen JUH und MHD ist e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit von den Grund-<br />

voraussetzungen her leichter möglich. In erster L<strong>in</strong>ie hängt dies aber von den handeln-<br />

den Personen wie von geschichtlichen Entwicklungen vor Ort ab.<br />

So gibt es zahlreiche überzeugte Mitglieder von Kirchengeme<strong>in</strong>den, die sich ehren- oder<br />

hauptamtlich, als Zivildienstleistende oder <strong>im</strong> Rahmen e<strong>in</strong>es Freiwilligen Sozialen Jah-<br />

res (FSJ) bei e<strong>in</strong>er RD-Organisation engagieren und durch ihre Person und ihren geleb-<br />

ten Glauben zu e<strong>in</strong>er Begegnung zwischen RD und Kirche beitragen. Auch e<strong>in</strong>ige Ge-<br />

me<strong>in</strong>deseelsorger bieten der Rettungswache vor Ort ausdrücklich ihre Bereitschaft an,<br />

auf Wunsch des Personals für Gespräche nach belastenden E<strong>in</strong>sätzen zur Verfügung zu<br />

stehen. Manche Rettungswachen suchen von sich aus die Zusammenarbeit mit der<br />

Pfarrgeme<strong>in</strong>de.<br />

In den mit der Kirche verbundenen Organisationen JUH und MHD gibt es zum großen<br />

Teil auch Geme<strong>in</strong>depfarrer, die als Standortseelsorger die Wache und die Kirchenge-<br />

me<strong>in</strong>de mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>den. Beide Hilfsorganisationen haben oft e<strong>in</strong>e starke Anb<strong>in</strong>-<br />

dung an die Ortsgeme<strong>in</strong>de; so wird unter anderem bei Neugründungen von Ortsverbän-<br />

den meist e<strong>in</strong> Gottesdienst mit der Pfarrgeme<strong>in</strong>de gefeiert.<br />

Schließlich gibt es vere<strong>in</strong>zelt e<strong>in</strong>e gute Zusammenarbeit <strong>in</strong> Form von Sanitätsdiensten<br />

bei größeren Gottesdiensten (zum Beispiel Wallfahrten) und Aktionen, auch durch Er-<br />

ste-Hilfe-Kurse <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>deräumen, Segnungen von neuen RD-Fahrzeugen und bei<br />

Jubiläums- und Gedenkgottesdiensten der Organisationen.<br />

204 MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 19.<br />

205 Für weitere Informationen zur Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> sei<br />

auf die Homepage www.notfallseelsorge.de (vom 22.08.2003) verwiesen.<br />

206 Auch nach längerer Suche konnten <strong>in</strong> der Literatur zu diesem Thema ke<strong>in</strong>e weiterführenden Informationen<br />

gefunden werden. So beruft sich dieser Abschnitt alle<strong>in</strong> auf Gespräche mit <strong>Seelsorge</strong>rn und<br />

RD-Personal. Vgl. dazu auch den Fragebogen NFS (15.1 u. 15.2).<br />

47


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Nicht zuletzt ist auf Gottesdienste anlässlich großer Katastrophen und Unglücke (und<br />

deren Jahrestage) 207 h<strong>in</strong>zuweisen, die sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den<br />

Rettungskräften oft als hilfreich und heilsam empfunden werden.<br />

Alle diese Beispiele s<strong>in</strong>d vor allem orts- und auch personenabhängig zustande gekom-<br />

men. Vermutlich wird <strong>in</strong> der Literatur deshalb kaum auf die Zusammenarbeit auf Ge-<br />

me<strong>in</strong>deebene e<strong>in</strong>gegangen.<br />

In diesem Teil der Untersuchungen soll es genügen, diese vere<strong>in</strong>zelt möglichen und<br />

genutzten Begegnungen erwähnt zu haben. In der Praxeologie wird später auf weitere<br />

Chancen und Möglichkeiten <strong>in</strong> diesem Bereich e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

3.4 Zusammenfassung<br />

In diesem letzten Kapitel der Kriteriologie wurde festgestellt, dass die kirchliche Praxis<br />

auf dem Gebiet der NFS auf jeden Fall den der Kirche vorgegebenen theologischen<br />

Kriterien entspricht und <strong>in</strong> zahlreichen Regionen mit dem RD zusammenarbeitet.<br />

In vielen Gebieten engagiert sich die NFS vorbildlich und mit guter Qualität. Die Öf-<br />

fentlichkeitsarbeit und vor allem der NFS-Dienst vor Ort tragen dazu bei, dass diese<br />

ökumenische E<strong>in</strong>richtung der Kirche von zahlreichen Seiten wohlwollend wahrgenom-<br />

men wird: Bei den NFS-E<strong>in</strong>sätzen s<strong>in</strong>d viele Betroffene positiv überrascht, dass die<br />

Kirche ihnen hier beisteht und nehmen die Hilfe gerne an. 208 Die NFS genießt sowohl<br />

bei den Hilfsorganisationen und E<strong>in</strong>satzkräften als auch bei der Bevölkerung e<strong>in</strong>en gro-<br />

ßen Vertrauensbonus. 209<br />

Auf diesem Gebiet wird der Kirche und ihren Mitarbeitern weitestgehend e<strong>in</strong>e große<br />

Kompetenz zugesprochen und kirchliches Handeln als heilsam und glaubwürdig er-<br />

lebt. 210 Die Kirche hat den Menschen <strong>in</strong> Not wirklich etwas Wertvolles zu bieten: quali-<br />

207 Vgl. dazu SARBACH: Gedenktag als Lebenshilfe, 90.<br />

208 Bei der NFS Wetterau wurden die <strong>Notfallseelsorge</strong>r nur <strong>in</strong> zehn Fällen von ca. 200 E<strong>in</strong>sätzen von<br />

den Betroffenen abgelehnt. Vgl. KAMES: Erste Hilfe für die Seele, 21. Ungefähr 95% der Betroffenen<br />

waren „dankbar, dass überhaupt jemand da war, der mit ihnen redete, schwieg oder auch e<strong>in</strong>mal den<br />

Versuch unternahm, das Unfassbare <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gebet zu fassen. Dabei spielte die kirchliche B<strong>in</strong>dung oft<br />

nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Rolle.“ (KAMES: Erste Hilfe für die Seele, 21.)<br />

209 Vgl. KELLER: Mit frommen Sprüchen ist ke<strong>in</strong>em geholfen. Vgl. auch die Fragebögen RD 1-3 (jeweils<br />

16.1 u. 17) und KID (8.1, 8.3, 8.4 u. 9.1). Die NFS wird von den Befragten vor allem positiv und als<br />

Unterstützung wahrgenommen. So heißt es <strong>im</strong> Fragebogen KID (8.1): „Mittlerweile sehen wir uns<br />

als ‚Brüder und Schwestern’. Wenn der e<strong>in</strong>e nicht e<strong>in</strong>satzklar ist, ist es vielleicht die andere Gruppe.<br />

Außerdem haben wir unsere Stärken zu unterschiedlichen Zeiten. Somit ergänzen wir uns gut.“<br />

210 Im Lehrbuch von Gernot Sonneck wird festgestellt: „Auch heute noch ist der Priester nach der Untersuchung<br />

von GURIN [...] mit Lehrern, Sozialarbeitern und Hausärzten e<strong>in</strong>er der am meisten Aufgesuchten<br />

<strong>in</strong> Krisensituationen. Freilich gestattet ihm die Vielschichtigkeit der Probleme nicht, sie alle<strong>in</strong><br />

suffizient zu lösen.“ (SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention und Suizidverhütung, 213.)<br />

48


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

fizierte Hilfe, seelsorglichen Beistand, Trost, Gebet, Hoffnung, Gottes frohe Botschaft<br />

und Segen. Im Gegensatz zum RD hat die NFS auch relativ unbegrenzte Zeit. 211<br />

Durch die Entwicklung der NFS ist e<strong>in</strong> wichtiger Schritt getan, was die Zusammenar-<br />

beit von RD und Kirche angeht. Allerd<strong>in</strong>gs gibt es ke<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dliches Anfor-<br />

derungsprofil und Ausbildungsprogramm für <strong>Notfallseelsorge</strong>r, sondern bisher nur ei-<br />

nen „Quasi-Standard“ 212 als Empfehlung. Wenn dieser <strong>in</strong> den Landeskirchen und Di-<br />

özesen bei der Erstellung e<strong>in</strong>er Rahmenordnung für die NFS berücksichtigt wird, kann<br />

<strong>in</strong> allen Regionen e<strong>in</strong>e qualitativ hochwertige NFS gewährleistet werden.<br />

Unverzichtbar für die NFS ist – nach dem oben dargestellten „Quasi-Standard“ 213 – auf<br />

jeden Fall, dass die Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es den <strong>Notfallseelsorge</strong>rn bekannt<br />

ist und die Zusammenarbeit vor Ort regelmäßig durch e<strong>in</strong>en Dialog mite<strong>in</strong>ander geför-<br />

dert und auch reflektiert wird, so dass <strong>im</strong>mer wieder e<strong>in</strong>e Opt<strong>im</strong>ierung erfolgen kann. 214<br />

Nur so kann die NFS wirklich geme<strong>in</strong>sam „mit dem <strong>Rettungsdienst</strong> ganz für den Men-<br />

schen da se<strong>in</strong> und ist ke<strong>in</strong> fremdes Etwas, welches den Ablauf der Rettung stört.“ 215<br />

Ferner ist die Kategorialseelsorge <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> und Feuerwehr e<strong>in</strong> Bei-<br />

spiel für e<strong>in</strong>e gute Zusammenarbeit, die allerd<strong>in</strong>gs aufgrund der spärlichen Stellen nur<br />

<strong>in</strong> wenigen Regionen und Rettungswachen auf e<strong>in</strong>er solch professionellen und <strong>in</strong>tensi-<br />

vem Ebene stattf<strong>in</strong>den kann. Daher gilt e<strong>in</strong> besonderes Augenmerk beispielhaften In-<br />

itiativen von e<strong>in</strong>zelnen Pfarrgeme<strong>in</strong>den, die den RD vor Ort nicht aus dem Blick verlie-<br />

ren.<br />

Nicht unerwähnt bleiben dürfen die zahlreichen Christen, die sich haupt- oder ehren-<br />

amtlich <strong>im</strong> RD, <strong>in</strong> der KIT (beziehungsweise <strong>im</strong> KID) oder der Feuerwehr engagieren;<br />

nicht wenige bauen dadurch an e<strong>in</strong>er Brücke zwischen RD und Kirche und können <strong>in</strong><br />

diesem Bereich wichtige Ansprechpersonen für pastorale Mitarbeiter se<strong>in</strong>.<br />

1 E<strong>in</strong>führung<br />

III KAIROLOGIE<br />

– „Zeichen der Zeit“ <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> –<br />

Nachdem bisher die Kriterien der Kirche und ihre Praxis untersucht wurden, wird nun<br />

<strong>in</strong> diesem zweiten Schritt, der Kairologie, sozusagen die andere Seite und deren Aufga-<br />

211<br />

Vgl. GIERING: Lücke <strong>im</strong> Gefüge der <strong>Rettungsdienst</strong>e, A-875. Vgl. dazu auch den Fragebogen NFS<br />

(11.1).<br />

212<br />

WIETERSHEIM: Fortbildung <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 287.<br />

213<br />

WIETERSHEIM: Fortbildung <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 287.<br />

214<br />

E<strong>in</strong> Beispiel für diese Aspekte (Kennenlernen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, Dialog mit diesem und Überlegungen<br />

zur Opt<strong>im</strong>ierung) soll <strong>im</strong> Rahmen dieser Untersuchungen <strong>in</strong> der Kairologie und Praxeologie<br />

gegeben werden.<br />

49


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

ben und Ziele vorgestellt: der RD und se<strong>in</strong>e geschichtliche Entwicklung, die E<strong>in</strong>satz-<br />

kräfte und ihr Arbeitsalltag, die Hilfsorganisationen und ihre Leitbilder. Es gilt, zu prü-<br />

fen, <strong>in</strong>wiefern der RD zu e<strong>in</strong>er Kooperation mit der Kirche bereit ist.<br />

Neben dem E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> den RD, der für das Zusammenwirken nicht nur <strong>in</strong> der NFS<br />

wichtig ist, dient dieser Teil der Untersuchungen ebenso als Praxisanalyse für die Pasto-<br />

ral. Die Kirche darf den Berufsalltag und die Lebenssituation der Menschen, auch der<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte, nicht aus dem Blick verlieren. Kirche und Theologie müssen also <strong>im</strong>mer<br />

auch kairologisch arbeiten und <strong>in</strong> der aktuellen Situation die Chancen und Gefahren<br />

wahrnehmen und entsprechend darauf reagieren. 216 Im Alltag und Lebenskontext der<br />

Menschen gilt es, die Zeichen Gottes zu erkennen und das, was ihnen widerstrebt.<br />

Schließlich geht es der Kirche ja darum, den Menschen zu helfen, <strong>in</strong> der von Gott ge-<br />

schenkten Würde zu leben. Dementsprechend schreibt Papst Johannes Paul II. <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

ersten Enzyklika Redemptor hom<strong>in</strong>is (1979):<br />

„Da also der Mensch der Weg der Kirche ist, der Weg ihres täglichen Lebens und Erlebens,<br />

ihrer Aufgaben und Mühen, muß sich die Kirche unserer Zeit <strong>im</strong>mer wieder neu die ‚Situation’<br />

des Menschen bewußt machen. Sie muß se<strong>in</strong>e Möglichkeiten kennen [...] zugleich<br />

aber muß die Kirche die Bedrohungen kennen, die über dem Menschen hängen. Sie muß<br />

sich all dessen bewußt se<strong>in</strong>, was offenkundig dem Bemühen entgegensteht, das Leben der<br />

Menschen ‚<strong>im</strong>mer humaner zu gestalten’, damit alle Bereiche dieses Lebens der wahren<br />

Würde des Menschen entsprechen.“ 217<br />

Gemäß der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils „obliegt der Kirche<br />

allzeit die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie <strong>im</strong> Licht des Evangeli-<br />

ums zu deuten [...]. Es gilt also, die Welt, <strong>in</strong> der wir leben, ihre Erwartungen, Bestre-<br />

bungen und ihren oft dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen.“ 218<br />

Deswegen soll <strong>in</strong> diesem Teil der Untersuchungen der RD <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en unterschiedlichen<br />

Facetten beleuchtet werden, um dort „Zeichen der Zeit“ 219 wahrnehmen zu können.<br />

2 Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es<br />

Wie die Theologie und andere Bereiche des Lebens hat auch der RD e<strong>in</strong>e eigene Fach-<br />

sprache mit zahlreichen spezifischen Term<strong>in</strong>i und Abkürzungen. Wer mit dem RD zu-<br />

sammenarbeiten will, muss diese Sprache verstehen lernen und kennen. Die Abschnitte<br />

der Kairologie versuchen daher, <strong>in</strong> die eigene Welt des <strong>Rettungsdienst</strong>es e<strong>in</strong>zuführen.<br />

215 SADOWSKI: Warum arbeiten Theologen <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 538.<br />

216 Vgl. dazu auch SCHMID: Die Praxis als Ort der Theologie, 103f. Die Praktische Theologie „n<strong>im</strong>mt<br />

die Praxis als Locus theologicus.“ (SCHMID: Die Praxis als Ort der Theologie, 113; ohne Hervorhebung.)<br />

Peter F. Schmid schreibt weiter: „Die Pastoraltheologie ‚kümmert sich’ – und zwar darum wie<br />

Menschen ihr Leben gestalten, wie sie handeln. Das heißt, sie kümmert sich um die Praxis.“<br />

(SCHMID: Die Praxis als Ort der Theologie, 104.)<br />

217 JOHANNES PAUL II.: Redemptor hom<strong>in</strong>is, 28f; ohne Hervorhebung. Das dar<strong>in</strong> verwendete Zitat ist der<br />

Pastoralkonstitution entnommen. Vgl. ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 38.<br />

218 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 4.<br />

50


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

2.1 Geschichte des Helfens: Von den Anfängen zur Professionalität<br />

Bereits der griechische Arzt Hippokrates von Kos (5. Jahrhundert vor Christus) forderte<br />

die Versorgung von Verletzten und Kranken ohne Ansehen der Person. Doch erst durch<br />

das Evangelium Jesu bekam der Hilfsgedanke e<strong>in</strong>e beachtsame Bedeutung. 220 Die Er-<br />

zählung vom barmherzig handelnden Samariter (Lk 10,25-37) und die Werke der Barm-<br />

herzigkeit (vor allem aus Mt 25,31-40) spielten dabei e<strong>in</strong>e besondere Rolle. 221<br />

Hilflosen, verletzten und kranken Menschen beizustehen, galt zunächst vor allem nur <strong>im</strong><br />

Rahmen der eigenen Familie und Geme<strong>in</strong>de als Selbstverständlichkeit. Im Mittelalter<br />

wurde dann die notwendige Hilfe durch Bruderschaften und Gilden organisiert; parallel<br />

dazu gab es die Armen- und Hospitale<strong>in</strong>richtungen der Kirche. 222<br />

Der Wandel zur Industriegesellschaft machte die Hilfeleistungen zur öffentlichen An-<br />

gelegenheit. Das Helferse<strong>in</strong> wurde <strong>im</strong>mer mehr professionalisiert und entwickelte sich<br />

zur beruflichen Tätigkeit der Ärzte, Krankenschwestern, Altenpfleger<strong>in</strong>nen, Feuer-<br />

wehrmänner, Polizisten, <strong>Rettungsdienst</strong>ler und anderen. 223 Dennoch gehört das Helfen<br />

zur Bürgerpflicht und e<strong>in</strong>e unterlassene Hilfeleistung kann nach § 323c des Strafgesetz-<br />

buches (StGB) angezeigt und bestraft werden. 224<br />

Ebenso wie die Organisation der Hilfe entwickelte sich allmählich die Notfallmediz<strong>in</strong>.<br />

Die Mund-zu-Mund-Beatmung gehört vermutlich zu den ältesten mediz<strong>in</strong>ischen Maß-<br />

nahmen. Bereits 1300 Jahre vor Christus kannten Hebammen <strong>im</strong> Volk Israel e<strong>in</strong>e Me-<br />

thode, um Säugl<strong>in</strong>ge mit Atemstillstand wieder zu beleben. Auch <strong>in</strong> der Bibel wird <strong>in</strong><br />

mehreren Perikopen von Totenerweckungen berichtet, die teilweise als Wiederbelebun-<br />

219 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 4. Vgl. ferner Lk 12,54-57.<br />

220 Vgl. METZSCH: Menschen helfen Menschen, 69.<br />

221 Auf diese biblischen Quellen wurde bereits e<strong>in</strong>gegangen. Vgl. II, 2.1.2 und II, 2.1.3.<br />

222 Hier ist beispielsweise die Ritterbruderschaft Sankt Johannis zum Spital von Jerusalem zu nennen,<br />

die <strong>im</strong> Rahmen des ersten Kreuzzuges entstanden ist, um die Verletzten und Kranken <strong>in</strong> Jerusalem zu<br />

versorgen. Weil <strong>in</strong> dieser Bruderschaft die geme<strong>in</strong>samen Wurzeln der JUH und des MHD liegen,<br />

wird später (unter III, 4.2.1) noch genauer darauf e<strong>in</strong>gegangen werden. Ferner können hier selbstverständlich<br />

zahlreiche (zum Teil auch heilig gesprochene) Menschen angeführt werden, die sich um<br />

Notleidende und Kranke vorbildhaft bemüht haben; Franziskus von Assisi und Elisabeth von Thür<strong>in</strong>gen<br />

seien stellvertretend erwähnt.<br />

223 Vgl. ADAMS: Die Kunst des Helfens, 5f. Ursula Adams bemerkt dazu <strong>im</strong> Blick auf Lk 10,30-35: „Wir<br />

haben den Samaritaner zum Samariter und damit zum Mitglied e<strong>in</strong>er Hilfsorganisation gemacht. Das<br />

war er damals nicht. Er war ganz und gar ke<strong>in</strong> Professioneller; das waren se<strong>in</strong>e Vorhut, der Priester<br />

und der Levit [...]. Er hatte e<strong>in</strong>en Hauptberuf, der ihn <strong>in</strong> ganz anderer Richtung verpflichtete. Er hatte<br />

auch ke<strong>in</strong>e Zeugen für se<strong>in</strong> Tätigwerden – nichts, was mit Rücksicht auf e<strong>in</strong> zu erwerbendes Renomée<br />

als soziale Persönlichkeit oder Lebensretter e<strong>in</strong> Tätigwerden nahe legen könnten. Er tat e<strong>in</strong>fach<br />

den Dienst am anderen. Und der, der da schon zwe<strong>im</strong>al liegengelassen worden war und gewiß<br />

nicht mehr mit Hilfe rechnete, durfte staunend erfahren, daß ihn doch e<strong>in</strong> Mensch annahm, aufnahm,<br />

mitnahm.“ (ADAMS: Die Kunst des Helfens, 19f.)<br />

224 Vgl. UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 770.<br />

51


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

gen (Rean<strong>im</strong>ationen) gedeutet werden (vgl. 1 Kön 17,17-24, vgl. 2 Kön 4,8-37, vgl. Lk<br />

7,11-17 u. a.). Bei den Griechen und Römern der Antike wurde die Wundversorgung<br />

durch Verbände und die Tracheotomie (Luftröhrenschnitt) entwickelt. 225<br />

Im Hochmittelalter wurde die Mediz<strong>in</strong> teilweise sogar als Gotteslästerung verachtet,<br />

weil Krankheit als Strafe Gottes und der Umgang mit kranken und verstorbenen Men-<br />

schen als entehrend betrachtet wurde. Bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts gab es des-<br />

halb mancherorts gesetzliche Erlasse, die mediz<strong>in</strong>ische Hilfeleistungen untersagt ha-<br />

ben. 226<br />

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entwickelten sich organisierte Sanitätsdienste<br />

bei Feldzügen, die <strong>in</strong> der Regel nur die eigenen Verwundeten versorgten; 1517 erschien<br />

dann das Feldbuch der Wundartzney, das e<strong>in</strong> Kompendium der damaligen notfallmedi-<br />

z<strong>in</strong>ischen Kenntnisse darstellt. 227<br />

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde e<strong>in</strong>e Rean<strong>im</strong>ationsmethode entwickelt, die der seit<br />

1958 üblichen Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) ähnelt. Auch die moderne Infusi-<br />

ons- und Schocktherapie begannen <strong>im</strong> 19. Jahrhundert und wurden dann <strong>im</strong> Zweiten<br />

Weltkrieg und später <strong>im</strong> Koreakrieg vor allem von den Amerikanern weiterentwik-<br />

kelt. 228<br />

E<strong>in</strong> organisierter RD entstand <strong>in</strong> Deutschland um 1899 <strong>in</strong> Köln. Dort wurde Sanitätsper-<br />

sonal ausgebildet; e<strong>in</strong> Arzt wurde mit e<strong>in</strong>em Zweispänner zur Erstversorgung an den<br />

Unfallort gebracht. 229<br />

Generell war es aber üblich, Verletzte möglichst schnell durch Rettungsabteilungen zum<br />

Arzt <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik zu br<strong>in</strong>gen. 230 Dieses Pr<strong>in</strong>zip wird mit Load and go oder Scoop and<br />

run bezeichnet und ist <strong>im</strong> angloamerikanischen Raum heute noch üblich. 231<br />

1938 forderte Kirschner, dass der Arzt rasch zum Notfallpatienten gebracht werden soll<br />

und nicht umgekehrt; der Patient soll also bereits am E<strong>in</strong>satzort notfallmediz<strong>in</strong>isch ver-<br />

sorgt und auf den Transport vorbereitet werden. Dieses Postulat kann als Geburt der<br />

225 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 602.<br />

226 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 602f.<br />

227 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 603.<br />

228 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 603f.<br />

229 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 604.<br />

230 In se<strong>in</strong>em Leitfaden zur Ersten Hilfe (1927) schreibt Gustav Zöch: „Durch die zahlreichen Hilfeleistungen<br />

wird die Tätigkeit der Rettungsabteilungen dem Publikum häufig vor Augen geführt. Jeder<br />

Augenzeuge e<strong>in</strong>er raschen Hilfeleistung anerkennt die Wichtigkeit e<strong>in</strong>er solchen, sieht mit <strong>in</strong>nerer<br />

Befriedigung den Rettungswagen mit dem Verunglückten davoneilen und n<strong>im</strong>mt die Beruhigung mit<br />

sich, dass auch ihm <strong>im</strong> Falle e<strong>in</strong>es Unglückes rasche Hilfe zuteil werde.“ (ZÖCH: Erste Hilfe , 82.)<br />

231 Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 21 und vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 604.<br />

52


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

modernen präkl<strong>in</strong>ischen Notfallmediz<strong>in</strong> <strong>in</strong> Deutschland angesehen werden. 232 E<strong>in</strong> sol-<br />

ches Vorgehen wird <strong>in</strong> der Fachsprache Stay und Play genannt und bildet bis heute das<br />

wesentliche Pr<strong>in</strong>zip für die Notfallrettung <strong>in</strong> Deutschland. 233<br />

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden alle Hilfsorganisationen aufgelöst oder mit<br />

dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) zwanghaft vere<strong>in</strong>igt. Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

g<strong>in</strong>g die Entwicklung des <strong>Rettungsdienst</strong>es <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Besatzungszonen unter-<br />

schiedlich weiter und wurde erst 1990 mit der deutschen Wiedervere<strong>in</strong>igung <strong>in</strong> allen<br />

Bundesländern vere<strong>in</strong>heitlicht. 234<br />

Neben Rettungswagen mit ausgebildeten Sanitätern entstand ergänzend e<strong>in</strong> Notarztsy-<br />

stem: 1957 wurde <strong>in</strong> Köln erstmals e<strong>in</strong> Notarztwagen (NAW) e<strong>in</strong>gesetzt (so genanntes<br />

Kompakt- oder Stationssystem) und 1964 begann das so genannte Rendezvous-System,<br />

bei dem der Notarzt unabhängig vom Rettungswagen (RTW) mit e<strong>in</strong>em Notarzte<strong>in</strong>satz-<br />

fahrzeug (NEF) an den E<strong>in</strong>satzort gebracht wird und erst dort mit dem RTW zusam-<br />

mentrifft. 235 Seit 1967 entwickelte sich dann parallel dazu die Ära der Rettungshub-<br />

schrauber (RTH), die Notärzte schnell <strong>in</strong> weite und abgelegene Gegenden br<strong>in</strong>gen kön-<br />

nen und e<strong>in</strong>en raschen und schonenden Patiententransport ermöglichen. 1989 wurde<br />

schließlich die Ausbildung des Rettungsassistenten gesetzlich geregelt und diese als<br />

Berufsbezeichnung geschützt. 236<br />

Seit vielen Jahren verfügt Deutschland über e<strong>in</strong> ausgeklügeltes und professionelles Sy-<br />

stem der präkl<strong>in</strong>ischen Notfallmediz<strong>in</strong>. Dadurch ist es möglich, dass <strong>in</strong> dr<strong>in</strong>genden Fäl-<br />

len <strong>in</strong> durchschnittlich acht M<strong>in</strong>uten nach der Alarmierung durch die Leitstelle erste<br />

mediz<strong>in</strong>ische Hilfe am E<strong>in</strong>satzort e<strong>in</strong>trifft. Mittlerweile n<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> Durchschnitt jeder<br />

neunte bis zehnte Bundesbürger pro Jahr die Dienstleistungen des <strong>Rettungsdienst</strong>es <strong>in</strong><br />

Anspruch. 237<br />

2.2 Organisatorische Grundlagen<br />

2.2.1 Allgeme<strong>in</strong>e Organisation<br />

In Deutschland zählt der RD zu den öffentlichen Aufgaben des Staates, wird als Da-<br />

se<strong>in</strong>sfürsorge und zugleich als Gefahrenabwehr e<strong>in</strong>geordnet und gehört zum Rettungs-<br />

232 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 604.<br />

233 Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 21.<br />

234 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 604f.<br />

235 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 605f. In Deutschland werden bis heute<br />

beide Systeme praktiziert. Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 608.<br />

236 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 798. Vgl. dazu auch III, 2.2.3.<br />

237 Vgl. drk.de/rettungsdienst/<strong>in</strong>dex.htm (vom 16.09.2003). Vgl. auch RUNGGALDIER: Ausbildung und<br />

Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 807 und vgl. MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 118.<br />

53


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

wesen. Es ist Ländersache, den RD zu regeln; daher gibt es für jedes Bundesland e<strong>in</strong><br />

eigenes RD-Gesetz. 238<br />

Die orig<strong>in</strong>ären Aufgaben des <strong>Rettungsdienst</strong>es werden vom RD-Gesetz des jeweiligen<br />

Bundeslandes festgelegt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der RD vor allem die<br />

umfassende Aufgabe hat, „bei Notfallpatienten Maßnahmen zur Erhaltung des Lebens<br />

und zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden durchzuführen, ihre Transportfähigkeit<br />

herzustellen sowie die lebenswichtigen Körperfunktionen während des sachgerechten<br />

Transports zu e<strong>in</strong>er geeigneten Fachbehandlung (Krankenhaus) zu überwachen und auf-<br />

rechtzuerhalten.“ 239<br />

Da die RD-Organisation zu den Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung gehört,<br />

s<strong>in</strong>d die Kreise beziehungsweise kreisfreien Städte die RD-Träger. Diese führen den RD<br />

entweder selbst durch oder delegieren ihn an e<strong>in</strong>en oder mehrere Leistungserbr<strong>in</strong>ger, die<br />

das Personal, die Fahrzeuge mit der entsprechenden Ausstattung (Rettungsmittel) be-<br />

reitstellen. So s<strong>in</strong>d kommunale E<strong>in</strong>richtungen (zum Beispiel die Feuerwehren), die<br />

Hilfsorganisationen 240 und zum Teil auch private Anbieter <strong>im</strong> RD tätig. 241<br />

Als dem RD verwandte Dienste können der Ärztliche Notdienst, Sanitätsdienste, sonsti-<br />

ge Serviceleistungen (wie dr<strong>in</strong>gende Blut-, Organ-, Arzne<strong>im</strong>ittel- und Materialtrans-<br />

porte) und Speziale<strong>in</strong>heiten (zum Beispiel die Rettungshundestaffel) dazugezählt wer-<br />

den. 242 Ferner s<strong>in</strong>d der Katastrophenschutz der Kommunen und Regierungspräsidenten,<br />

die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk (THW), die Wasser- und die Bergrettung<br />

(Bergwacht) zu nennen. 243<br />

Das Rettungswesen <strong>in</strong> Deutschland ist <strong>in</strong> Form der so genannten Rettungskette organi-<br />

siert und gewährleistet die notwendige Versorgung von Notfallpatienten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ange-<br />

messenen Qualität. 244 Zu dieser Kette gehören als wichtige Glieder die Lebensrettenden<br />

Sofortmaßnahmen durch Ersthelfer, die Notfallmeldung bei der Rettungsleitstelle (per<br />

238 Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 608f.<br />

239 BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 18.<br />

240 Hierzu zählen vor allem der ASB, das DRK, die JUH und der MHD. Auf diese Hilfsorganisationen,<br />

ihre Entstehung und Leitbilder wird später unter III, 4.2 näher e<strong>in</strong>gegangen.<br />

241 Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 609f.<br />

242 Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 24.<br />

243 Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 19-21 u. 29.<br />

244 E<strong>in</strong> Notfallpatient ist def<strong>in</strong>itionsgemäß e<strong>in</strong> Mensch, bei dem „durch Verletzung, Vergiftung oder<br />

Erkrankung – e<strong>in</strong>e oder mehrere der lebensnotwendigen Funktionen [...] akut gestört oder bedroht<br />

s<strong>in</strong>d bzw. – die Entwicklung e<strong>in</strong>er solchen Störung oder Bedrohung zu befürchten oder nicht auszuschließen<br />

ist.“ (BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 18; ohne Hervorhebungen.) Zu<br />

den genannten lebensnotwendigen Vitalfunktionen zählen die Atmung, das Bewusstse<strong>in</strong> und der<br />

Herz-Kreislauf (Zirkulation). Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 18.<br />

54


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Telefon, Notrufsäule oder auch per Fax – zum Beispiel bei Gehörlosen), weitere Erste-<br />

Hilfe-Maßnahmen, der RD (gegebenenfalls mit Arzt) und das Krankenhaus. 245<br />

Für die gesamte RD-Organisation ist das Pr<strong>in</strong>zip der Individualmediz<strong>in</strong> ausschlagge-<br />

bend; so wird der RD entsprechend der statistischen Fallzahlen e<strong>in</strong>gerichtet und regel-<br />

mäßig aktualisiert: die Standorte der Rettungswachen, die Bereitstellung der Hilfsmittel<br />

(so genannte Vorhaltezeiten), deren Hilfsfristen und Ausrückzeiten. 246<br />

Die jeweilige Rettungsleitstelle koord<strong>in</strong>iert <strong>in</strong> ihrem Zuständigkeitsbereich den gesam-<br />

ten RD (also Notfallrettung und Krankentransport) und <strong>in</strong> manchen Bundesländern auch<br />

die Feuerwehr; sie ist sozusagen die Schnittstelle zwischen dem Hilfsbedürftigen und<br />

den Helfern des <strong>Rettungsdienst</strong>es. 247<br />

Geht e<strong>in</strong> Notruf <strong>in</strong> der Leitstelle e<strong>in</strong>, entscheidet dort e<strong>in</strong> Disponent entsprechend den<br />

Angaben des Hilfeersuchenden, welche Rettungsmittel e<strong>in</strong>gesetzt werden müssen und<br />

alarmiert <strong>in</strong> der Regel per Funkmeldeempfänger (FME; so genannte Piepser) die ent-<br />

sprechende(n) Besatzung(en). 248 Auf der Anfahrt gibt der Disponent der Besatzung über<br />

Funk die wichtigsten Informationen zum Notfall, vor allem den E<strong>in</strong>satzort und -anlass<br />

(Indikation), bekannt. 249 Ferner steht er dem E<strong>in</strong>satzpersonal zur Verfügung, wenn die-<br />

ses gegebenenfalls weitere Rettungsmittel nachfordert oder e<strong>in</strong> Krankenhaus sucht, das<br />

den Patienten aufn<strong>im</strong>mt. 250<br />

2.2.2 E<strong>in</strong>satzarten<br />

245<br />

Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 608f und vgl. METZSCH: Menschen helfen<br />

Menschen, 65 und vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 18.<br />

246<br />

Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 21. Die Rettungswachen müssen demnach<br />

so stationiert se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong> Rettungsmittel <strong>in</strong>nerhalb der vorgegebenen Zeit (= Hilfsfrist) zu jedem<br />

beliebigen E<strong>in</strong>satzort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bewohnten Gebiet e<strong>in</strong>treffen kann. Die Hilfsfrist wird <strong>im</strong> RD-Gesetz<br />

des jeweiligen Bundeslandes festgelegt und beträgt <strong>in</strong> der Regel ca. 10 bis 12 M<strong>in</strong>uten. Sie bietet<br />

aber ke<strong>in</strong>e Garantie dafür, dass <strong>in</strong> jedem Fall e<strong>in</strong> Rettungsmittel <strong>in</strong>nerhalb dieser Zeit vor Ort ist, weil<br />

das nächstgelegene Rettungsmittel durch e<strong>in</strong>en anderen E<strong>in</strong>satz eventuell bereits besetzt se<strong>in</strong> kann.<br />

Die Ausrückzeiten legen fest, <strong>in</strong>nerhalb welcher Zeit nach dem Notrufe<strong>in</strong>gang beziehungsweise der<br />

Alarmierung e<strong>in</strong> Rettungsmittel <strong>in</strong> Richtung E<strong>in</strong>satzort gestartet se<strong>in</strong> muss.<br />

247<br />

Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 610.<br />

248<br />

Die verschiedenen RD-Ausbildungen werden unter III, 2.2.3 und die Rettungsmittel unter III, 2.2.4<br />

dargestellt.<br />

249<br />

Zu den Indikationen zählen neben den verschiedenen chirurgischen und <strong>in</strong>ternistischen Anlässen<br />

auch gynäkologische, psychiatrische, pädiatrische und sonstige Hilfeleistungen. Um den Funkverkehr<br />

zu entlasten und aus Datenschutzgründen werden bei vielen Leitstellen die Indikationen <strong>in</strong> Form von<br />

Zahlenko mb<strong>in</strong>ationen übermittelt.<br />

250<br />

Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 610.<br />

55


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Bei den E<strong>in</strong>satzarten <strong>im</strong> RD wird zwischen Krankentransport und Notfallrettung unter-<br />

schieden. 251 Der Krankentransport ist für Nicht-Notfallpatienten e<strong>in</strong>gesetzt, die aus me-<br />

diz<strong>in</strong>ischen Gründen ke<strong>in</strong>e öffentlichen Verkehrsmittel benutzen können, die Fachper-<br />

sonal benötigen oder an e<strong>in</strong>er ansteckenden Krankheit leiden. 252<br />

Die Notfallrettung, also die Versorgung von Notfallpatienten, kann wiederum <strong>in</strong> Not-<br />

fälle und Notfalle<strong>in</strong>sätze untergliedert werden:<br />

Notfälle werden als nicht akut e<strong>in</strong>gestuft und wie dr<strong>in</strong>gliche oder planbare Kranken-<br />

transporte behandelt. Notfalle<strong>in</strong>sätze haben h<strong>in</strong>gegen absolute Priorität, weil hier dr<strong>in</strong>-<br />

gende Eile geboten ist, um menschliches Leben zu retten oder drohende Lebensgefahr<br />

zu vermeiden. Bei E<strong>in</strong>sätzen ist weiter zu entscheiden, ob zusätzlich e<strong>in</strong> Notarzt benö-<br />

tigt wird oder nicht. 253 Die zusätzliche Ansage „Achtung, Achtung“ bei der Alarmie-<br />

rung zu Notfalle<strong>in</strong>sätzen weist darauf h<strong>in</strong>, dass absolute Eile geboten ist und Sonder-<br />

rechte gelten; aufgrund der Dr<strong>in</strong>glichkeit erfolgt die Anfahrt mit der Verwendung von<br />

Sondersignalen, also blaues Bl<strong>in</strong>klicht und E<strong>in</strong>satz- beziehungsweise Mart<strong>in</strong>shorn ge-<br />

mäß §§ 35 und 38 der Straßenverkehrsordnung (StVO). 254 Vor e<strong>in</strong>em Patiententransport<br />

steht es <strong>in</strong> der Entscheidung des Notarztes beziehungsweise Rettungsassistenten, welche<br />

Dr<strong>in</strong>glichkeit vorliegt und ob Sonderrechte erforderlich s<strong>in</strong>d; die Leitstelle ist darüber<br />

rechtzeitig zu <strong>in</strong>formieren. 255<br />

Im E<strong>in</strong>zelnen s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong> Deutschland jährlich ca. 1,9 Millionen (19,9%) Notfalle<strong>in</strong>sätze<br />

mit Notarzt, ca. 2,0 Millionen (20,7%) Notfalle<strong>in</strong>sätze ohne Notarzt, ca. 2,2 Millionen<br />

(22,4%) dr<strong>in</strong>gliche Krankentransporte oder Notfälle und ca. 3,6 Millionen (37%) Kran-<br />

kentransporte, die auch als Aufträge bezeichnet werden. In 80% der Fälle wird <strong>im</strong> RD<br />

also ke<strong>in</strong> Notarzt benötigt. 256<br />

Da die Kostenfrage <strong>in</strong> unserem Gesundheitssystem e<strong>in</strong>e nicht unbedeutende Rolle<br />

spielt, soll an dieser Stelle auch darauf e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

251<br />

E<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> verschiedene E<strong>in</strong>satz- und Dienstabläufe bieten die Berichte des RD-<br />

Praktikums (Anhang 2).<br />

252<br />

Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 23.<br />

253<br />

Indikationen für e<strong>in</strong>en Notarzt s<strong>in</strong>d Bewusstlosigkeit, Atemstillstand, Schock, Verdacht auf Herz<strong>in</strong>farkt,<br />

starke Blutungen, Unfälle mit erkennbar Schwerverletzten, Vergiftungen und andere. Vgl.<br />

ASB: Erste Hilfe, 113.<br />

254<br />

Vgl. REDELSTEINER: Fahrzeuge, 677. Dort heißt es: „Der Gesetzgeber befreit wohl bei der Verwendung<br />

dieser Signale von der E<strong>in</strong>haltung mancher Verkehrsregeln, letztlich sollte aber aus der Sicht<br />

des Lenkers der E<strong>in</strong>satz von Sonderrechten als Bitte an die anderen Verkehrsteilnehmer verstanden<br />

werden, Platz zu machen.“ (REDELSTEINER: Fahrzeuge, 677.)<br />

255<br />

REDELSTEINER: Fahrzeuge, 678.<br />

256<br />

Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 611. Vgl. dazu auch MOHR / KETTLER:<br />

Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 118. Zu bemerken ist noch, dass nicht bei jedem Notarzte<strong>in</strong>satz unbed<strong>in</strong>gt<br />

e<strong>in</strong> Notarzt notwendig ist; aufgrund von ungenauen oder übertriebenen Notrufmeldungen können<br />

solche Situationen leicht zu Stande ko mmen.<br />

56


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Innerhalb e<strong>in</strong>es Kommunalkreises vere<strong>in</strong>baren die Vertreter der entsprechenden Lei-<br />

stungserbr<strong>in</strong>ger <strong>im</strong> RD und der Krankenkassen jährlich geme<strong>in</strong>sam Pauschalbeträge für<br />

den Patiententransport; dabei wird unterschieden, ob es sich um e<strong>in</strong>en Krankentransport<br />

oder e<strong>in</strong>e Notfallrettung handelt. 257 Das bedeutet, dass der Leistungsbr<strong>in</strong>ger nur dann<br />

Geld von den Krankenkassen erhält, wenn er e<strong>in</strong>en Patienten transportiert und am Zie-<br />

lort lebend übergeben hat. Verwendete Medikamente oder andere Materialien werden<br />

nicht abgerechnet. E<strong>in</strong>sätze, bei denen der Patient verstirbt, den Transport verweigert<br />

oder ke<strong>in</strong>e Transport<strong>in</strong>dikation besteht, gehen folglich zu Lasten der Rettungswachen.<br />

Deshalb wird versucht, die Pauschalbeträge möglichst so auszuhandeln, dass alle not-<br />

wendigen Unkosten der Leistungserbr<strong>in</strong>ger gedeckt werden können. 258<br />

2.2.3 Qualifikationen, Aus- und Fortbildungen<br />

Zum RD-Personal zählen zum e<strong>in</strong>en die Notärzte als ärztliches RD-Personal und zum<br />

anderen die Rettungsassistenten, Rettungssanitäter und Rettungshelfer als so genanntes<br />

Rettungsfachpersonal. 259 Mehr als 70% der <strong>im</strong> Rettungsfachpersonal beruflich Tätigen<br />

s<strong>in</strong>d Rettungsassistenten, ca. 25% Rettungssanitäter und ca. 2 % Rettungshelfer. 260<br />

E<strong>in</strong> Notarzt (NA) ist <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong> praktizierender Internist, Chirurg, Anästhesist<br />

(oder gegebenenfalls auch Gynäkologe oder Pädiater), der zusätzlich e<strong>in</strong>en Fachkun-<br />

denachweis für den RD erworben hat. 261<br />

Der Beruf des Rettungsassistenten (RA) ist e<strong>in</strong> Gesundheitsfachberuf und seit 1989<br />

durch das Gesetz über den Beruf der Rettungsassistent<strong>in</strong> und des Rettungsassistenten<br />

geschützt und als Ausbildungsberuf anerkannt. Ebenso wurde damals e<strong>in</strong>e Ausbildungs-<br />

und Prüfungsverordnung für Rettungsassistenten <strong>in</strong> Kraft gesetzt. 262<br />

Die Regelausbildung zum RA, die für Rettungssanitäter und Krankenpflegepersonal<br />

verkürzt werden kann, besteht aus zwei Ausbildungsjahren: Im ersten Jahr ist e<strong>in</strong>e theo-<br />

retische und praktische Ausbildung an e<strong>in</strong>er RA-Schule und <strong>im</strong> Krankenhaus zu absol-<br />

vieren (m<strong>in</strong>destens 1200 Stunden), die durch e<strong>in</strong>e staatliche Prüfung abgeschlossen<br />

wird. Im zweiten Jahr folgt e<strong>in</strong>e praktische Tätigkeit an e<strong>in</strong>er anerkannten Lehrret-<br />

tungswache unter Aufsicht e<strong>in</strong>es Lehrrettungsassistenten (m<strong>in</strong>destens 1600 Stunden).<br />

257 Konkretes Beispiel: In e<strong>in</strong>em dem Verfasser bekannten Kreis beträgt die Transportpauschale <strong>im</strong> Jahr<br />

2003 ca. 150 € für e<strong>in</strong>en Krankentransport und ca. 330 € für die Notfallrettung. Krankentransporte an<br />

Sonn- und Feiertagen und <strong>in</strong> der Nacht werden als Notfallrettung abgerechnet. Der E<strong>in</strong>satz und<br />

Transport des Notarztes ist vom RD-Träger zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />

258 Diese Informationen basieren auf den Aussagen verschiedener RD-Mitarbeiter.<br />

259 Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 611.<br />

260 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 800.<br />

261 Vgl. FLAKE: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 35.<br />

57


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Nach e<strong>in</strong>em Abschlussgespräch kann schließlich bei der zuständigen Behörde die Er-<br />

teilung der Berufsbezeichnung RA beantragt werden. 263<br />

Der RA ist für die E<strong>in</strong>satzbereitschaft se<strong>in</strong>es Rettungsfahrzeuges verantwortlich und<br />

leitet den RD-E<strong>in</strong>satz von der Anfahrt zum E<strong>in</strong>satzort bis zur Rückkehr auf der Ret-<br />

tungswache. Wenn e<strong>in</strong> Arzt anwesend ist, übern<strong>im</strong>mt dieser die Leitung und der RA<br />

assistiert ihm. In über 60% der Notfälle müssen Rettungsassistenten stabilisierende und<br />

lebensrettende Maßnahmen ergreifen, ohne dass e<strong>in</strong> Notarzt vor Ort ist. 264<br />

Die RD-Ausbildungen zum Rettungssanitäter (RS) und Rettungshelfer (RH) berechti-<br />

gen dazu, <strong>im</strong> RD tätig zu se<strong>in</strong>, s<strong>in</strong>d aber nicht als Ausbildungsberufe anerkannt.<br />

Die Ausbildung zum RS ist bisher nicht verb<strong>in</strong>dlich geregelt; es liegt <strong>in</strong> den Händen der<br />

jeweiligen Hilfsorganisation, welche Inhalte an ihren RD-Schulen vermittelt werden<br />

und wie die RS-Ausbildung aufgebaut ist. Es gibt dazu lediglich vom Bund-Länder-<br />

Ausschuss Rettungswesen empfohlene Grundsätze, die 1977 erarbeitet worden s<strong>in</strong>d.<br />

Diese schlagen e<strong>in</strong>en Kurs vor, der sich aus m<strong>in</strong>destens 520 Stunden zusammensetzt.<br />

Der Ausbildungsweg zum RS enthält nach den genannten Empfehlungen e<strong>in</strong>e theoreti-<br />

sche Ausbildung (eventuell mit Prüfung), e<strong>in</strong> Kl<strong>in</strong>ikpraktikum und e<strong>in</strong>e Rettungswa-<br />

chenausbildung (jeweils m<strong>in</strong>destens 160 Stunden) und e<strong>in</strong>en Abschlusslehrgang (40<br />

Stunden) mit e<strong>in</strong>er Prüfung, die <strong>in</strong> der Regel unter staatlicher Aufsicht durchgeführt<br />

wird. Rechtlich hat e<strong>in</strong> RS allerd<strong>in</strong>gs (annähernd) e<strong>in</strong>e vergleichbare Kompetenz wie<br />

e<strong>in</strong> RA. 265<br />

Die RH-Ausbildung ist die niedrigste Qualifikation <strong>im</strong> RD und als E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> den<br />

RD gedacht. Sie wird <strong>in</strong> den verschiedenen Hilfsorganisationen und zum Teil auch <strong>in</strong><br />

den Regionen unterschiedlich gestaltet. Die Ausbildung setzt e<strong>in</strong>en Erste-Hilfe-Kurs<br />

voraus und umfasst m<strong>in</strong>destens 320 Stunden. E<strong>in</strong> RH unterstützt den RS oder RA <strong>im</strong><br />

262 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 794 u. 798.<br />

263 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 802-806 und vgl. FLAKE: Organisation<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 32f. Inwiefern <strong>im</strong> Rahmen der RD-Ausbildung auf ethische und religiöse<br />

Aspekte e<strong>in</strong>gegangen wird, ist auch von den RD-Schulen und -Dozenten abhängig. Vgl. dazu auch<br />

die Fragebögen RD 1-3 (jeweils 13.1).<br />

264 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 808f.<br />

265 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 801f. Vgl. dazu auch FLAKE: Organisation<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 31f. Klaus Runggaldier bemerkt zur RS-Ausbildung: „Es darf [...] nicht<br />

übersehen werden, dass die Ausbildung zum RS von Fachleuten als auf die Dauer nicht geeignet angesehen<br />

wurde, um die für die Notfallrettung notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln.<br />

Denn für die Konfrontation mit lebensbedrohlichen Zuständen von Menschen ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e nur<br />

dre<strong>im</strong>onatige Ausbildung schlichtweg unzureichend.“ (RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong><br />

<strong>Rettungsdienst</strong>, 820.)<br />

58


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Krankentransport und <strong>in</strong> der Notfallrettung und wird <strong>in</strong> der Regel als Fahrer e<strong>in</strong>ge-<br />

setzt. 266<br />

Wer <strong>im</strong> RD tätig ist, muss jedes Jahr e<strong>in</strong>e gewisse Anzahl an Fortbildungen und Übun-<br />

gen absolvieren, die <strong>in</strong> der jeweiligen Hilfsorganisation geregelt und angeboten werden.<br />

Hier werden die Kenntnisse der Grundausbildung wiederholt und vertieft, aber auch<br />

neue Erkenntnisse vermittelt; so gab es zum Beispiel auch Fortbildungen zu den The-<br />

men <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention. 267 Das so genannte Mega-Code-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g,<br />

bei dem alle Facetten e<strong>in</strong>es Rean<strong>im</strong>ationse<strong>in</strong>satzes (von der Herzdruckmassage bis h<strong>in</strong><br />

zu den Medikamenten und zur Defibrillation) wiederholt und geübt werden, steht <strong>in</strong> der<br />

Regel halbjährlich verpflichtend auf dem Programm.<br />

Über die genannten RD-Grundausbildungen h<strong>in</strong>aus gibt es ferner Zusatzausbildungen<br />

und -qualifikationen wie zum Lehrrettungsassistent (LRA) 268 , staatlich geprüften Des<strong>in</strong>-<br />

fektor 269 , Wachleiter, Leitstellendisponent und Organisatorischer Leiter RD (OrgL RD),<br />

der vor allem bei Großschadensfällen tätig wird. 270<br />

2.2.4 Rettungsmittel<br />

Im RD wird zwischen folgenden Rettungsmitteln unterschieden, die jeweils nach der<br />

entsprechenden Deutschen Industrie Norm (DIN) ausgestattet und entsprechend dem<br />

RD-Gesetz des jeweiligen Bundeslandes besetzt s<strong>in</strong>d: 271<br />

1) Krankentransportwagen (KTW)<br />

In der Regel setzt sich e<strong>in</strong>e KTW-Besatzung aus e<strong>in</strong>em RS und e<strong>in</strong>em RH zu-<br />

sammen und dient dem Krankentransport. Ausnahmsweise kann der KTW als so<br />

genannter First Responder zu e<strong>in</strong>em Notfall geschickt werden, wenn aufgrund<br />

von Überbelastung kurzfristig ke<strong>in</strong> RTW <strong>im</strong> E<strong>in</strong>satzgebiet zur Verfügung steht.<br />

Der First Responder übern<strong>im</strong>mt <strong>in</strong> diesem Fall die Erstversorgung des Notfall-<br />

patienten und wartet dann (<strong>im</strong> Normalfall) auf den nächsten zur Verfügung ste-<br />

henden RTW (s. u.), der die weitere Versorgung und den Transport übern<strong>im</strong>mt.<br />

266<br />

Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 800f. Vgl. dazu auch FLAKE: Organisation<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 34f.<br />

267<br />

Vgl. dazu auch Fragebogen RD 2 (13.3).<br />

268<br />

E<strong>in</strong> LRA ist an der Aus- und Fortbildung von RD-Personal beteiligt. Vgl. dazu FLAKE: Organisation<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 33f. Vgl. ferner RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 807.<br />

269<br />

Der Des<strong>in</strong>fektor ist auf se<strong>in</strong>er Rettungswache für die ordnungsgemäße Des<strong>in</strong>fektion der Rettungsmittel,<br />

des Personals und der Geräte verantwortlich.<br />

270<br />

Vgl. dazu FLAKE: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 36f.<br />

271<br />

Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 23 und vgl. RUNGGALDIER: Organisation<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 608 und vgl. FLAKE: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 40-42. Auf weitere<br />

Rettungsmittel, die so genannten Spezialrettungsmittel wie zum Beispiel e<strong>in</strong> Baby-NAW und e<strong>in</strong> Intensivtransportwagen,<br />

kann hier nicht e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

59


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

2) Rettungs(-transport-)wagen (RTW)<br />

E<strong>in</strong> RTW ist <strong>in</strong> der Regel besetzt mit e<strong>in</strong>em den E<strong>in</strong>satz leitenden RA und e<strong>in</strong>em<br />

RS oder RH als Fahrer. Der RTW gewährleistet die Erstversorgung von Notfall-<br />

patienten und transportiert diese. E<strong>in</strong> RTW kann also sowohl <strong>im</strong> Krankentrans-<br />

port als auch <strong>in</strong> der Notfallrettung e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

Die Ausstattung an mediz<strong>in</strong>ischen Geräten und Medikamenten dient der Erhal-<br />

tung beziehungsweise Wiederherstellung der Vitalfunktionen. So gehören bei-<br />

spielsweise e<strong>in</strong> Notfallkoffer (für Atmung, Kreislauf und Wiederbelebung), di-<br />

verse Medikamente, e<strong>in</strong> Beatmungsgerät und e<strong>in</strong> EKG-Monitor mit Defibrillator<br />

zur Grundausstattung ebenso dazu wie Verbandmaterial, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>dernotfallkoffer<br />

und chirurgisches Notfallbesteck.<br />

3) Notarztwagen (NAW)<br />

Die Ausstattung entspricht <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>em RTW, allerd<strong>in</strong>gs wird die Besat-<br />

zung um e<strong>in</strong>en Notarzt (NA) erweitert; e<strong>in</strong> RTW mit NA ist also e<strong>in</strong> NAW. Der<br />

NAW dient der Erstversorgung und dem Transport von Notfallpatienten mit<br />

Notarzt<strong>in</strong>dikation.<br />

4) Notarzte<strong>in</strong>satzfahrzeug (NEF)<br />

Das NEF ist e<strong>in</strong> Pkw mit Notfallausstattung und br<strong>in</strong>gt den Notarzt unabhängig<br />

vom RTW zum E<strong>in</strong>satzort. Besetzt ist es <strong>in</strong> der Regel mit e<strong>in</strong>em NA und e<strong>in</strong>em<br />

RA.<br />

5) Rettungshubschrauber (RTH)<br />

Die RTH-Besatzung setzt sich <strong>in</strong> der Regel aus e<strong>in</strong>em Piloten, e<strong>in</strong>em RA und<br />

e<strong>in</strong>em NA zusammen. Der RTH kann als Notarztzubr<strong>in</strong>ger oder für e<strong>in</strong>en<br />

schnellen und schonenden Transport über weite Distanzen e<strong>in</strong>gesetzt werden. 272<br />

2.2.5 Gesetzliche Best<strong>im</strong>mungen<br />

Für den RD-Bereich gelten zahlreiche rechtliche Best<strong>im</strong>mungen, die hier nicht <strong>im</strong> E<strong>in</strong>-<br />

zelnen behandelt werden können. Dazu zählen unter anderem Regelungen zur Schwei-<br />

gepflicht, zum Datenschutz, zum Straßenverkehr und vor allem auch das Mediz<strong>in</strong>pro-<br />

dukte- und das Betäubungsmittelgesetz. In dieser Arbeit soll lediglich auf die Garanten-<br />

stellung und die so genannte Notkompetenz e<strong>in</strong>gegangen werden. 273<br />

272 Zu diesem gesamten Abschnitt vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 23 und vgl.<br />

RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 608 u. 612 und vgl. FLAKE: Organisation des<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>es, 40-42.<br />

273 Deshalb sei weiterführend verwiesen auf UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es.<br />

60


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Garantenstellung (nach § 13 StGB) verpflichtet das Rettungsfachpersonal dazu,<br />

„spätestens mit der Übernahme e<strong>in</strong>es konkreten E<strong>in</strong>satzauftrags von der Rettungsleit-<br />

stelle [...] sämtliche erforderlichen, ihm möglichen und zumutbaren Hilfeleistungen am<br />

Patienten durchzuführen.“ 274 Erleidet der Patient durch e<strong>in</strong>e unterlassene Hilfeleistung<br />

der Rettungskräfte e<strong>in</strong>en Schaden, können diese wegen Körperverletzung oder gegebe-<br />

nenfalls sogar wegen Tötung bestraft werden. 275<br />

Die so genannte Notkompetenz wird seit fast 20 Jahren „<strong>im</strong> juristischen Schrifttum zum<br />

Rettungswesen“ 276 diskutiert und ist nicht ganz unproblematisch. Notkompetenz <strong>im</strong> RD<br />

bedeutet, dass Rettungsassistenten (und ferner auch Rettungssanitäter) <strong>im</strong> Falle e<strong>in</strong>er<br />

Nichterreichbarkeit des Notarztes ausnahmsweise dr<strong>in</strong>gend <strong>in</strong>dizierte <strong>in</strong>vasive, also<br />

e<strong>in</strong>greifende und sonst dem Arzt vorbehaltene, Maßnahmen bei e<strong>in</strong>em Notfallpatienten<br />

durchführen dürfen und sogar müssen, um dadurch Lebensgefahr oder e<strong>in</strong>en schweren<br />

körperlichen Schaden zu verh<strong>in</strong>dern. Zu diesen Maßnahmen zählen zum Beispiel die<br />

Venenpunktion, die Intubation (für die künstliche Beatmung) oder die Verabreichung<br />

von Infusionen. Vorausgesetzt wird dabei, dass der handelnde RD-Mitarbeiter die ent-<br />

sprechende Maßnahme <strong>im</strong> Rahmen se<strong>in</strong>er Ausbildung erlernt hat und zu ihrer Durch-<br />

führung befähigt ist. 277<br />

Abschließend lässt sich zum juristischen Bereich festhalten, dass der RD rechtlich gese-<br />

hen oft e<strong>in</strong>e „gefahrgeneigte Arbeit“ 278 <strong>in</strong> sich birgt, die für den Träger und die Mitar-<br />

beiter unter Umständen strafrechtliche Konsequenzen nach sich führen kann.<br />

3 Arbeitsplatz <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3.1 Personal <strong>in</strong> Zahlen<br />

Im Jahr 2001 waren laut Statistischem Bundesamt <strong>in</strong>sgesamt ungefähr 46.000 Personen,<br />

darunter etwa 15.000 Frauen (hauptamtlich) <strong>im</strong> RD beschäftigt. 279<br />

Be<strong>im</strong> DRK gab es <strong>im</strong> Jahr 2002 <strong>in</strong>sgesamt 30.419 <strong>Rettungsdienst</strong>ler, davon 15.448<br />

Hauptamtliche, 3.109 Aushilfen, 3.023 Zivildienstleistende und 8.839 Ehrenamtliche.<br />

274<br />

UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 770.<br />

275<br />

Vgl. UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 770.<br />

276<br />

UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 775.<br />

277<br />

UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 775f. Vgl. auch RUNGGALDIER: Tips für den<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>alltag, 5f.<br />

278<br />

UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 772.<br />

279<br />

Vgl. www.destatis.de/basis/d/gesu/gesutab2.htm (vom 07.08.2003). Im Jahr 2000 war das RD-<br />

Personal nur 44.000 Personen stark, darunter 13.000 Frauen. Nach den Angaben von Klaus Runggaldier<br />

s<strong>in</strong>d es etwa 15.000 Notärzte und 35.000 Rettungsassistenten, -sanitäter und -helfer. Vgl.<br />

RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 608.<br />

61


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Be<strong>im</strong> ASB waren <strong>im</strong> gleichen Jahr 2.959 Hauptamtliche und 5.429 Ehrenamtliche <strong>im</strong><br />

Bereich des gesamten Rettungswesens e<strong>in</strong>gesetzt (also beispielsweise auch <strong>im</strong> nichtme-<br />

diz<strong>in</strong>ischen Krankentransport). Be<strong>im</strong> MHD setzte sich, ebenfalls 2002, das RD-Personal<br />

mit <strong>in</strong>sgesamt 3.986 Personen aus 1.117 Hauptamtlichen, 662 Aushilfen, 464 Zivil-<br />

dienstleistenden und 1.743 Ehrenamtlichen zusammen. 280 Von der JUH waren (trotz<br />

Anfrage) ke<strong>in</strong>e Angaben zu erfahren.<br />

3.2 Motivation des Personals<br />

Was bewegt Menschen dazu, sich <strong>im</strong> RD zu engagieren und dafür ungünstige Arbeits-<br />

zeiten, ger<strong>in</strong>ge Aufstiegsmöglichkeiten, hohe physische und psychische Belastungen<br />

und e<strong>in</strong> vergleichsweise niedriges Gehalt <strong>in</strong> Kauf zu nehmen? 281<br />

Thomas Stepan stellt fest, „dass die Art der Motivation [...] ausschlaggebend dafür ist,<br />

ob der Betroffene bei der Tätigkeit längerfristig Erfüllung und Befriedigung erlangt<br />

oder aber der S<strong>in</strong>n für das Helfen verloren geht.“ 282<br />

Bei e<strong>in</strong>er Umfrage unter dem RD-Personal e<strong>in</strong>es Kreisverbandes wurden die folgenden<br />

Motivationsaspekte am häufigsten genannt: Umgang mit Menschen, Leben retten, Ab-<br />

wechslung und Herausforderung, S<strong>in</strong>ngebung und schließlich Blaulichtfahrten. 283 Ins-<br />

gesamt lassen sich bei den vielfältigen Motiven teils s<strong>in</strong>n- und teils erlebnisorientierte<br />

Aspekte f<strong>in</strong>den. Am Anfang steht bei den meisten RD-Mitarbeitern e<strong>in</strong>e „vorwiegend<br />

idealistische Auffassung“. 284<br />

Die Antworten der Fragebögen lassen darauf schließen, dass die genannten Ideale e<strong>in</strong>e<br />

wichtige Rolle bei der Motivation spielen, besonders das Ideal des Helfens. 285<br />

280<br />

Diese Informationen s<strong>in</strong>d auf briefliche Anfrage <strong>im</strong> August 2003 vom Generalsekretariat bzw. vom<br />

Bundesvorstand der jeweiligen Hilfsorganisation zugesandt worden. Die zahlenmäßige Relation von<br />

weiblichem und männlichem Personal war daraus nicht zu erschließen.<br />

281<br />

Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 27f. Die genannten Aspekte werden später (unter<br />

III, 3.4) noch näher erläutert.<br />

282<br />

STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 29.<br />

283<br />

Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 30. Vgl. dazu auch die kritische Aussage <strong>im</strong><br />

Fragebogen NFS (6): „Bei vielen <strong>Rettungsdienst</strong>lern wird der Dienst weniger als Dienst am Menschen<br />

gesehen, sondern eher als eigener Geltungsdrang. Es stärkt das Selbstbewusstse<strong>in</strong>, wenn jemand<br />

mit Blaulicht und Mart<strong>in</strong>shorn durch die Straßen fährt, um auf sich aufmerksam zu machen.“<br />

284<br />

STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 34. Wesentliche Motivationen s<strong>in</strong>d: 1) Verantwortungsgefühl<br />

(moralische Verpflichtung), 2) Abenteuer und Neues erleben, ke<strong>in</strong>e Rout<strong>in</strong>e, 3) Wunsch<br />

nach Anerkennung durch das soziale Umfeld und Gesellschaft und 4) soziale Kontakte. Vgl. STEPAN:<br />

Motive und Psychologie des Helfens, 34.<br />

285<br />

Alle Befragten (Fragebögen RD und KID) gaben als Motivation an, anderen helfen zu können. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus war für RD 1 e<strong>in</strong>e zusätzliche Motivation, dass er selbst etwas bewirken kann; RD 2 bewegte<br />

auch die Neugierde und Herausforderung und für RD 3 verleiht die Arbeit <strong>im</strong> RD zudem (e <strong>in</strong>en)<br />

S<strong>in</strong>n. Vgl. dazu die Fragebögen RD 1-3 (jeweils 9) und KID (6).<br />

62


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Nicht selten bleiben Zivildienstleistende nach ihrer Dienstzeit weiterh<strong>in</strong> <strong>im</strong> RD ehren-<br />

amtlich tätig; teilweise absolvieren ehemalige Zivildienstleistende sogar die RA-<br />

Ausbildung und treten <strong>in</strong> e<strong>in</strong> hauptamtliches Beschäftigungsverhältnis e<strong>in</strong>, anstatt <strong>in</strong><br />

ihren zuvor erlernten Beruf zurückzukehren beziehungsweise e<strong>in</strong> Studium oder e<strong>in</strong>e<br />

(andere) Ausbildung zu beg<strong>in</strong>nen. 286<br />

3.3 Spannung zwischen Klischee und Wirklichkeit<br />

Wer sich be<strong>im</strong> Arbeitsamt über den Beruf des Rettungsassistenten erkundigen will, f<strong>in</strong>-<br />

det <strong>in</strong> der aktuellen Informationsmappe folgende erste Berufsumschreibung: „Mit quiet-<br />

schenden Reifen und bl<strong>in</strong>kendem Mart<strong>in</strong>shorn bahnt sich der Rettungswagen se<strong>in</strong>en<br />

Weg durch die Autokolonne des Feierabendverkehrs. Der e<strong>in</strong>satzleitende RA und se<strong>in</strong><br />

Beifahrer lassen sich davon jedoch nicht aus der Ruhe br<strong>in</strong>gen.“ 287<br />

Mart<strong>in</strong>shorn und Blaulicht s<strong>in</strong>d vermutlich die ersten Assoziationen, die dem Bevölke-<br />

rungsdurchschnitt zum Stichwort „<strong>Rettungsdienst</strong>“ <strong>in</strong> den S<strong>in</strong>n kommen; denn auf diese<br />

Weise nehmen die meisten Menschen Tag für Tag den RD wahr. Der Beschreibung<br />

oben entsprechend werden die Mitarbeiter des <strong>Rettungsdienst</strong>es wohl oft als unerschüt-<br />

terlich, vielleicht auch als kühn und be<strong>in</strong>ahe gefühllos bewertet. 288<br />

In der Öffentlichkeit gibt es ohne Zweifel e<strong>in</strong>e mangelnde Anerkennung des Rettungs-<br />

dienstes und se<strong>in</strong>er Mitarbeiter. 289 So werden qualifizierte Rettungsassistenten nicht<br />

selten lediglich als Krankenwagenfahrer bezeichnet; bei E<strong>in</strong>sätzen wird oft nur nach<br />

dem Notarzt gefragt und nach Zeitungsberichten s<strong>in</strong>d an Unfallorten <strong>im</strong>mer zahlreiche<br />

Ärzte, aber ke<strong>in</strong>e Rettungsassistenten oder -sanitäter aktiv. 290<br />

286 Diese Angaben basieren auf eigenen Erfahrungen. Statistiken konnten hierzu nicht gefunden werden.<br />

Durch die Verkürzung der Zivildienstzeit auf zehn Monate und der langen Ausbildung lohnt es sich<br />

für Rettungswachen heutzutage kaum noch, Zivildienstleistende aufgrund der langen Ausbildung <strong>im</strong><br />

RD e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

287 BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT : Informationsmappe 130, A 03-92. Der Verfasser muss an dieser Stelle<br />

zugeben, dass er trotz mehrjähriger Erfahrung bislang noch „ke<strong>in</strong> bl<strong>in</strong>kendes Mart<strong>in</strong>shorn“ entdeckt<br />

hat. Angesichts dieser mit Klischees angereicherten RD-Beschreibung <strong>im</strong> Zitat möge der Leser diese<br />

Bemerkung wohlwollend verzeihen.<br />

288 Vgl. dazu auch die Vorurteile des <strong>Seelsorge</strong>rs <strong>in</strong> der Karikatur von Daniel Lüdel<strong>in</strong>g (Abb. 1), auf die<br />

<strong>in</strong> der E<strong>in</strong>leitung e<strong>in</strong>gegangen wurde. Gelegentlich gibt es auch Vorurteile, nach denen die <strong>Rettungsdienst</strong>ler<br />

mit Blaulicht mal schnell Pizza oder Eis holen fahren. Manchmal gehen auch Beschwerden<br />

auf Rettungswachen e<strong>in</strong>, weil e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satzfahrzeug mit dem Mart<strong>in</strong>shorn die Ruhe der Anwohner<br />

störte. Die Bevölkerung weiß <strong>in</strong> der Regel nicht sehr viel von der Realität des <strong>Rettungsdienst</strong>es. Geschätzt<br />

werden die Menschen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>satzkleidung oft nur, wenn ihre Unterstützung für e<strong>in</strong>en selbst<br />

oder Angehörige benötigt wird. E<strong>in</strong> Wort des Dankes für die geleistete Hilfe ist nicht mehr unbed<strong>in</strong>gt<br />

selbstverständlich, weil der E<strong>in</strong>satz oft als bezahlte Leistung der Krankenkasse aufgefasst wird.<br />

289 Diese mangelnde Anerkennung und Kenntnis der Arbeit des <strong>Rettungsdienst</strong>es st<strong>im</strong>mt e<strong>in</strong>en der Lehrrettungsassistenten<br />

<strong>in</strong> den Fragebögen unzufrieden. Vgl. Fragebogen RD 3 (10).<br />

290 Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 37.<br />

63


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Auch die Darstellungen <strong>in</strong> den TV-Serien (zum Beispiel Alphateam <strong>in</strong> SAT. 1) und <strong>im</strong><br />

Reality-TV (zum Beispiel Notruf <strong>in</strong> RTL) geben nur e<strong>in</strong> verzerrtes Bild des Rettungs-<br />

dienstes wieder. 291 So lässt sich mit den Worten von Thomas Stepan festhalten: „Die<br />

Intention der Sendungen war von vornhere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere, als oft angekündigt. Hier geht<br />

es nicht darum, dem Durchschnittsbürger die wirkliche Arbeit des <strong>Rettungsdienst</strong>es<br />

näherzubr<strong>in</strong>gen, sondern re<strong>in</strong> um Action, um voyeuristisch anmutenden Sensationsjour-<br />

nalismus und um Spiel mit den Emotionen [...] der Zuschauer.“ 292<br />

Um e<strong>in</strong>en realistischeren E<strong>in</strong>druck vom RD zu gew<strong>in</strong>nen, empfiehlt sich vor allem der<br />

persönliche Kontakt mit den Mitarbeitern. Das folgende Gedicht von Hans Spiecker<br />

kann dabei vielleicht auf poetische Weise zu e<strong>in</strong>em besseren Grundverständnis weiter-<br />

helfen:<br />

3.4 Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

3.4.1 Arbeitszeiten und Vergütung<br />

„ Auch Helfer s<strong>in</strong>d Menschen<br />

Manchmal s<strong>in</strong>d auch [...]<br />

Sanitäter erschüttert [...]<br />

Sie kennen Freude,<br />

Enttäuschung, Geduld.<br />

Sie haben Sorgen,<br />

Familie und Schuld.<br />

Sie gleichen dir sehr.“ 293<br />

Die Arbeitszeiten für Hauptamtliche <strong>im</strong> RD s<strong>in</strong>d von der durchschnittlichen Auslastung<br />

der jeweiligen Wache abhängig. Jede Rettungsleitstelle errechnet statistisch ihren<br />

durchschnittlichen Bedarf an Rettungsmitteln, die so genannten Vorhaltezeiten, zu den<br />

unterschiedlichen Tageszeiten; dementsprechend ergeben sich auf den e<strong>in</strong>zelnen Ret-<br />

tungswachen verschiedene Schichten. 294<br />

Als Arbeitszeit wird vor allem nur die Zeit angerechnet, die (statistisch gesehen) durch-<br />

schnittlich von tatsächlicher Arbeit geprägt ist, der übrige Teil bleibt als Bereitschafts-<br />

dienst <strong>in</strong> der Regel unbezahlt. Auf Rettungswachen mit ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>satzaufkommen<br />

291 Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 37 und vgl. STEPAN: Reality-TV und <strong>Rettungsdienst</strong>,<br />

369. Weiterführend sei h<strong>in</strong>gewiesen auf STEPAN: Reality-TV und <strong>Rettungsdienst</strong>, 369-377. So<br />

schreibt Thomas Stephan: „Die Arbeit des <strong>Rettungsdienst</strong>es wird <strong>in</strong> teilweise unrealistischer Weise<br />

dargestellt und beschränkt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl der Beiträge auf e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>drucksvolles Spiel mit Blaulicht<br />

und Mart<strong>in</strong>shorn.“ (STEPAN: Reality-TV und <strong>Rettungsdienst</strong>, 377.)<br />

292 STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 38.<br />

293 SPIECKER: H<strong>in</strong>ter Bremsspur und Blaulicht, 60. Da professionelle Helfer auch Menschen s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d<br />

auch sie nicht frei von Emotionen – gerade, wenn es um existentielle Erfahrungen geht.<br />

64


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

kann es also se<strong>in</strong>, dass die Arbeits- und Bereitschaftszeit für e<strong>in</strong>en Mitarbeiter <strong>in</strong>sge-<br />

samt bis zu 60 Stunden pro Woche betragen. 295 Überstunden können gegebenenfalls<br />

noch dazukommen. Verschiedene Schichtdienste (Tag- und Nachtschichten, auf man-<br />

chen Wachen sogar 24-Stunden-Schichten und andere) gehören ebenso selbstverständ-<br />

lich zur Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es wie die Arbeit an Sonn- und Feiertagen. 296<br />

Bei den Hilfsorganisationen ist die Vergütung des hauptamtlichen RD-Personals nach<br />

Bundesland und Region verschieden. In der Regel erhalten Rettungsassistenten e<strong>in</strong> Ge-<br />

halt, das ungefähr der Gruppe VIb des Bundesangestelltentarifs (BAT) entspricht; e<strong>in</strong><br />

Aufstieg bis <strong>in</strong> Gruppe Vc BAT ist möglich. Rettungssanitäter verdienen meist e<strong>in</strong> Ge-<br />

halt, das etwa dem der Gruppe VII BAT gleichkommt. 297 Die Vergütung hängt zum<br />

e<strong>in</strong>en von der Gehaltsgruppe ab, <strong>in</strong> die der jeweilige Mitarbeiter entsprechend der<br />

Grundqualifikation (RA, RS oder RH), dem Alter, dem Familienstand und der Dauer<br />

der Betriebszugehörigkeit (Bewährungsaufstieg) zugeordnet wird, und zum anderen von<br />

den Zuschlägen, die für geleistete Dienststunden <strong>in</strong> der Nacht, an Sonn- und Feiertagen<br />

gewährt werden. Ferner können durch Zusatzqualifikationen (wie Des<strong>in</strong>fektor, Lehrret-<br />

tungsassistent) weitere Gehaltszuwächse erreicht werden. 298<br />

3.4.2 Belastungen und Gefahren<br />

3.4.2.1 Physische und psychische Belastungen und Gefahren<br />

Zu den persönlichen und privaten Belastungen, die das Leben des e<strong>in</strong>zelnen Mitarbei-<br />

ters <strong>im</strong> RD (und auch bei der Feuerwehr) ohneh<strong>in</strong> schon prägen, kommen zahlreiche<br />

berufsbed<strong>in</strong>gte belastende und gefährliche Situationen und Umstände h<strong>in</strong>zu.<br />

Der RD-Alltag ist durch ständige Bereitschaft und Ungewissheit geprägt. Der nächste<br />

E<strong>in</strong>satz kann beispielsweise e<strong>in</strong>e Fehlfahrt, e<strong>in</strong> unkomplizierter Krankentransport, e<strong>in</strong>e<br />

Rean<strong>im</strong>ation oder sogar e<strong>in</strong> schweres Busunglück se<strong>in</strong>.<br />

Auf der e<strong>in</strong>en Seite steht das Geduld fordernde Warten auf die Alarmierung und auf der<br />

anderen Seite steht die Arbeit und Entscheidungsf<strong>in</strong>dung unter Zeitdruck bei e<strong>in</strong>em<br />

294<br />

E<strong>in</strong> konkretes Beispiel wird anhand der Schichte<strong>in</strong>teilung der Rettungswache <strong>in</strong> Großkrotzenburg<br />

unter III, 3.5 gegeben.<br />

295<br />

Vgl. MHD: Q-Tipp, 9.<br />

296<br />

Diese Informationen wurden vom DRK-Generalsekretariat gegeben. Vgl. auch MHD: Q-Tipp, 9f.<br />

297<br />

Vgl. www.asb-onl<strong>in</strong>e.de/home/home.htm (vom 08.09.2003).<br />

298<br />

Diese Informationen wurden vom DRK-Generalsekretariat auf Anfrage gegeben. Vgl. auch MHD:<br />

Q-Tipp, 10f. Als konkrete Beispiele für die Vergütung mögen folgende Angaben dienen: Im Jahr<br />

2002 lag das Grundgehalt (ohne Zuschläge und Überstunden) e<strong>in</strong>es 25jährigen ledigen Rettungsassistenten<br />

be<strong>im</strong> MHD bei ungefähr 1.500 € brutto und bei e<strong>in</strong>em 30jährigen verheirateten Rettungsassistenten<br />

(mit e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d) ca. 1.950 € brutto pro Monat. Vgl. MHD: Q-Tipp, 10f. Aktuelle Daten waren<br />

nicht zu erhalten. Das ehrenamtliche Personal erhält <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>e Aufwandsentschädigung<br />

65


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

dr<strong>in</strong>genden Notfall. H<strong>in</strong>zu kommt die Anspannung und Unsicherheit bei der Anfahrt zur<br />

E<strong>in</strong>satzstelle, weil die Lage vor Ort trotz gemeldeter E<strong>in</strong>satz<strong>in</strong>dikation <strong>im</strong>mer ungeahnte<br />

Überraschungen und Gefahren mit sich br<strong>in</strong>gen kann. Die Spanne der alltäglichen Be-<br />

rufserfahrungen kann von der glücklichen Geburt e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des über e<strong>in</strong>en Verkehrsun-<br />

fall mit Schwerverletzten bis h<strong>in</strong> zu verbrannten oder verstümmelten Toten führen. 299<br />

Ebenso spiegeln die E<strong>in</strong>satzorte und Patienten die Bandbreite des Lebens wider: von der<br />

Sozialwohnung zur Villa und vom Säugl<strong>in</strong>g zum alten Menschen. 300<br />

Die RD-Mitarbeiter erleben bei ihrer Arbeit Alter, Sterben, Krankheiten, Geburt, Tod,<br />

Armut und Reichtum, K<strong>in</strong>der, Erwachsene, Obdachlose, e<strong>in</strong>same Menschen etc; sie<br />

erfahren Realität – und zwar ungeschönt. 301<br />

Besonders belastend ist die direkte Konfrontation mit der menschlichen Verletzbarkeit<br />

und Endlichkeit: K<strong>in</strong>dernotfälle, erfolglose Rean<strong>im</strong>ationsversuche (besonders bei Säug-<br />

l<strong>in</strong>gen und K<strong>in</strong>dern), psychiatrische Notfälle (beispielsweise Suizidandrohung), zahlrei-<br />

che Tote, Schwerverletzte und verzweifelte Angehörige; noch belastender wird es, wenn<br />

es sich dabei um Verwandte, Freunde, Kollegen oder Bekannte handelt oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

ähnlichen Situation bereits selbst negative Erfahrungen gesammelt wurden. 302<br />

Weiter haben die Erlebnisse von eigener Hilflosigkeit, von persönlichen Fehlern mit<br />

negativen Folgen für den Patienten, die Bedrohung der eigenen Gesundheit und das<br />

Gefühl, nicht alles Machbare getan zu haben „e<strong>in</strong>e hohe Traumatisierungspotenz“. 303 Es<br />

ist also e<strong>in</strong>e Fülle an E<strong>in</strong>drücken und Erfahrungen, die <strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit erlebt<br />

wird und verarbeitet se<strong>in</strong> will. Mitarbeiter <strong>im</strong> RD haben also außergewöhnliche Ereig-<br />

nis- und Berufsstressoren. 304<br />

für die Verpflegung. Bei e<strong>in</strong>er dem Verfasser bekannten Rettungswache beträgt diese Aufwandsentschädigung<br />

beispielsweise 1 € pro Dienststunde.<br />

299 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 811.<br />

300 Da ist zum Beispiel der tote Drogenabhängige <strong>in</strong> der Bahnhofstoilette zu nennen oder der Firmenchef<br />

mit Herz<strong>in</strong>farkt auf dem Bürostuhl. Da ist die krebskranke Hausfrau, die sich auf dem Bett <strong>im</strong><br />

Schlafz<strong>im</strong>mer die Pulsadern aufgeschnitten hat; dann s<strong>in</strong>d da die Rentner<strong>in</strong>, die an der Bushaltestelle<br />

gestürzt ist, der Alkoholiker, der aus dem Fenster spr<strong>in</strong>gen will und das kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>d, das von e<strong>in</strong>em<br />

Auto angefahren wurde etc.<br />

301 Vgl. dazu auch Fragebogen RD 2 (15.1): Sterbefahrten und die Konfrontation mit extremer Armut<br />

werden von diesem Rettungsassistenten neben K<strong>in</strong>dernotfällen, die auch die Fragebögen RD 1+3<br />

(jeweils 15.1) nennen, als besonders belastend erlebt.<br />

302 Vgl. GIESEN: E<strong>in</strong>satznachbereitung, 2 und vgl. STEPAN: Angst <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 162 und vgl.<br />

WIETERSHEIM: Psychische Aspekte be<strong>im</strong> Betreuungse<strong>in</strong>satz, 133.<br />

303 GIESEN: E<strong>in</strong>satznachbereitung, 2 und vgl. STEPAN: Angst <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 162. Im H<strong>in</strong>blick auf<br />

Behandlungsfehler und Schuld sei verwiesen auf die Publikation von Stefanie Bachste<strong>in</strong>, deren siebenjährige<br />

Tochter nach e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall durch e<strong>in</strong>e Fehl<strong>in</strong>tubation der Notärzt<strong>in</strong> gestorben ist.<br />

Das Buch erzählt auf e<strong>in</strong>drückliche Weise von den Folgen dieses Behandlungsfehlers und e<strong>in</strong>em offenen<br />

und verzeihenden Umgang e<strong>in</strong>er Mutter mit der Schuld und der Schuldigen. Vgl. BACHSTEIN:<br />

Du hättest leben können.<br />

304 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 811 und vgl. FLATTEN: Der hilflose<br />

Helfer, 268.<br />

66


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Der Schichtdienst entgegen dem Lebensrhythmus, unregelmäßige Mahlzeiten, körperli-<br />

che Höchstleistungen und Adrenal<strong>in</strong>schübe zu unterschiedlichen Tageszeiten belasten<br />

den menschlichen Körper. Die unregelmäßige Schichte<strong>in</strong>teilung stellt zudem e<strong>in</strong>e Bela-<br />

stung für die Familie und die soziale Umgebung dar. 305 Die Scheidungs- und Tren-<br />

nungsrate liegt bei RD-Mitarbeitern über dem Durchschnitt. 306<br />

Zu den typischen Berufskrankheiten zählen Wirbelsäulenverletzungen und Ansteckung<br />

durch Infektionen. 307 Nicht zu vernachlässigen s<strong>in</strong>d auch psychosomatische und -soziale<br />

Folgen wie ungesunde Ernährung, Schlaf- und Essstörungen oder die Abhängigkeit von<br />

Kaffee, Alkohol, Tabletten, Nikot<strong>in</strong> und anderen Drogen, die unter RD-Mitarbeitern<br />

nicht selten vorkommt, wenn Probleme, Schuldgefühle und traumatische Bilder ver-<br />

drängt werden. 308 Ferner können sich bei E<strong>in</strong>satzkräften auch Posttraumatische Bela-<br />

stungsstörungen entwickeln, wenn schreckliche E<strong>in</strong>satzerlebnisse nicht rechtzeitig auf-<br />

gearbeitet werden. 309 Es ist wichtig zu beachten, dass „nicht nur dramatische Ereignisse<br />

[...], sondern auch ‚kle<strong>in</strong>ere’ <strong>im</strong>mer wiederkehrende Belastungen [...] kumulieren und<br />

zu den [...] vegetativen bzw. sich chronifizierenden psychosomatischen traumareaktiven<br />

Beschwerden führen“ 310 können. Bei Nichtbehandlung sehen Betroffene nicht selten<br />

den Selbstmord als letzte Lösungsmöglichkeit, als „ult<strong>im</strong>ate stress reaction“ 311 . Wie<br />

305 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 811.<br />

306 Vgl. FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269.<br />

307 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 812. So s<strong>in</strong>d beispielsweise weltweit<br />

bisher 73 HIV-Infektionen gezählt worden, die sehr wahrsche<strong>in</strong>lich beruflich bed<strong>in</strong>gt erworben wurden.<br />

In Deutschland s<strong>in</strong>d es zwei publizierte und gesicherte Fälle und zwei wahrsche<strong>in</strong>liche. Vgl.<br />

RUNGGALDIER: Tips für den <strong>Rettungsdienst</strong>alltag, 19. Mohr und Kettler schreiben dazu: „Der unbekannte<br />

Patient birgt [...] auch e<strong>in</strong> erhöhtes Risiko der eigenen Gefährdung durch Infektionen. Die<br />

Zahl HIV-positiver Patienten <strong>in</strong> den Notfallaufnahmen von Krankenhäusern und unter Unfallopfern<br />

beträgt bei überwiegend städtischen E<strong>in</strong>zugsgebieten bis zu 5%. Die Versorgung von Drogenabhängigen<br />

oder blutenden Verletzten, aber auch der Umgang mit Kanülen bei unkooperativen Patienten<br />

stellen potentielle Gefahrenquellen dar. Die Arbeit <strong>in</strong> der Stresssituation des Notfalls verleitet schnell<br />

zur Missachtung entsprechender Vorsichtsregeln.“ (MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>,<br />

119.) Wesentlich größer als das Risiko e<strong>in</strong>er HIV-Infektion ist allerd<strong>in</strong>gs das e<strong>in</strong>er Hepatitis B- oder<br />

Hepatitis C-Infektion. Vgl. RUNGGALDIER: Tips für den <strong>Rettungsdienst</strong>alltag, 19.<br />

308 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 812 und vgl. BENGEL: Psychische<br />

Belastungen des Rettungspersonals, 52. Vgl. dazu auch die Fragebögen RD 1-3 (jeweils 14) und ferner<br />

Fragebögen KID (13) und NFS (12), die alle die Suchtgefahr <strong>im</strong> RD hoch e<strong>in</strong>schätzen. So<br />

schreibt beispielsweise e<strong>in</strong> Rettungsassistent: „Die Suchtgefahr halte ich für sehr hoch! Alkohol ist,<br />

denke ich, für viele Kollegen oft die ‚Erste Lösung’ um nach dem Dienst mit dem Erlebten fertig zu<br />

werden.“ (Fragebogen RD 1.)<br />

309 Auf die PTBS wurde bereits unter II, 3.1.1.3 (vor allem Anm. 137) näher e<strong>in</strong>gegangen. Vgl. dazu<br />

auch RUNGGALDIER: Psychologie, 846-848 und vgl. BENGEL: Posttraumatische Belastungsstörung.<br />

Feuerwehr, RD und Katastrophenschutz lassen sich mit Blick auf die PTBS-Gefährdung als Hochrisiko-Berufsgruppen<br />

bezeichnen. Vgl. HEINRICHS: E<strong>in</strong>satzbelastungen, 4.<br />

310 FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269. Nach Markus He<strong>in</strong>richs „zeigen E<strong>in</strong>satzkräfte [...] auch <strong>im</strong>mer<br />

erhöhte körperliche Beschwerden <strong>im</strong> Vergleich zur Allgeme<strong>in</strong>bevölkerung – <strong>in</strong>sbesondere <strong>im</strong> Bereich<br />

Herz/Kreislauf.“ (HEINRICHS: E<strong>in</strong>satzbelastungen, 5.) So s<strong>in</strong>d bei RD-Mitarbeitern nicht selten<br />

gesundheitliche Beschwerden vorgekommen, „die eben nicht <strong>im</strong>mer organisch entsprechend abgeklärt<br />

werden können.“ (HEINRICHS: E<strong>in</strong>satzbelastungen, 5.)<br />

311 FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269.<br />

67


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

amerikanische Studien belegen, gibt es bei belasteten E<strong>in</strong>satzkräften e<strong>in</strong>e überdurch-<br />

schnittliche Suizidrate. 312<br />

Der Arbeitsplatz der RD-Mitarbeiter ist vielfältig und birgt nicht selten Gefahren wie<br />

beispielsweise Feuer, Explosionen, gefährliche Stoffe und gewalttätige Patienten <strong>in</strong><br />

sich. 313 Die E<strong>in</strong>satzkräfte müssen oft an Orten präsent se<strong>in</strong>, die andere Menschen mei-<br />

den oder fluchtartig verlassen. Auch der Straßenverkehr stellt e<strong>in</strong>e Gefahr dar. So gibt<br />

es <strong>in</strong> Deutschland pro Jahr ca. 3.500 Unfälle mit E<strong>in</strong>satzfahrzeugen des Rettungsdien-<br />

stes; bei ca. 200 dieser Unfälle gibt es Verletzte, bei ungefähr 50 von ihnen Schwerver-<br />

letzte und etwa 14 Mal verlieren Menschen dabei ihr Leben. 314 Das Unfallrisiko von<br />

Fahrzeugen mit Sondersignal wird viermal höher angesehen als bei allen anderen Ver-<br />

kehrsteilnehmern. 315 E<strong>in</strong>sätzkräfte können unter Umständen <strong>in</strong> der Gefahr stehen, sich<br />

zu überschätzen und als sche<strong>in</strong>bar omnipotente Lebensretter die eigenen Grenzen und<br />

Möglichkeiten falsch e<strong>in</strong>zustufen und dadurch sich und andere zu gefährden. 316<br />

Aufgrund dieser zahlreichen außergewöhnlichen Belastungen spricht vieles dafür, „dass<br />

diese Tätigkeit nicht bis zur gesetzlichen Altersgrenze ausgeübt werden kann.“ 317 Ge-<br />

setzliche Regelungen hierzu gibt es bislang ke<strong>in</strong>e.<br />

3.4.2 Besonders belastende E<strong>in</strong>sätze<br />

Jeder RD-E<strong>in</strong>satz br<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong>e eigenen Belastungen mit sich. Auch oder sogar gerade<br />

Krankentransporte dürfen dabei nicht unterschätzt werden: Sie konfrontieren das RD-<br />

Personal oft mit schweren Krankheiten (beispielsweise Krebs) und den negativen Seiten<br />

des Alters (E<strong>in</strong>samkeit, Mult<strong>im</strong>orbidität, Demenz u. ä.).<br />

An dieser Stelle sollen beispielhaft drei konkrete E<strong>in</strong>satzbereiche vorgestellt werden,<br />

die als solche besondere Belastungen für das Personal mit sich br<strong>in</strong>gen.<br />

3.4.2.1 Rean<strong>im</strong>ation<br />

Wenn e<strong>in</strong> Patient kl<strong>in</strong>isch tot ist, bei ihm also weder Spontanatmung noch Herz- und<br />

Kreislauftätigkeit vorliegen, kann e<strong>in</strong>e rechtzeitig begonnene kardiopulmonale Reani-<br />

mation (CPR), auch Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) genannt, möglicherweise e<strong>in</strong><br />

312 Vgl. FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269.<br />

313 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 812.<br />

314 Vgl. REDELSTEINER: Fahrzeuge, 674.<br />

315 Vgl. REDELSTEINER: Fahrzeuge, 674. Bei Fahrten mit Sonderrechten und -signal ist statistisch ges ehen<br />

bei jedem 272.000. E<strong>in</strong>satz mit e<strong>in</strong>em tödlichen Verkehrsunfall zu rechnen. Vgl. REDELSTEINER:<br />

Fahrzeuge, 674.<br />

316 Vgl. dazu auch SALOMON: Das Menschenbild, 246.<br />

317 BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT : Informationsmappe 130, B 3,1 . 09/92.<br />

68


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Weiterleben erreichen. 318 Die Basismaßnahmen der Wiederbelebungsversuche werden<br />

als Basic Cardiac Life Support (BCLS) bezeichnet, s<strong>in</strong>d nach dem ABC-Schema ange-<br />

ordnet und können von jedermann angewendet werden: Atemwege fre<strong>im</strong>achen, beatmen<br />

und die Circulation <strong>in</strong> Gang br<strong>in</strong>gen (durch Hochlagern der Be<strong>in</strong>e und Herzdruckmas-<br />

sage). 319<br />

Die erweiterten Maßnahmen der CPR, die Advanced Cardiac Life Support (ACLS),<br />

werden vom RD-Personal durchgeführt. Dazu gehören die endotracheale Intubation 320 ,<br />

die Beatmung mit mediz<strong>in</strong>ischem Sauerstoff über Tubus und Beatmungsgerät, e<strong>in</strong> venö-<br />

ser Zugang (für Medikamente), Volumengabe (Infusionen mit Vollelektrolytlösungen)<br />

und Medikamentengabe (vor allem e<strong>in</strong> Adrenal<strong>in</strong>präparat und ferner Lidoca<strong>in</strong> und<br />

Atrop<strong>in</strong>) und bei Kammerfl<strong>im</strong>mern gegebenenfalls Defibrillation mit <strong>in</strong> der Regel 200<br />

beziehungsweise 360 Joule. 321<br />

Das RD-Personal ist bei e<strong>in</strong>em Patienten mit Herzkreislaufstillstand zur Rean<strong>im</strong>ation<br />

verpflichtet bis e<strong>in</strong> Arzt deren E<strong>in</strong>stellung entscheidet. Die Verpflichtung besteht aller-<br />

d<strong>in</strong>gs nicht, wenn so genannte sichere Todeszeichen 322 erkennbar s<strong>in</strong>d oder Verletzun-<br />

gen vorliegen, „die e<strong>in</strong>deutig mit dem Leben nicht vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d, wie schwerste Schä-<br />

digung von Gehirn, Rückenmark, Herz und großen Körpergefäßen.“ 323<br />

Die ACLS werden vom RD-Personal regelmäßig <strong>in</strong> den verschiedenen Algorithmen<br />

tra<strong>in</strong>iert, damit bei e<strong>in</strong>er Rean<strong>im</strong>ation wertvolle Zeit nicht unnötig verloren geht. Auf<br />

Außenstehende können die Rean<strong>im</strong>ationsmaßnahmen und ihre Begleitersche<strong>in</strong>ungen<br />

durchaus gewalttätig und grausam wirken, denn „schnelles Lagern der leblosen Person<br />

auf e<strong>in</strong>er harten Unterlage [...], Fre<strong>im</strong>achen des Oberkörpers durch Zerreißen der Klei-<br />

318<br />

E<strong>in</strong>e Studie ergab e<strong>in</strong>en pr<strong>im</strong>ären Rean<strong>im</strong>ationserfolg von 20 bis 50 % der Fälle (abhängig von den<br />

Bed<strong>in</strong>gungen). Allerd<strong>in</strong>gs haben nur 7% der präkl<strong>in</strong>isch rean<strong>im</strong>ierten Patienten das Krankenhaus<br />

wieder lebend verlassen. Vgl. MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 121. „Spätestens nach<br />

e<strong>in</strong>er mehr als 8 M<strong>in</strong>uten dauernden Unterbrechung der Sauerstoffversorgung des Gehirns muß mit<br />

irreversiblen Schädigungen dieses Organs gerechnet werden. Die Prognose von Patienten mit Herzkreislaufstillstand<br />

ist daher am günstigsten, wenn <strong>in</strong>nerhalb von etwa 4 M<strong>in</strong>uten nach E<strong>in</strong>tritt des<br />

Stillstandes mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung begonnen wird und <strong>in</strong>nerhalb von 8 M<strong>in</strong>uten erweitere<br />

Wiederbelebungsmaßnahmen wie Medikamentengabe oder elektrische Defibrillation bei<br />

Kammerfl<strong>im</strong>mern vorgenommen werden.“ (MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 119.<br />

319<br />

Vgl. GERDTS: Rean<strong>im</strong>ation, 309 u. 312. Vgl. dazu auch FLAKE / LUTOMSKY: Kardiopulmonale Rean<strong>im</strong>ation,<br />

192-194. Das Verhältnis zwischen Beatmung und Herzdruckmassage beträgt e<strong>in</strong>e Beatmung<br />

zu 15 Kompressionen; zu Beg<strong>in</strong>n der Maßnahmen wird zwe<strong>im</strong>al beatmet.<br />

320<br />

Bei der Intubation wird e<strong>in</strong> Tubus zur Beatmung und Medikamentengabe durch die Luftröhre <strong>in</strong> die<br />

Lunge gelegt.<br />

321<br />

Vgl. GERDTS: Rean<strong>im</strong>ation, 314 u. 318f u. 328. Vgl. dazu auch FLAKE / LUTOMSKY: Kardiopulmonale<br />

Rean<strong>im</strong>ation, 194-198. Für K<strong>in</strong>der gibt es je nach Altersgruppe eigene Besonderheiten bei der<br />

HLW, auf die hier nicht näher e<strong>in</strong>gegangen werden kann.<br />

322<br />

Hierzu zählen vor allem die Totenflecken (Hypostase), die frühestens 20 M<strong>in</strong>uten nach dem E<strong>in</strong>tritt<br />

des kl<strong>in</strong>ischen Todes festgestellt werden können. Vgl. MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>,<br />

120.<br />

323<br />

MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 120.<br />

69


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

dung, Blutaustritt an Punktionsstellen oder bizarre Zuckungen der Extremitäten bei der<br />

Defibrillation s<strong>in</strong>d häufig unvermeidliche Begleitumstände e<strong>in</strong>es fachgerecht durchge-<br />

führten ärztlichen Wiederbelebungsversuches.“ 324<br />

Zu diesem Themenkomplex zählt für die E<strong>in</strong>satzkräfte „auch die traurige Gewißheit, <strong>im</strong><br />

E<strong>in</strong>zelfall möglicherweise ohne die Wiedererlangung personalen Menschse<strong>in</strong>s nur bio-<br />

logisches Leben bewahren oder wiederherstellen zu können.“ 325<br />

„Wenn der Tod nicht mehr zu bekämpfen ist“ 326 , ist das RD-Personal „aufgefordert,<br />

diese Grenze zu bejahen.“ 327 Wer <strong>im</strong> RD arbeitet, muss – wie jeder Mensch –akzeptie-<br />

ren lernen, dass Menschen sterblich s<strong>in</strong>d und jeder zu e<strong>in</strong>em ihm vorgegebenen Zeit-<br />

punkt auch e<strong>in</strong> Recht auf das Sterben hat, das nach dem christlichen Glauben nicht das<br />

Ende, sondern der Anfang e<strong>in</strong>es neuen, ewigen Lebens bei Gott <strong>in</strong> sich birgt. 328<br />

3.4.2.2 K<strong>in</strong>dernotfall<br />

K<strong>in</strong>dernotfälle (Patienten unter 14 Jahre) haben <strong>im</strong> RD nur e<strong>in</strong>en Anteil von 3 bis 7%<br />

aller E<strong>in</strong>sätze. Dadurch fehlt be<strong>im</strong> RD-Personal e<strong>in</strong>e gewisse Rout<strong>in</strong>e, da K<strong>in</strong>der auf-<br />

grund ihrer physiologischen und pathophysiologischen Besonderheiten bei der Notfall-<br />

versorgung nicht e<strong>in</strong>fach als kle<strong>in</strong>e Erwachsene behandelt werden können. Weiter wer-<br />

den K<strong>in</strong>dernotfälle meist durch e<strong>in</strong>e schwierige Kommunikation, unruhige, schreiende<br />

und verängstigte Patienten und besonders aufgeregte Angehörige mit zusätzlichem<br />

Stress für die E<strong>in</strong>satzkräfte belastet; ganz zu schweigen von den emotionalen Aspekten<br />

324 MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 120.<br />

325 MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 125. Geme<strong>in</strong>t ist folgender Sachverhalt: Bei pr<strong>im</strong>är<br />

erfolgreichen Rean<strong>im</strong>ationen kann es durchaus vorkommen, dass zwar der Herz-Kreislauf des Patienten<br />

wieder belebt werden kann, aber durch e<strong>in</strong>en zu langen Sauerstoffdefizit irreparable neurologische<br />

Schäden entstanden s<strong>in</strong>d, die nur noch e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschränkt selbständiges Leben zulassen. Vgl.<br />

MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 125. Vgl. dazu auch FALK: Ethische, psychologische<br />

und theologische Aspekte, 365. Dabei ist allerd<strong>in</strong>gs zu beachten, dass die Gegenüberstellung von personalem<br />

Menschse<strong>in</strong> und biologischem Leben aus (moral-) theologischer Sicht äußerst kritisch zu<br />

bewerten ist. Nach christlicher Auffassung kommt allem menschlichen Se<strong>in</strong> Personenwürde zu. Dies<br />

wird auch <strong>in</strong> Dokumenten des kirchlichen Lehramtes betont. So heißt es beispielsweise <strong>in</strong> der Enzyklika<br />

Evangelium vitae (1995): „Die Gesamtbotschaft, die das Neue Testament zur Vervollkommnung<br />

br<strong>in</strong>gen wird, ist e<strong>in</strong> mächtiger Appell zur Achtung und Unantastbarkeit des physischen Lebens<br />

und der persönlichen Integrität.“ (JOHANNES PAUL II.: Evangelium vitae, 51.) Weiter heißt es dort:<br />

„Das menschliche Leben ist <strong>in</strong> jedem Augenblick se<strong>in</strong>er Existenz [...] heilig und unantastbar. Der<br />

Mensch gehört vom Mutterschoß an Gott.“ (JOHANNES PAUL II.: Evangelium vitae, 75.)<br />

326 MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 125.<br />

327 MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 125. Die Entscheidung über das Beenden von Rean<strong>im</strong>ationsmaßnahmen<br />

liegt <strong>in</strong> den Händen des Arztes, doch fühlt sich das RD-Personal durch das aktive<br />

Abbrechen gewiss emotional daran nicht unbeteiligt. Zur ganzen ethischen Problematik dieser<br />

Entscheidung, die der Arzt <strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit zu treffen hat, sei auf den Beitrag von Michael<br />

Mohr und Dietrich Kettler h<strong>in</strong>gewiesen. Vgl. MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>.<br />

328 Im Gegensatz zur durchschnittlichen Bevölkerungen werden die RD-Kräfte aber ständig mit dem<br />

Tod konfrontiert. Vgl. zum Thema Tod <strong>im</strong> RD auch RUNGGALDIER: Tips für den <strong>Rettungsdienst</strong>alltag,<br />

21f und vgl. PÜSCHEL / SCHNEIDER: Sterben und Tod, 374f und vgl. ferner FALK: Ethische, psychologische<br />

und theologische Aspekte, 367f.<br />

70


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

für die RD-Mitarbeiter (beispielsweise durch die Er<strong>in</strong>nerung an die eigenen K<strong>in</strong>der und<br />

deren Schutzlosigkeit). 329<br />

In Deutschland sterben jährlich ungefähr 18.000 K<strong>in</strong>der und Jugendliche. 330 Laut dem<br />

Statistischem Bundesamt starben <strong>im</strong> Jahr 2001 <strong>in</strong> der BRD alle<strong>in</strong> 3.163 Säugl<strong>in</strong>ge (bis 1<br />

Jahr), davon 429 am Sudden Infant Death Syndrome (SIDS), dem so genannten Plötzli-<br />

chen K<strong>in</strong>dstod. 331 SIDS, auch als Krippentod bezeichnet, ist „e<strong>in</strong> plötzlich u. unvermutet<br />

e<strong>in</strong>tretender Tod <strong>im</strong> Säugl<strong>in</strong>gs- und Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>desalter, bei dem ke<strong>in</strong>e ausreichend erklä-<br />

rende Todesursache nachgewiesen werden kann“ 332 , schreibt e<strong>in</strong> kl<strong>in</strong>isches Wörterbuch.<br />

Bei Vermutung e<strong>in</strong>es SIDS-E<strong>in</strong>satzes ist es s<strong>in</strong>nvoll, wenn die Leitstelle bereits parallel<br />

zum RD die NFS oder den KID alarmiert, um die Betreuung der Eltern sicherzustellen,<br />

damit sich die E<strong>in</strong>satzkräfte alle<strong>in</strong> auf das K<strong>in</strong>d konzentrieren können. 333 Allerd<strong>in</strong>gs<br />

kann K<strong>in</strong>dern mit SIDS „selbst durch den schnellsten und qualifiziertesten Rettungs-<br />

dienste<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> aller Regel nicht geholfen werden.“ 334<br />

Nach erfolglosen Wiederbelebungsversuchen ist es dann die Aufgabe des Notarztes, den<br />

Eltern den Tod ihres K<strong>in</strong>des mitzuteilen. Bei Verdacht auf SIDS muss der Arzt <strong>im</strong> To-<br />

tensche<strong>in</strong> die Todesursache als nicht aufgeklärt angeben; <strong>in</strong> den meisten Bundesländern<br />

ist daraufh<strong>in</strong> die Polizei zu verständigen, die gegebenenfalls e<strong>in</strong>e Obduktion veran-<br />

lasst. 335<br />

Gerade diese bürokratischen und gesetzlichen Regelungen benötigen e<strong>in</strong>e sensible Vor-<br />

bereitung, Information und Begleitung der Eltern (durch die NFS oder den KID), da<br />

sich diese oft schuldig am Tod ihres K<strong>in</strong>des fühlen, ohne es wirklich zu se<strong>in</strong>. 336<br />

„Das Thema Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod stößt <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> auf sehr großes Interesse<br />

und sche<strong>in</strong>t dennoch e<strong>in</strong> Tabuthema zu se<strong>in</strong>“ 337 , stellt e<strong>in</strong>e Rettungssanitäter<strong>in</strong> und zu-<br />

329<br />

Vgl. HEINZ: Das K<strong>in</strong>d als Notfallpatient, 273-276. Vgl. ferner auch GERDTS: Pädiatrische Notfälle,<br />

475. In allen drei Fragebögen RD haben die Befragten die K<strong>in</strong>dernotfälle zu den E<strong>in</strong>sätzen gezählt,<br />

die sie am meisten belasten. Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 15.1).<br />

330<br />

Vgl. DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 80.<br />

331<br />

Vgl. www.destatis.de/basis/d/gesu/gesutab.21.thm (vom 07.08.2003).<br />

332<br />

Pschyrembel Kl<strong>in</strong>isches Wörterbuch, 1578f.<br />

333<br />

In RD-Kreisen ist es umstritten, ob man die Eltern bei den Rean<strong>im</strong>ationsversuchen an ihrem K<strong>in</strong>d<br />

beteiligen oder davon abschirmen soll. Vgl. dazu Denise Thomas <strong>in</strong> HELMERICHS: Erfahrungen des<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>-Personals, 112. Die Mehrheit (der von Denise Thomas Befragten) tendiert dazu, die<br />

Eltern aus e<strong>in</strong>er Entfernung bei den Rettungsmaßnahmen zuschauen zu lassen, damit sie sehen, dass<br />

alles Menschenmögliche für ihr K<strong>in</strong>d getan wird. Vgl. Denise Thomas <strong>in</strong> HELMERICHS: Erfahrungen<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>-Personals, 112 und vgl. HELMERICHS: Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod, 107.<br />

334<br />

HELMERICHS: Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod, 107.<br />

335<br />

Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer Leitfaden, 34.<br />

336<br />

Vgl. HELMERICHS: Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod, 108-111. Es empfiehlt sich auch deshalb hier die NFS<br />

oder den KID <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen, weil die RD-Kräfte nach den erfolglosen Rean<strong>im</strong>ationsversuchen<br />

e<strong>in</strong> Gespräch mit den Angehörigen als sehr belastend erleben. Vgl. HELMERICHS: Plötzlicher<br />

Säugl<strong>in</strong>gstod, 104. Vgl. zur Krisen<strong>in</strong>tervention nach SIDS ferner DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention<br />

<strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 80-84.<br />

71


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

gleich vom SIDS betroffene Mutter fest, die e<strong>in</strong>e Umfrage zu diesem Thema bei RD-<br />

Kollegen durchgeführt hat.<br />

Bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz mit Exitus des Patienten und e<strong>in</strong>er unklaren Todesursache kommt das<br />

E<strong>in</strong>satzpersonal leicht zum Zweifeln an den persönlichen Möglichkeiten und Fähigkei-<br />

ten und fühlt sich oft hilflos – besonders, wenn der Patient e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d ist. E<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d<br />

wird gefühlsmäßig nicht zugestanden, dass es wie alle Menschen sterblich ist und ster-<br />

ben kann; e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>derleben wird nicht selten wertvoller als das e<strong>in</strong>es Erwachsenen e<strong>in</strong>-<br />

geschätzt. 338 Der Tod von K<strong>in</strong>dern gehört daher ohne Zweifel „zu den am schwersten zu<br />

bewältigenden Notfalle<strong>in</strong>sätzen.“ 339<br />

3.4.2.3 Massenanfall von Verletzten<br />

Mit e<strong>in</strong>em Massenanfall von Verletzten (MANV) wird das RD-Personal bei Großscha-<br />

denslagen (zum Beispiel Verkehrsunfälle mit zahlreichen Verletzten) bis h<strong>in</strong> zu Kata-<br />

strophen konfrontiert; erstere können regional und kurzfristig bewältigt werden, Kata-<br />

strophen h<strong>in</strong>gegen haben noch größere Ausmaße. 340<br />

Bei e<strong>in</strong>em MANV haben sich die E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>im</strong> Extremfall mit außerordentlichen<br />

und vielleicht nie geahnten Ausmaßen an Leid und Zerstörung ause<strong>in</strong>anderzusetzen.<br />

Neben e<strong>in</strong>er großen organisatorischen Herausforderung angesichts der zahlreichen<br />

Verletzten kann gegebenenfalls auch der Anblick von schweren Verletzungen und grau-<br />

sam entstellten Toten die E<strong>in</strong>satzkräfte zusätzlich belasten und unter Umständen e<strong>in</strong><br />

Gefühl der Unüberschaubarkeit, Hilflosigkeit und Ohnmacht erzeugen. 341<br />

Aufgrund der zahlreichen Verletzten und vergleichsweise wenigen Helfer müssen zu<br />

Beg<strong>in</strong>n der Rettungsarbeiten Prioritäten zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Patienten gesetzt wer-<br />

den, <strong>in</strong>dem die Verletzten <strong>im</strong> Rahmen der so genannten Triage nach Überlebenswahr-<br />

337<br />

Denise Thomas <strong>in</strong> HELMERICHS: Erfahrungen des <strong>Rettungsdienst</strong>-Personals, 112.<br />

338<br />

Vgl. Denise Thomas <strong>in</strong> HELMERICHS: Erfahrungen des <strong>Rettungsdienst</strong>-Personals, 113. Denise Thomas<br />

bezieht sich dabei auf die Ergebnisse e<strong>in</strong>er von ihr durchgeführten Fragebogenaktion bei <strong>Rettungsdienst</strong>lern.<br />

Vgl. dazu auch BASSY / MÜLLER: Manchmal musst du stark se<strong>in</strong>. Dort berichten e<strong>in</strong><br />

Rettungsassistent und e<strong>in</strong> <strong>Notfallseelsorge</strong>r von e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen E<strong>in</strong>satz mit Plötzlichem Säugl<strong>in</strong>gstod.<br />

Ferner sei verwiesen auf DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 85-87.<br />

339<br />

HELMERICHS: Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod, 115.<br />

340<br />

Vgl. BITTGER: Massenanfall von Verletzten, 736.<br />

341<br />

Vgl. zu den besonderen Stressoren be<strong>im</strong> MANV auch WATERSTRAAT : Der Mensch <strong>in</strong> der Katastrophe,<br />

33f. E<strong>in</strong>e gute Vorbereitung auf Katastrophenfälle und e<strong>in</strong>e effektive Koord<strong>in</strong>ation und Zusammenarbeit<br />

der zahlreichen Dienste und E<strong>in</strong>richtungen muss sich hier bewähren, damit zusätzliche<br />

Belastungen durch organisatorische Fragen vermieden werden können. Weiter sei dazu verwiesen auf<br />

BITTGER: Massenanfall von Verletzten, bes. 738-740 u. 758f.<br />

72


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

sche<strong>in</strong>lichkeit, Transportfähigkeit und Behandlungsdr<strong>in</strong>glichkeit gesichtet und e<strong>in</strong>ge-<br />

ordnet werden. 342<br />

Zu den wohl unvergessenen Katastrophen der letzten Jahre <strong>in</strong> Deutschland gehören die<br />

Flugkatastrophe von Ramste<strong>in</strong> <strong>im</strong> August 1988 mit 70 Toten und ungefähr 1.000 Ver-<br />

letzten 343 und das Zugunglück von Eschede, bei dem <strong>im</strong> Juni 1998 unweit von Celle der<br />

Intercityexpress (ICE) Wilhelm Conrad Röntgen entgleiste und dabei 101 Menschen<br />

starben und 72 schwer verletzt wurden. 344 Eschede wurde „zum Synonym für die Hilf-<br />

losigkeit vieler E<strong>in</strong>satzkräfte angesichts der Katastrophe [...]. Die Bilder vom Unglück<br />

sitzen bei vielen Betroffenen tief <strong>im</strong> Innersten, e<strong>in</strong>gebrannt <strong>in</strong> die Seele, und lassen kei-<br />

ne Ruhe [...]. Für ke<strong>in</strong>en Helfer war dieser E<strong>in</strong>satz Rout<strong>in</strong>e, und kaum e<strong>in</strong>er hat sicher-<br />

lich so viel Hornhaut auf der Seele, dass ihn das Ereignis ‚kalt’ läßt.“ 345<br />

Die Katastrophen von Ramste<strong>in</strong> und Eschede haben wesentlich dazu beigetragen, dass<br />

die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>satznachsorge für Rettungskräfte <strong>im</strong>mer mehr erkannt und<br />

Möglichkeiten dieser Nachsorge entwickelt wurden. Nach Ramste<strong>in</strong> wurde damit auf<br />

kle<strong>in</strong>er Ebene begonnen und zehn Jahre danach wurde be<strong>im</strong> Unglück <strong>in</strong> Eschede die<br />

Nachsorge <strong>in</strong>stitutionalisiert e<strong>in</strong>gesetzt. 346<br />

342 Bei der Triage werden vier Behandlungskategorien unterschieden: T1 (= Immediate treatment: Patienten<br />

mit vital bedrohlicher Verletzung, aber Überlebenschance), T2 (= Delayed treatment: Patienten,<br />

die schnell zu stabilisieren s<strong>in</strong>d und Transportpriorität haben), T3 (= M<strong>in</strong><strong>im</strong>al treatment: Patienten,<br />

die gehfähig oder zum<strong>in</strong>dest sitzfähig s<strong>in</strong>d) und schließlich T4 (= Expectant treatment: Patienten,<br />

die unter Katastrophenbed<strong>in</strong>gungen kaum Überlebenschancen haben). Vgl. BITTGER: Großunfälle<br />

und Katastrophen, 86-88. Vgl. dazu auch BITTGER: Massenanfall von Verletzten, 755-758. Die Triage<br />

kann für betroffene E<strong>in</strong>satzkräfte unter Umständen zu e<strong>in</strong>em ethischen Problemfall werden, da <strong>in</strong>nerhalb<br />

kürzester Zeit unter Umständen sozusagen über Leben und Tod entschieden werden muss.<br />

Ohne Triage würden die Rettungsarbeiten aber unübersichtlich und die Prioritäten, die man gezwungenermaßen<br />

setzen muss, undurchschaubar werden. Zum ethischen Aspekt sei weiter verwiesen auf<br />

GRAF-BAUMANN / GORGAß: Werte und Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, 349f und ferner auf RUNGGALDIER:<br />

Ethik , bes. 864f.<br />

343 Vgl. Hartmut Jatzko, Sybille Jatzko und He<strong>in</strong>er Seidlitz <strong>in</strong> JATZKO: Katastrophen-Nachsorge, 9.<br />

344 Vgl. GIESEN: E<strong>in</strong>satznachbereitung nach dem ICE-Unfall <strong>in</strong> Eschede, 2.<br />

345 STEPAN: Eschede, 583. In Eschede waren damals übrigens mehr als 1.800 Hilfskräfte e<strong>in</strong>gesetzt. Vgl.<br />

HELMERICHS: E<strong>in</strong>satznachsorge, 119. Im Zusammenhang mit Ramste<strong>in</strong> soll Folgendes nicht unerwähnt<br />

bleiben: „E<strong>in</strong> großer Teil der Helfer leidet bis heute unter nicht verarbeiteten Erlebnissen. Drei<br />

Helfer sollen <strong>in</strong>folge posttraumatischer Depressionen Selbstmord begangen haben.“ (HÖLTERHOFF:<br />

Katastrophenseelsorge, 128.) Zahlreiche E<strong>in</strong>satzkräfte können ihren Beruf seit dem Unglück nicht<br />

mehr ausüben. Vgl. dazu auch die Berichte von betroffenen Helfern bei JATZKO: Katastrophen-<br />

Nachsorge, 79-86. An dieser Stelle soll auch nicht verschwiegen werden, dass die durch diese Katastrophe<br />

ausgelösten psychischen Leiden bei Opfern, Helfern und Angehörigen bis heute nicht durch<br />

e<strong>in</strong>e symbolische f<strong>in</strong>anzielle Entschädigung von politischer Seite anerkannt wurden. Vgl. dazu<br />

JATZKO: Katastrophen-Nachsorge, bes. 114 u. 210-213. Auch die TV-Sendung „Johannes B. Kerner“<br />

(ZDF) vom 20. Juni 2003 beschäftigte sich mit dieser Problematik.<br />

346 Vgl. JATZKO: Katastrophennachsorge, bes. 95-101 und vgl. HELMERICHS: E<strong>in</strong>satznachsorge. Jutta<br />

Helmerichs schreibt: „Das Zugunglück <strong>in</strong> Eschede und die damit hochbelastenden Aufgaben für die<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte hat dazu geführt, daß sich <strong>im</strong> gesamten Bundesgebiet das Engagement, weitere Krisen<strong>in</strong>terventionsteams<br />

und <strong>Notfallseelsorge</strong>dienste aufzubauen, deutlich verstärkt.“ (HELMERICHS:<br />

E<strong>in</strong>satznachsorge, 121.) Zur E<strong>in</strong>satznachsorge bei Großschadensfällen allgeme<strong>in</strong> sei weiter verwiesen<br />

auf HERMANUTZ / FIEDLER: Nachbereitung, bes. 273-284.<br />

73


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

E<strong>in</strong>ige Rettungskräfte, die <strong>in</strong> Eschede aktiv beteiligt waren, haben sich zu diesem An-<br />

gebot folgendermaßen geäußert: „Psychologische Betreuung vor Ort und E<strong>in</strong>satznach-<br />

sorge für die E<strong>in</strong>satzkräfte haben sich als wertvoll und notwendig bei diesem außerge-<br />

wöhnlich belastenden E<strong>in</strong>satz herausgestellt – zukünftig sollte dies zum regelhaften<br />

Bestandteil jeder E<strong>in</strong>satzplanung gehören und nicht dem Zufall überlassen bleiben.“ 347<br />

3.4.2.3 Helfersyndrom und Burnout-Gefahr<br />

Das Helfersyndrom und die Burnout-Gefahr s<strong>in</strong>d <strong>im</strong> Zusammenhang mit allen helfen-<br />

den Berufen zu nennen (und nicht nur mit diesen); sie s<strong>in</strong>d nicht rettungsdienstspezi-<br />

fisch und sollen deshalb hier eigens dargestellt werden.<br />

Das Helfersyndrom beschreibt e<strong>in</strong>e Situation, „<strong>in</strong> der die Hilfsbereitschaft weder spon-<br />

tan noch rollengebunden ist, sondern auf der Abwehr anderer Gefühle oder Handlungs-<br />

bereitschaften beruht.“ 348 Wer <strong>im</strong>mer nur der Stärkere, der Helfende und Gebende se<strong>in</strong><br />

will, hat e<strong>in</strong> ausgeprägtes Helfersyndrom und sucht se<strong>in</strong>e eigene Sicherheit dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>em<br />

Schwächeren helfen zu können. E<strong>in</strong>e Gefahr besteht dann, wenn e<strong>in</strong> „Helfersyndrom-<br />

Helfer“ 349 die eigene Hilfsbedürftigkeit und -losigkeit völlig verdrängt oder nicht wahr-<br />

n<strong>im</strong>mt, die Hilfe von anderen verweigert und somit selbst zu e<strong>in</strong>em hilflosen Helfer<br />

wird. 350<br />

Das zweite Phänomen, das Burnout-Syndrom, ist e<strong>in</strong> Reaktions-Syndrom und wurde<br />

vermutlich erstmals <strong>in</strong> der Erzählung A burn-out case (1961) von Graham Greene als<br />

solches bezeichnet. 351<br />

Darunter ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>nerer Prozess zu verstehen, bei dem e<strong>in</strong> Mensch, der anfänglich vor<br />

idealem Arbeitseifer sozusagen gebrannt hat, sich für unentbehrlich hielt und nie Zeit<br />

für sich hatte, auf e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>nkrise fällt und sich wie ausgebrannt fühlt, weil er<br />

dem (eigenen und fremden) Leistungsdruck und -anspruch nicht mehr standhalten kann<br />

und ke<strong>in</strong>en Erfolg <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Arbeit erkennt. 352 E<strong>in</strong>e emotionale Erschöpfung, die Deper-<br />

sonalisierung und die Reduktion der Leistungsfähigkeit oder -zufriedenheit s<strong>in</strong>d die<br />

wesentlichen Aspekte dieses Syndroms; Menschen mit Burnout haben sozusagen <strong>in</strong>ner-<br />

347<br />

DRK KREISVERBAND CELLE: Sanitätsorganisationen, 198. E<strong>in</strong>e beteiligte Feuerwehrstelle gibt fo lgendes<br />

Feedback zu diesem Aspekt: „Bewährt hat sich die möglichst frühzeitige Anwesenheit von<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>rn und psychologisch geschultem Betreuungspersonal vor Ort.“ (KREISFEUERWEHR<br />

DES LANDKREISES CELLE: Feuerwehr Celle, 210.)<br />

348<br />

SCHMIDBAUER: Helfersyndrom und Burnout-Gefahr, 4.<br />

349<br />

SCHMIDBAUER: Helfersyndrom und Burnout-Gefahr, 4f.<br />

350<br />

Vgl. SCHMIDBAUER: Helfersyndrom und Burnout-Gefahr, 5-8.<br />

351<br />

Vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 40.<br />

352<br />

Vgl. SCHMIDBAUER: Helfersyndrom und Burnout-Gefahr, 15-18 und vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>terven-<br />

tion, 40-47.<br />

74


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

lich gekündigt. 353 Die biopsychosozialen Folgen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> hoher Krankenstand, depressi-<br />

ve Zustände und physische Probleme wie zum Beispiel Schlaflosigkeit und chronische<br />

Gelenkschmerzen. 354<br />

Zur Prävention und Bewältigung von Burnout ist es nach Sonneck vor allem wichtig,<br />

Zeitdruck abzubauen, Verantwortung zu teilen und realistische Ziele festzulegen, die<br />

e<strong>in</strong>e Effizienzkontrolle und Feedback ermöglichen. 355<br />

Den Fragebögen zufolge ist die Burnout-Gefahr <strong>im</strong> RD nicht zu unterschätzen. 356 Der<br />

Aspekt des Helfer-Syndroms ist vor allem dann entscheidend, wenn es darum geht, ob<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte bei der Verarbeitung von belastenden Erlebnissen fremde Hilfe <strong>in</strong> An-<br />

spruch nehmen können und wollen; oder ob sie ihre Belastungen zu verdrängen suchen,<br />

<strong>in</strong>dem sie sich beispielsweise <strong>in</strong> das Helfen bei anderen Menschen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>steigern. 357<br />

Wer <strong>im</strong> RD oder <strong>in</strong> der <strong>Seelsorge</strong> tätig ist, sollte also diese beiden möglichen Gefahren,<br />

vor allem Burnout, bei den Klienten, Kollegen und sich selbst <strong>im</strong> Blick haben. 358<br />

3.4.3 Zufriedenheit und Befürchtungen des Personals<br />

Im RD können laut der Informationsmappe des Arbeitsamtes zum Beruf des Ret-<br />

tungsassistenten „die Berufsaussichten, Ortsungebundenheit vorausgesetzt, <strong>im</strong>mer noch<br />

als befriedigend e<strong>in</strong>geschätzt werden.“ 359<br />

Die Zufriedenheit und Befürchtungen oder Ängste des Personals lassen sich jedoch<br />

nicht auf die Berufsaussichten reduzieren, sondern s<strong>in</strong>d nicht unwesentlich von den all-<br />

geme<strong>in</strong>en und spezifischen Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen vor Ort abhängig (abgesehen von den<br />

persönlichen Voraussetzungen des e<strong>in</strong>zelnen Mitarbeiters).<br />

353<br />

Vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 41f. Nach Gernot Sonneck besteht der Burnout-Zyklus aus zwölf<br />

Phasen: 1) Zwang, sich zu beweisen, 2) Verstärkter E<strong>in</strong>satz, 3) Vernachlässigung eigener Bedürfnisse,<br />

4) Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen, 5) Umdeutung von Werten, 6) Verleugnung<br />

der aufgetretenen Probleme, 7) Rückzug, 8) Änderung des Verhaltens, 9) Verlust des Gefühls für die<br />

eigene Persönlichkeit (Verpuppung), 10) Innere Leere, 11) Depression, 12) Völlige Burnout-<br />

Erschöpfung. Ab der sechsten Phase wird das Syndrom problematisch und der Betroffene bedarf professioneller<br />

Hilfe. Vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 45-47.<br />

354<br />

Vgl. SCHMIDBAUER: Helfersyndrom und Burnout-Gefahr, 17.<br />

355<br />

SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 50.<br />

356<br />

Vgl. dazu die Fragebögen RD 1-3 (jeweils 14) und ferner Fragebögen NFS (12) und KID (13).<br />

357<br />

Aus den Antworten <strong>in</strong> den Fragebögen RD 1-3 (jeweils 14) lässt sich schließen, dass die Befragten<br />

ke<strong>in</strong>e genaue Vorstellung vom Helfer-Syndrom haben (bes. RD 2 u. RD 3) und es daher gar nicht<br />

oder nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ganzen Problematik sehen. Vgl. ferner Fragebogen NFS (12).<br />

358<br />

Weiterführend sei zu diesen Themen verwiesen auf SCHMIDBAUER: Helfersyndrom und Burnout-<br />

Gefahr und auf SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 40-50 und ferner auf RUNGGALDIER: Psychologie,<br />

844f. Interessant hierzu ist auch die Publikation von Michael Johannes Späth, <strong>in</strong> der die Geschichte<br />

e<strong>in</strong>es ehrenamtlichen Feuerwehrmanns und Rettungssanitäters erzählt wird, der sich <strong>in</strong> das Helfen<br />

<strong>im</strong>mer mehr h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>steigert und dabei sich selbst vernachlässigt. Weil er als K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>em Freund nicht<br />

helfen konnte, will er nun möglichst zahlreich helfen können. Bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz wird er durch e<strong>in</strong>en<br />

Unfall schwer verletzt, ist enttäuscht von der mangelnden Solidarität se<strong>in</strong>er Kameraden und gerät <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e tiefe S<strong>in</strong>nkrise. Vgl. SPÄTH: Verbrannte Seele.<br />

75


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Im Folgenden sollen zu diesen Themenbereichen beispielhaft und auszugsweise die<br />

Ergebnisse e<strong>in</strong>er Umfrage <strong>in</strong>nerhalb des Malteser Hilfsdienstes (MHD) und die Ant-<br />

worten auf den Fragebögen vorgestellt werden.<br />

Der MHD ist offensichtlich an der Me<strong>in</strong>ung und Zufriedenheit se<strong>in</strong>es Personals <strong>in</strong>teres-<br />

siert und hat daher <strong>in</strong> den Jahren 1999 und 2001 bundesweit alle se<strong>in</strong>e RD-Mitarbeiter<br />

(Hauptamtliche, Ehrenamtliche, Zivildienstleistende und sonstige) danach befragt; 2001<br />

haben sich 3.986 Personen, also 24,6 % des RD-Personals <strong>im</strong> MHD, an der Umfrage<br />

beteiligt. 360<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die zu leistende Anwesenheitszeit (bis zu 60 Stunden pro Woche) und<br />

damit auch zu den Arbeitsbelastungen haben sich die Befragten 2001 <strong>in</strong> der MHD-<br />

Region Hessen, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz und Saarland wie folgt geäußert: Für 33,9 % s<strong>in</strong>d diese<br />

problemlos leistbar, für 45,7% leistbar, für 17,3% kaum noch leistbar und für 3,1% ei-<br />

gentlich nicht mehr leistbar. 361 Ungefähr e<strong>in</strong> Fünftel schätzt also die Belastungen <strong>in</strong>ner-<br />

halb des Dienstes als zu hoch e<strong>in</strong>.<br />

Die Vergütung wurde 2001 von den Befragten <strong>in</strong> den genannten drei Bundesländern<br />

wie folgt e<strong>in</strong>geordnet: Für 3,3% war die eigene E<strong>in</strong>kommenssituation sehr gut, für<br />

19,5% gut, für 27,6% befriedigend, für 31,7% ausreichend und für 17,9% mangel-<br />

haft. 362 Fast die Hälfte der genannten Umfragepersonen stufen ihre Vergütung also mit<br />

den Schulnoten vier und fünf e<strong>in</strong>, s<strong>in</strong>d demnach damit gar nicht zufrieden. Beachtens-<br />

wert ist, dass fast e<strong>in</strong> Sechstel das eigene Gehalt (vermutlich <strong>im</strong> H<strong>in</strong>blick auf die gelei-<br />

stete Arbeit und ihre persönliche f<strong>in</strong>anzielle Situation) sogar als zu ger<strong>in</strong>g ansieht.<br />

Die Teamarbeit während der E<strong>in</strong>sätze schätzten <strong>im</strong> Jahr 2001 27,9% der Befragten als<br />

sehr gut, 57,1% als gut, 12,0% als befriedigend, 2,0% als ausreichend und 1,0% als<br />

mangelhaft e<strong>in</strong>. 363 Für 97% des oben def<strong>in</strong>ierten Personals ist die Zusammenarbeit mit<br />

359 BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT : Informationsmappe 130, F. 2.2.<br />

360 Vgl. MHD: Q-Tipp, 2. Alle Angaben ohne Gewähr des Verfassers. Dem MHD, besonders Klaus<br />

Runggaldier, sei für die Zusendung dieser Informationen gedankt. [Nachtrag: Auch <strong>im</strong> Jahr 2003 hat<br />

der MHD e<strong>in</strong>e solche Umfrage durchgeführt, die hier aber nicht mehr berücksichtigt werden kann.]<br />

361 Vgl. MHD: Q-Tipp, 9. Im Vergleich dazu die Bewertungen von 1999: für 32,0% problemlos leistbar,<br />

für 46,7% leistbar, für 16,4% kaum noch leistbar und für 4,9% eigentlich nicht mehr leistbar. Vgl.<br />

MHD: Q-Tipp, 9. Die Ergebnisse <strong>in</strong> den übrigen MHD-Regionen vgl. ebenfalls MHD: Q-Tipp, 9.<br />

Der Q-Tipp begründet diese Fragestellung damit, „dass e<strong>in</strong>e zu hohe Arbeitsbelastung der Auslöser<br />

von Arbeitsunzufriedenheit und Demotivation se<strong>in</strong> kann“ (MHD: Q-Tipp, 9) wie verschiedene Untersuchungen<br />

belegen. Vgl. MHD: Q-Tipp, 9.<br />

362 Vgl. MHD: Q-Tipp, 11. Im Vergleich dazu die Bewertungen von 1999: für 3,2% sehr gut, für 12,7%<br />

gut, für 40,5% befriedigend, für 21,4% ausreichend u. für 22,2% mangelhaft. Vgl. MHD: Q-Tipp, 11.<br />

363 Vgl. MHD: Q-Tipp, 6. Die Ergebnisse weiterer Fragen (unter anderem zur Ausstattung und zur Personalführung)<br />

s<strong>in</strong>d dem genannten Q-Tipp des MHD zu entnehmen, da darauf nicht weiter e<strong>in</strong>gegangen<br />

werden kann.<br />

76


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

den Kollegen m<strong>in</strong>destens zufrieden stellend, mehr als e<strong>in</strong> Viertel stuft sie sogar als sehr<br />

gut e<strong>in</strong>.<br />

Im Anschluss an die Auswertung dieser Mitarbeiterbefragung von 2001 zog der MHD<br />

folgendes Fazit: „1. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>sgesamt konnte gegen-<br />

über 1999 verbessert werden. 2. Insgesamt ist die Unzufriedenheit der Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen<br />

bei zahlreichen wichtigen Aspekten [...] noch <strong>im</strong>mer sehr ausgeprägt.“ 364 Als dritten<br />

Punkt halten die Verantwortlichen fest, dass „unbed<strong>in</strong>gt gezielte Maßnahmen zur weite-<br />

ren und konsequenten Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit erforderlich“ 365 s<strong>in</strong>d.<br />

Ergänzend sei an dieser Stelle auf die Aussagen <strong>in</strong> den RD-Fragebögen <strong>im</strong> Anhang h<strong>in</strong>-<br />

gewiesen. Die drei befragten Mitarbeiter s<strong>in</strong>d mit ihrem Arbeitsplatz <strong>im</strong> RD zufrie-<br />

den. 366<br />

Die beiden hauptamtlichen Rettungsassistenten nennen aber auch Punkte, die sie unzu-<br />

frieden st<strong>im</strong>men: die schlechte Bezahlung (beide), das Ansehen der RD-Mitarbeiter <strong>in</strong><br />

der Öffentlichkeit, die Unwissenheit der Bevölkerung über den Beruf des Rettungsassi-<br />

stenten, die körperliche und psychische Belastung, der Zustand unseres Gesundheitssy-<br />

stems und die strenge Hierarchie der Krankenhausstruktur (jeweils e<strong>in</strong> Befragter). 367<br />

Auch die Ängste der Befragten sollen nicht unerwähnt bleiben: Die beiden Hauptamtli-<br />

chen befürchten gesundheitliche Probleme, die sie an der Ausübung ihrer Tätigkeit h<strong>in</strong>-<br />

dern könnten; e<strong>in</strong>er von ihnen hat Angst, dass se<strong>in</strong> Arbeitsplatz aus Kostengründen<br />

wegrationalisiert wird. 368 Der ehrenamtliche RA hat „Angst vor dem eigenen Versagen<br />

und dem Wissen darüber, dass dies wahrsche<strong>in</strong>lich nicht zu verh<strong>in</strong>dern ist.“ 369<br />

3.5 Konkretes Beispiel: Rettungswache <strong>in</strong> Großkrotzenburg<br />

Die Lehrrettungswache Sama Hu 85 370 des ASB-Ortsvere<strong>in</strong>s Großkrotzenburg (Landes-<br />

verband Hessen) liegt <strong>im</strong> südlichen Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-Kreis (Rhe<strong>in</strong>-Ma<strong>in</strong>-Gebiet), etwa 10<br />

364<br />

MHD: Q-Tipp, 20. Als wichtige Aspekte werden unter anderem die Kommunikation zwischen Führung<br />

und Mitarbeiter, Motivation durch Vorgesetzte und die Vergütung genannt. Vgl. MHD: Q-Tipp,<br />

20.<br />

365<br />

MHD: Q-Tipp, 20. Konkrete Ansätze hierzu s<strong>in</strong>d dem Q-Tipp zu entnehmen.<br />

366<br />

Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 10).<br />

367<br />

Vgl. dazu Fragebögen RD 1+3 (jeweils 10).<br />

368<br />

Vgl. dazu Fragebögen RD 1+3 (jeweils 11).<br />

369<br />

Vgl. dazu Fragebögen RD 2 (11).<br />

370<br />

Sama Hu 85 ist der Funkrufname dieser Rettungswache und setzt sich wie folgt zusammen: „Sama“<br />

ist der Funkname des ASB, „Hu“ das Autokennzeichen für Hanau und „85“ die Nummer der Wache<br />

<strong>im</strong> Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-Kreis. Die Funkrufnamen aller Fahrzeuge und Personen mit Leitungsfunktion des<br />

Ortsvere<strong>in</strong>s setzen sich aus diesem Namen und e<strong>in</strong>er weiteren Ziffer zusammen (z. B. Sama Hu<br />

85/83 für den 24-Stunden-RTW); <strong>in</strong> der Praxis wird das „Sama“ gelegentlich auch weggelassen.<br />

77


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

km von Hanau entfernt. 371 Zum Leistungsangebot und Programm des Ortsvere<strong>in</strong>s gehö-<br />

ren vor allem die Notfallrettung und der Krankentransport (24 Stunden täglich), der<br />

nichtmediz<strong>in</strong>ische Transportservice, e<strong>in</strong>e Schnell-E<strong>in</strong>satz-Gruppe (SEG) 372 , die Vor-<br />

aushelfer-Gruppe 373 , der Katastrophenschutz (Sanitätszug), der Hausnotruf-Service 374 ,<br />

Essen auf Rädern, Ausbildungskurse (Lebensrettende Sofortmaßnahmen, Erste-Hilfe u.<br />

a.), die Jugendarbeit (Arbeiter-Samariter-Jugend) und Sanitätsdienste am Badesee Frei-<br />

gericht West und bei verschiedenen Veranstaltungen.<br />

Die Wache ist der Zentralen Leitstelle „Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig“ <strong>in</strong> Hanau zugeordnet, die die Not-<br />

fallrettung und Krankentransport (mit <strong>in</strong>sgesamt über 40 Fahrzeugen), den Katastro-<br />

phenschutz und die Feuerwehren <strong>im</strong> gesamten Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-Kreis vollständig und rund<br />

um die Uhr koord<strong>in</strong>iert.<br />

Zum pr<strong>im</strong>ären E<strong>in</strong>satzgebiet der Rettungswache zählen aufgrund der gesetzlich festge-<br />

legten Hilfsfrist von zehn M<strong>in</strong>uten neben Großkrotzenburg auch die Hanauer Stadtteile<br />

Großauhe<strong>im</strong>, Kle<strong>in</strong>-Auhe<strong>im</strong> und teilweise Ste<strong>in</strong>he<strong>im</strong>. Zum sekundären E<strong>in</strong>satzgebiet<br />

zählt der übrige Altkreis von Hanau, <strong>in</strong>sofern die benötigte Anzahl an Rettungsmitteln<br />

dort nicht zur Verfügung steht.<br />

Das E<strong>in</strong>satzgebiet von Sama Hu 85 grenzt unmittelbar an die Zuständigkeitsbereiche<br />

der Leitstellen Dietzenbach (Kreis Offenbach <strong>in</strong> Hessen) und Aschaffenburg (Bayern)<br />

an. Im Bedarfsfall werden also auch Notfalle<strong>in</strong>sätze aushilfsweise <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>den dieser<br />

Gebiete übernommen, wenn deren eigene Rettungsmittel bereits vergeben s<strong>in</strong>d und die<br />

Hanauer Leitstelle e<strong>in</strong> Großkrotzenburger Fahrzeug dafür bereitstellen kann.<br />

Das E<strong>in</strong>satzgebiet lässt sich ferner als e<strong>in</strong>e Mischung zwischen Stadt- und Landrettung<br />

e<strong>in</strong>ordnen. 375 Als Gefahrenpotentiale gehören Abschnitte der Autobahn 45 und der Bun-<br />

371<br />

Die Informationen dieses gesamten Abschnittes basieren auf Gesprächen mit dem RD-Personal der<br />

genannten Wache.<br />

372<br />

Hierzu gehören Rettungsassistenten, -sanitäter und -helfer, die von der Leitstelle per FME alarmiert<br />

werden, um Rettungsmittel als SEG oder als so genannter H<strong>in</strong>tergrund-<strong>Rettungsdienst</strong> zusätzlich zu<br />

besetzen, wenn der reguläre <strong>Rettungsdienst</strong> die Grenzen se<strong>in</strong>er Kapazitäten erreicht hat.<br />

373<br />

Zu dieser Gruppe gehören entsprechend ausgebildete und ausgestattete Helfer und <strong>Rettungsdienst</strong>ler,<br />

die vor allem bei der E<strong>in</strong>satz<strong>in</strong>dikation der Rean<strong>im</strong>ation von der Leitstelle zusätzlich zum regulären<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> per FME alarmiert werden, weil sie aufgrund von räumlicher Nähe eventuell schneller<br />

als dieser am E<strong>in</strong>satzort se<strong>in</strong> können und dadurch die entscheidende Zeit mit lebensrettenden Sofortmaßnahmen<br />

überbrücken können. Diese Voraushelfer, auch First Responder genannt, s<strong>in</strong>d aber<br />

durch die Alarmierung nicht zum E<strong>in</strong>satz verpflichtet.<br />

374<br />

Das Hausnotruf-System ist e<strong>in</strong> Angebot vor allem für hilfsbedürftige und ältere Menschen, die alle<strong>in</strong>e<br />

zu Hause wohnen. Über e<strong>in</strong>e Telefonanlage und e<strong>in</strong>en Notfallknopf zum Umhängen können sie <strong>in</strong><br />

Notfällen direkt mit e<strong>in</strong>er Zentrale Kontakt aufnehmen, die je nach Anlass weitere Hilfsmaßnahmen<br />

e<strong>in</strong>leitet und gegebenenfalls e<strong>in</strong>en Helfer mit dem Wohnungsschlüssel vor Ort schickt.<br />

375<br />

Die Stadtrettung ist <strong>im</strong> Vergleich zur Landrettung vor allem durch höhere E<strong>in</strong>satzzahlen geprägt<br />

(Bevölkerungsdichte). Aufgrund von verstärkter Industrie und e<strong>in</strong>em größeren Aufkommen <strong>im</strong> Straßenverkehr<br />

s<strong>in</strong>d bei der Stadtrettung entsprechende E<strong>in</strong>satz<strong>in</strong>dikationen (zum Beispiel Betriebs- und<br />

Verkehrsunfälle) entsprechend häufiger gegeben.<br />

78


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

desstraße 43a, der Badesee Freigericht West und e<strong>in</strong> Kohlekraftwerk zum pr<strong>im</strong>ären, die<br />

Industrie <strong>in</strong> Hanau zum sekundären E<strong>in</strong>satzbereich.<br />

Zum hauptamtlichen RD-Personal der Wache gehören derzeit (September 2003) e<strong>in</strong>e<br />

Rettungsassistent<strong>in</strong>, acht Rettungsassistenten (darunter der Wacheleiter und Des<strong>in</strong>fektor<br />

und zwei Lehrrettungsassistenten) und vier Rettungshelfer. Das Durchschnittsalter be-<br />

trägt 31 Jahre, die Spanne liegt dabei zwischen 22 und 62 Jahren. Wegen der Verkür-<br />

zung der Zivildienstzeit lohnt es sich für die Wache kaum, Zivildienstleistende <strong>im</strong> RD<br />

e<strong>in</strong>zusetzen, wohl aber für Essen auf Rädern und den Hausnotruf-Service.<br />

Zum ehrenamtlichen RD-Personal des Ortsvere<strong>in</strong>s gehören zwei Rettungsassistenten,<br />

zehn Rettungssanitäter und -<strong>in</strong>nen, zwei Rettungshelfer und zwei Praktikanten; das<br />

Durchschnittsalter liegt hier unter 30 Jahren.<br />

Alle Helfer s<strong>in</strong>d <strong>im</strong> Rahmen ihres Dienstes versichert. Die Dienstkleidung (Rettungsho-<br />

se und -hemd, E<strong>in</strong>satzjacke und Sicherheitsschuhe entsprechend der Norm) wird vom<br />

Ortsvere<strong>in</strong> bereitgestellt und gere<strong>in</strong>igt.<br />

Die Großkrotzenburger Rettungswache verfügt über drei regulär e<strong>in</strong>gesetzte Ret-<br />

tungstransportwagen (Hu 85/83, Hu 85/84 und Hu 85/86), die nach Norm ausgestattet<br />

s<strong>in</strong>d und auch für den Krankentransport benutzt werden können. Ferner besitzt sie Fahr-<br />

zeuge für den Katastrophenschutz, Hausnotruf und Essen auf Rädern.<br />

Die Rettungswagen werden entsprechend dem Hessischen RD-Gesetz (HRDG) be-<br />

setzt. 376 Die Dienstzeiten <strong>im</strong> RD ergeben sich – wie bereits erwähnt – aus der Arbeits-<br />

und der Bereitschaftszeit, so dass nicht <strong>im</strong>mer die gesamte Dienstzeit vergütet wird. 377<br />

Neben der Notfallrettung s<strong>in</strong>d vom Personal auch Arbeiten auf der Wache zu verrichten;<br />

so müssen beispielsweise die Fahrzeuge regelmäßig komplett des<strong>in</strong>fiziert und die Me-<br />

dikamente auf Vollständigkeit und Haltbarkeit überprüft werden.<br />

Der Dienstplan der Hauptamtlichen ist unterschiedlich gestaltet; <strong>in</strong> der Regel werden sie<br />

drei oder vier Tage zur gleichen Schicht e<strong>in</strong>geteilt und nach e<strong>in</strong>em freien Tag oder zwei<br />

freien Tagen wieder zu e<strong>in</strong>em anderen Schichtdienst verpflichtet. Die Ehrenamtlichen<br />

können sich beliebig <strong>in</strong> den Plan e<strong>in</strong>tragen.<br />

Durch statistische Berechnungen wurde der durchschnittliche Bedarf der Leitstelle an<br />

Rettungsfahrzeugen <strong>im</strong> E<strong>in</strong>satzgebiet, die so genannten Vorhaltezeiten, ermittelt und<br />

376 Das bedeutet, dass die RTW-Besatzung m<strong>in</strong>destens aus e<strong>in</strong>em Rettungshelfer (oder höhere Ausbildung)<br />

als Fahrer und e<strong>in</strong>em Rettungsassistenten als Beifahrer besteht.<br />

377 Vgl. dazu III, 3.4.1.<br />

79


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

dann auf vier verschiedene Schichten (Tag-, Nacht-, Kurz- und „Dialyse“ 378 -Dienst) wie<br />

folgt übertragen:<br />

Schicht Fahrzeug Dienstzeit Angerechnete Arbeitszeit<br />

T-Schicht (täglich): Hu 85/83 07-18 Uhr 08,8 von 11,0 Stunden<br />

N-Schicht (täglich): Hu 85/83 18-07 Uhr 10,4 von 13,0 Stunden<br />

D-Schicht (Mo.-Do.): Hu 85/86 06-13 Uhr 07,0 von 07,0 Stunden<br />

D-Schicht (Fr.): Hu 85/86 06-12 Uhr 06,0 von 06,0 Stunden<br />

D-Schicht (Sa.): Hu 85/86 07-14 Uhr 07,0 von 07,0 Stunden<br />

K-Schicht (Mo.-Do.): Hu 85/84 09-16 Uhr 07,0 von 07,0 Stunden<br />

K-Schicht (Fr.): Hu 85/84 09-15 Uhr 06,0 von 06,0 Stunden<br />

K-Schicht (Sa.): Hu 85/84 10-19 Uhr 07,2 von 09,0 Stunden<br />

Im Jahr 2002 absolvierte das Personal der Großkrotzenburger Wache <strong>in</strong>sgesamt 2.304<br />

Alarmierungen (davon 1.613 E<strong>in</strong>sätze und Notfälle, 374 Krankentransporte und 317<br />

Fehle<strong>in</strong>sätze 379 ). Vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2003 waren es 919 E<strong>in</strong>sätze und Not-<br />

fälle, 481 Krankentransporte und 211 Fehle<strong>in</strong>sätze und 12.990 gefahrene Kilometer. 380<br />

Das Wachgebäude bietet dem Personal neben dem Wach- und Aufenthaltsraum mit TV-<br />

und Musik-Anlage auch e<strong>in</strong> Ausbildungsz<strong>im</strong>mer und weitere Sozialräume (Umkleide-<br />

raum, e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Küche, zwei Ruheräume, Toiletten und Dusche).<br />

Für die haupt- und ehrenamtlichen Helfer gibt es auf der Wache unter anderem die fol-<br />

genden Angebote: e<strong>in</strong> wöchentlicher Treffpunkt am Abend, monatliche Fortbildungen,<br />

Ausbildungen und Übungen für Rettungs-, Sanitätsdienst und Katastrophenschutz.<br />

Für die Stressbearbeitung und Gespräche nach belastenden E<strong>in</strong>sätzen wird auf das Ver-<br />

antwortungsbewusstse<strong>in</strong> des jeweiligen Rettungsteams vertraut. E<strong>in</strong> <strong>in</strong> CISM 381 ausge-<br />

bildeter Rettungsassistent, zwei wach<strong>in</strong>terne Helfer des Krisen<strong>in</strong>terventionsdienstes und<br />

die beiden Ortspfarrer (von evangelischer und katholischer Seite) stehen auf Anfrage<br />

jederzeit für Gespräche zur Verfügung; allerd<strong>in</strong>gs wird auf diese Angebote nicht (mehr)<br />

durch e<strong>in</strong>en ständigen Aushang an der Informationswand h<strong>in</strong>gewiesen.<br />

378<br />

Bei der E<strong>in</strong>richtung dieser Schicht wurde damit gerechnet, dass vor allem Transporte von Dialysepatienten<br />

von diesem Dienst durchzuführen s<strong>in</strong>d.<br />

379<br />

Fehle<strong>in</strong>sätze s<strong>in</strong>d Fahrten, die ohne Transport e<strong>in</strong>es Patienten beendet worden s<strong>in</strong>d, weil der Patient<br />

diesen verweigert hat, verstorben ist oder weil am E<strong>in</strong>satzort ke<strong>in</strong>e <strong>Rettungsdienst</strong><strong>in</strong>dikation vorlag<br />

oder die Leitstelle den E<strong>in</strong>satz abgebrochen hat. Die Kosten dieser Fahrten können nicht mit den<br />

Krankenkassen abgerechnet werden und müssen somit von der Rettungswache getragen werden.<br />

380<br />

Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass bis Dezember 2002 nur zwei RTW <strong>im</strong> Dienst waren,<br />

die <strong>in</strong> drei Schichten (Hu 85/84: täglich Tag- und Nachtschicht; Hu 85/83: montags bis freitags Kurzschicht<br />

von 9-17 Uhr) e<strong>in</strong>geteilt worden s<strong>in</strong>d.<br />

381<br />

Auf das Critical Incident Stress Management wurde bereits <strong>in</strong> II, 3.1.1.3 e<strong>in</strong>gegangen.<br />

80


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Aufgaben der NFS und des KID wurden bereits <strong>in</strong> Fortbildungse<strong>in</strong>heiten vorge-<br />

stellt. Die Nachforderung von NFS und KID über die Leitstelle bleibt dem jeweiligen<br />

Rettungsteam überlassen. 382<br />

4 Mensch und Kirche <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

4.1 Menschenbild <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Das Menschenbild, das e<strong>in</strong>e Person oder Organisation hat, prägt nicht nur deren Ver-<br />

ständnis von den Mitmenschen und von sich selbst, sondern auch deren Umgangswei-<br />

sen mit sich und den anderen. 383<br />

Die Mediz<strong>in</strong> und somit auch die Notfallmediz<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d vom naturwissenschaftlichen<br />

Denkansatz des René Descartes (1596-1650) geprägt, der den Menschen als Dualismus<br />

von Körper und Geist ansieht. Sie hatte ihr Menschenbild <strong>im</strong>mer mehr auf den Körper<br />

reduziert und diesen, angelehnt an Descartes, als e<strong>in</strong>e Art reparable Masch<strong>in</strong>e betrach-<br />

tet. Die Notfallmediz<strong>in</strong> konzentrierte sich demnach vor allem auf die Vitalfunktionen. 384<br />

Ungefähr seit Mitte der 1980er Jahre hat allmählich e<strong>in</strong> Umdenkprozess stattgefunden.<br />

Seitdem wird <strong>im</strong>mer mehr Wert darauf gelegt, dass der Mensch auch <strong>im</strong> RD und <strong>in</strong> der<br />

Notfallmediz<strong>in</strong> nicht mehr auf se<strong>in</strong>e Vitalfunktionen reduziert, sondern wieder ganz-<br />

heitlich als e<strong>in</strong> Geschöpf mit vielen D<strong>im</strong>ensionen und Bedürfnissen (vor allem physi-<br />

scher, psychischer, sozialer, kultureller und auch spiritueller Art) wahrgenommen und<br />

behandelt wird, „als E<strong>in</strong>heit von Körper, Geist und Seele.“ 385<br />

Diese Rückbes<strong>in</strong>nung hat <strong>im</strong> RD das Patientenbild und das Mitarbeiterbild <strong>im</strong>mer mehr<br />

verändert und dadurch Konsequenzen – sowohl für die Patientenbetreuung als auch <strong>in</strong><br />

382 Im Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-Kreis gibt es ferner e<strong>in</strong>e Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Krisen<strong>in</strong>tervention, <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

und Stressbewältigung unter der Leitung des ärztlichen Leiters für den RD, <strong>in</strong> der Mitglieder aus dem<br />

RD, der Feuerwehr, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) und der NFS geme<strong>in</strong>sam<br />

an e<strong>in</strong>em Tisch sitzen und beraten.<br />

383 Vgl. SALOMON: Das Menschenbild, 242.<br />

384 Vgl. SALOMON: Das Menschenbild, 242f. Fred Salomon verweist dabei auf Descartes’ Meditationen<br />

über die Erste Philosophie (1642). Salomon bemerkt ferner, dass „die Konzentration auf die lebenswichtigen<br />

Systeme von Herz-Kreislauf, Atmung und Gehirn [...] e<strong>in</strong>e Schutzmauer gegen das Hervorbrechen<br />

von Gefühlen und Erfahrungen der eigenen Betroffenheit, e<strong>in</strong>e Schutzmauer gegen die<br />

Konfrontation mit der eigenen Verletzlichkeit“ (SALOMON: Das Menschenbild, 243) bietet. Diese<br />

Schutzmauern s<strong>in</strong>d aber zu h<strong>in</strong>terfragen, sobald „sie die Selbstwahrnehmung oder die Beziehung zu<br />

anderen Menschen bee<strong>in</strong>trächtigen.“ (SALOMON: Das Menschenbild, 243.)<br />

385 KARUTZ: Mit dem Notfallpatienten e<strong>in</strong>en „PAKT“ schließen, 212. Vgl. dazu auch FALK: Ethische,<br />

psychologische und theologische Aspekte, 361f und vgl. auch SALOMON: Das Menschenbild. Im RD<br />

kam und kommt es auch heute noch vor, dass <strong>in</strong> der Kommunikation Patienten oft auf ihre Krankheit<br />

oder Verletzung reduziert werden. So wird zum Beispiel von manchem RD-Personal e<strong>in</strong>e Lungenentzündung<br />

oder e<strong>in</strong>e Kopfplatzwunde <strong>im</strong> Krankenhaus angemeldet – für die Ärzte ist es natürlich<br />

hilfreich, wenn zusätzlich auch der dazugehörige Patient mitgebracht wird.<br />

81


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Bezug auf die Fürsorge für die E<strong>in</strong>satzkräfte – mit sich gebracht, auf die <strong>in</strong> den weiteren<br />

Unterpunkten e<strong>in</strong>gegangen werden soll. 386<br />

4.1.1 Konsequenzen <strong>in</strong> der Patientenbetreuung<br />

Durch die oben genannte Tendenz, <strong>im</strong> RD den Menschen wieder ganzheitlich zu be-<br />

trachten, wurde Ende der 1980er Jahre <strong>im</strong>mer mehr auch die Lücke der psychischen<br />

beziehungsweise seelsorglichen Betreuung <strong>im</strong> RD wahrgenommen. In vielen Regionen<br />

s<strong>in</strong>d daher der KID (bzw. die KIT), die NFS und die SbE ® e<strong>in</strong>gerichtet worden. 387<br />

In zahlreichen Publikationen, <strong>in</strong> den Hilfsorganisationen und be<strong>im</strong> RD-Personal wird<br />

seitdem <strong>im</strong>mer mehr die Me<strong>in</strong>ung vertreten, dass es <strong>im</strong> RD nicht darum gehen kann,<br />

sich bei der Versorgung auf die mediz<strong>in</strong>ischen Parameter zu beschränken. Mehr und<br />

mehr wird darauf geachtet, auch die seelischen Zustände (wie Angst, E<strong>in</strong>samkeit und<br />

Ungewissheit etc.) und Bedürfnisse (zum Beispiel nach Zuwendung) des Patienten und<br />

gegebenenfalls se<strong>in</strong>er Angehörigen <strong>in</strong> den Blick zu nehmen und darauf e<strong>in</strong>zugehen. 388<br />

„Immer mehr <strong>Rettungsdienst</strong>mitarbeiter erkennen, dass die qualifizierte psychotrauma-<br />

tologische Intervention <strong>im</strong> Rahmen e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satzgeschehens <strong>in</strong>tegraler Bestandteil des<br />

rettungsdienstlichen Auftrags ist. <strong>Rettungsdienst</strong> wird damit nicht auf e<strong>in</strong>e Vitalfunkti-<br />

onsmechanik reduziert, sondern hält e<strong>in</strong> ganzheitliches Menschenbild <strong>im</strong> Blick“ 389 , so<br />

Andreas Müller-Cyran. Demnach steht also „<strong>im</strong> Zentrum der Bemühungen der Notfall-<br />

mediz<strong>in</strong> [...] der hilfsbedürftige Mensch. Er braucht die Kompetenz der Helfer als Vital-<br />

funktionsexperten und ebenso ihre persönliche Zuwendung.“ 390 Weiter zeigen „mannig-<br />

386<br />

FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 362f.<br />

387<br />

Die genannten E<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d bereits unter II, 3.1.1 dargestellt worden. Vgl. zu dieser Thematik<br />

auch GIERING: Lücke <strong>im</strong> Gefüge der <strong>Rettungsdienst</strong>e.<br />

388<br />

Vgl. SALOMON: Das Menschenbild, 245. Als Publikationen seien stellvertretend PETER: Der Betreuungse<strong>in</strong>satz<br />

und FERTIG / WIETERSHEIM: Menschliche Begleitung und Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

und BENGEL: Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong> und KARUTZ: Mit dem<br />

Notfallpatienten e<strong>in</strong>en „PAKT“ schließen genannt. Auf die e<strong>in</strong>zelnen Hilfsorganisationen wird später<br />

noch näher e<strong>in</strong>gegangen. Vgl. auch Fragebögen RD 1-3 (jeweils 12). Diese bestätigen tendenziell die<br />

genannte Entwicklung, vor allem RD 3; RD 1 geht eher auf Emotionen und die Distanz e<strong>in</strong> als auf<br />

se<strong>in</strong> Patientenbild; was se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach „das Beste“ für den Patienten ist, beantwortet er nicht.<br />

RD 2 beschränkt sich <strong>in</strong> der akuten Notsituation vor allem auf die Vitalparameter, sieht aber generell<br />

<strong>im</strong> Patienten e<strong>in</strong>en ganzheitlichen Menschen.<br />

389<br />

Andreas Müller-Cyran <strong>in</strong> DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 8. Weiter heißt es<br />

dort: „In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die psychologisch-humanitäre Kompetenz e<strong>in</strong> wesentlicher<br />

Bestandteil des Berufsbildes ‚Rettungsassistent’ geworden ist. Die berufliche Identität des<br />

Rettungsassistenten erschöpft sich nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er wesentlichen Zuordnung als Assistent des (Not-)<br />

Arztes. Es gehört nunmehr zum beruflichen Profil [...], psychisch traumatisierte und trauernde Menschen<br />

<strong>in</strong> der Akutsituation zu identifizieren und selbst verantwortlich zu <strong>in</strong>tervenieren.“ (Andreas<br />

Müller-Cyran <strong>in</strong> DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 8f.)<br />

390<br />

SALOMON: Das Menschenbild, 245. Vgl. zum ersten Teil des Zitats die bereits <strong>in</strong> der Kriteriologie<br />

(unter II, 2.2.1) angeführte Aussage der Pastoralkonstitution: „Der Mensch also, der e<strong>in</strong>e und ganze<br />

Mensch, mit Leib und Seele, Herz und Gewissen, Vernunft und Willen steht <strong>im</strong> Mittelpunkt unserer<br />

Ausführungen.“ (ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 3.) Auf Seite 2 dieser<br />

82


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

fache Erfahrung und mittlerweile auch e<strong>in</strong>ige Studien [...], dass Entscheidungen, Hand-<br />

lungen, Verzicht auf Maßnahmen oder die Geschw<strong>in</strong>digkeit der Hilfe nicht nur von<br />

harten mediz<strong>in</strong>ischen Fakten, sondern auch von sozialen, emotionalen, psychischen Ge-<br />

gebenheiten und Wertvorstellungen der Beteiligten bee<strong>in</strong>flusst werden.“ 391<br />

Als e<strong>in</strong> guter Fortschritt <strong>in</strong> diesem Bereich kann angesehen werden, dass Schulungen<br />

und Fortbildungen des RD-Personals <strong>in</strong> psychologischem Grundwissen und Basis-<br />

Krisen<strong>in</strong>tervention und die Beteiligung des KID oder der NFS bei problematischen E<strong>in</strong>-<br />

sätzen <strong>in</strong> vielen Gebieten <strong>im</strong>mer selbstverständlicher werden. 392<br />

4.1.2 Konsequenzen bei der Fürsorge für die E<strong>in</strong>satzkräfte<br />

Das ganzheitliche Menschenbild muss sich auch <strong>in</strong> der Fürsorge der Dienststellen für<br />

ihr RD-Personal und auch <strong>im</strong> Umgang der E<strong>in</strong>satzkräfte mit sich selbst widerspiegeln.<br />

Es gilt, dabei auch die Grenzen und Probleme der Helfer zu berücksichtigen. 393<br />

Die E<strong>in</strong>satznachsorge wird allerd<strong>in</strong>gs „nach wie vor als Stiefk<strong>in</strong>d behandelt.“ 394 Die<br />

Frage bleibt, <strong>in</strong>wiefern die RD-Mitarbeiter solche Angebote akzeptieren, für sich selbst<br />

als notwendig und hilfreich erachten und schließlich nutzen. Nicht selten werden <strong>im</strong> RD<br />

Gefühle und Befürchtungen als Schwächen verdrängt. Es wird versucht, e<strong>in</strong>fach zur<br />

Normalität zurückzukehren und sich dadurch von e<strong>in</strong>em erlebten Trauma abzulenken.<br />

Schließlich wird unter Umständen zu Alkohol oder Medikamenten gegriffen. 395<br />

Ausgabe s<strong>in</strong>d beide Formulierungen gegenübergestellt und können e<strong>in</strong>e Grundlage für die Zusammenarbeit<br />

bilden: Geme<strong>in</strong>sam den Menschen <strong>im</strong> Mittelpunkt.<br />

391 SALOMON: Das Menschenbild, 246. Vgl. dazu auch die deutliche Aussage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Leitfaden zur<br />

Ersten Hilfe: „Genauso wichtig wie e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Wundversorgung oder e<strong>in</strong>e lebensrettende Maßnahme<br />

ist <strong>im</strong>mer auch die psychische Betreuung des Notfallpatienten [...]. Bei allen Notfallsituationen<br />

trägt die psychische Betreuung zur Schockvorbeugung bei.“ (ASB: Erste Hilfe, 37.) Vgl. dazu<br />

auch Fragebogen RD 3 (13.1): „E<strong>in</strong> Gespräch und menschliche Zuwendung kann oft mehr bewirken<br />

als so manches Medikament.“ Ganz <strong>im</strong> Gegensatz dazu steht e<strong>in</strong>e Publikation von Gustav Zöch aus<br />

dem Jahr 1927, die <strong>im</strong> Rahmen von Erste-Hilfe-Maßnahmen überhaupt nicht auf psychische Betreuung<br />

e<strong>in</strong>geht und nur die physische Seite der Notfallversorgung kennt. Vgl. ZÖCH: Erste Hilfe .<br />

392 Natürlich gibt es noch e<strong>in</strong>iges auf diesen Gebieten zu verbessern und an der Diskrepanz zwischen<br />

Ideal und Praxis zu arbeiten, aber e<strong>in</strong> guter Anfang ist auf jeden Fall gemacht. Nicht unerwähnt ble iben<br />

soll an dieser Stelle, dass es <strong>in</strong> den vergangenen Jahren auch weiterh<strong>in</strong> Publikationen gab, die die<br />

psychische Betreuung u. ä. nicht berücksichtigen. So ist zum beispielsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Leitfaden für<br />

E<strong>in</strong>satzorganisation bei Katastrophen (von 1996) ke<strong>in</strong>erlei H<strong>in</strong>weis auf psychische Belastungen,<br />

NFS, KID und Stressbearbeitung zu f<strong>in</strong>den, sondern nur e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> technische Abwicklung der Rettungsmaßnahmen.<br />

Der Aspekt der Betreuung me<strong>in</strong>t hier vor allem die Versorgung mit Lebensmitteln<br />

und Unterbr<strong>in</strong>gung von Hilfsbedürftigen; Köche u. ä. werden deshalb dafür bevorzugt benötigt. Vgl.<br />

BITTGER: Großunfälle und Katastrophen, bes. 52 u. 73.<br />

393 Vgl. SALOMON: Das Menschenbild, 245. Vgl. zur aktuellen Situation auch LOVENFOSSE / FALK:<br />

Mediatorenmodell <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 376f. Auf die zahlreichen und vielfältigen Belastungen des<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>es wurde bereits e<strong>in</strong>gegangen und die gängigen Methoden zur Stressbearbeitung belastender<br />

E<strong>in</strong>sätze (SbE ® ) <strong>im</strong> Rahmen e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>satznachsorge wurden vorgestellt. Vgl. dazu III, 3.4.2<br />

(zu den Belastungen <strong>im</strong> RD) und II, 3.1.1.3 (zur E<strong>in</strong>satznachsorge).<br />

394 FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269.<br />

395 Vgl. STEPAN / JATZKO: Traumatherapie <strong>in</strong> der Diskussion, 547. Vgl. dazu auch III, 3.4.2.1.<br />

83


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Aus den Fragebögen lassen sich folgende Methoden der Stressbewältigung bei den Be-<br />

fragten herauslesen: Gespräche <strong>im</strong> Rettungsteam und beziehungsweise mit Familienan-<br />

gehörigen oder Freunden, Musikhören oder e<strong>in</strong> Nachsorgegespräch mit e<strong>in</strong>em qualifi-<br />

zierten Kollegen (des KID). 396 Die Mehrheit der Befragten bewertet die bisherige Ak-<br />

zeptanz und Nutzung von Bewältigungsangeboten eher skeptisch. 397<br />

Natürlich kann ke<strong>in</strong> RD-Mitarbeiter zu e<strong>in</strong>er begleiteten Stressbearbeitung gezwungen<br />

werden, doch es ist s<strong>in</strong>nvoll, wenn die Dienststellen <strong>im</strong> Rahmen ihrer Fürsorge auch<br />

Stressbewältigungsangebote mit qualifizierten und erfahrenen Helfern ermöglichen. 398<br />

Innerhalb des <strong>Rettungsdienst</strong>es kann das so genannte Mediatorenmodell mit dem Leit-<br />

wort Mensch <strong>im</strong> Mittelpunkt, das 1994 vom MHD e<strong>in</strong>geführt wurde, e<strong>in</strong>e besondere<br />

Rolle bei der E<strong>in</strong>satznachsorge spielen. 399<br />

Das Modell ist aus sechs Handlungse<strong>in</strong>heiten zusammengesetzt, die <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander greifen:<br />

1) Bewusstse<strong>in</strong>sveränderung <strong>in</strong>nerhalb der jeweiligen RD-Organisation zu e<strong>in</strong>em<br />

neuen ethischen Verständnis (Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen, um dadurch<br />

Leistungsbereitschaft und Qualität zu steigern, vor allem <strong>im</strong> Bereich der Patien-<br />

tenbetreuung),<br />

2) Aufnahme von Lernzielen der Bereiche Ethik, Psychologie und Theologie <strong>in</strong> die<br />

RD-Ausbildung,<br />

3) Grundlagensem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Kommunikation (langfristig für jeden Mitarbeiter),<br />

396 Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 15.2 u. 15.3). Der Fragebogen KID (12) nennt zusätzlich die Supervision<br />

und das „Auftanken“ be<strong>im</strong> Gottesdienst. Ergänzend seien hier die Ergebnisse der Umfrage<br />

von Denise Thomas genannt. Danach s<strong>in</strong>d für die befragten RD-Mitarbeiter nach e<strong>in</strong>em belastenden<br />

E<strong>in</strong>satz (Beispiel SIDS) die Gespräche mit den Kollegen am wichtigsten, ferner zusätzlich Gespräche<br />

mit dem Lebenspartner (55% der Befragten) und mit dem Freundeskreis (45%). Vgl. Denise Thomas<br />

<strong>in</strong> HELMERICHS: Erfahrungen des <strong>Rettungsdienst</strong>-Personals, 114. „Außerdem sche<strong>in</strong>t der Glaube bei<br />

der Verarbeitung e<strong>in</strong>e Rolle zu spielen. Sowohl der Tod an sich als auch der Tod e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des kann –<br />

so lautet das Auswertungsergebnis – mit Religiosität besser bewältigt werden.“ (Denise Thomas <strong>in</strong><br />

HELMERICHS: Erfahrungen des <strong>Rettungsdienst</strong>-Personals, 114.)<br />

397 Vgl. Fragebögen KID (13, 14.1 u. 14.2), NFS (11.2), RD 3 (15.5) und RD 1 (15.5 u. 14); lediglich<br />

Fragebogen RD 2 schreibt: „Die Mehrheit sieht eigentlich ke<strong>in</strong>e Heldentat mehr dar<strong>in</strong>, über Erlebnisse<br />

offen zu sprechen.“ (Fragebogen RD 2, 15.3.) Interessant ist zu diesem Aspekt auch die folgende<br />

Aussage über die RD-Kräfte von Hans Ulrich Giesen <strong>im</strong> Rahmen der E<strong>in</strong>satznachsorge von Eschede:<br />

„Vielfach fehlte jegliches Wissen über die Tatsache, daß es belastende Momente bei solchen E<strong>in</strong>sätzen<br />

gibt und daß es Maßnahmen zur Reduktion und Verkürzung der möglichen Störungen gibt... Lediglich<br />

bei den Malteser Kräften, die <strong>in</strong> das Projekt Mensch <strong>im</strong> Mittelpunkt e<strong>in</strong>gegliedert s<strong>in</strong>d, zeigte<br />

sich e<strong>in</strong> hoher Bekanntheitsgrad und Sensibilität für E<strong>in</strong>satznachsorge. Hier sche<strong>in</strong>t das Projekt mit<br />

dem Ziel, pro Dienststelle m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>en Mediator zu haben, Früchte zu tragen.“ (GIESEN: E<strong>in</strong>satznachbereitung<br />

nach dem ICE-Unfall <strong>in</strong> Eschede, 8.) Das genannte Mediatorenmodell wird <strong>in</strong> diesem<br />

Abschnitt noch genauer vorgestellt.<br />

398 Vgl. STEPAN / JATZKO: Traumatherapie <strong>in</strong> der Diskussion, 547. Roman Lovenfosse und Bernd Falk<br />

sehen <strong>in</strong> der hohen Fluktuation <strong>im</strong> RD möglicherweise e<strong>in</strong>en Indikator für ungenügende Angebote<br />

auf diesem Gebiet Vgl. LOVENFOSSE / FALK: Mediatorenmodell <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 377.<br />

399 Vgl. RUNGGALDIER: Psychologie, 856. Zur E<strong>in</strong>satznachsorge sei allgeme<strong>in</strong> weiter verwiesen auf<br />

WATERSTRAAT : Aspekte der E<strong>in</strong>satznachsorge nach e<strong>in</strong>em Massenanfall von Verletzten, bes. 4-8 und<br />

auf WATERSTRAAT : Der Mensch <strong>in</strong> der Katastrophe, 41-43.<br />

84


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

4) Grundlagensem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Stressbewältigung (langfristig für jeden Mitarbeiter),<br />

5) Ausbildung von Mediatoren und<br />

6) Ausbildung von CISM- beziehungsweise SbE ® -Teams (mittlerweile bundesweit<br />

an vier Standorten und jeden Tag 24 Stunden abrufbereit). 400<br />

Der Mediator ist e<strong>in</strong> zusätzlich geschulter RD-Mitarbeiter und hat als Vermittler zwi-<br />

schen Kollegen, Dienststelle und den <strong>im</strong> E<strong>in</strong>zelfall benötigten psychosozialen Fach-<br />

kräften (zum Beispiel Dozenten und CISM-/SbE ® -Team) e<strong>in</strong>e wichtige Funktion. 401<br />

„Dabei bleibt er Kollege <strong>im</strong> Team ohne Vorgesetztenrolle“ 402 , gibt Impulse für das<br />

Fortbildungsprogramm und organisiert bei Bedarf für belastete E<strong>in</strong>satzkräfte Nachsor-<br />

gegespräche nach CISM. 403<br />

4.2 Mensch und Kirche bei den Hilfsorganisationen<br />

In diesem Abschnitt soll auf die vier großen Hilfsorganisation <strong>im</strong> RD e<strong>in</strong>gegangen wer-<br />

den, die e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag zur Entwicklung und Praxis des Rettungswesens<br />

geleistet haben und auch heute noch leisten: der ASB, das DRK, die JUH und der<br />

MHD. E<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> die Entstehungsgeschichte, das normative Leitbild und das Pro-<br />

gramm der jeweiligen Organisation soll prüfen, welches Ideal und Menschenbild ihr<br />

Tun prägt und ob sich e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit mit der Kirche zum Wohl der Menschen<br />

(Patienten, Angehörige und E<strong>in</strong>satzkräfte) vorstellen lässt.<br />

E<strong>in</strong>leitend lässt sich bereits jetzt festhalten, dass die <strong>in</strong> der Kriteriologie (unter II, 2.1.2)<br />

ausführlich behandelte Samariter-Perikope aus Lk 10,25-37 als „unverzichtbarer Be-<br />

standteil der theologischen Grundlagen“ 404 der Hilfsorganisationen JUH und MHD, die<br />

beide mit den christlichen Kirchen verbunden s<strong>in</strong>d, zu sehen ist. Auch über den b<strong>in</strong>nen-<br />

400 Vgl. RUNGGALDIER: Psychologie, 856-858. Vgl. dazu auch LOVENFOSSE / FALK: Mediatorenmodell<br />

<strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 377-381. Auf CISM wurde bereits unter II, 3.1.1.3 e<strong>in</strong>gegangen.<br />

401 Die Inhalte der Mediatorenausbildung s<strong>in</strong>d neben Kommunikation, Stressbewältigung unter anderem<br />

auch Moral und Ethik <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> und auch die Bedürfnisse von Patienten, Angehörigen und<br />

E<strong>in</strong>satzkräften. Vgl. LOVENFOSSE / FALK: Mediatorenmodell <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 381.<br />

402 RUNGGALDIER: Psychologie, 857. Dass e<strong>in</strong> RD-Kollege diese vermittelnde Rolle als Ansprechpartner<br />

und Impulsgeber e<strong>in</strong>n<strong>im</strong>mt, hat e<strong>in</strong>e entscheidende Bedeutung für die Akzeptanz unter den Mitarbeitern.<br />

Bestätigend sei die folgende Aussage aus e<strong>in</strong>er Reflexion zur E<strong>in</strong>satznachsorge von Eschede<br />

angeführt: „Viele E<strong>in</strong>satzkräfte gaben die Rückmeldung, daß die E<strong>in</strong>satznachbesprechungen auch<br />

deshalb akzeptiert werden konnten, weil sie überwiegend von geschulten Kollegen und Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

aus Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> durchgeführt wurden. Das Konzept der ‚psychologischen Kollegenhilfe’<br />

hat sich hier bewährt.“ (HELMERICHS: E<strong>in</strong>satznachsorge, 120.) Auch e<strong>in</strong>ige Fragebögen<br />

bekräftigen diesen Aspekt. Vgl. Fragebögen RD 1 (15.2), KID (12) und NFS (11.2).<br />

403 Vgl. RUNGGALDIER: Psychologie, 857. Zum Aspekt der (allgeme<strong>in</strong>en) Stressbewältigung für RD-<br />

Mitarbeiter sei ferner h<strong>in</strong>gewiesen auf FERTIG: Stress und Stressbewältigung <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 383-<br />

393 und LANDEN: Möglichkeiten der Stressbewältigung und WIETERSHEIM: Psychische Aspekte be<strong>im</strong><br />

Betreuungse<strong>in</strong>satz, 143-151 und auch FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte,<br />

368-370.<br />

404 WIETERSHEIM: Der barmherzige Samariter, 36.<br />

85


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

kirchlichen Kontext h<strong>in</strong>aus baut diese Beispielgeschichte e<strong>in</strong>e Brücke zu den anderen<br />

Hilfsorganisationen, für die der barmherzig handelnde Samariter der Bibel ebenso e<strong>in</strong><br />

Vorbild darstellt: der Arbeiter-Samariter-Bund hat ihn sogar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Verbandsnamen<br />

aufgenommen und ebenso folgt das Rote Kreuz diesem Ideal e<strong>in</strong>es Helfers. 405<br />

Ferner lässt sich allgeme<strong>in</strong> bemerken, dass die Hilfsorganisationen „aus unterschiedli-<br />

chen Traditionen und Wertvorstellungen heraus“ 406 entstanden s<strong>in</strong>d; „der Anlaß der<br />

Gründung war jedoch <strong>im</strong>mer die Hilfsbedürftigkeit von Menschen.“ 407<br />

Geme<strong>in</strong>sam ist allen vier Organisationen ebenfalls, dass sie e<strong>in</strong> Kreuz (<strong>in</strong> verschiedenen<br />

Formen), das christliche Symbol für den Sieg des auferstandenen Herrn über den Tod,<br />

<strong>in</strong> ihren Emblemen tragen; das DRK führt es sogar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Namen. Alle vier Hilfsor-<br />

ganisationen engagieren sich nicht nur <strong>im</strong> RD, KID (bzw. KIT) und Katastrophen-<br />

schutz, sondern auch <strong>im</strong> Sozialdienst, <strong>in</strong> der Kranken- und Altenpflege, <strong>in</strong> der Hospiz-<br />

bewegung, <strong>in</strong> der Jugendarbeit und <strong>in</strong> weiteren karitativen Bereichen.<br />

4.2.1 Mit der Kirche verbundene Hilfsorganisationen<br />

Die JUH und der MHD haben e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Ursprung <strong>in</strong> der Ritterbruderschaft<br />

Sankt Johannis zum Spital von Jerusalem, die 1099 <strong>in</strong> den Wirren des ersten Kreuzzu-<br />

ges entstanden ist, um die Verwundeten und Kranken, unabhängig von deren Religion,<br />

zu pflegen. Diese Hospitalbruderschaft besteht seit der Reformation <strong>im</strong> evangelischen<br />

Johanniterorden und <strong>im</strong> katholischen Malteserorden fort, die beide gemäß dem Ideal der<br />

christlichen Nächstenliebe die Sorge um Not leidende Menschen (vor allem Kranke,<br />

Verletzte und Schwache) als ihre Hauptaufgabe übernommen haben. 408<br />

Als sich Anfang der 1950er Jahre das Rettungswesen allmählich weiterentwickelte, sa-<br />

hen beide Orden die Notwendigkeit, zur Unterstützung jeweils e<strong>in</strong>e eigene Hilfsorgani-<br />

sationen zu gründen: 1952 die JUH durch den Johanniterorden und 1953 der MHD<br />

durch den Malteserorden. 409<br />

4.2.1.1 Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.<br />

405 Vgl. WIETERSHEIM: Der barmherzige Samariter, 36. Ferner sei auf den Leitsatz der Feuerwehr<br />

(„Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr“) h<strong>in</strong>gewiesen, der dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe<br />

<strong>in</strong> Lk 10,27 entspricht, und auch auf den Slogan „Die Polizei als Freund und Helfer“, der<br />

ebenso auf die genannte biblische Geschichte verweist. Vgl. WIETERSHEIM: Der barmherzige Samariter,<br />

36.<br />

406 FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 359.<br />

407 FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 359.<br />

408 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 360 und vgl. METZSCH: Menschen<br />

helfen Menschen, 69.<br />

86


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Präambel der JUH fasst ihr Selbstverständnis <strong>in</strong> folgender Aussage zusammen: „Im<br />

Bewußtse<strong>in</strong> der Tradition christlicher Nächstenliebe, der die Johanniter seit Jahrhun-<br />

derten verpflichtet s<strong>in</strong>d, und herausgefordert durch die Nöte und Gefahren der Welt,<br />

will die Johanniter-Unfall-Hilfe <strong>in</strong> Verantwortung vor Gott dem leidenden Menschen<br />

unserer Zeit beistehen.“ 410<br />

Die JUH ist e<strong>in</strong> Ordenswerk des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jeru-<br />

salem (Johanniterordens) und ist an dessen Herrenmeister und se<strong>in</strong>e Weisungen gebun-<br />

den. 411 Sie sieht sich „als Teil der evangelischen Christenheit und gestaltet die Verb<strong>in</strong>-<br />

dungen zu den Kirchen auf allen Ebenen so eng wie möglich.“ 412 Die JUH ist als<br />

Hilfsorganisation und Wohlfahrtsverband „dem Diakonischen Werk der Evangelischen<br />

Kirche <strong>in</strong> Deutschland als Fachverband unmittelbar angeschlossen.“ 413<br />

Als ihre Aufgabe sieht die JUH den Dienst am Nächsten und zählt dazu unter anderem<br />

die Betätigung und Aus- und Fortbildung <strong>in</strong> den Bereichen Erste Hilfe, Sanitätsdienst,<br />

RD (auch Berg- und Wasserrettung), Krankentransport und Notfallfolgedienst (also<br />

KID bzw. KIT). 414<br />

Die JUH verpflichtete sich 1994 daran zu arbeiten, dass „psychische Erste Hilfe [...] <strong>in</strong><br />

adäquater Form, zu jeder Zeit, an jedem Ort, <strong>in</strong> jeder Lage bei Helfern, Unfallopfern<br />

und dritten Beteiligten geleistet“ 415 wird. Als Angebote der JUH auf diesem Gebiet gibt<br />

es unter anderem: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Notfällen (SiN) und Unfallfolgedienste, Breitenausbil-<br />

dungen <strong>in</strong> Erste Hilfe von Mensch zu Mensch, Spezialausbildungen mit psychologischen<br />

und psychiatrischen Grundkenntnissen und ferner E<strong>in</strong>heiten zur psychischen Betreuung<br />

von Kranken und Verletzten <strong>in</strong> der RA-Ausbildung. 416<br />

4.2.1.2 Malteser-Hilfsdienst e. V.<br />

409 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 360 und vgl. METZSCH: Menschen<br />

helfen Menschen, 69.<br />

410 JUH: Satzung der JUH, 1; eigene Hervorhebungen. Vgl. dieselbe Aussage <strong>in</strong> JUH: Leitbildfaden.<br />

411 Vgl. JUH: Satzung der JUH, 1.<br />

412 JUH: Satzung der JUH, 1. Vgl. dazu dieselbe Aussage <strong>in</strong> JUH: Leitbildfaden. Zu den Mitgliedern<br />

heißt es <strong>in</strong> der Satzung: „Mitglied der JUH kann werden, wer bereit ist, an der Erfüllung ihrer Aufgaben<br />

mitzuwirken [...]. Mitglieder und Angestellte der JUH gehören <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>er der Kirchen<br />

an, die <strong>in</strong> der Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft christlicher Kirchen <strong>in</strong> Deutschland e.V. zusammengeschlossen<br />

s<strong>in</strong>d. Alle Mitglieder und Angestellten müssen den Auftrag und die evangelische Grundrichtung der<br />

JUH achten.“ (JUH: Satzung der JUH, 3; eigene Hervorhebungen.)<br />

413 JUH: Satzung der JUH, 1.<br />

414 Vgl. JUH: Satzung der JUH, 2.<br />

415 FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 372.<br />

416 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 371. Von der JUH waren auf schriftliche<br />

Anfrage ke<strong>in</strong>e weiteren Informationen zu erhalten.<br />

87


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Der MHD wurde von zwei Assoziationen des Malteserritterordens und dem Deutschen<br />

Caritasverband gegründet „<strong>in</strong> dem Bestreben [...], den seit 900 Jahren geltenden Or-<br />

densleitsatz ‚Wahrung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen’ und die christliche<br />

Nächstenliebe <strong>in</strong> zeitgemäßer Form zu verwirklichen“ 417 , wie die Präambel der MHD-<br />

Satzung festhält.<br />

Er versteht sich als „e<strong>in</strong>e Dienst- und Weggeme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong>nerhalb der katholischen Kir-<br />

che mit dem Anspruch, von Gott geschenktes Heil weiterzugeben und das Evangelium<br />

konkret werden zu lassen [...]. Die Präsenz von Maltesern zielt darauf, Heil erfahren zu<br />

lassen, Menschen aufzurichten und e<strong>in</strong>en Anstoß aus dem Glauben und für den Glauben<br />

zu geben.“ 418<br />

Von se<strong>in</strong>en Mitgliedern setzt der MHD daher „das geme<strong>in</strong>same Verständnis religiöser<br />

und geistiger Grundlagen voraus, die sie befähigen, sich dem helfenden Dienst ohne<br />

Erwartung e<strong>in</strong>er Gegenleistung h<strong>in</strong>zugeben und ihrer zweifachen Verpflichtung als<br />

Glieder unserer Glaubensgeme<strong>in</strong>schaft und als Staatsbürger nachzukommen.“ 419<br />

Der MHD sieht se<strong>in</strong>e Grundlagen <strong>im</strong> Auftrag des christlichen Glaubens (Gottes- und<br />

Nächstenliebe), <strong>im</strong> oben genannten Auftrag des Malteserordens, <strong>im</strong> Auftrag der kirchli-<br />

chen Caritas und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bürgerlichen Auftrag (Hilfsbereitschaft und Humanität <strong>in</strong> der<br />

Gesellschaft). 420<br />

Der MHD setzt sich e<strong>in</strong> für<br />

- e<strong>in</strong>e Bewusstse<strong>in</strong>sbildung h<strong>in</strong> zur Ganzheitlichkeit <strong>im</strong> RD,<br />

- E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> Psychologie <strong>im</strong> Rahmen der Aus- und Fortbildung des Rettungs-<br />

dienstes (neue <strong>in</strong>haltliche Schwerpunktsetzung),<br />

- Weiterentwicklung e<strong>in</strong>er Berufsethik (RD-Unternehmensphilosophie) und<br />

417 MHD: Leitfaden, 1.<br />

418 MHD: Leitfaden, 32; eigene Hervorhebungen. Die Katholizität ist e<strong>in</strong> Fixpunkt des MHD und somit<br />

auch die „E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die katholische Kirche mit ihren Besonderheiten.“ (MHD: Leitfaden, 133.)<br />

Als Besonderheiten seien beispielsweise Weltkirche, Betonung der Weltverantwortung der Laien,<br />

geistliche und soziale Communio der Lebenden und Toten mit Gott und geme<strong>in</strong>same Gottesdienste<br />

genannt. Vgl. MHD: Leitfaden, 33. In jeder Diözesanleitung des MHD gibt es auch e<strong>in</strong>en eigenen<br />

MHD-Diözesanseelsorger. Vgl. MHD: Leitfaden, 12. Zum Teil gibt es auch Pfarrer, die e<strong>in</strong>e MHD-<br />

Rettungswache seelsorglich betreuen. Ortsvere<strong>in</strong>e des MHD wirken ferner als Pfarrgruppe „<strong>im</strong> Rahmen<br />

der satzungsmäßigen Aufgaben am Leben der Pfarrgeme<strong>in</strong>de aktiv mit.“ (MHD: Leitfaden, 17.)<br />

Leitungsfunktionen <strong>im</strong> MHD müssen bzw. sollten von katholischen Mitgliedern ausgeübt werden.<br />

Vgl. MHD: Leitfaden, 35. E<strong>in</strong>e ökumenische Ausrichtung wird durch den geme<strong>in</strong>samen Ursprung<br />

mit dem evangelischen Johanniterorden begründet; JUH und MHD ist das achtspitzige Kreuz als<br />

Zeichen geme<strong>in</strong>sam. Vgl. MHD: Leitfaden, 33.<br />

419 MHD: Leitfaden, 1. Der MHD bietet se<strong>in</strong>en Mitarbeitern auch „begleitende Angebote, die helfen<br />

zum Glauben zu f<strong>in</strong>den und den Glauben zu leben.“ (MHD: Leitfaden, 34.)<br />

420 Vgl. MHD: Leitfaden, 1-4. Aus diesen Grundlagen werden schließlich die folgenden Pr<strong>in</strong>zipien des<br />

MHD abgeleitet: Leben aus dem Glauben, Freiwilligkeit, Ehrenamtlichkeit und Mitverantwortung.<br />

Vgl. MHD: Leitfaden, 4-6.<br />

88


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

- e<strong>in</strong> flächendeckendes Modell zur E<strong>in</strong>satznachsorge (Mediatorenmodell und<br />

CISM-Teams). 421<br />

Neben dem bereits (unter III, 4.1.2) vorgestellten und vom MHD entwickelten so ge-<br />

nannten Mediatorenmodell bieten die Malteser unter anderem auch Material zur seeli-<br />

schen Betreuung <strong>im</strong> Rahmen von Erste-Hilfe-Maßnahmen und weiterführende Sem<strong>in</strong>are<br />

zur Hospizarbeit an. 422<br />

Der MHD hat ferner e<strong>in</strong> Positionspapier zur <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention<br />

be<strong>im</strong> Malteser-Hilfsdienst verfasst. Hier werden die e<strong>in</strong>zelnen Systeme <strong>im</strong> Bereich der<br />

psychosozialen Betreuung des MHD (Mediatorenmodell für E<strong>in</strong>satzkräfte, NFS und<br />

KID für Betroffene und deren Angehörige) vorgestellt und erläutert. Diese E<strong>in</strong>richtun-<br />

gen bilden <strong>im</strong> MHD den Fachdienst Mensch <strong>im</strong> Mittelpunkt. 423<br />

Von se<strong>in</strong>er Geschichte und se<strong>in</strong>en Grundlagen her sieht sich der MHD „<strong>in</strong> besonderer<br />

Weise der <strong>Seelsorge</strong> und dem kirchlichen Handeln verbunden. Die <strong>Seelsorge</strong> ist <strong>in</strong>ner-<br />

halb des Malteser-Hilfsdienstes e<strong>in</strong> fester Bestandteil unseres Selbstverständnisses. Kri-<br />

sen<strong>in</strong>tervention und <strong>Notfallseelsorge</strong> bilden bei den Maltesern e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit“ 424 , so for-<br />

muliert es das genannte Positionspapier.<br />

4.2.2 Andere Hilfsorganisationen<br />

4.2.2.1 Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V.<br />

Der ASB, gegründet 1888, hat se<strong>in</strong>e Ursprünge <strong>in</strong> der Arbeiterbewegung des damaligen<br />

Deutschen Reiches. Zahlreiche Arbeitsunfälle und die unzureichende Versorgung der<br />

Verletzten veranlassten e<strong>in</strong>ige Arbeiter und Z<strong>im</strong>merleute <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Selbsthilfegruppen<br />

e<strong>in</strong>zurichten, die Erste-Hilfe-Kurse und Hilfeleistungen bei Unfällen organisierten.<br />

Allmählich entstanden <strong>in</strong> ganz Deutschland Samariter-Vere<strong>in</strong>e, die schließlich nicht nur<br />

<strong>im</strong> Rahmen von Arbeitsunfällen, sondern auch <strong>im</strong> gesamten zivilen Bereich bei der er-<br />

sten Versorgung von Verletzten aktiv wurden. 425<br />

421 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 372. Vgl. zum Aspekt der Ganzheitlichkeit<br />

die Forderung des MHD: „Die Hilfe für den Menschen soll ihn ganz erfassen, se<strong>in</strong>en Leib<br />

und se<strong>in</strong>e Seele.“ (MHD: Leitfaden, 1.) Zum Bereich der E<strong>in</strong>satznachsorge sei an dieser Stelle h<strong>in</strong>gewiesen<br />

auf MHD: Hilfe für Helfer. Anhand der (unter III, 3.4) bereits erwähnten Mitarbeiterbefragungen<br />

lässt sich schließen, dass der MHD tatsächlich an der Me<strong>in</strong>ung und Zufriedenheit se<strong>in</strong>er Mitarbeiter<br />

<strong>in</strong>teressiert ist. Vgl. MHD: Q-Tipp.<br />

422 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 371.<br />

423 Vgl. MHD: Positionspapier zur <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention, 1. H<strong>in</strong>gewiesen sei <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang auch auf das umfangreiche Bildungsangebot des MHD auf diesem Gebiet <strong>im</strong><br />

Jahr 2003. Vgl. dazu MHD: Psychosoziale Betreuung.<br />

424 MHD: Positionspapier zur <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention, 1.<br />

425 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 359f.<br />

89


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Der ASB, so wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Grundsätzen deutlich, „ist e<strong>in</strong>e freiwillige Wohlfahrtsorga-<br />

nisation und e<strong>in</strong> Wohlfahrtsverband – unabhängig, parteipolitisch neutral und konfes-<br />

sionell ungebunden.“ 426 Er versteht sich als e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft von Menschen, „die an-<br />

deren Menschen helfen wollen. Auf dieser Grundlage beruht e<strong>in</strong> vielfältiges Angebot,<br />

das sich am Hilfebedarf und den Bedürfnissen der Menschen orientiert“ 427 , das an Qua-<br />

litätsstandards gebunden ist und ständig weiterentwickelt wird. 428<br />

Auf se<strong>in</strong>er Bundeskonferenz <strong>im</strong> Jahr 1994 hat der ASB bei se<strong>in</strong>em Angebot e<strong>in</strong> Defizit<br />

<strong>im</strong> Bereich „der psychologischen und ethisch-moralischen menschlichen Begleitung<br />

und Krisen<strong>in</strong>tervention“ 429 festgestellt und beschlossen, <strong>im</strong> Bereich der Aus- und Fort-<br />

bildung von RD-Mitarbeitern darauf zu reagieren. 430 Ebenso sollen flächendeckend<br />

KID-Teams zur Notfallnachsorge aufgebaut und an den RD-Standorten „Gesprächskrei-<br />

se unter fachlich qualifizierter Leitung“ 431 für die E<strong>in</strong>satznachsorge (<strong>in</strong> Anlehnung an<br />

das CISM) e<strong>in</strong>gerichtet werden. 432<br />

Auf e<strong>in</strong>e schriftliche Anfrage be<strong>im</strong> ASB-Bundesverband nach der Bereitschaft zu e<strong>in</strong>er<br />

Zusammenarbeit mit der Kirche äußerte sich e<strong>in</strong> Sprecher positiv und verwies auf be-<br />

reits bestehende Kooperationen zwischen KID und NFS <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Regionen (bei-<br />

spielsweise München). Im Gesamtverband seien die Bereiche KID und E<strong>in</strong>satznachsor-<br />

ge – laut der Stellungnahme des Sprechers – noch <strong>in</strong> der Anfangsphase, so dass e<strong>in</strong>e<br />

bundesweite Zusammenarbeit mit Dritten bisher noch nicht <strong>in</strong> Betracht gezogen wurde;<br />

grundsätzlich könnte man sich aber auch hier e<strong>in</strong> Zusammenwirken mit den Kirchen<br />

vorstellen. 433<br />

4.2.2.2 Deutsches Rotes Kreuz e. V.<br />

Das DRK hat sich <strong>im</strong> Rahmen der <strong>in</strong>ternationalen Rotkreuzbewegung (<strong>in</strong> islamisch ge-<br />

prägten Ländern Rothalbmondbewegung) entwickelt, deren <strong>in</strong>ternationales Komitee<br />

1863 gegründet wurde. Maßgeblich war dabei der Schweizer Henri Dunant beteiligt,<br />

426 ASB: Bundesrichtl<strong>in</strong>ien, 7. Die Grundsätze <strong>in</strong> den Bundesrichtl<strong>in</strong>ien entsprechen übrigens (bis auf<br />

Punkt 1) den zehn Punkten des Leitbildes. Vgl. ASB: Leitbild des Arbeiter-Samariter-Bundes.<br />

427 ASB: Bundesrichtl<strong>in</strong>ien, 7; eigene Hervorhebung. Im Leitbild heißt es an erster Stelle: „Helfen ist<br />

unsere Aufgabe!“ (ASB: Leitbild des Arbeiter-Samariter-Bundes.)<br />

428 ASB: Bundesrichtl<strong>in</strong>ien, 7.<br />

429 FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 371.<br />

430 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 371. So bietet der ASB unter anderem<br />

Sem<strong>in</strong>are zu psychologischen, ethischen und moralischen Problemen, zum Umgang mit<br />

Schwerstkranken und Sterbenden, über Gesprächsstrategien, über Stressbewältigung und zur Bekämpfung<br />

von Burnout an. Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 370.<br />

431 FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 372.<br />

432 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 372.<br />

90


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

geprägt von se<strong>in</strong>en Erlebnissen auf dem Schlachtfeld von Solfer<strong>in</strong>o (1859), auf dem<br />

zahlreiche Verwundete schließlich ihren Verletzungen erlagen, weil ke<strong>in</strong>e effektive Hil-<br />

fe und Versorgung organisiert war. 434<br />

Laut se<strong>in</strong>em Leitsatz tritt das DRK „<strong>im</strong> Zeichen der Menschlichkeit [...] für das Leben,<br />

die Gesundheit, das Wohlergehen, den Schutz, das friedliche Zusammenleben und die<br />

Würde aller Menschen e<strong>in</strong>“ 435 und gewährt „Opfern von Konflikten und Katastrophen<br />

sowie anderen bedürftigen Menschen unterschiedslos Hilfe [...] alle<strong>in</strong> nach dem Maß<br />

ihrer Not.“ 436 Zu den DRK-Leitl<strong>in</strong>ien zählen unter anderem der hilfebedürftige Mensch,<br />

die unparteiliche Hilfeleistung, die Neutralität (auch auf religiöser Ebene) „<strong>im</strong> Zeichen<br />

der Menschlichkeit“ 437 , die eigenen Mitarbeiter (besonders die ehrenamtlichen) und die<br />

Qualität der Leistungen des DRK. 438 Hieraus lässt sich bereits ablesen, dass der Mensch<br />

(als Hilfeempfänger oder als Mitarbeiter) und die Menschlichkeit e<strong>in</strong>e zentrale Rolle<br />

be<strong>im</strong> DRK spielen.<br />

Auch dem DRK ist längst bewusst geworden, dass <strong>im</strong> Rahmen der Versorgung von<br />

Notfallpatienten nicht nur die mediz<strong>in</strong>isch-technischen Maßnahmen wichtig s<strong>in</strong>d, son-<br />

dern auch menschliche Zuwendung und weitere psychologische Aspekte. 439 Seitdem<br />

wird sowohl <strong>in</strong> Erste-Hilfe-Kursen als auch <strong>in</strong> der RD-Ausbildung und -fortbildung<br />

verstärkt auf diesen Bereich e<strong>in</strong>gegangen; ebenso werden KID-Teams gegründet. 440<br />

433<br />

Diese Auskunft wurde vom Leiter des Referates Notfallvorsorge be<strong>im</strong> ASB-Bundesverband <strong>in</strong> Köln<br />

erteilt.<br />

434<br />

Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 360 und vgl. METZSCH: Menschen<br />

helfen Menschen, 71 u. 73. H<strong>in</strong>zuweisen ist noch darauf, dass <strong>im</strong> Freistaat Bayern nicht das DRK,<br />

sondern das Bayerische Rote Kreuz (BRK) als eigenständige Organisation aktiv ist.<br />

435<br />

DRK-GENERALSEKRETARIAT : Leitsatz und Leitbild des Deutschen Roten Kreuzes, Leitsatz; eigene<br />

Hervorhebung. Dazu schreibt die DRK-Satzung: „Das DRK n<strong>im</strong>mt die Interessen derjenigen wahr,<br />

die der Hilfe und Unterstützung bedürfen, um soziale Benachteiligungen, Not und menschenunwürdige<br />

Situationen zu beseitigen sowie auf die Verbesserung der <strong>in</strong>dividuellen, familiären und sozialen<br />

Lebensbed<strong>in</strong>gungen h<strong>in</strong>zuwirken.“ (DRK: Satzung des Deutschen Roten Kreuzes, § 1 [3].)<br />

436<br />

DRK-GENERALSEKRETARIAT : Leitsatz und Leitbild des Deutschen Roten Kreuzes, Leitsatz; eigene<br />

Hervorhebung. Die DRK-Satzung sieht u. a. e<strong>in</strong>e Aufgabe des DRK dar<strong>in</strong>, „menschliche Leiden, die<br />

sich aus Krankheit, Verletzung, Beh<strong>in</strong>derung oder Benachteiligung ergeben, zu verh<strong>in</strong>dern und zu<br />

l<strong>in</strong>dern.“ (DRK: Satzung des Deutschen Roten Kreuzes, § 2.)<br />

437<br />

DRK-GENERALSEKRETARIAT : Leitsatz und Leitbild des Deutschen Roten Kreuzes, Leitl<strong>in</strong>ien.<br />

438<br />

Vgl. DRK-GENERALSEKRETARIAT : Leitsatz und Leitbild des Deutschen Roten Kreuzes, Leitl<strong>in</strong>ien.<br />

Vgl. dazu auch die sieben Grundsätzen der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung,<br />

die auch für das DRK gelten: Menschlichkeit, Unabhängigkeit, Neutralität, Unparteilichkeit, Freiwilligkeit,<br />

E<strong>in</strong>heit, Universalität. Vgl. DRK: Satzung des Deutschen Roten Kreuzes, §1 [5].<br />

439<br />

Vgl. dazu DRK: DRK-Position, 2f u. 5f. Dort heißt es u. a.: „Die Hilfsorganisationen wie das Deutsche<br />

Rote Kreuz haben sich diese Aufgabe erst relativ spät und zögerlich zu eigen gemacht und dies<br />

zunächst mehr als Aufgabe der kirchlichen <strong>Seelsorge</strong> gesehen. Inzwischen entstanden be<strong>im</strong> DRK jedoch<br />

zunehmend lokale oder regionale Gruppen, die mit sehr unterschiedlichen Konzepten und auch<br />

<strong>in</strong> sehr unterschiedlicher Qualität die Leistung Notfallnachsorge anbieten, teilweise <strong>in</strong> Kooperation<br />

mit den Kirchen.“ (DRK: DRK-Position, 5.)<br />

440<br />

Vgl. DRK: DRK-Position, 3f (zur Erste-Hilfe-Ausbildung) und vgl. INSTITUT FÜR RETTUNGSWESEN<br />

DES DRK: 3. Entwurf der Rahmenkonzeption, 12-14 (zur RD-Ausbildung) und zur Notfallnachsorge<br />

vgl. DRK: DRK-Position, 3f und vgl. INSTITUT FÜR RETTUNGSWESEN DES DRK: Notfallnachsorge,<br />

91


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die Belastungen der E<strong>in</strong>satzkräfte ist das DRK gleichfalls aktiv gewor-<br />

den und arbeitet an e<strong>in</strong>em System, das RD-Mitarbeiter zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der Aus- und Fort-<br />

bildung auf belastende Situationen vorbereiten (präventiv) und zum anderen begleitend<br />

<strong>in</strong> Form von E<strong>in</strong>satznachsorge (auf der Basis von SbE ® -Teams und CISM) psychosozial<br />

unterstützen soll. 441 Dabei wird auf die Zusammenarbeit mit Dritten, namentlich auch<br />

mit der Kirche und ihren <strong>Seelsorge</strong>rn (als Referenten und Begleiter), h<strong>in</strong>gewiesen. 442<br />

Das DRK hat sich <strong>in</strong> diesem Bereich e<strong>in</strong>e Aufgabe gesetzt und will „zunehmend se<strong>in</strong><br />

Profil <strong>in</strong> der Art schärfen, dass es Experte für psychologische Unterstützung sowohl <strong>im</strong><br />

nationalen als auch <strong>im</strong> <strong>in</strong>ternationalen Kontext wird.“ 443<br />

5 Begegnungen und Zusammenarbeit mit der Kirche<br />

An dieser Stelle der Untersuchungen sollen Erfahrungen von RD-Mitarbeitern mit der<br />

Kirche und ihre Erwartungen an die Kirche behandelt werden. Natürlich hängen diese<br />

E<strong>in</strong>schätzungen von persönlichen Umständen ab. Auch s<strong>in</strong>d die hier angeführten Aus-<br />

sagen (der Fragebögen) nicht repräsentativ; dennoch spiegeln sie als Me<strong>in</strong>ungen von<br />

E<strong>in</strong>zelpersonen e<strong>in</strong>en Teil der Wirklichkeit wider. 444<br />

5.1 Erfahrungen mit der Kirche<br />

bes. 4-6. Vgl. dazu auch FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 373. Im H<strong>in</strong>blick<br />

auf die Notfallnachsorge wird ausdrücklich die Zusammenarbeit mit der Kirche genannt, an deren<br />

Mitarbeiter gegebenenfalls Klienten weitervermittelt werden können. Vgl. INSTITUT FÜR RETTUNGS-<br />

WESEN DES DRK: Notfallnachsorge, 9.<br />

441 Vgl. DRK: DRK-Position, 5 und vgl. INSTITUT FÜR RETTUNGSWESEN DES DRK: 3. Entwurf der Rahmenkonzeption,<br />

bes. 14-19. Das DRK schreibt: „Der Belastung von E<strong>in</strong>satzkräften wurde <strong>im</strong> DRK<br />

lange nur unzureichend Rechnung getragen. Versuche, hieran etwas zu ändern, verliefen entweder <strong>im</strong><br />

Sande oder blieben auf best<strong>im</strong>mte Regionen oder Gruppen begrenzt. Die Bereitschaft, sich über alle<br />

Verbandsstufen h<strong>in</strong>weg mit dieser Thematik ernsthaft und kont<strong>in</strong>uierlich zu beschäftigen, änderte<br />

sich erst <strong>in</strong> Folge e<strong>in</strong>es schweren Zugunglücks <strong>im</strong> Sommer 1998 [...]. Zum ersten Mal <strong>in</strong> Deutschland<br />

wurde deshalb e<strong>in</strong>e organisationenübergreifende E<strong>in</strong>satznachsorge unter Federführung des DRK aufgebaut<br />

[...]. Ziel [...] ist es, e<strong>in</strong> System der psychosozialen Unterstützung für alle ehrenamtlichen,<br />

hauptamtlichen und Zivildienst leistenden E<strong>in</strong>satzkräfte zu entwickeln.“ (DRK: DRK-Position, 5.)<br />

442 Vgl. dazu INSTITUT FÜR RETTUNGSWESEN DES DRK: 3. Entwurf der Rahmenkonzeption, 17 u. 20.<br />

Aufgrund der folgenden Aussage <strong>in</strong> den DRK-Leitl<strong>in</strong>ien kann auf e<strong>in</strong>e grundsätzliche Möglichkeit<br />

der Zusammenarbeit zwischen DRK und Kirche geschlossen werden: „Zur Erfüllung unserer Aufgaben<br />

kooperieren wir mit allen Institutionen und Organisationen aus Staat und Gesellschaft, die uns <strong>in</strong><br />

Erfüllung der selbstgesteckten Ziele und Aufgaben behilflich oder nützlich se<strong>in</strong> können und/oder<br />

vergleichbare Zielsetzungen haben. Wir bewahren dabei unsere Unabhängigkeit.“ (DRK-GENERAL-<br />

SEKRETARIAT : Leitsatz und Leitbild des Deutschen Roten Kreuzes, Leitl<strong>in</strong>ien.)<br />

443 DRK: DRK-Position, 5.<br />

444 In diesem Rahmen soll die durchgeführte Umfrage verstanden werden, die zu den genannten Aspekten<br />

e<strong>in</strong>e Fülle an Informationsmaterial ergeben hat. Jedoch kann <strong>in</strong> dieser Arbeit nicht auf jede E<strong>in</strong>zelheit<br />

e<strong>in</strong>gegangen werden. Verwiesen sei deshalb auf die Fragebögen RD 1-3 (besonders jeweils 7,<br />

13.3, 15.4, 15.6, 16.1, 16.2, 20, 22-24) und KID (besonders 7, 9.2, 14.3-18). Bei der Formulierung<br />

92


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die drei befragten Personen aus dem RD identifizieren sich nicht mit der Kirche, dafür<br />

aber die befragte KID-Mitarbeiter<strong>in</strong>. 445 Neben diesen persönlichen Grunde<strong>in</strong>stellungen<br />

soll auf Begegnungen mit der Kirche, vor allem <strong>in</strong> der Person von <strong>Seelsorge</strong>rn, <strong>im</strong><br />

Rahmen des <strong>Rettungsdienst</strong>es e<strong>in</strong>gegangen werden. In der Zusammenfassung der Krite-<br />

riologie wurde festgehalten, dass die kirchliche E<strong>in</strong>richtung der NFS sowohl bei der<br />

Bevölkerung als auch bei den E<strong>in</strong>satzkräften überwiegend positiv wahrgenommen<br />

wird. 446 Diese positiven Erfahrungen der Zusammenarbeit und Begegnungen hatten bei<br />

den Befragten aber ansche<strong>in</strong>end ke<strong>in</strong>e Auswirkungen auf das Kirchenbild, das bei ihnen<br />

eher auf Institution und so genannte Amtskirche reduziert bleibt. 447<br />

In den Bögen wurde bewusst nach negativen Erfahrungen bei RD-E<strong>in</strong>sätzen <strong>in</strong> kirchli-<br />

chen Räumen oder mit kirchlichen Mitarbeitern gefragt, da es <strong>in</strong> diesem Bereich auch<br />

weniger gute Begegnungen gegeben hat. So stritten beispielsweise Mitte der 1980er<br />

Jahre e<strong>in</strong> Sanitäter und e<strong>in</strong> <strong>Seelsorge</strong>r vor Gericht, wer <strong>in</strong> Notfallsituationen mehr Recht<br />

auf den Platz am Kopf des Patienten hat. 448<br />

In Fragebogen RD 3 wird von e<strong>in</strong>em Pfarrer berichtet, der nicht bereit war, mitten <strong>in</strong> der<br />

Nacht zu e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satzort zu kommen, obwohl Geme<strong>in</strong>demitglieder darum gebeten<br />

haben. 449 In Fragebogen RD 1 ist die Rede von e<strong>in</strong>er Rean<strong>im</strong>ation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kirche, bei<br />

der die Rettungsarbeiten teilweise beh<strong>in</strong>dert wurden und das Gebet ansche<strong>in</strong>end miss-<br />

braucht wurde, um näher am E<strong>in</strong>satzort se<strong>in</strong> zu können. Die Frage des Pfarrers, ob er<br />

die Krankensalbung spenden dürfe, wurde während der Rettungsmaßnahmen vom be-<br />

fragten RA als „unangebracht“ 450 erlebt. Ferner wird <strong>im</strong> gleichen Fragebogen von e<strong>in</strong>em<br />

Priester berichtet, der e<strong>in</strong>em rean<strong>im</strong>ationspflichtigen Patienten die Krankensalbung ge-<br />

spendet und das h<strong>in</strong>zukommende RD-Personal bei den Rettungsmaßnahmen beh<strong>in</strong>dert<br />

hat. 451<br />

der Fragebögen wurde <strong>in</strong> der Regel bewusst nur von Kirche (als solcher) gesprochen, um den Antwortenden<br />

ihrem Verständnis von Kirche möglichst viel Freiraum zu lassen.<br />

445<br />

Vgl. Fragebögen RD-13 (jeweils 7) und KID (7); RD 1+2 s<strong>in</strong>d zwar römisch-katholisch, fühlen sich<br />

aber nicht mit der Kirche verbunden. RD 3 bezeichnet sich als Atheist.<br />

446<br />

In diesem Zusammenhang wurde bereits auf die Fragebögen verwiesen (vgl. Anm. 208). Nur Fragebogen<br />

RD 2 (16.1) berichtet auch von negativen Erfahrungen mit <strong>Notfallseelsorge</strong>rn.<br />

447<br />

Vgl. Fragebögen RD 1-3 (16.2). Lediglich Fragebogen KID (9.2) bezeichnet die NFS als „ureigene<br />

Aufgabe der Kirche“ und merkt kritisch an, dass die Kirche <strong>Seelsorge</strong>rn die Ausübung dieser Aufgabe<br />

erschwert und das Pfarrerse<strong>in</strong> ansche<strong>in</strong>end auf e<strong>in</strong>en Beruf reduziert wurde.<br />

448<br />

Vgl. Tonque Langleder <strong>in</strong> WIETERSHEIM: Ruft mir bei Lebensgefahr e<strong>in</strong>en <strong>Seelsorge</strong>r, 134. Es ist<br />

wohl auch schon vorgekommen, dass e<strong>in</strong>e hl. Messe e<strong>in</strong>fach weitergefeiert wurde, während <strong>im</strong> Kirchenschiff<br />

rean<strong>im</strong>iert wurde; das RD-Personal fühlte sich nach eigenen Angaben dabei fehl am Platz.<br />

449<br />

Vgl. Fragebogen RD 3 (23.1).<br />

450<br />

Fragebogen RD 1 (23.1).<br />

451<br />

Vgl. Fragebogen RD 1 (23.1). Die Fragebögen RD 2 (23.1) und KID (16.1) nennen ke<strong>in</strong>e besonderen<br />

Vorkommnisse, RD 2 weist allerd<strong>in</strong>gs auf Unsicherheiten h<strong>in</strong>. Zu Möglichkeiten, solche unguten<br />

Begegnungen zu vermeiden vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 23.2) und KID (16.2) und NFS (16).<br />

93


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

5.2 Erwartungen und Wünsche an die Kirche<br />

Aufgrund der bereits genannten Unterstützung, die das RD-Personal durch die NFS bei<br />

verschiedenen E<strong>in</strong>satz<strong>in</strong>dikationen auf positive Weise wahrn<strong>im</strong>mt, ist wohl davon aus-<br />

zugehen, dass sich die E<strong>in</strong>satzkräfte von der Kirche e<strong>in</strong>e Fortführung der NFS erwarten<br />

und wünschen.<br />

Von den <strong>Notfallseelsorge</strong>rn erwarten die befragten <strong>Rettungsdienst</strong>ler, dass sie die fol-<br />

genden Eigenschaften besitzen: Fähigkeit zur Teamarbeit (<strong>in</strong>klusive Lernbereitschaft),<br />

Kompetenz, Verständnis, e<strong>in</strong>e offene Art, Empathie, Kongruenz, Authentizität. 452 Die<br />

KID-Mitarbeiter<strong>in</strong> wünscht sich, dass <strong>Notfallseelsorge</strong>r den Helfern des KID mehr Ver-<br />

und Zutrauen schenken und deren Dienst als gleichwertig anerkennen. 453<br />

Die Befragten sehen <strong>im</strong> Bereich von Aus- und Fortbildungen e<strong>in</strong>en Bedarf an ethischen,<br />

religiösen und psychologischen E<strong>in</strong>heiten und können sich vorstellen, dass sich auch<br />

Mitarbeiter der Kirche als Referenten e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen. 454<br />

Was die Beteiligung von kirchlichen <strong>Seelsorge</strong>rn an Angeboten zur Bearbeitung bela-<br />

stender E<strong>in</strong>sätze angeht, äußern sich die Fragebögen etwas kritischer; der Kirche und<br />

ihren Mitarbeitern wird hier nur e<strong>in</strong>e beschränkte Möglichkeit e<strong>in</strong>geräumt. 455<br />

Interessant ist und bleibt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang, wie das Sakrament der Krankensalbung überhaupt<br />

wahrgenommen wird. Ansche<strong>in</strong>end wird es noch (zu) oft als re<strong>in</strong>es Sterbesakrament verstanden.<br />

Ähnlich stellen auch zwei <strong>Notfallseelsorge</strong>r fest: „Erstaunlich viele Menschen, die der Kirche<br />

nahe stehen, aber auch Fernstehende, nehmen die Veränderung vom ‚Sterbesakrament’ zum Krankensakrament<br />

beharrlich nicht zur Kenntnis.“ (DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1.)<br />

Es sche<strong>in</strong>t für die meisten wohl so, dass die Krankensalbung nur oder erst dann angebracht ist, wenn<br />

es für alles andere zu spät ist. Im oben genannten Fall ist es natürlich für den RD unverständlich, dass<br />

der Priester ke<strong>in</strong>e Wiederbelebungsversuche unternommen hat. Hieran wird deutlich, dass <strong>in</strong> solchen<br />

Situationen zwei verschiedene Welten aufe<strong>in</strong>ander treffen. Auf die Problematik des Verständnisses<br />

der Krankensalbung kann hier leider nicht weiter e<strong>in</strong>gegangen werden; auch die Antworten zur<br />

Krankensalbung (<strong>in</strong> den Fragebögen) bieten dazu ke<strong>in</strong>e weiteren Anhaltspunkte. Vgl. Fragebögen<br />

RD 1-3 (jeweils 22) und KID (17). E<strong>in</strong> Priester, der zugleich Sanitäter ist, empfiehlt aus eigener Erfahrung,<br />

<strong>in</strong> solchen Fällen wie dem oben angeführten sowohl die Krankensalbung als auch die Wiederbelebungsmaßnahmen<br />

durchzuführen; dies sei sogar möglich, wenn der Priester selbst die Rean<strong>im</strong>ation<br />

vorn<strong>im</strong>mt. Vgl. Tonque Langleder <strong>in</strong> WIETERSHEIM: Ruft mir bei Lebensgefahr e<strong>in</strong>en <strong>Seelsorge</strong>r,<br />

136. Zum Verständnis des Sakramentes der Krankensalbung sei weiter verwiesen auf<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Sacrosanctum Concilium, Nr. 73 u. Nr. 75.<br />

452<br />

Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 20).<br />

453<br />

Vgl. Fragebogen KID (10).<br />

454<br />

Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 13.1-13.3). Für genaue Themenbereiche sei auf die jeweiligen<br />

Antworten verwiesen. Besonders Fragebogen RD 2 (13.2). RD 3 (13.3) hat e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit auf<br />

diesem Gebiet bereits erlebt. Vgl. dazu auch Fragebogen KID (8.4).<br />

455<br />

Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 15.4) und KID (14.3). Bei der Formulierung der RD-Bögen wurde<br />

bewusst darauf geachtet, dass danach gefragt wird, ob sich die jeweilige Person vorstellen kann, dass<br />

kirchliche Mitarbeiter ihr persönlich bei der Stressbearbeitung helfen können. RD 1 antwortet darauf<br />

h<strong>in</strong>gegen allgeme<strong>in</strong>. RD 2 tendiert für sich zu e<strong>in</strong>em SbE ® -Team, bei dem möglicherweise auch <strong>Notfallseelsorge</strong>r<br />

beteiligt s<strong>in</strong>d. RD 3 äußert sich hierzu gar nicht. KID räumt kirchlichen Mitarbeitern<br />

e<strong>in</strong>en Platz „als gute Ansprechpartner“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er def<strong>in</strong>ierten SbE ® -Struktur e<strong>in</strong>. Nicht übersehen werden<br />

darf bei diesem Aspekt, dass ohneh<strong>in</strong> bei vielen E<strong>in</strong>satzkräften gegenüber Angeboten zur Stressbearbeitung<br />

e<strong>in</strong>e gewisse Skepsis und Zurückhaltung besteht, die bereits (unter III, 4.1.2) erwähnt<br />

wurde.<br />

94


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Von <strong>Seelsorge</strong>rn, die sich <strong>in</strong> diesem Bereich engagieren, werden vor allem e<strong>in</strong>e entspre-<br />

chende Kompetenz (besonders auf den Gebieten Stressbewältigung und Kommunikati-<br />

on) und Offenheit erwartet. Sie sollen den Menschen und nicht die Kirche <strong>in</strong> den Mit-<br />

telpunkt stellen und sich die notwendige Zeit nehmen, wenn sie e<strong>in</strong> Begleitungsge-<br />

spräch führen. <strong>Seelsorge</strong>r sollten aber auch <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, zu akzeptieren, wenn je-<br />

mand ihre Hilfe nicht ann<strong>im</strong>mt. 456 Wichtig ersche<strong>in</strong>t gleichfalls, dass e<strong>in</strong> <strong>Seelsorge</strong>r, der<br />

RD-Mitarbeiter pastoral begleitet, auch Kenntnisse vom RD (Organisation, Arbeitswei-<br />

se, Berufsstressoren u. ä.) hat. 457<br />

Erwartungen und Wünsche an die Kirchengeme<strong>in</strong>de am Ort der Rettungswache oder am<br />

Wohnort wurden <strong>in</strong> den Fragebögen nicht geäußert. 458<br />

6 Zusammenfassung<br />

In der Kairologie wurde die Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es <strong>in</strong> ihren vielfältigen Fa-<br />

cetten ansatzweise dargestellt. E<strong>in</strong> besonderes Augenmerk galt den zahlreichen Bela-<br />

stungen und Gefahren <strong>im</strong> physischen und psychischen Bereich, mit denen die E<strong>in</strong>satz-<br />

kräfte <strong>in</strong> ihrem Dienst teilweise täglich konfrontiert werden.<br />

Im RD geht es um das menschliche Leben und dessen Grenzen. Rettungskräfte s<strong>in</strong>d<br />

Lebensretter, die aber auch lernen müssen damit umzugehen, dass sie nicht <strong>im</strong>mer hel-<br />

fen und retten können. Die Kairologie hat zudem gezeigt, dass <strong>in</strong> der Bevölkerung<br />

größtenteils ke<strong>in</strong> realistisches Bild vom RD und se<strong>in</strong>en Mitarbeitern vorherrscht, son-<br />

dern vielmehr alte Klischees und Vorurteile dom<strong>in</strong>ieren.<br />

Neben diesen belastenden und eher negativen Seiten kann aber auch festgehalten wer-<br />

den, dass <strong>im</strong> RD e<strong>in</strong> Arbeitsplatz gegeben ist, der S<strong>in</strong>n verleihen kann, Verantwortung<br />

verlangt und zutraut, der eigene Fähigkeiten und Entscheidungen fordert und fördert.<br />

Nicht unerwähnt bleiben darf ferner, dass <strong>im</strong> RD e<strong>in</strong> kollegialer Umgang und die per-<br />

sönliche Ebene e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle spielen.<br />

456 Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 15.6) und KID (14.4). RD 1 äußert sich eher klischeehaft (ke<strong>in</strong><br />

„steifes-Priester-Geme<strong>in</strong>demitglied-Verhältnis“ und ke<strong>in</strong>e „versteiften alten Priester“). RD 3 fordert,<br />

dass „ke<strong>in</strong>e christliche Dom<strong>in</strong>anz “ diese seelsorgliche Begleitung prägt. KID erwartet „den Mut, mit<br />

<strong>in</strong> E<strong>in</strong>sätze zu gehen und h<strong>in</strong>terher e<strong>in</strong>fach da zu se<strong>in</strong>.“<br />

457 Vgl. dazu Fragebogen RD 1 (15.4): „Das schwierigste ist, glaub ich, e<strong>in</strong> Gespräch mit e<strong>in</strong>er Person<br />

zu führen, die von der eigentlichen Materie <strong>Rettungsdienst</strong> ‚ke<strong>in</strong>e Ahnung’ hat.“<br />

458 Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 24) und KID (18). Auch werden <strong>in</strong> den Antworten ke<strong>in</strong>e konkreten<br />

Möglichkeiten der Zusammenarbeit genannt. Fragebogen RD 1 macht das auch von den jeweiligen<br />

Verantwortlichen vor Ort abhängig. Fragebogen KID sieht e<strong>in</strong>e richtige Zusammenarbeit als Traum<br />

an, bezieht sich dabei aber wohl vor allem auf die Kooperation von KID und NFS („Teams zusammenlegen“).<br />

95


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Als die <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>führung genannten positiven „Zeichen der Zeit“ 459 <strong>im</strong> RD sollen an<br />

dieser Stelle die folgenden drei Momente angeführt werden:<br />

- Im RD setzen sich Menschen für Mitmenschen <strong>in</strong> Krisen- und Notsituationen e<strong>in</strong><br />

und nehmen dafür auch Gefahren, lange Arbeitszeiten und e<strong>in</strong>e eher ger<strong>in</strong>ge Ver-<br />

gütung <strong>in</strong> Kauf; sehr viele engagieren sich sogar ehrenamtlich. Zu den wesentli-<br />

chen Motiven für diesen Dienst zählen unter anderem die Nächstenliebe und das<br />

Ideal, anderen zu helfen und möglichst gut helfen zu können.<br />

- Im RD hat vor e<strong>in</strong>igen Jahren e<strong>in</strong> Umdenkprozess h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em ganzheitlichen<br />

Menschenbild begonnen, der positive Konsequenzen für die Patientenbetreuung,<br />

die RD-Ausbildung und Unterstützung des Personals mit sich br<strong>in</strong>gt. Menschliche<br />

Zuwendung, psychische Betreuung und E<strong>in</strong>satznachsorge seien beispielhaft dafür<br />

genannt. Nach dem Idealbild steht der Mensch als ganzer <strong>im</strong> Mittelpunkt der Be-<br />

mühungen des <strong>Rettungsdienst</strong>es (wie auch der Kirche). Die Sorge um den hilfsbe-<br />

dürftigen Menschen und auch die Nächstenliebe verb<strong>in</strong>den also RD und Kirche.<br />

- Von Seiten der Hilfsorganisationen (ASB, DRK, JUH und MHD), die <strong>in</strong> den RD<br />

e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d, spricht zum<strong>in</strong>dest grundsätzlich nichts gegen e<strong>in</strong> Zusammen-<br />

wirken mit der Kirche und ihren Mitarbeitern. Die JUH und der MHD s<strong>in</strong>d auf-<br />

grund ihrer Tradition und Leitl<strong>in</strong>ien eng mit den christlichen Kirchen verbunden.<br />

Auch der ASB und das DRK können sich besonders <strong>in</strong> den Bereichen Krisen<strong>in</strong>ter-<br />

vention, Aus- und Fortbildungen und E<strong>in</strong>satznachsorge vorstellen, mit der Kirche<br />

zusammenzuarbeiten beziehungsweise s<strong>in</strong>d schon dabei. Auch von Seiten der be-<br />

fragten E<strong>in</strong>satzkräfte s<strong>in</strong>d für die Kirche die Türen zum RD nicht grundsätzlich<br />

verschlossen. Es bestehen durchaus Wünsche an kompetente und offene Seelsor-<br />

ger.<br />

Schließlich kann das Bild vom RD, der rund um die Uhr e<strong>in</strong>satzbereit ist und ständig<br />

mit dem Unerwarteten rechnen muss, auch e<strong>in</strong> Vorbild für die Kirche und ihre Gläubi-<br />

gen se<strong>in</strong>, die ebenfalls zur Wachsamkeit und zum Bereitse<strong>in</strong> aufgerufen s<strong>in</strong>d. 460<br />

459 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 4.<br />

460 Damit sie die die Wiederkunft Jesu Christi nicht verschlafen und versäumen; denn sie kennen weder<br />

den Tag noch die Stunde der Parusie des Herrn (vgl. Mt 25,13).<br />

96


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

1 E<strong>in</strong>führung<br />

IV PRAXEOLOGIE<br />

– Opt<strong>im</strong>ierung der zukünftigen Praxis –<br />

„Die Kirche,“ so stellt Paul M. Zulehner fest, „deren Praxis die Pastoraltheologie wis-<br />

senschaftlich reflektiert, um zu deren Weiterentwicklung beizutragen, versteht sich als<br />

‚ecclesia semper reformanda’.“ 461 Sie ist folglich <strong>im</strong>mer wieder zu reformieren, zu er-<br />

neuern und zu opt<strong>im</strong>ieren, weil Differenzen zwischen dem von Gott gegebenen Auftrag<br />

und der aktuellen Umsetzung bestehen oder sich die Situation der Gesellschaft gewan-<br />

delt hat. Da sich die Praxis der Kirche <strong>im</strong>mer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dialektischen Spannung zwischen<br />

Personen und Strukturen entwickelt, s<strong>in</strong>d auch deren Reformen von Personen und<br />

Strukturen abhängig. 462<br />

Die Kirche und ihre Mitglieder brauchen zu jeder Zeit unter anderem den Mut zu Re-<br />

formen. „Solcher Christenmut ist lernbar. Jene, die ihn <strong>in</strong> dem ihnen möglichen refor-<br />

merischen Handeln zeigen, s<strong>in</strong>d Hoffnung dafür, daß auch zukünftig die Kirche ihrem<br />

Auftrag <strong>in</strong> unserer Zeit, so gut sie kann, gerecht wird.“ 463<br />

In der nun anstehenden Praxeologie sollen <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>ige Handlungs<strong>im</strong>pulse und<br />

Gedankenanstöße gegeben werden, die für e<strong>in</strong>e Opt<strong>im</strong>ierung der kirchlichen Praxis auf<br />

dem hier untersuchten Gebiet e<strong>in</strong>en Beitrag leisten möchten.<br />

Zunächst gilt es aber, sich noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> knapper Form an die bisher gegangenen<br />

Schritte und ihre Hauptergebnisse zu er<strong>in</strong>nern:<br />

In der zuerst durchgeführten Kriteriologie wurden die Kriterien und Ziele erarbeitet,<br />

damit die nun folgenden Impulse auch spurtreu und „zielsicher“ 464 se<strong>in</strong> können.<br />

Hauptziel und -kriterium für die Kirche s<strong>in</strong>d und bleiben der Auftrag und die Offenba-<br />

rung Gottes – besonders das Leben Jesu mit se<strong>in</strong>er Botschaft, se<strong>in</strong>em Wirken bis zum<br />

Kreuz und darüber h<strong>in</strong>aus zur Auferweckung zu e<strong>in</strong>em Leben <strong>in</strong> Fülle. 465<br />

Es geht also <strong>im</strong> Wesentlichen um die Sorge für den von Gott erschaffenen und geliebten<br />

Menschen, dem e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> Würde und <strong>in</strong> Freiheit zugesagt ist. Die Kirche soll Jesus<br />

Christus dabei helfen, der Menschheit dieses Leben zu verkünden und zu ermöglichen.<br />

461 ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 305; eigene Hervorhebung. Die dar<strong>in</strong> verwendete late<strong>in</strong>ische<br />

Formulierung stammt aus der calv<strong>in</strong>istischen Theologie Anfang des 17. Jahrhunderts und wurde vom<br />

Zweiten Vatikanischen Konzil vorsichtig aufgegriffen (vgl. dazu ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL:<br />

Lumen gentium, Nr. 9 und ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Unitatis red<strong>in</strong>tegratio, Nr. 6). Vgl.<br />

KEHL: Ecclesia, 437. Der Term<strong>in</strong>us drückt aus, dass „sich die Kirche <strong>in</strong> Lebensstil, Verkündigung<br />

und Grundstrukturen ständig v. Wort Gottes richten u. erneuern lassen muß.“ (KEHL: Ecclesia, 437.)<br />

462 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 305.<br />

463 ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 306.<br />

464 ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 247.<br />

97


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Im Rahmen der Kairologie wurde dann die aktuelle Situation <strong>im</strong> RD ansatzweise analy-<br />

siert und dargestellt; dabei wurde nach den „Zeichen der Zeit“ <strong>im</strong> Bereich des Ret-<br />

tungsdienstes geforscht. Festgestellt wurde, dass die Hilfsorganisationen und E<strong>in</strong>satz-<br />

kräfte <strong>im</strong>mer mehr die ganzheitliche Sorge des Menschen <strong>im</strong> Blick haben. Möglichkei-<br />

ten der Zusammenarbeit zwischen Kirche und <strong>Rettungsdienst</strong> s<strong>in</strong>d von beiden Seiten<br />

grundsätzlich vorstellbar, teilweise sogar erwünscht und bereits ansatzweise umgesetzt.<br />

Hanjo von Wietershe<strong>im</strong> stellt dementsprechend fest: „Sowohl die Hilfsorganisationen<br />

als auch die Kirchen wollen Menschen helfen. Es ist gut, wenn sie eng zusammenar-<br />

beiten“ 466 – um der Menschen willen. Dabei ist aber stets darauf zu achten, dass alle<br />

E<strong>in</strong>richtungen ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bewahren können und sollen.<br />

In diesem nun anstehenden letzten Schritt geht es darum, aus den vorangegangenen und<br />

vielfältigen Untersuchungen e<strong>in</strong>ige Möglichkeiten und auffordernde Impulse für die<br />

Praxis der Kirche von heute zu suchen und zu geben.<br />

2 Handlungs<strong>im</strong>pulse für die kirchliche Praxis<br />

2.1 Im Bereich der <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

Die Kompetenzen der Kirche und ihrer pastoralen Mitarbeiter auf dem Gebiet der Be-<br />

treuung, <strong>Seelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention werden von vielen <strong>im</strong> RD Tätigen anerkannt.<br />

Dementsprechend fasst Beate Coellen dies zusammen: „<strong>Seelsorge</strong>r [...] s<strong>in</strong>d also von<br />

Berufs wegen <strong>in</strong> den Stand gesetzt, sich den Nöten ihrer Mitmenschen sachgerecht zu-<br />

zuwenden. Im Laufe ihres Berufsalltages werden Geistliche mit den unterschiedlichsten<br />

Formen von seelischen Belastungen konfrontiert [...]. Riten, die die Trauerarbeit er-<br />

möglichen und befördern, s<strong>in</strong>d ihnen vertraut. Noch gibt es bei den christlichen Kirchen<br />

e<strong>in</strong> flächendeckendes Netz von Pfarrämtern, so dass e<strong>in</strong> Geistlicher <strong>in</strong> relativ kurzer<br />

Frist an e<strong>in</strong>em Schadenort verfügbar se<strong>in</strong> kann. H<strong>in</strong>zu kommt, dass Geistliche pr<strong>in</strong>zipi-<br />

ell rund um die Uhr <strong>im</strong> Dienst s<strong>in</strong>d [...]. In der Regel verfügen christliche Geme<strong>in</strong>den<br />

auch über Räumlichkeiten.“ 467<br />

Die NFS gehört zweifelsfrei zum Auftrag der Kirche. Der Kirche sollte es also unbe-<br />

d<strong>in</strong>gt daran gelegen se<strong>in</strong>, diesen wichtigen Dienst der NFS fortzuführen, weiter auszu-<br />

bauen, qualitativ zu sichern und dabei <strong>im</strong>mer mehr und besser um der Menschen willen<br />

465 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 15 u. 294.<br />

466 WIETERSHEIM: Partner für Menschen <strong>in</strong> Not, 14.<br />

467 COELLEN: <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention, 67.<br />

98


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

mit den verschiedenen Hilfse<strong>in</strong>richtungen wie Feuerwehr und RD und ebenso mit der<br />

Polizei zusammenzuwirken. 468<br />

Allerd<strong>in</strong>gs sollte die Kirche sich bewusst se<strong>in</strong>, dass sie nicht die e<strong>in</strong>zige kompetente<br />

Anbieter<strong>in</strong> auf den Gebieten der Krisen<strong>in</strong>tervention und der E<strong>in</strong>satznachsorge ist. 469 Der<br />

KID des <strong>Rettungsdienst</strong>es, Psychologen und Ärzte leisten auf diesem Gebiet ebenso<br />

wertvolle Hilfe, die es anzuerkennen gilt; mit ihnen ist e<strong>in</strong>e Kooperation anzustreben.<br />

Ebenso sollte auch deutlich geworden se<strong>in</strong>, dass „die als notwendig erkannte Betreuung<br />

von Menschen mit e<strong>in</strong>er posttraumatischen Streßsituation [...] <strong>in</strong> unserer Gesellschaft<br />

nicht auf christliche <strong>Seelsorge</strong> alle<strong>in</strong> begrenzt werden“ 470 kann.<br />

Die Kirche ist hier aufgefordert, sich mit ihren Mitarbeitern um der Menschen willen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Netz von Helfern e<strong>in</strong>zukl<strong>in</strong>ken und auch zu akzeptieren, dass ihre Hilfe nicht unbe-<br />

d<strong>in</strong>gt überall und zu jeder Zeit gefragt ist. Auch e<strong>in</strong>e (sche<strong>in</strong>bare) gelegentliche Ent-<br />

behrlichkeit und Unerwünschtheit muss, entsprechend der Praxis Jesu, ausgehalten wer-<br />

den können. 471<br />

2.1.1 Organisation und Ausstattung der <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

Nach den Erfahrungen des ICE-Unglücks von Eschede hat e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der NFS Verantwortli-<br />

cher folgende Konsequenzen gefordert: „Jeder (!) Kirchenkreis braucht e<strong>in</strong> nach be-<br />

st<strong>im</strong>mten Standards aufgebautes und ausgebildetes <strong>Notfallseelsorge</strong>system, das die<br />

Vernetzung mit anderen psychologischen Hilfsangeboten von vornhere<strong>in</strong> anstrebt [...].<br />

E<strong>in</strong>e weitgehend e<strong>in</strong>heitliche Schutzkleidung, möglichst fälschungssichere Dienstaus-<br />

weise, e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Kfz-Kennzeichnung, e<strong>in</strong>e Grundausstattung der Kirchenkreise [...]<br />

mit Fernmeldetechnik s<strong>in</strong>d anzustreben.“ 472<br />

E<strong>in</strong>e gute und der aktuellen Technik <strong>im</strong> Rettungswesen entsprechende Ausstattung der<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r ist also durchaus angebracht. Allerd<strong>in</strong>gs sollte dabei stets darauf ge-<br />

achtet werden, dass die Form nicht über dem Inhalt steht und sich die NFS nicht <strong>in</strong> rei-<br />

468 Für diese Zusammenarbeit auf dem Gebiet der NFS zwischen Kirche und anderen E<strong>in</strong>richtungen<br />

kann es hilfreich se<strong>in</strong>, die Aussage der Ärzt<strong>in</strong> Adrienne von Speyr über die Kooperation zwischen<br />

Arzt und Priester auf die E<strong>in</strong>satzkräfte und <strong>Notfallseelsorge</strong>r zu übertragen: „Arzt und Priester sollten<br />

nicht nur <strong>in</strong> extremen Fällen mite<strong>in</strong>ander Kontakt aufnehmen, vielmehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em regelmäßigen Umgang<br />

die Punkte besser kennenlernen, wo sich ihre Arbeit berührt, und versuchen, die Spannungen<br />

zwischen ihren Kompetenzen <strong>im</strong>mer fruchtbarer zu machen: zugunsten der Patienten.“ (SPEYR: Arzt<br />

und Patient, 76.)<br />

469 Vielleicht kann dabei die Perikope <strong>in</strong> Mk 9,38-41 e<strong>in</strong>e Verständnishilfe für die Kirche bieten, <strong>in</strong> der<br />

Jesus die guten Taten e<strong>in</strong>es Menschen anerkennt, der nicht zu se<strong>in</strong>er Jüngergeme<strong>in</strong>de (<strong>im</strong> engeren<br />

S<strong>in</strong>n) zählt, aber durchaus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Auftrag und se<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>n anderen hilft.<br />

470 ENGELHARDT : Zwischen Hilfsbereitschaft und Ohnmacht, 163; eigene Hervorhebung.<br />

471 Vgl. dazu Mk 6,11: Den Jüngern trägt Jesus bei ihrer Aussendung auf, an den Orten, an denen sie<br />

nicht willkommen und erwünscht s<strong>in</strong>d, sich nicht aufzudrängen, sondern weiterzugehen.<br />

472 BEAUFTRAGTER FÜR DIE NOTFALLSEELSORGE: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 203f.<br />

99


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

ner Äußerlichkeit verläuft. Die christliche Botschaft, die <strong>Seelsorge</strong> als solche und der<br />

hilfsbedürftige Mensch müssen jederzeit <strong>im</strong> Vordergrund stehen; die Ausstattung dient<br />

e<strong>in</strong>deutig nur als Hilfsmittel. Die NFS handelt grundsätzlich <strong>im</strong> Auftrag Gottes und sei-<br />

ner Kirche um der Menschen willen; dieser Auftrag darf nicht durch Nebensächlichkei-<br />

ten überdeckt oder verraten werden. 473<br />

Hilfreich kann es se<strong>in</strong>, wenn <strong>Notfallseelsorge</strong>r als Team arbeiten und zu zweit e<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>satz fahren; dies entspricht zum e<strong>in</strong>en der Praxis Jesu, der se<strong>in</strong>e Jünger <strong>im</strong>mer zu<br />

zweit ausgesandt hat (vgl. Mk 6,7 u. a.) und zum anderen birgt dieses Vorgehen mehr<br />

Sicherheit und Flexibilität für alle Beteiligten <strong>in</strong> sich.<br />

Ferner sollte <strong>in</strong> jedem NFS-System regelmäßig die Praxis, besonders die Zusammenar-<br />

beit mit den Rettungsfachdiensten (vor allem RD, Feuerwehr und Polizei), geme<strong>in</strong>sam<br />

(mit den Vertretern dieser E<strong>in</strong>richtungen) reflektiert werden und entsprechende Konse-<br />

quenzen aus den Ergebnissen gezogen werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass<br />

die NFS zuverlässig, qualifiziert und am Rettungssystem und an den betroffenen Men-<br />

schen orientiert arbeitet und auch weiterh<strong>in</strong> von der Leitstelle und den E<strong>in</strong>satzkräften als<br />

willkommene Unterstützung geschätzt und <strong>in</strong> Anspruch genommen wird. 474<br />

Wichtig ist auch, dass es <strong>in</strong> möglichst jeder NFS-E<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>ige Mitarbeiter gibt, die<br />

zusätzlich für die SbE ® ausgebildet s<strong>in</strong>d. So können die Rettungskräfte nach besonders<br />

belastenden E<strong>in</strong>sätzen für die E<strong>in</strong>satznachsorge gegebenenfalls auch auf diese, vor Ort<br />

bekannten <strong>Notfallseelsorge</strong>r zurückgreifen. 475<br />

2.1.2. Eignung und Qualifikation der <strong>Notfallseelsorge</strong>r<br />

Es ist s<strong>in</strong>nvoll, dass haupt- und nebenamtliche pastorale Mitarbeiter <strong>in</strong> der Kirche moti-<br />

viert werden, sich zusätzlich <strong>in</strong> der NFS zu engagieren; wenn man die <strong>in</strong> der Kriteriolo-<br />

gie (unter II, 2.2.2.3) erwähnte Kirchenordnung Testamentum Dom<strong>in</strong>i aktualisiert, kann<br />

473 Dazu bemerkt der <strong>Notfallseelsorge</strong>r Jochen M. He<strong>in</strong>ecke: „Ich habe gern Spielzeug – auch technisches.<br />

Ich gehöre gern dazu, zu den Rettern – und das soll man auch von außen sehen. Wenn aber die<br />

Form den Inhalt überwuchert (vgl. Mt 13,7), kann es geschehen, daß am Ende nicht mehr der Baum<br />

des Lebens dasteht, sondern e<strong>in</strong> Weihnachtsbaum – voll von glänzendem Lametta, leuchtender Reflexstreifen<br />

und piepsender Handies. Zu e<strong>in</strong>em seriösen Angebot gehört e<strong>in</strong> glaubwürdiges Äußeres.“<br />

(HEINECKE: Erfahrungen als <strong>Seelsorge</strong>r <strong>in</strong> der Notfallsituation, 9.)<br />

474 Ferner sei zur Qualität <strong>in</strong> der NFS verwiesen auf KRAUSE: Qualitätssicherung, 305-313.<br />

475 Sigurd Sadowski hält zu diesem Aspekt fest: „Die beste Voraussetzung für den <strong>Notfallseelsorge</strong>r ist<br />

hier die aktive Mitarbeit oder e<strong>in</strong>e regelmäßige Präsenz <strong>in</strong> der Hilfsorganisation selbst: Gehört man<br />

dazu und spricht die Sprache der Kollegen, vermittelt man das Gefühl, e<strong>in</strong>er von ihnen zu se<strong>in</strong>, ohne<br />

sich vere<strong>in</strong>nahmen zu lassen, dann hat man e<strong>in</strong>en Zugang zu ihnen und ihren Familien [...].“<br />

(SADOWSKI: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 427.) Da die strukturierte Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen<br />

nicht zur <strong>Notfallseelsorge</strong> als solcher gehört, soll <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em späteren Abschnitt (unter IV, 2.3)<br />

eigens darauf e<strong>in</strong>gegangen werden. Vgl. dazu ferner MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>satznachsorge, 283f.<br />

100


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

hier besonders für Diakone e<strong>in</strong> Aufgabengebiet gesehen werden. 476 Unterstützende und<br />

motivierende Rahmenbed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d vom Personalmanagement für alle Notfallseel-<br />

sorger zu schaffen (beispielsweise die Anrechung als Arbeitszeit).<br />

Zu den Grundpr<strong>in</strong>zipien der NFS gehört, wie <strong>im</strong> ersten Schritt festgestellt wurde, die<br />

Freiwilligkeit, mit der sich <strong>Notfallseelsorge</strong>r für diesen Dienst zur Verfügung stellen.<br />

Genauso wichtig ist aber auch, wie bei allen Ämtern und Diensten <strong>in</strong> der Kirche, dass<br />

die Bewerber entsprechend geeignet und ausgebildet s<strong>in</strong>d. Die Verantwortlichen s<strong>in</strong>d es<br />

sowohl den zu Betreuenden und E<strong>in</strong>satzkräften als auch ihren eigenen Mitarbeitern ge-<br />

genüber schuldig, dass sie nur diejenigen zur NFS zulassen, die die entsprechende Eig-<br />

nung und Qualifikation vorweisen können. 477<br />

E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitlich geregelte und standardisierte NFS-Zusatzausbildung, die auf die ver-<br />

schiedenen pastoralen Grundausbildungen (von Geme<strong>in</strong>de-, Pastoralreferenten, Diako-<br />

nen und Priestern) aufbaut, ist gewiss unverzichtbar. Die <strong>in</strong> der Kriteriologie (unter II,<br />

3.1.3) als Quasi-Standard bezeichneten Voraussetzungen und Inhalte sollten bundesweit<br />

zum allgeme<strong>in</strong> anerkannten Standard werden.<br />

E<strong>in</strong>en wesentlichen Platz <strong>in</strong> der NFS-Ausbildung muss die Begegnung mit dem RD, der<br />

Feuerwehr und der Polizei e<strong>in</strong>nehmen; neben der theoretischen Wissensvermittlung<br />

ihrer Arbeitsweisen und Organisation sollten auch Praktika <strong>in</strong> diesen Bereichen (vor<br />

allem <strong>im</strong> RD) verb<strong>in</strong>dlich vorgeschrieben werden. Dies ist wichtig, damit die NFS nicht<br />

die Rettungsarbeiten beh<strong>in</strong>dert und gegebenenfalls auf Fragen der Angehörigen zu me-<br />

diz<strong>in</strong>ischen Maßnahmen (beispielsweise der Rean<strong>im</strong>ation) näher e<strong>in</strong>gehen kann. Außer-<br />

dem kann so e<strong>in</strong> erster Kontakt zu den E<strong>in</strong>satzkräften geschaffen werden. Ausreichende<br />

Kenntnisse <strong>in</strong> Erster Hilfe sollten ebenfalls von den <strong>Notfallseelsorge</strong>rn erworben und<br />

regelmäßig aufgefrischt werden. 478<br />

Die meisten <strong>Notfallseelsorge</strong>r s<strong>in</strong>d hauptamtlich <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>deseelsorge tätig und<br />

engagieren sich zusätzlich, sozusagen nebenamtlich <strong>in</strong> der NFS, die sich ja als Erweite-<br />

476 Vgl. dazu auch ZULEHNER: Dienende Männer, 59f.<br />

477 Die Kirche besitzt e<strong>in</strong>en wertvollen, von Gott geschenkten Schatz an begabten und talentierten Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeitern (sowohl auf ehren- als auch hauptamtlicher Basis). Es muss <strong>in</strong> der<br />

Kirche <strong>im</strong>mer mehr darum gehen, für die eigenen Mitarbeiter entsprechend ihren <strong>in</strong>dividuellen Fähigkeiten<br />

und Talenten, mit denen sie von Gott begabt worden s<strong>in</strong>d, die Stellen auszurichten anstatt<br />

Mitarbeiter <strong>in</strong> fest gefügte, nicht h<strong>in</strong>terfragte Arbeitsplätze h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuzwängen, für die die Betreffenden<br />

<strong>in</strong> der Form aber nicht unbed<strong>in</strong>gt geeignet s<strong>in</strong>d. Es gilt also, vielmehr die Aufgaben den Personen<br />

zuzuweisen und nicht die Personen den Aufgaben. Es bleibt der Kirche zu wünschen, dass fähige<br />

Leitungspersönlichkeiten das Geme<strong>in</strong>deschiff durch die Wogen der Zeit führen, die die Gaben und<br />

Begabungen geschickt e<strong>in</strong>setzen und verwalten, die der Herr se<strong>in</strong>er Kirche hat zukommen lassen.<br />

478 Im Laufe der Untersuchungen war der E<strong>in</strong>druck zu gew<strong>in</strong>nen, dass das Konzept der NFS Wetterau<br />

beispielhaft se<strong>in</strong> kann (besonders bezüglich der Eignung und Qualifikation der <strong>Notfallseelsorge</strong>r, der<br />

101


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

rung beziehungsweise Stellvertretung für die Geme<strong>in</strong>depastoral versteht. Wer neben-<br />

amtlich <strong>in</strong> der NFS tätig ist, sollte sich zunächst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er hauptamtlichen Stelle bewährt<br />

haben und es muss für ihn möglich se<strong>in</strong>, dass er bei e<strong>in</strong>er Alarmierung <strong>in</strong>nerhalb se<strong>in</strong>er<br />

Bereitschaftszeit für die NFS abkömmlich ist. 479<br />

Auf jeden Fall sollten <strong>Notfallseelsorge</strong>r auf ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen<br />

Rücksicht nehmen. Nur wer sich selbst helfen kann und bereit ist, gegebenenfalls auch<br />

von anderen Menschen Hilfe anzunehmen, kann selbst e<strong>in</strong> guter Helfer <strong>in</strong> der Not (und<br />

darüber h<strong>in</strong>aus) se<strong>in</strong>. Supervision und regelmäßige Gespräche mit e<strong>in</strong>em geistlichen<br />

Begleiter sollten für jeden (Notfall-) <strong>Seelsorge</strong>r selbstverständlich se<strong>in</strong>.<br />

Abschließend soll noch auf e<strong>in</strong>ige grundlegende Gedanken zu Kompetenz und Selbst-<br />

verständnis von <strong>Seelsorge</strong>rn (und damit auch <strong>Notfallseelsorge</strong>rn) e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

Der Pastoraltheologe Henri J. M. Nouwen sieht <strong>in</strong> Anlehnung an die Versuchungen Jesu<br />

durch den Satan <strong>in</strong> Mt 4,1-11 auch drei gefährliche Versuchungen für die <strong>Seelsorge</strong>r:<br />

nämlich unentbehrlich, beliebt und mächtig se<strong>in</strong> zu wollen. 480 Wenn sich e<strong>in</strong> <strong>Seelsorge</strong>r<br />

aber bewusst ist, dass er (nur) e<strong>in</strong> Werkzeug Gottes ist und dass er auch nicht alles kann<br />

und können muss, steht er nicht <strong>in</strong> der Gefahr, <strong>im</strong>mer aus eigenen Quellen zu schöpfen,<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Aktionismus zu verrennen und vielleicht <strong>im</strong> Burnout zu enden.<br />

Nouwen schreibt an anderer Stelle: „Der gute <strong>Seelsorge</strong>r hat die Berufung, Fertigkeiten<br />

zu entwickeln, ohne zum Gaukler zu werden, über Kenntnisse zu verfügen, ohne zum<br />

Schw<strong>in</strong>dler zu werden [...]. Wenn er die Fähigkeit besitzt, sich selbst zu verleugnen,<br />

offen und ehrlich zu se<strong>in</strong> und den S<strong>in</strong>n menschlichen Leidens zu begreifen, dann kann<br />

er dem Menschen, um den er sich kümmert, die Ahnung vermitteln, daß es Gott selber<br />

ist, der ihm durch die Hand se<strong>in</strong>es Dieners se<strong>in</strong>e zärtliche Liebe offenbart.“ 481<br />

Von e<strong>in</strong>em <strong>Notfallseelsorge</strong>r wird nicht erwartet, dass er alles kann und auf alles e<strong>in</strong>e<br />

Antwort hat. Er muss nicht unbed<strong>in</strong>gt zusätzlich als Rettungssanitäter, Feuerwehrmann,<br />

Arzt oder sonstiges ausgebildet se<strong>in</strong>. Was e<strong>in</strong> <strong>Notfallseelsorge</strong>r aber auf jeden Fall se<strong>in</strong><br />

muss und was von ihm erwartet wird, ist, dass er e<strong>in</strong> kompetenter Theologe und auf-<br />

Ausbildung und Zusammenarbeit mit Polizei, Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>). Vgl. dazu NOTFALL-<br />

SEELSORGE WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau.<br />

479 E<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de will darauf vorbereitet se<strong>in</strong> und muss damit umgehen lernen, dass sie gegebenenfalls<br />

e<strong>in</strong>mal kurzfristig beispielsweise auf ihren Pfarrer verzichten muss, damit dieser e<strong>in</strong>em Menschen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er akuten Krisensituation beistehen kann. Hier s<strong>in</strong>d Interessenskonflikte nicht <strong>im</strong>mer auszuschließen.<br />

Doch sollte nach der Kriteriologie deutlich geworden se<strong>in</strong>, wo die Priorität zu setzen ist.<br />

In der Regel s<strong>in</strong>d aber ohneh<strong>in</strong> <strong>in</strong> vielen NFS-Systemen <strong>im</strong>mer zwei <strong>Notfallseelsorge</strong>r gleichzeitig<br />

zur Bereitschaft e<strong>in</strong>geteilt, so dass hier durchaus e<strong>in</strong>e Absprache möglich ist (zum Beispiel für die<br />

Gottesdienste am Sonntagmorgen oder den Schulunterricht).<br />

480 Vgl. NOUWEN: <strong>Seelsorge</strong>, die aus dem Herzen kommt, 19-25 u. 37-41 u. 55-60. Vgl. dazu auch<br />

ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 46.<br />

481 NOUWEN: Schöpferische <strong>Seelsorge</strong>, 106.<br />

102


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

merksamer Gottesmann ist, der mit Menschen mitleiden, reden, gegebenenfalls klagen,<br />

schweigen und beten kann. E<strong>in</strong> <strong>Notfallseelsorge</strong>r muss trotz aller Fragen, allem Leid<br />

und vielleicht auch sche<strong>in</strong>barer Gottlosigkeit durch se<strong>in</strong>e wohlwollende und unauf-<br />

dr<strong>in</strong>gliche Anwesenheit e<strong>in</strong> lebendiger Zeuge für die Liebe und Nähe Gottes <strong>in</strong> der Welt<br />

se<strong>in</strong>. 482<br />

Jeder <strong>Seelsorge</strong>r muss sich <strong>im</strong>mer (nicht nur bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz) bewusst se<strong>in</strong>, dass er<br />

nicht <strong>im</strong> eigenen Auftrag unterwegs ist und nicht se<strong>in</strong>e eigene Botschaft verkündet.<br />

Gott, der ihn gesandt hat, ist <strong>im</strong>mer schon bei den Menschen zugegen, die zu begleiten<br />

und zu betreuen s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> <strong>Seelsorge</strong>r muss Gott also nicht zu den Menschen br<strong>in</strong>gen,<br />

sondern er muss diese vielmehr auf ihrem Weg dabei unterstützen, Gott <strong>in</strong> ihrem Leben<br />

zu entdecken. Wer <strong>Seelsorge</strong>r ist, muss <strong>im</strong> Gespräch mit Gott se<strong>in</strong>, muss beten und auf<br />

ihn hören können.<br />

Nouwen hat e<strong>in</strong>en <strong>Seelsorge</strong>r vor Augen, „der se<strong>in</strong>e beiden Hände weit ausstreckt und<br />

e<strong>in</strong> Leben wählt, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e stete Abwärtsbewegung führt. Es ist das Bild e<strong>in</strong>es Men-<br />

schen, der betet, der verwundbar ist und der e<strong>in</strong> grenzenloses Vertrauen hat.“ 483<br />

Diese Grunde<strong>in</strong>stellung und -ausrichtung macht auch das folgende Gebet deutlich, dass<br />

<strong>Seelsorge</strong>r auf ihrem Weg zu e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satzort begleiten und auf die anstehenden Auf-<br />

gaben gut vorbereiten kann:<br />

„ Herr, sei mir jetzt nahe – und den Betroffenen.<br />

Gib mir Umsicht, Ruhe und Klarheit,<br />

Laß mich das Nötige überlegt, rasch und entschieden tun.<br />

Du rufst mich jetzt zum Helfen und Trösten.<br />

Schenke mir Kraft dazu, <strong>in</strong> Jesu Namen. Amen.“ 484<br />

2.2 Im Bereich der <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Da es <strong>in</strong> dieser Kategorialseelsorge bisher nur wenige Stellen gibt und aufgrund der<br />

f<strong>in</strong>anziellen und personellen Lage der Kirchen <strong>in</strong> diesem Bereich vermutlich auch ke<strong>in</strong>e<br />

zusätzlichen entstehen werden, soll hier nur kurz darauf e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

482 E<strong>in</strong>e Umfrage unter den <strong>Seelsorge</strong>rn, die sich be<strong>im</strong> Unglück von Eschede vor Ort engagiert haben,<br />

„ergab, daß sie <strong>in</strong> den verschiedenen E<strong>in</strong>satzorten <strong>in</strong> unterschiedlicher Weise als Theologen/<strong>in</strong>nen<br />

gefragt waren [...]. Es g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> den ersten Stunden um menschliche Begleitung, um Nähe, um Mitle iden.“<br />

(HÖLTERHOFF: Katastrophenseelsorge, 129.) Ferner sei auf die Ratschläge h<strong>in</strong>gewiesen, die <strong>im</strong><br />

Fragebogen NFS (9) an zukünftige <strong>Notfallseelsorge</strong>r weitergegeben werden.<br />

483 NOUWEN: <strong>Seelsorge</strong>, die aus dem Herzen kommt, 70f.<br />

484 KIRCHENKANZLEI DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND: <strong>Kirchliche</strong>s Handeln bei Un-<br />

glücksfällen und Katastrophen, 28.<br />

103


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Es ersche<strong>in</strong>t wichtiger, dass sich die Pastoral auf die Geme<strong>in</strong>deseelsorge konzentriert<br />

und nach wie vor hier ihre Schwerpunkte setzt; das heißt aber noch lange nicht, dass<br />

diese Kategorialseelsorge e<strong>in</strong>gestellt werden soll. Die bereits e<strong>in</strong>gerichteten Stellen sol-<br />

len effektiv über die Bundesrepublik verteilt werden und sich vor allem auf die Bal-<br />

lungsräume fokussieren.<br />

Die Stellen<strong>in</strong>haber sollten sich <strong>im</strong> RD und <strong>in</strong> der Feuerwehr bestens auskennen und<br />

eventuell sogar e<strong>in</strong>e Ausbildung <strong>in</strong> diesem Bereich absolviert haben, damit sie auch<br />

wirklich e<strong>in</strong>e Hilfe und Unterstützung se<strong>in</strong> können und von den E<strong>in</strong>satzkräften leichter<br />

anerkannt werden; <strong>in</strong> diesen Bereichen wird nämlich mehr Wert auf Kollegialität als auf<br />

Titel und Ämter gelegt.<br />

Es ist anzustreben, dass diese Kategorialseelsorger ökumenisch zusammenarbeiten und<br />

mit Hilfe von Fortbildungen und Publikationen <strong>in</strong>teressierten Geme<strong>in</strong>deseelsorgern<br />

weiterhelfen, die <strong>in</strong> ihren Pfarrgeme<strong>in</strong>den auch auf die Rettungs- und Feuerwachen zu-<br />

gehen wollen und bereit s<strong>in</strong>d, deren Personal gegebenenfalls als Ansprechpartner zur<br />

Verfügung zu stehen und seelsorglich zu begleiten.<br />

2.3 Im Bereich der Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen<br />

Auch <strong>im</strong> Bereich der SbE ® sollten sich kirchliche Mitarbeiter weiterh<strong>in</strong> engagieren und<br />

mit Mitarbeitern des KID, Psychologen, Ärzten und weiteren E<strong>in</strong>satzkräften zusam-<br />

menarbeiten. Es ist s<strong>in</strong>nvoll, wenn es <strong>in</strong> jeder NFS-E<strong>in</strong>heit auch <strong>Notfallseelsorge</strong>r gibt,<br />

die zusätzlich e<strong>in</strong>e SbE ® -Qualifikation besitzen. Wie <strong>in</strong> der Kairologie (unter III, 4.1.2)<br />

festgestellt wurde, ist es für viele E<strong>in</strong>satzkräfte hilfreich, wenn zur E<strong>in</strong>satznachsorge<br />

Gesprächspartner zur Verfügung stehen, die den RD aus eigener Erfahrung gut kennen<br />

und über gewisse Erfahrungen <strong>in</strong> diesem Bereich verfügen. 485 Es kann dabei durchaus<br />

von Vorteil se<strong>in</strong>, wenn von der Rettungswache unabhängige, sozusagen neutrale Perso-<br />

nen für die E<strong>in</strong>satznachsorge qualifiziert s<strong>in</strong>d. So ist Manuel Rupp der Me<strong>in</strong>ung: „Auch<br />

die kompetentesten Helfer können <strong>in</strong> Not geraten. Hilfe bei außenstehenden Dritten zu<br />

suchen, kann auch für sie e<strong>in</strong>e Chance se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>neren Abstand zu gew<strong>in</strong>nen, e<strong>in</strong>en neuen<br />

Realitätsbezug zu schaffen, das e<strong>in</strong>geengte Beziehungsnetz zu erweitern und frische<br />

Impulse ‚von außen’ aufzunehmen.“ 486<br />

485 Vgl. Fragebögen NFS (11.2) und RD 1 (15.2).<br />

486 RUPP: Notfall Seele, 29. Nicht wenige <strong>Seelsorge</strong>r können, nicht zuletzt durch die E<strong>in</strong>richtung des<br />

Zivildienstes, durchaus beides anbieten: Wissen und Erfahrung <strong>im</strong> RD und Neutralität. Hier steckt<br />

e<strong>in</strong> bedeutendes Potential der Kirche für die Zusammenarbeit mit dem RD. Im Bischöflichen Priestersem<strong>in</strong>ar<br />

<strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z beispielsweise waren <strong>in</strong> den vergangenen Jahren <strong>im</strong>mer auch Alumnen e<strong>in</strong>geschrieben,<br />

die e<strong>in</strong>e RD-Ausbildung absolviert hatten. So gehörten <strong>im</strong> W<strong>in</strong>tersemester 2003/2004 dem<br />

104


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Das vom MHD entwickelte Mediatorenmodell bietet hier sicher e<strong>in</strong>e gute Gelegenheit<br />

für das Zusammenwirken von RD, Kirche und anderen E<strong>in</strong>richtungen. Allerd<strong>in</strong>gs be-<br />

steht noch erheblicher Handlungsbedarf, was die Akzeptanz und Nutzung bei den E<strong>in</strong>-<br />

satzkräften angeht. <strong>Kirchliche</strong> Mitarbeiter können den Hilfsorganisationen (<strong>im</strong> Großen)<br />

und den Rettungswachen vor Ort (<strong>im</strong> Kle<strong>in</strong>en), die für ihr Personal schließlich zustän-<br />

dig und verantwortlich s<strong>in</strong>d, dabei ihre Unterstützung anbieten.<br />

2.4 Im Bereich der Aus- und Fortbildungen <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Kairologie hat (unter III, 4.2 und III, 5.2) gezeigt, dass sowohl die befragten RD-<br />

Mitarbeiter als auch die Hilfsorganisationen auf dem Gebiet der Aus- und Fortbildungen<br />

e<strong>in</strong>e Möglichkeit sehen, <strong>in</strong> der sich <strong>Notfallseelsorge</strong>r, <strong>Seelsorge</strong>r <strong>in</strong> Feuerwehr und<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> und andere kompetente kirchliche Mitarbeiter e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können. Ethi-<br />

sche und religiöse Themen s<strong>in</strong>d ebenso gefragt wie Grundlagen e<strong>in</strong>er Basiskrisen<strong>in</strong>ter-<br />

vention; natürlich ist dabei auf die Wünsche der Verantwortlichen und E<strong>in</strong>satzkräfte vor<br />

Ort Rücksicht zu nehmen. 487<br />

Nicht zuletzt können geme<strong>in</strong>same Übungen von NFS, Feuerwehr, Polizei, KID und RD<br />

die Zusammenarbeit stärken und dem Wohl des Patienten dienen. Gerade bei solchen<br />

praktischen E<strong>in</strong>heiten können die E<strong>in</strong>satzkräfte und <strong>Seelsorge</strong>r geme<strong>in</strong>sam beraten und<br />

tra<strong>in</strong>ieren, wie <strong>in</strong> solchen Notsituationen die Patienten, deren Angehörige und weitere<br />

Beteiligte opt<strong>im</strong>al versorgt und betreut werden und sich die Helfer nicht gegenseitig<br />

beh<strong>in</strong>dern. Außerdem bieten die Übungen e<strong>in</strong>e Chance, Vorurteile und Klischees auf<br />

allen Seiten <strong>im</strong>mer mehr abzubauen.<br />

E<strong>in</strong>ladungen zu solchen Veranstaltungen sollten also auf jeden Fall angenommen wer-<br />

den und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit sollte auch auf diesem Gebiet signalisiert<br />

werden.<br />

2.5 Auf Geme<strong>in</strong>deebene<br />

2.5.1 Wohlwollen und gegenseitige Unterstützung<br />

Bei der nun folgenden, gewiss nicht vollständigen Darstellung von Möglichkeiten der<br />

Zusammenarbeit von RD und Kirchengeme<strong>in</strong>de vor Ort, soll nicht der E<strong>in</strong>druck er-<br />

weckt werden, dass sich pastorale Mitarbeiter <strong>in</strong> Zukunft ausschließlich um die Anlie-<br />

Alumnat (mit Studierenden aus dem Bistum Speyer und den beiden Ma<strong>in</strong>zer Pastoralkursen) unter<br />

anderem e<strong>in</strong> Notarzt, zwei Rettungsassistenten und zwei Rettungssanitäter an, so dass re<strong>in</strong> theoretisch<br />

e<strong>in</strong> NAW und e<strong>in</strong> RTW mit diesen Sem<strong>in</strong>aristen besetzt werden könnte.<br />

105


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

gen des <strong>Rettungsdienst</strong>es bemühen sollen. Ziel ist es, mögliche Ansätze aufzuweisen,<br />

die teilweise bereits mancherorts verwirklicht wurden.<br />

Als wichtige Grundlage kann angesehen werden, dass die Kirchengeme<strong>in</strong>de den RD<br />

und ebenso die Feuerwehr und Polizei vor Ort als wichtige E<strong>in</strong>richtungen wahrnehmen<br />

und ihren Dienst am Nächsten respektvoll anerkennen muss; denn die Nächstenliebe,<br />

die hier praktiziert wird, ist ohne Zweifel wichtiger Ausdruck des Christentums.<br />

Aus diesem Grund ist es s<strong>in</strong>nvoll an e<strong>in</strong>em gegenseitigen Wohlwollen zu arbeiten. Dies<br />

kann leichter se<strong>in</strong>, wenn sich Geme<strong>in</strong>demitglieder <strong>in</strong> diesen Organisationen engagieren<br />

und sozusagen als Brückenbauer tätig s<strong>in</strong>d.<br />

Die Kirchengeme<strong>in</strong>de kann dem RD vor Ort e<strong>in</strong>en großen Dienst leisten, wenn sie mit-<br />

hilft, zum<strong>in</strong>dest bei ihren Mitgliedern e<strong>in</strong> realistisches Bild vom RD zu entwickeln, da-<br />

mit dessen soziale Stellung und Anerkennung <strong>in</strong> der Bevölkerung steigt. Außerdem ist<br />

es s<strong>in</strong>nvoll, den RD <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Anliegen zu unterstützen, möglichst zahlreiche Menschen<br />

als Ersthelfer auszubilden, damit <strong>in</strong> Notfällen die Notrufmeldungen richtig getätigt wer-<br />

den und die Zeit bis zum E<strong>in</strong>treffen des <strong>Rettungsdienst</strong>es durch Sofortmaßnahmen ge-<br />

gebenenfalls lebensrettend überbrückt wird. Erste-Hilfe-Kurse für haupt- und ehren-<br />

amtliche Mitarbeiter der Kirche, die regelmäßig von der Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />

mit e<strong>in</strong>er Hilfsorganisation durchgeführt werden, s<strong>in</strong>d daher empfehlenswert. Neben der<br />

Unterstützung der Organisation qualifiziert die Pfarrgeme<strong>in</strong>de dadurch zugleich ihre<br />

eigenen Mitarbeiter und bereitet sie auch auf Zwischenfälle dieser Art vor.<br />

Bei größeren Veranstaltungen e<strong>in</strong>er Kirchengeme<strong>in</strong>de (beispielsweise Gottesdienste mit<br />

zahlreichen Mitfeiernden, Wallfahrten und große Feste) bietet es sich an, rechtzeitig mit<br />

der nächstgelegenen RD-Organisation die Notwendigkeit e<strong>in</strong>es Sanitätsdienstes abzu-<br />

klären. 488 Dadurch wird die Sicherheit aller Beteiligten gewährleistet; zugleich wird den<br />

Hilfsorganisationen auch e<strong>in</strong>e Möglichkeit zur Öffentlichkeitsarbeit geboten und die<br />

Geme<strong>in</strong>de macht ferner deutlich, dass sie den RD ernst n<strong>im</strong>mt und schätzt. 489<br />

487 Konkrete Vorschläge für e<strong>in</strong>en Lehrplanentwurf der RA-Ausbildung <strong>in</strong> den Teilbereichen Ethik und<br />

Patientenbetreuung f<strong>in</strong>den sich bei WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 148f.<br />

488 Zur Notwendigkeit e<strong>in</strong>es Sanitätsdienstes gibt es ke<strong>in</strong>e grundsätzlichen gesetzlichen Regelungen.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs kann die zuständige Behörde (meist die Kommunalverwaltungsbehörde) aus Sicherheitsgründen<br />

Veranstaltungen verbieten oder mit Auflagen versehen, zu denen unter Umständen e<strong>in</strong> Sanitätsdienst<br />

zählt. Die Stärke dieses Dienstes ist unter anderem abhängig vom Ort, der Teilnehmerzahl,<br />

den Gefahrenpotentialen und der Entfernung zur nächsten Rettungswache und wird nach best<strong>im</strong>mten<br />

Schlüsseln der Hilfsorganisationen errechnet. Vgl. MHD: Leitfaden – Planung und<br />

Durchführung von Sanitätse<strong>in</strong>sätzen, bes. 4f u. 9f.<br />

489 E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es, aber nicht zu unterschätzendes Zeichen der Anerkennung ist sicher auch, wenn bei Dankesworten<br />

nicht nur die zahlreichen Helfer der Geme<strong>in</strong>de lobend erwähnt werden, sondern auch das<br />

anwesende Sanitätspersonal, das oft ehrenamtlich arbeitet, dabei nicht vergessen wird.<br />

106


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Generell bietet es sich an, dass pastorale Mitarbeiter ihre Geme<strong>in</strong>de auf (öffentliche)<br />

Veranstaltungen oder Aktionen der Rettungswache vor Ort (beispielsweise e<strong>in</strong>en Tag<br />

der offenen Tür oder Blutspendeterm<strong>in</strong>) h<strong>in</strong>weisen und nach Möglichkeit diese auch<br />

selbst besuchen.<br />

Ferner sei empfohlen, dass sich Geme<strong>in</strong>deseelsorger auch auf der jeweiligen Wache<br />

vorstellen und ihre Bereitschaft für seelsorgliche Gespräche und generelle Zusammen-<br />

arbeit bekunden; e<strong>in</strong>e Absprache mit den Verantwortlichen ist dabei unumgänglich. 490<br />

Gegebenenfalls kann es angebracht se<strong>in</strong>, dem RD auch Geme<strong>in</strong>deräume für Übungen<br />

zur Verfügung zu stellen. Bei dieser Gelegenheit könnten auch Absprachen <strong>in</strong> Bezug<br />

auf eventuelle RD-E<strong>in</strong>sätze <strong>in</strong> diesen Räumen getroffen werden, um mögliche Missver-<br />

ständnisse von vornhere<strong>in</strong> zu vermeiden. Selbstverständlich sollten Kirchen und Ge-<br />

me<strong>in</strong>dehäuser auch sicherheitstechnisch vorbildhaft ausgestattet se<strong>in</strong>. 491<br />

Ohne Zweifel kommt es <strong>im</strong>mer auch auf die Personenkonstellationen vor Ort und deren<br />

E<strong>in</strong>stellungen und Interessen an. Nicht überall und zu jeder Zeit wird e<strong>in</strong>e solche Zu-<br />

sammenarbeit möglich und erwünscht se<strong>in</strong>. Die kirchlichen Mitarbeiter sollten aber den<br />

Schritt auf die Rettungswachen und Hilfsorganisationen zum<strong>in</strong>dest wagen und auch<br />

Geme<strong>in</strong>demitglieder, die sich dort engagieren, um ihre Mithilfe dabei bitten. Auf die-<br />

sem Gebiet wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Pfarrgeme<strong>in</strong>den viel erreicht und <strong>in</strong> anderen ist sicher noch<br />

Vieles möglich. 492<br />

2.5.2 <strong>Seelsorge</strong><br />

Für die E<strong>in</strong>zelseelsorge <strong>im</strong> Rahmen der Geme<strong>in</strong>depastoral sollen hier e<strong>in</strong>ige Impulse für<br />

die seelsorgliche Begleitung von Geme<strong>in</strong>demitgliedern gegeben werden, die als Haupt-<br />

amtliche, Ehrenamtliche oder Zivildienstleistende <strong>im</strong> RD tätig s<strong>in</strong>d.<br />

Generell sei hier die so genannte Mystagogische <strong>Seelsorge</strong> genannt, die den Menschen<br />

<strong>in</strong> das Gehe<strong>im</strong>nis se<strong>in</strong>er Lebensgeschichte heran- beziehungsweise e<strong>in</strong>führt, welche<br />

„stets Gottes reuelose Liebesgeschichte mit diesem Menschen ist.“ 493<br />

490<br />

Die Kirche muss <strong>im</strong>mer auch über den eigenen Kirchturm h<strong>in</strong>ausschauen. Die Geme<strong>in</strong>de und ihre<br />

<strong>Seelsorge</strong> sollten um der Menschen und der Frohen Botschaft willen nicht nur ihre Gottesdienstbesucher<br />

<strong>im</strong> Blick haben, sondern auch die zahlreichen Leute <strong>in</strong> den Firmen und E<strong>in</strong>richtungen, die es auf<br />

dem Geme<strong>in</strong>degebiet gibt.<br />

491<br />

Vor allem sollten ausreichend Verbandkästen, Feuerlöscher und eventuell e<strong>in</strong>e Krankentrage vorhanden<br />

se<strong>in</strong>.<br />

492<br />

Fragebogen NFS (15.1 u. 15.2) macht den <strong>Seelsorge</strong>rn Mut, Schritte auf die Rettungswachen zuzugehen:<br />

„Es ist sicher nicht schwerer als mit anderen <strong>in</strong> Kontakt zu kommen [....]. Aber auch hier gilt,<br />

dass das Interesse ehrlich se<strong>in</strong> sollte.“<br />

493<br />

ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 165.<br />

107


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Aufgabe des <strong>Seelsorge</strong>rs ist es, den Menschen dabei zu begleiten und zu unterstützen,<br />

Gottes Spuren <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben zu entdecken und das zu entziffern, was Gott ihm aus<br />

Liebe <strong>in</strong>s Herz geschrieben hat (ähnlich wie der Purpurhändler<strong>in</strong> Lydia <strong>in</strong> Apg 16,14). 494<br />

Wegweisend für alle <strong>Seelsorge</strong>r schreibt Karl Rahner <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rede des Ignatius von<br />

Loyola an e<strong>in</strong>en Jesuiten von heute: „Aber es bleibt: der Mensch kann Gott selbst erfah-<br />

ren. Und eure <strong>Seelsorge</strong> müßte <strong>im</strong>mer und bei jedem Schritt dieses Ziel unerbittlich vor<br />

Augen haben.“ 495<br />

Gerade der wertvolle Dienst am Nächsten und die damit verbundenen Gefahren und<br />

besonderen Belastungen s<strong>in</strong>d nicht unbedeutend, wenn <strong>im</strong> Rahmen der seelsorglichen<br />

Begleitung e<strong>in</strong>es RD-Mitarbeiters der persönlichen Botschaft Gottes an diesen Men-<br />

schen auf den Grund gegangen werden soll. Wunibald Müller schreibt dementspre-<br />

chend: „Menschen die Leben riskieren, dabei zu ihren <strong>in</strong>neren Tiefen vorstoßen und<br />

wieder zurückkommen, besitzen e<strong>in</strong>e besondere Lebensqualität, die für ihr eigenes Le-<br />

ben von Bedeutung ist, die sie aber auch <strong>in</strong> besonderer Weise für e<strong>in</strong>en helfenden Beruf<br />

befähigt. So steht das Bild vom verwundeten Heiler weiter für e<strong>in</strong> wesentliches Merk-<br />

mal des Helfers und der Helfer<strong>in</strong>.“ 496<br />

Selbstverständlich muss jeder <strong>Seelsorge</strong>r se<strong>in</strong>e eigenen Kompetenzen verantwortlich<br />

e<strong>in</strong>schätzen. Falls e<strong>in</strong> RD-Mitarbeiter, den er pastoral begleitet, unter Posttraumati-<br />

schen Belastungsreaktionen (PTB) oder sogar -störungen (PTBS) oder sonstigen psy-<br />

chischen E<strong>in</strong>schränkungen (z. B. ausgeprägtes Helfer- oder Burnout-Syndrom) leidet,<br />

sollte er diesen fürsorglich an entsprechend ausgebildetes Fachpersonal weiterleiten. 497<br />

494<br />

Die Mystagogie bildet bei Karl Rahner „die pr<strong>in</strong>zipielle Axiomatik, die se<strong>in</strong>er gesamten Theologie<br />

zugrunde liegt.“ (KNOBLOCH: Praktische Theologie, 189.) Er führt damit den Mystagogiebegriff, den<br />

Odo Casel und Romano Guard<strong>in</strong>i <strong>im</strong> Rahmen der Liturgischen Bewegung <strong>in</strong> Anlehnung an die<br />

urchristliche Tradition der Mystagogischen Katechesen verwendet haben, weiter, <strong>in</strong>dem er ihn<br />

„‚pr<strong>in</strong>zipieller’ und näher am Menschen ansetzt.“ (KNOBLOCH: Praktische Theologie, 188.) Auf die<br />

Mystagogische <strong>Seelsorge</strong> kann hier leider nicht ausführlicher e<strong>in</strong>gegangen werden. Verwiesen sei<br />

deshalb auf KNOBLOCH: Praktische Theologie, 188-202 und ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2,<br />

165f.<br />

495<br />

RAHNER: Rede des Ignatius von Loyola an e<strong>in</strong>en Jesuiten von heute, 377. An anderer Stelle schreibt<br />

Karl Rahner ermahnend an die <strong>Seelsorge</strong>r: „Stellt euch e<strong>in</strong>mal [...] vor, ihr wäret ke<strong>in</strong>e Kirchenbeamten,<br />

ihr würdet auf der Straße spazieren gehen mit e<strong>in</strong>em Brotverdienst wie e<strong>in</strong> Straßenkehrer oder<br />

wie (wenn das besser gefällt) e<strong>in</strong> Wissenschaftler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Labor für Plasmaphysik, wo den ganzen<br />

Tag lang nie e<strong>in</strong> Wort von Gott fällt und doch stolze Erfolge erzielt werden. Stellt euch vor, euer<br />

Kopf sei müde vom Straßenkehren oder von der Molekularphysik und ihrer Mathematik. Stellt euch<br />

vor, diese Situation dauere schon so ungefähr e<strong>in</strong> Leben lang und geschähe nicht aus euerer missionarischen<br />

Herablassung heraus. Und jetzt versucht, diesen Menschen dieser Umgebung die Botschaft<br />

des Christentums zu sagen, die Botschaft Jesu vom ewigen Leben zu predigen.“ (RAHNER: Strukturwandel<br />

der Kirche als Chance und Aufgabe, 101f.)<br />

496<br />

MÜLLER: Begegnung, die von Herzen kommt, 81. Zum Bild des verwundeten Arztes vgl. ferner<br />

ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 93.<br />

497<br />

Wunibald Müller bemerkt dazu: „Sobald der <strong>Seelsorge</strong>r klar festgestellt hat, daß die Hilfe, die er der<br />

ratsuchenden Person anbieten kann, nicht ausreicht, um ihr wirklich helfen zu können, sollten die<br />

108


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

2.5.3 Liturgie<br />

Auch <strong>im</strong> Gottesdienst mit se<strong>in</strong>en zahlreichen Formen liturgischen Feierns liegen Chan-<br />

cen, den RD nicht ganz zu vergessen.<br />

So ist es be<strong>im</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Gebet, den Fürbitten, durchaus angebracht, gelegentlich und<br />

vor allem nach (regionalen) Unglücksfällen und Katastrophen nicht nur für die Opfer,<br />

sondern auch für die zahlreichen Hilfskräfte zu beten. Ebenso ist es e<strong>in</strong> schönes Zeichen<br />

der Wertschätzung, wenn an Feiertagen (besonders am Heiligen Abend und an Silve-<br />

ster) auch für diejenigen gebetet wird, die <strong>in</strong> Krankhäusern, Polizei-, Feuer- und Ret-<br />

tungswachen ihren Dienst für andere Menschen – auch für die Gottesdienstgeme<strong>in</strong>de –<br />

verrichten und vielleicht deshalb die Liturgie nicht mitfeiern können. 498<br />

Nach Katastrophen und schweren Unfällen oder anlässlich des Jahrestages von solchen<br />

kann es durchaus s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> Absprache mit den Rettungsorganisationen e<strong>in</strong>en Ge-<br />

denkgottesdienst oder e<strong>in</strong>e Gedenkfeier für Angehörige und Helfer zu gestalten. Auch<br />

Jubiläumsgottesdienste und Segnungen von neuen E<strong>in</strong>satzfahrzeugen, um die e<strong>in</strong>e Ret-<br />

tungswache oder Hilfsorganisation gegebenenfalls bittet, s<strong>in</strong>d hier anzuführen. 499<br />

Gemäß der aktuellen liturgischen Leseordnung der katholischen Kirche wird am 15.<br />

Sonntag <strong>im</strong> Jahreskreis <strong>im</strong> Lesejahr C die Perikope vom barmherzigen Samariter (Lk<br />

10,25-37) als Evangelium verkündet. Hier bietet sich die Gelegenheit, <strong>in</strong> der Homilie<br />

oder Ansprache auch auf die modernen Berufsretter und ihren wichtigen Dienst am<br />

Nächsten e<strong>in</strong>zugehen und die Mitfeiernden dazu zu ermutigen, selbst zu helfen und <strong>in</strong><br />

Erste-Hilfe-Kursen das Know how des Helfens regelmäßig zu tra<strong>in</strong>ieren. Eventuell kann<br />

<strong>im</strong> Rahmen dieses Herrentages mit <strong>Rettungsdienst</strong>lern e<strong>in</strong>e Aktion organisiert werden.<br />

Schließlich sei auch an das generelle Gebet er<strong>in</strong>nert. Durch e<strong>in</strong> spontanes Stoßgebet<br />

be<strong>im</strong> Hören e<strong>in</strong>es Mart<strong>in</strong>shornes bleiben wir nicht tatenlos und unbeteiligt, wenn e<strong>in</strong><br />

betroffenen Personen von ihm erwarten können, daß er sie an geeignete Helfer weitervermittelt.“<br />

(MÜLLER: Erkennen – unterscheiden – begegnen, 51f.)<br />

498 Zu den Fürbitten bemerkt die Allgeme<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das Römische Meßbuch: „In den Fürbitten<br />

übt die Geme<strong>in</strong>de durch ihr Beten für alle Menschen ihr priesterliches Amt aus. Dieses Gebet gehört<br />

für gewöhnlich zu jeder mit e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de gefeierten Messe, damit Fürbitten gehalten werden für<br />

die heilige Kirche, die Regierenden, für jene, die von mancherlei Not bedrückt s<strong>in</strong>d, für alle Menschen<br />

und das Heil der ganzen Welt.“ (ALLGEMEINE EINFÜHRUNG IN DAS RÖMISCHE MEßBUCH, Nr.<br />

45; eigene Hervorhebungen.) Vgl. dazu auch ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Sacrosanctum Concilium,<br />

Nr. 53.<br />

499 Vgl. zu Gedenkgottesdiensten auch SARBACH: Beispiel Gondo. Ferner sei verwiesen auf<br />

www.notfallseelsorge.de/gde.htm (vom 22.08.2003); dort s<strong>in</strong>d zahlreiche Impulse und Vorschläge<br />

für verschiedene Gottesdienste und liturgische Feiern vorzuf<strong>in</strong>den.<br />

109


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Rettungsteam zu Menschen <strong>in</strong> Not unterwegs ist. In diesem guten S<strong>in</strong>n wird dieser Ab-<br />

schnitt auch betend beendet:<br />

Herr, „hilf denen, die Hilfe brauchen und denen, die Hilfe br<strong>in</strong>gen.“ 500<br />

500 KAMES: Erste Hilfe für die Seele, 21.<br />

110


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3 Abschließende Überlegungen und Ausblick<br />

In diesem letzten Abschnitt der vorliegenden Untersuchungen sollen nicht mehr allzu<br />

viele Worte gemacht werden. Natürlich bliebe noch Vieles zu sagen, alles kann aber<br />

ohneh<strong>in</strong> nicht gesagt werden. Deshalb bleibt mir nur noch, den Leser mit Worten von<br />

Karl Rahner darum zu bitten, dieser pastoraltheologischen Arbeit „mit gnädigem<br />

Wohlwollen zu begegnen, Ansätze, Grundtendenzen, Fragestellungen wichtiger zu<br />

nehmen als die ‚Ergebnisse’, die ja schließlich nie endgültig se<strong>in</strong> können.“ 501<br />

E<strong>in</strong>e KID-Mitarbeiter<strong>in</strong> berichtete mir dieser Tage von e<strong>in</strong>em Treffen, bei dem Notfall-<br />

seelsorger und Mitglieder des KID zahlreiche Klischees, Vorurteile und negative Erfah-<br />

rungen mite<strong>in</strong>ander betrachtet haben, um strukturiert darüber zu reden und so e<strong>in</strong>e Basis<br />

für e<strong>in</strong>e bessere Kooperation zu schaffen. Diese Nachricht hat mir gezeigt, dass das<br />

Thema der vorliegenden Arbeit tatsächlich Bezug zur Praxis hat. Noch viel mehr hat sie<br />

mich erfreut, weil dies e<strong>in</strong> Beispiel dafür ist, dass <strong>im</strong>mer wieder Menschen von beiden<br />

Seiten, RD und Kirche, Schritte aufe<strong>in</strong>ander zu gehen und e<strong>in</strong>e gute Begegnung wagen.<br />

Die Karikatur über die erste Begegnung (vgl. Abb. 1) kann daher zum Abschluss dieser<br />

Untersuchungen durch e<strong>in</strong>e zweite ergänzt werden, die teilweise e<strong>in</strong> Stück Realität zeigt<br />

und zum Teil auch visionäres Potential be<strong>in</strong>haltet.<br />

So möchte ich bewusst das (vor-) letzte Wort (<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Zeichnung) me<strong>in</strong>er Diplo-<br />

marbeit e<strong>in</strong>em <strong>Rettungsdienst</strong>ler überlassen. Der Rettungssanitäter Daniel Lüdel<strong>in</strong>g<br />

führt uns hier e<strong>in</strong> Bild vor Augen, <strong>in</strong> dem der kirchliche <strong>Seelsorge</strong>r neben Rettungs-<br />

dienstlern, Notärzt<strong>in</strong>, Feuerwehrmann, RTH-Pilot,<br />

Leitstellendisponent und anderen e<strong>in</strong>en selbstver-<br />

ständlichen Platz <strong>im</strong> kollegialen Rettungsteam<br />

hat. 502 Der <strong>Seelsorge</strong>r n<strong>im</strong>mt dar<strong>in</strong> gewiss e<strong>in</strong>e<br />

etwas außergewöhnliche Position e<strong>in</strong> (dargestellt<br />

durch Brustkreuz, Talar, gefaltete Hände und<br />

Heiligensche<strong>in</strong>), da er für e<strong>in</strong>e D<strong>im</strong>ension steht<br />

und arbeitet, die über diese Welt, ihre Grenzen<br />

und ihr Leid h<strong>in</strong>ausreicht: Gottes Frohe Botschaft<br />

von Liebe und Leben. Aber der <strong>Seelsorge</strong>r gehört<br />

auf jeden Fall zum Team dazu – zum Wohl der Menschen. Abb. 4<br />

501 RAHNER: Erfahrungen e<strong>in</strong>es katholischen Theologen, 115.<br />

502 Vgl. Abbildung 4.<br />

111


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

EIN LETZTES WORT: DANKE<br />

An dieser Stelle möchte ich es nicht versäumen, allen „Danke“ zu sagen, die mich bei der Er-<br />

stellung dieser Diplomarbeit auf je ihre Art unterstützt haben. Namen von E<strong>in</strong>zelpersonen<br />

möchte ich <strong>in</strong> dieser, unter anderem über Internet zugänglichen Ausgabe nicht nennen.<br />

Ich danke me<strong>in</strong>en Eltern, me<strong>in</strong>er Familie und me<strong>in</strong>em gesamten Freundeskreis, den Lehrenden<br />

und Mitstudierenden <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z (und 2001/2002 <strong>in</strong> Wien) und der Hausgeme<strong>in</strong>schaft mit den<br />

Angestellten <strong>im</strong> Ma<strong>in</strong>zer Priestersem<strong>in</strong>ar für die Weggeme<strong>in</strong>schaft und manches ermutigende<br />

Wort oder den e<strong>in</strong> oder anderen guten Ratschlag.<br />

Besonders bedanke ich mich be<strong>im</strong> Erstgutachter, der diese Arbeit von ihren Anfängen an be-<br />

gleitet und mit se<strong>in</strong>em Wissen und Rat wohlwollend unterstützt hat. Beiden Gutachtern danke<br />

ich für ihre sehr differenzierte Bewertung.<br />

Bedanken möchte ich mich natürlich auch bei allen, die mir durch Ihre Auskünfte bei den Un-<br />

tersuchungen sehr weitergeholfen haben: bei den entsprechenden Personen bei den Hilfsorgani-<br />

sationen (ASB, DRK und MHD), bei e<strong>in</strong>er ganzen Reihe von <strong>Rettungsdienst</strong>lern und Notfall-<br />

seelsorgern, be<strong>im</strong> Arbeitskreis „Krisen<strong>in</strong>tervention-<strong>Notfallseelsorge</strong>-Stressbewältigung“ des<br />

Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-Kreises, bei den Zuständigen für <strong>Notfallseelsorge</strong> <strong>im</strong> Bischöflichen Ord<strong>in</strong>ariat<br />

Ma<strong>in</strong>z und bei der Deutschen Bischofskonferenz. Besonders erwähnt werden sollen hier dieje-<br />

nigen, die viel Zeit und Engagement <strong>in</strong> die Beantwortung der Fragebögen und <strong>in</strong> die Korrek-<br />

turarbeiten <strong>in</strong>vestiert haben. Dem Zeichner der beiden verwendeten Karikaturen danke ich für<br />

die Abdruckerlaubnis. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen<br />

auf der Rettungswache <strong>in</strong> Großkrotzenburg, denen ich für Ihre Kameradschaft und zahlreiche<br />

wertvolle Begegnungen und Gespräche sehr dankbar b<strong>in</strong>.<br />

Allen – <strong>in</strong> welcher Weise auch <strong>im</strong>mer – an dieser Arbeit Beteiligten sage ich e<strong>in</strong> ganz herzliches<br />

„Danke“. Vor allem und zu guter Letzt: „Deo gratias. Halleluja.“<br />

ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />

� Abb. auf Seite 2: Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Ausschnitt e<strong>in</strong>er byzant<strong>in</strong> ischen<br />

Buchmalerei <strong>im</strong> Codex Rossanensis (Museo Civico Rossano,<br />

Kalabrien). In: ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, Umschlag.<br />

� Abb. 1 (Seite 8): „Erste Begegnung von Sanitäter und Priester“ (Daniel Lüdel<strong>in</strong>g).<br />

Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Daniel Lüdel<strong>in</strong>g<br />

(www.rippenspreizer.de).<br />

� Abb. 2 (Seite 31): „Gesetzlich geschütztes Logo der kirchlichen <strong>Notfallseelsorge</strong>“. In:<br />

www.notfallseelsorge.de/logob.htm (vom 03.09.2003).<br />

� Abb. 3 (Seite 43): „<strong>Notfallseelsorge</strong> <strong>im</strong> Bistum Ma<strong>in</strong>z“ (Stand: März/2003). Abdruck mit<br />

freundlicher Genehmigung des Bischöflichen Ord<strong>in</strong>ariates Ma<strong>in</strong>z, Dezernat<br />

<strong>Seelsorge</strong>.<br />

� Abb. 4 (Seite 109): „Das Team“ (Daniel Lüdel<strong>in</strong>g). Abdruck mit freundlicher Genehmigung<br />

von Daniel Lüdel<strong>in</strong>g (www.rippenspreizer.de).<br />

112


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS<br />

H<strong>in</strong>weis: Bei den Literaturangaben <strong>in</strong> den Fußnoten der Arbeit wurden nur die <strong>in</strong> diesem Ver-<br />

zeichnis kursiv gedruckten Kurztitel und die <strong>in</strong> Kapitälchen geschriebenen Namen (der Autoren<br />

beziehungsweise Herausgeber o. ä.) verwendet.<br />

A <strong>Kirchliche</strong> Quellen und Dokumente<br />

ALLGEMEINE EINFÜHRUNG IN DAS RÖMISCHE MEßBUCH. In: Messbuch. Die Feier der heiligen<br />

Messe. Hg. <strong>im</strong> Auftrag der deutschsprachigen Bischofskonferenzen. E<strong>in</strong>siedeln u. a.<br />

1978, 23*-86*.<br />

BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ (Hg.): Rahmenordnung für die <strong>Notfallseelsorge</strong>.<br />

In: <strong>Kirchliche</strong>s Amtsblatt für die Diözese Ma<strong>in</strong>z 142 (2000) 24f.<br />

EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT für Verkehrssicherheit / Bruderhilfe<br />

Akademie für Verkehrssicherheit (Hgg.): „<strong>Notfallseelsorge</strong>“ – E<strong>in</strong>e Handreichung:<br />

Grundlegendes – Modelle – Fortbildung. Kassel 1997 (Sonderheft).<br />

Das Neue Testament. Griechisch und Deutsch. Hg. von Barbara Aland und Kurt Aland (<strong>in</strong> der<br />

Nachfolge von E. Nestle und E. Nestle), Stuttgart 2 1995.<br />

Die Bibel. E<strong>in</strong>heitsübersetzung der Heiligen Schrift. Stuttgart 1981.<br />

JOHANNES PAUL II.: Enzyklika Evangelium vitae (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls<br />

120). Bonn 1995, 5 2001.<br />

– Enzyklika Redemptoris hom<strong>in</strong>is (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 6). Bonn 1979.<br />

KIRCHENKANZLEI DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND (Hg.): <strong>Kirchliche</strong>s Handeln<br />

bei Unglücksfällen und Katastrophen. E<strong>in</strong>e Handreichung für kirchliche Mitarbeiter.<br />

Hannover 3 1978.<br />

Kle<strong>in</strong>es Konzilskompendium. Hg. von Karl Rahner und Herbert Vorgr<strong>im</strong>ler. Freiburg <strong>im</strong><br />

Breisgau 1966.<br />

TESTAMENTUM DOMINI (5. Jh.; Ausschnitte mit den Aussagen über den Diakon <strong>in</strong> der deutschen<br />

Übersetzung von B. Fischer). In: Fischer, Balthasar: Dienst und Spiritualität des<br />

Diakons. Das Zeugnis e<strong>in</strong>er syrischen Kirchenordnung des 5. Jahrhunderts. In: Plöger, Josef<br />

G. / Weber, Hermann Joh. (Hgg.): Der Diakon. Wiederentdeckung und Erneuerung<br />

se<strong>in</strong>es Dienstes. Freiburg <strong>im</strong> Breisgau 1980, 263-273 (bes. 264-269).<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem (Dekret über das Laienapostolat;<br />

1965). In: Kle<strong>in</strong>es Konzilskompendium, 389-421.<br />

– Gaudium et spes (Pastorale Konstitution über die Kirche <strong>in</strong> der Welt von heute; 1965). In:<br />

Kle<strong>in</strong>es Konzilskompendium, 449-552.<br />

– Lumen gentium (Dogmatische Konstitution über die Kirche; 1964). In: Kle<strong>in</strong>es Konzilskompendium,<br />

123-197.<br />

– Sacrosanctum Concilium (Konstitution über die heilige Liturgie; 1963). In: Kle<strong>in</strong>es Konzilskompendium,<br />

51-90.<br />

– Unitatis red<strong>in</strong>tegratio (Dekret über den Ökumenismus; 1964). In: Kle<strong>in</strong>es Konzilskompendium,<br />

229-250.<br />

113


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

B Dokumente der Hilfsorganisationen <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Diese Dokumente wurden auf Anfrage von der jeweiligen Organisation zugesandt be-<br />

ziehungsweise den angegebenen Internetseiten entnommen.<br />

Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V. (ASB)<br />

ASB Deutschland e. V. Bundesverband (Hg.): Bundesrichtl<strong>in</strong>ien / Bundessatzung. Köln 2002.<br />

ASB Deutschland e. V. (Hg.): Erste Hilfe. Verfasst von Peter Goldschmidt unter der Mitarbeit<br />

von Angelika König. Köln 3 1996.<br />

– Leitbild des Arbeiter-Samariter-Bundes. In: www.asb-bv.asb-onl<strong>in</strong>e.de/0/Vere<strong>in</strong>/leitbild.<br />

htm (vom 23.09.2003).<br />

Deutsches Rotes Kreuz e. V. (DRK)<br />

DRK (Hg.): DRK-Position zum Thema „Erste Hilfe und psychologische Unterstützung“<br />

(2002).<br />

– Satzung des Deutschen Roten Kreuzes. In: www.drk.de (vom 08.09.2003)<br />

DRK-GENERALSEKRETARIAT (Hg.): Leitsatz und Leitbild des Deutschen Roten Kreuzes<br />

(1995). In: www.drk.de (vom 08.09.2003)<br />

INSTITUT FÜR RETTUNGSWESEN DES DRK (Hg.): 3. Entwurf der Rahmenkonzeption zur psychosozialen<br />

Unterstützung von E<strong>in</strong>satzkräften (Qualifizierung, Begleitung und Betreuung).<br />

Bonn 2001.<br />

– Notfallnachsorge für Angehörige und Augenzeugen. Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Strukturen“.<br />

Bonn 2000.<br />

Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. (JUH)<br />

JUH (Hg.): Leitbildfaden. In: www.juh.de/wir-ueber-uns/<strong>in</strong>dex-wir-ueber-uns.htm (vom<br />

08.09.2003)<br />

– Satzung der JUH (2001). In: www.juh.de/wir-ueber-uns/satzung.pdf (vom 08.09.2003)<br />

Malteser-Hilfsdienst e. V. (MHD)<br />

MHD (Hg.): Leitfaden (2001). In: www.malteser.de (vom 25.08.2003)<br />

– Hilfe für Helfer. Psychologische Betreuung und <strong>Seelsorge</strong> für E<strong>in</strong>satzkräfte. Faltblatt ohne<br />

Angabe von Ort und Jahr.<br />

– Leitfaden – Planung und Durchführung von Sanitätse<strong>in</strong>sätzen (2000). Internes Dokument<br />

des MHD.<br />

– Positionspapier zur <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention be<strong>im</strong> Malteser-Hilfsdienst.<br />

Ohne Angabe von Ort und Jahr.<br />

– Psychosoziale Betreuung – Mensch <strong>im</strong> Mittelpunkt. Bildungsprogramm 2003. Köln 2003.<br />

– Q-Tipp 3 (2002). Sonderausgabe I/2002. Internes Dokument des MHD.<br />

114


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

C Weitere Literatur<br />

ADAMS, Ursula: Die Kunst des Helfens. Vom Selbstverständnis des Helfenden. Freiburg <strong>im</strong><br />

Breisgau 2 1970.<br />

ALBRECHT, Dirk u. a.: Die Posttraumatische Belastungsreaktion (PTB) – e<strong>in</strong> (häufig) unterschätztes<br />

Krankheitsbild. In: <strong>Rettungsdienst</strong> 22 (1999) 607-612.<br />

APPEL-SCHUMACHER, Thomas: Streßmanagement nach traumatischen Ereignissen. In:<br />

BENGEL, Jürgen (Hg.): Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong>, 255-267.<br />

BACHSTEIN, Stefanie: Du hättest leben können. Bergisch Gladbach 2002.<br />

BASSY, Karl He<strong>in</strong>z / MÜLLER, Ralf: Manchmal musst du stark se<strong>in</strong>. In: Rettungs-Magaz<strong>in</strong> 6<br />

(2001; Nr. 4, Juli/August 2001) 36-39.<br />

BEAUFTRAGTER FÜR DIE NOTFALLSEELSORGE <strong>im</strong> Landesfeuerwehrverband Niedersachsen e.<br />

V.: <strong>Notfallseelsorge</strong>. In: HÜLS / OESTERN: Die ICE-Katastrophe von Eschede, 199-204.<br />

BENGEL, Jürgen (Hg.): Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong>. Berl<strong>in</strong> u. a. 1997.<br />

– u. a: Posttraumatische Belastungsstörung. In: BENGEL: Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>, 57-64.<br />

– u. a: Psychische Belastungen des Rettungspersonals. In: BENGEL: Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong><br />

und <strong>Rettungsdienst</strong>, 39-56.<br />

BIEGE, Bernd: Nachsorge: Wann soll sie beg<strong>in</strong>nen? – Counsell<strong>in</strong>g <strong>im</strong> schottischen <strong>Rettungsdienst</strong>.<br />

In: <strong>Rettungsdienst</strong> 22 (1999) 164f.<br />

BITTGER, Jürgen: Großunfälle und Katastrophen. E<strong>in</strong>satztaktik und -organisation. Stuttgart<br />

1996.<br />

– u. a.: Massenanfall von Verletzten. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 735-760.<br />

BÖHMER, Roman (Hg.): Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden für Feuerwehr, Polizei und<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>. Ma<strong>in</strong>z 1997.<br />

BOVON, François: Das Evangelium nach Lukas. Lk 9,51-14,35 (Evangelisch-Katholischer<br />

Kommentar III/2). Zürich u. a. 1996.<br />

BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT (Hg.): Informationsmappe 130 (Rettungsassistent). E<strong>in</strong>gesehen<br />

<strong>im</strong> Berufs<strong>in</strong>formationszentrum Hanau (am 12.08.2003).<br />

COELLEN, Beate: <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> Land Brandenburg. In: PETER:<br />

Der Betreuungse<strong>in</strong>satz, 64-68.<br />

DASCHNER, Carl-He<strong>in</strong>z: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>. Edewecht 2001.<br />

DIRNBERGER, Engelbert / MÜLLER-CYRAN, Andreas: „Komm zu uns, zögere nicht“ – <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

als Bestandteil geme<strong>in</strong>dlicher Pastoral. In: www.notfallseelsorge.de/zeitung25.<br />

htm (vom 22.08.2003).<br />

DRK KREISVERBAND CELLE und Johanniter-Unfall-Hilfe RV Niedersachsen-Mitte: Sanitätsorganisationen.<br />

In: HÜLS / OESTERN: Die ICE-Katastrophe von Eschede, 195-198.<br />

ENGELHARDT, Gustav H.: Zwischen Hilfsbereitschaft und Ohnmacht. In: <strong>Rettungsdienst</strong> 22<br />

(1999) 162f.<br />

EVERLY, Georg / MITCHELL, Jeffrey T.: CISM – Stressmanagement nach kritischen Ereignissen.<br />

Wien 2002.<br />

FALK, Bernd u. a.: Ethische, psychologische und theologische Aspekte aus Sicht der Hilfsorganisationen.<br />

In: BENGEL: Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong>, 357-373.<br />

FERTIG, Bernd: „Lasse De<strong>in</strong>er Seele Flügel wachsen...“ Streß und Streßbewältigung <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>.<br />

In: FERTIG / WIETERSHEIM: Menschliche Begleitung, 375-393.<br />

– / WIETERSHEIM , Hanjo v. (Hgg.): Menschliche Begleitung und Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>.<br />

Edewecht 1994.<br />

115


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

FEUERWEHR- UND KATASTROPHENSCHUTZSCHULE RHEINLAND-PFALZ (Hg.): “Wenn es auf<br />

der Seele brennt......“ Referateband zur Fachtagung E<strong>in</strong>satzbelastung und E<strong>in</strong>satznachbereitung<br />

<strong>in</strong> Feuerwehr, <strong>Rettungsdienst</strong> und Katastrophenschutz. Koblenz 2000.<br />

FLAKE, Frank u. a.: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es. In: LUTOMSKY / FLAKE: Leitfaden<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>, 29-42.<br />

– / LUTOMSKY, Boris: Kardiopulmonale Rean<strong>im</strong>ation. In: LUTOMSKY / FLAKE: Leitfaden<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>, 191-208.<br />

FLATTEN, Guido u. a.: “Der hilflose Helfer“ – Zum Umgang mit traumatischen Belastungen<br />

<strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>. In: Notfall & Rettungsmediz<strong>in</strong> 6 (2003) 265-270.<br />

GERDTS, Klaus G. u. a.: Pädiatrische Notfälle. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 473-492.<br />

– Rean<strong>im</strong>ation. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 307-333.<br />

GIERING, He<strong>in</strong>z: Lücke <strong>im</strong> Gefüge der <strong>Rettungsdienst</strong>e. In: Deutsches Ärzteblatt 95 (1998) A-<br />

874-876.<br />

GIESEN, Hans U.: E<strong>in</strong>satznachbereitung durch Critical Incident Stress Debrief<strong>in</strong>g (CISD). In:<br />

FEUERWEHR- UND KATASTROPHENSCHUTZSCHULE RHEINLAND-PFALZ (Hg.): “Wenn es<br />

auf der Seele brennt......“, 4-II.<br />

– E<strong>in</strong>satznachbereitung nach dem ICE-Unfall <strong>in</strong> Eschede. In: FEUERWEHR- UND KATA-<br />

STROPHENSCHUTZSCHULE RHEINLAND-PFALZ (Hg.): “Wenn es auf der Seele brennt......“,<br />

2-V.<br />

GRAF-BAUMANN, Toni / GORGAß, Bodo: Werte und Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

und <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>. In: BENGEL: Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong>,<br />

345-355.<br />

HEINECKE, Jochen M.: Erfahrungen als <strong>Seelsorge</strong>r <strong>in</strong> der Notfallsituation. In: EVANGELISCH-<br />

KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT: E<strong>in</strong>e Handreichung, 7-9.<br />

HEINRICHS, Markus: E<strong>in</strong>satzbelastungen <strong>in</strong> Feuerwehr, <strong>Rettungsdienst</strong> und Katastrophenschutz<br />

– Forschungsergebnisse aus Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz. In: FEUERWEHR- UND KATA-<br />

STROPHENSCHUTZSCHULE RHEINLAND-PFALZ (Hg.): “Wenn es auf der Seele brennt......“,<br />

2-III.<br />

HEINZ, Wolfgang: Das K<strong>in</strong>d als Notfallpatient. In: STEPAN: Zwischen Blaulicht, Leib und<br />

Seele, 273-281.<br />

HELLWIG, He<strong>in</strong>rich H. / BAUER, Martha: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>,<br />

601-606.<br />

HELMERICHS, Jutta: E<strong>in</strong>satznachsorge. In: HÜLS / OESTERN: Die ICE-Katastrophe von<br />

Eschede, 119-124.<br />

– Erfahrungen des <strong>Rettungsdienst</strong>-Personals mit dem Notfalle<strong>in</strong>satz „Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod“.<br />

In: <strong>Rettungsdienst</strong> 20 (1997) 112-114.<br />

– u. a.: Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod: Empfehlungen zum Umgang mit betroffenen Eltern und Geschwistern<br />

<strong>in</strong> der Akutsituation. In: MÜLLER-LANGE (Hg.): Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>,<br />

104-116.<br />

HERMANUTZ, Max / FIEDLER, Harald: Nachbereitung von E<strong>in</strong>sätzen bei Großschadensereignissen.<br />

In: BENGEL: Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong>, 269-284.<br />

HÖLTERHOFF, Dirk: Katastrophenseelsorge – Chronologie und kritische Würdigung. In:<br />

HÜLS / OESTERN: Die ICE-Katastrophe von Eschede, 125-130.<br />

HÜLS, Ewald / OESTERN, Hans-Jörg (Hgg.): Die ICE-Katastrophe von Eschede: Erfahrungen<br />

und Lehren. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Analyse. Berl<strong>in</strong> und Heidelberg 1999.<br />

JATZKO, Hartmut u. a.: Katastrophen-Nachsorge am Beispiel der Aufarbeitung der Flugtagkatastrophe<br />

von Ramste<strong>in</strong> 1988. Edewecht und Wien 2 1995.<br />

KAMES, Günther: Erste Hilfe für die Seele. In: Der We<strong>in</strong>berg 102 (März 2001) 20f.<br />

116


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

KARUTZ, Harald: Mit dem Notfallpatienten e<strong>in</strong>en „PAKT“ schließen. In: <strong>Rettungsdienst</strong> 22<br />

(1999) 212f.<br />

KEHL, Medard: Ecclesia ... (Art.). In: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 3. Freiburg <strong>im</strong><br />

Breisgau 3 1995, 437f.<br />

KELLER, Holger: Alptraum „Retten“: E<strong>in</strong>e Chance für die Kirche. In: Glaube und Leben (Nr.<br />

43, 22.10.2000) 17.<br />

KELLER, Holger: Mit frommen Sprüchen ist ke<strong>in</strong>em geholfen. In: Glauben und Leben (Nr. 43,<br />

22.10.2000) 16.<br />

KLOSTERMANN, Ferd<strong>in</strong>and: Pr<strong>in</strong>zip Geme<strong>in</strong>de. Geme<strong>in</strong>de als Pr<strong>in</strong>zip kirchlichen Lebens und<br />

der Pastoraltheologie als der Theologie dieses Lebens (Wiener Beiträge zur Theologie<br />

XI). Wien 1965.<br />

KNOBLOCH, Stefan: Praktische Theologie. E<strong>in</strong> Lehrbuch für Studium und Pastoral. Freiburg<br />

<strong>im</strong> Breisgau u. a. 1996.<br />

KONFERENZ der Diözesanbeauftragten für <strong>Notfallseelsorge</strong> <strong>in</strong> Bayern: Tabellarische Begriffsklärung:<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>, Krisen<strong>in</strong>tervention, <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>,<br />

Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen. In: www.notfallseelsorge.de/def<strong>in</strong>itionen.pdf<br />

(vom 22.08.2003).<br />

KRAUSE, Bernd: Qualitätssicherung. In: MÜLLER-LANGE: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, 303-<br />

314.<br />

KREISFEUERWEHR DES LANDKREISES CELLE: Feuerwehr Celle . In: HÜLS / OESTERN: Die<br />

ICE-Katastrophe von Eschede, 205-210.<br />

KÜHN, Dietmar u. a. (Hgg.): <strong>Rettungsdienst</strong>. München und Jena 2 2001.<br />

LANDEN, Beate: Möglichkeiten der Stressbewältigung. In: STEPAN: Zwischen Blaulicht, Leib<br />

und Seele, 384f.<br />

LOVENFOSSE, Roman / FALK, Bernd: Mediatorenmodell <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>. In: BENGEL: Psychologie<br />

<strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong>, 375-385.<br />

LUTOMSKY, Boris / FLAKE, Frank (Hgg.): Leitfaden <strong>Rettungsdienst</strong>. Notfallmanagement, Organisation,<br />

Arbeitstechniken, Algorithmen. Lübeck u. a. 1997.<br />

LUZ, Ulrich: Das Evangelium nach Matthäus. Mt 1-17 (Evangelisch-Katholischer Kommentar<br />

I/2). Zürich u. a. 1990.<br />

MEIER, Walter / CIMASCHI-OBERTI, Claudio: <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> Katastrophenfall. Erfahrungen aus<br />

der Flughafenseelsorge. In: Diakonia 30 (1999) 346-350.<br />

METZSCH, Friedrich-August von: Menschen helfen Menschen. Der Barmherzige Samariter als<br />

Leitbild und <strong>in</strong> der Kunst. Neuhausen-Stuttgart 1998.<br />

MOHR, Michael / KETTLER, Dietrich: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>. Darstellung von Grenzen<br />

am Beispiel der Rean<strong>im</strong>ation. In: Ethik <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong> 5 (1993) 117-126.<br />

MÜLLER, Wunibald: Begegnung, die von Herzen kommt. Die vergessene Barmherzigkeit <strong>in</strong><br />

<strong>Seelsorge</strong> und Therapie. Ma<strong>in</strong>z 1993.<br />

– Erkennen – Unterscheiden – Begegnen. Das seelsorgliche Gespräch. Ma<strong>in</strong>z 1990.<br />

MÜLLER-CYRAN, Andreas: Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>. In: BENGEL: Psychologie<br />

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– / SCHMID, Thomas: <strong>Notfallseelsorge</strong> (Art.). In: Lexikon der Pastoral, Bd. 2. Freiburg 2002,<br />

1200.<br />

MÜLLER-LANGE, Joach<strong>im</strong>: Die Bundesvere<strong>in</strong>igung SBE. In: EVANGELISCH-KATHOLISCHE<br />

AKTIONSGEMEINSCHAFT: E<strong>in</strong>e Handreichung, 26.<br />

– E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>. In: DERS.: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, 15-23.<br />

– E<strong>in</strong>satznachsorge. In: DERS.: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, 264-284.<br />

117


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

– Erwartungen an den Amts<strong>in</strong>haber. In: DERS.: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, 317.<br />

– Erwartungen an Träger von Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>. In: DERS.: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>,<br />

317.<br />

– Facetten des Krisen- und Katastrophenmanagements. In: <strong>Rettungsdienst</strong> 22 (1999) 644-<br />

647.<br />

– (Hg.): Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>. Grundlagen und Praxis. Edewecht und Wien 2001.<br />

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2002. In: www.notfallseelsorge-wetterau.de (vom 27.06.2003).<br />

NOUWEN, Henri J. M.: Schöpferische <strong>Seelsorge</strong>. Freiburg <strong>im</strong> Breisgau 1989.<br />

- <strong>Seelsorge</strong>, die aus dem Herzen kommt. Christliche Menschenführung <strong>in</strong> der Zukunft. Freiburg<br />

<strong>im</strong> Breisgau 1989.<br />

PESCH, Rudolf: Das Markusevangelium. Erster Teil: Mk 1,1-8,26 (Herders Theologischer<br />

Kommentar zum Neuen Testament II/1). Zürich u. a. 1986.<br />

- Die Apostelgeschichte. Apg 1-12 (Evangelisch-Katholischer Kommentar V/1). Freiburg <strong>im</strong><br />

Breisgau 1976.<br />

PETER, Hanno (Hg.): Der Betreuungse<strong>in</strong>satz. Grundlagen und Praxis. Edewecht und Wien<br />

2 2001.<br />

Pschyrembel Kl<strong>in</strong>isches Wörterbuch. Bearbeitet unter der Leitung von Helmut Hildebrandt.<br />

Berl<strong>in</strong> 258 1998.<br />

PÜSCHEL, Klaus / SCHNEIDER, Mart<strong>in</strong>: Sterben und Tod. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 374-379.<br />

RAHNER, Karl: Erfahrungen e<strong>in</strong>es katholischen Theologen. In: Lehmann, Karl (Hg.): Vor<br />

dem Gehe<strong>im</strong>nis Gottes den Menschen verstehen. Karl Rahner zum 80. Geburtstag. Freiburg<br />

<strong>im</strong> Breisgau 1984, 105-119.<br />

– Rede des Ignatius von Loyola an e<strong>in</strong>en Jesuiten von heute . In: DERS.: Schriften zur Theologie,<br />

Bd. 15. Zürich u. a. 1983, 373-408.<br />

– Strukturwandel der Kirche als Chance und Aufgabe. Neuausgabe mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>führung von<br />

J. B. Metz. Freiburg <strong>im</strong> Breisgau 1989.<br />

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– Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>,<br />

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– u. a.: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 793-825.<br />

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118


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

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– Gedenktag als Lebenshilfe. In: Gottesdienst 37 (2003) 90.<br />

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SCHMIDBAUER, Wolfgang: Helfersyndrom und Burnout-Gefahr. München und Jena 2002.<br />

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– Eschede – und ke<strong>in</strong> Ende oder: Wenn sich Bilder <strong>in</strong> die Seele brennen. In: <strong>Rettungsdienst</strong><br />

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– Reality-TV und <strong>Rettungsdienst</strong>. In: DERS.: Zwischen Blaulicht, Leib und Seele , 369-377.<br />

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- Feuerwehrseelsorge bei E<strong>in</strong>sätzen: Stressbewältigung <strong>in</strong> der Praxis. In: Das große Feuerwehrhandbuch.<br />

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119


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

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WIETERSHEIM: Menschliche Begleitung, 13-15.<br />

– Psychische Aspekte be<strong>im</strong> Betreuungse<strong>in</strong>satz. In: PETER: Der Betreuungse<strong>in</strong>satz, 127-154.<br />

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EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT: E<strong>in</strong>e Handreichung, 13-16.<br />

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ZULEHNER, Paul M.: Dienende Männer – Anstifter zur Solidarität. Diakone <strong>in</strong> Westeuropa.<br />

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– Für Kirchenliebhaber<strong>in</strong>nen. Und solche, die es werden wollen. Ostfildern 3 2000.<br />

– Pastoraltheologie, Bd. 1., Fundamentalpastoral: Kirche zwischen Auftrag und Erwartung.<br />

Düsseldorf 3 1995.<br />

– Pastoraltheologie, Bd. 2., Geme<strong>in</strong>depastoral: Orte christlicher Praxis. Düsseldorf 2 1991.<br />

– / BRANDNER, Josef: „Me<strong>in</strong>e Seele dürstet nach dir“ (Ps 63,2). GottesPastoral. Ostfildern<br />

2002.<br />

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� www.asb-onl<strong>in</strong>e.de (vom 08.09.2003): Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V.<br />

� www.destatis.de (vom 07.08.2003): Statistisches Bundesamt<br />

� www.drk.de (vom 08.09.2003): Deutsches Rotes Kreuz e. V.<br />

� www.juh.de (vom 08.09.2003): Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.<br />

� www.malteser.de (vom 25.08.2003): Malteser-Hilfsdienst e. V.<br />

� www.notfallseelsorge.de (vom 22.08.2003): <strong>Notfallseelsorge</strong> Deutschland<br />

� www.notfallseelsorge-wetterau.de (vom 27.06.2003) : <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau<br />

E Empirische Daten<br />

� Gespräche und schriftlicher Austausch (e-Mail) mit <strong>Notfallseelsorge</strong>rn und Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter <strong>im</strong> Rettungs- und Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst.<br />

120


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

� Eigene Fragebögen (Anhang 1) und <strong>Rettungsdienst</strong>praktikum <strong>im</strong> Sommer/2003 (Anhang 2).<br />

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

ACLS: Advanced Cardiac Life Support (erweiterte Rean<strong>im</strong>ationsmaßnahmen)<br />

ASB: Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V.<br />

BAT: Bundesangestelltentarif<br />

BCLS: Basic Cardiac Life Support (Basismaßnahmen der Rean<strong>im</strong>ation)<br />

BOS: Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />

BZ: Blutzucker<br />

CISD: Critical Incident Stress Debrief<strong>in</strong>g<br />

CISM: Critical Incident Stress Management<br />

CPR: Kardiopulmonale Rean<strong>im</strong>ation<br />

DRK: Deutsches Rotes Kreuz e. V.<br />

EKG: Elektrokardiogramm<br />

FME: Funkmeldeempfänger<br />

HF: Herzfrequenz<br />

HIV: Human Immunodeficiency Virus<br />

HLW: Herz-Lungen-Wiederbelebung<br />

JUH: Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.<br />

KID: Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst (des <strong>Rettungsdienst</strong>es)<br />

KIT: Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> RD (auch Krisen<strong>in</strong>terventionsteam)<br />

KTW: Krankentransportwagen<br />

LRA: Lehrrettungsassistent<br />

MANV: Massenanfall von Verletzten<br />

mg/dl: Milligramm pro Deziliter (E<strong>in</strong>heit für den Blutzucker)<br />

MHD: Malteser-Hilfsdienst e. V.<br />

mmHg: Mill<strong>im</strong>eter Quecksilbersäule (E<strong>in</strong>heit für den Blutdruck)<br />

NA: Notarzt<br />

NAW: Notarztwagen<br />

NFS: <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

NA: Notarzt<br />

NEF: Notarzte<strong>in</strong>satzfahrzeug<br />

PTB: Posttraumatische Belastungsreaktion<br />

PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung<br />

PTSD: Posttraumatic Stress Disorder<br />

RA: Rettungsassistent<br />

RD: <strong>Rettungsdienst</strong><br />

RH: Rettungshelfer<br />

RR: Riva-Rocci (Blutdruck nach dem Messverfahren von Riva-Rocci)<br />

RS: Rettungssanitäter<br />

RTH: Rettungs(-transport-)hubschrauber<br />

RTW: Rettungs(-transport-)wagen<br />

SbE ® : Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen<br />

SpO2: Sauerstoffsättigung<br />

SEG: Schnell-E<strong>in</strong>satz-Gruppe<br />

SIDS: Sudden Infant Death Syndrome (Plötzlicher K<strong>in</strong>dstod)<br />

SiN <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Notfällen<br />

StGB Strafgesetzbuch<br />

StVO: Straßenverkehrsordnung<br />

Alle anderen verwendeten Abkürzungen richten sich nach:<br />

SCHWERTNER, Siegfried M.: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und<br />

Grenzgebiete. In: Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen<br />

Angaben (= IATG 2 ). Berl<strong>in</strong> 2 1992.<br />

121


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

ANHANG 1<br />

Fragebogen NFS (<strong>Notfallseelsorge</strong>), überarbeitet<br />

I Zur Person<br />

1 Name: XY<br />

2 Wohnort: XY<br />

3 E<strong>in</strong>ige kurze Angaben zu Ihrem beruflichen Werdegang.<br />

Berufsausbildung, anschließend Zivildienst <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> (Rettungssanitäter).<br />

Danach hauptberufliche Tätigkeit <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> und Krankentransport.<br />

Studium der Theologie und Philosophie. Diakon- und Priesterweihe.<br />

4 Seit wann s<strong>in</strong>d Sie <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong> (NFS) tätig?<br />

In der <strong>Notfallseelsorge</strong> b<strong>in</strong> ich seit August 2000 tätig.<br />

5 Warum engagieren Sie sich <strong>in</strong> der NFS?<br />

Während me<strong>in</strong>er Zeit <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> fiel mir auf, dass zwar sehr vieles <strong>in</strong> der<br />

Mediz<strong>in</strong> möglich wurde und auch angewendet wurde. Ich merkte aber sehr bald,<br />

dass das persönliche Gespräch, der Mensch als solcher, <strong>im</strong>mer mehr <strong>in</strong> den<br />

H<strong>in</strong>tergrund trat. Während bei älteren Kollegen das persönliche Gespräch mit<br />

dem Patienten meistens dazugehörte, stellte ich fest, dass es bei den jüngeren<br />

Kollegen schwierig wurde, e<strong>in</strong> Gespräch mit dem Patienten zu führen. Die meisten<br />

beschränkten sich während des Transportes darauf, kurz zu erklären, was<br />

sie mediz<strong>in</strong>isch taten und wie es dem Patienten momentan g<strong>in</strong>ge. Zuweilen bemerkte<br />

ich auch, dass Kollegen sogar darauf aus waren, lieber vorne am Lenkrad<br />

zu sitzen, um erst gar ke<strong>in</strong> Gespräch führen zu müssen.<br />

Im Dienst fiel mir auf, dass die Kollegen sehr oft mich die Gespräche führen ließen,<br />

weil sie merkten, dass ich dafür e<strong>in</strong> Charisma hatte, wie sie des Öfteren<br />

sagten. Durch diese Erfahrung und den erlebten Defizit, gerade be<strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>,<br />

entschloss ich mich <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong> mitzumachen.<br />

II <strong>Notfallseelsorge</strong> allgeme<strong>in</strong> (NFS)<br />

6 Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen der NFS der Kirche(n) auf der e<strong>in</strong>en<br />

Seite und der Feuerwehr, den <strong>Rettungsdienst</strong>en und dem Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst<br />

auf der anderen Seite? Haben Sie den E<strong>in</strong>druck, dass die NFS von „den<br />

anderen“ als e<strong>in</strong>e willkommene Unterstützung angesehen oder vielleicht eher<br />

belächelt wird?<br />

Seit dem verheerenden Zugunglück von Eschede habe ich den E<strong>in</strong>druck, dass<br />

von den Leitungsgremien der Hilfsdienste und der Feuerwehr mehr Augenmerk<br />

auf die Betreuung der Patienten, der Angehörigen, sowie auch der E<strong>in</strong>satzkräfte<br />

gelegt wird. Bei Mitarbeitern der <strong>Rettungsdienst</strong>e, die konkret mit dem Leid<br />

konfrontiert s<strong>in</strong>d, gibt es unterschiedliche Haltungen zu den <strong>Notfallseelsorge</strong>rn.<br />

Es hängt auch sehr stark davon ab, welche Erlebnisse <strong>Rettungsdienst</strong>mitarbeiter<br />

mit <strong>Notfallseelsorge</strong>rn gemacht haben.<br />

122


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Bei der Beurteilung der <strong>Notfallseelsorge</strong> kommt es sehr stark darauf an, welche<br />

E<strong>in</strong>stellung der Mitarbeiter <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> zu se<strong>in</strong>em Dienst hat. Bei vielen<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>lern wird der Dienst weniger als Dienst am Menschen gesehen,<br />

sondern eher als eigener Geltungsdrang. Es stärkt das Selbstbewusstse<strong>in</strong>, wenn<br />

jemand mit Blaulicht und Mart<strong>in</strong>shorn durch die Straßen fährt, um auf sich aufmerksam<br />

zu machen. Solche <strong>Rettungsdienst</strong>ler sehen <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

kaum e<strong>in</strong>e Hilfe und belächeln eher das Angebot der Kirche.<br />

Mitarbeiter, die wirklich auf den Dienst am Menschen schauen, schätzen h<strong>in</strong>gegen<br />

das Angebot als wichtige Hilfe und bestellen <strong>in</strong> Notfällen auch sehr häufig<br />

e<strong>in</strong>en <strong>Notfallseelsorge</strong>r h<strong>in</strong>zu. Hier besteht auch eher die Bereitschaft, sich selbst<br />

<strong>im</strong> Gespräch e<strong>in</strong>em <strong>Notfallseelsorge</strong>r anzuvertrauen, wenn schwierige Erlebnisse<br />

den Helfer belasten. Die erste Gruppe, ist schwer zugänglich, weil sie glauben,<br />

über den D<strong>in</strong>gen zu stehen und die Erlebnisse selbst bewältigen zu können,<br />

ohne fremde Hilfe und sei es mit Hilfe von Drogen wie Alkohol, Kaffee und Nikot<strong>in</strong>.<br />

7 Welche Erfahrungen haben Sie <strong>im</strong> H<strong>in</strong>blick auf das Thema E<strong>in</strong>satzkleidung<br />

bei <strong>Notfallseelsorge</strong>r<strong>in</strong>nen bzw. -seelsorgern gemacht? Ist diese nötig und<br />

sollte sie sich von der Kleidung der (anderen) Rettungskräfte unterscheiden?<br />

Ich selbst habe noch ke<strong>in</strong>e Erfahrung mit E<strong>in</strong>satzkleidung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn<br />

gemacht. Allerd<strong>in</strong>gs wäre es <strong>in</strong> Großschadensfällen sehr hilfreich, wenn<br />

auch die <strong>Notfallseelsorge</strong>r besser gekennzeichnet wären. So ist es z. B. für die<br />

Organisatorische Leitung bei Schadensereignissen sehr hilfreich auf den ersten<br />

Blick zu sehen, wo e<strong>in</strong> Helfer am besten e<strong>in</strong>zusetzen ist.<br />

8 Berichten Sie bitte, was Sie von Ihren Erlebnissen bei NFS-E<strong>in</strong>sätzen hier<br />

mitteilen möchten (besondere Erfahrungen oder Erkenntnisse).<br />

E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satz, der sich auf den ersten Blick als „e<strong>in</strong>fach“ zeigte, entwickelte sich<br />

zu e<strong>in</strong>er Mehrfachbetreuung. Ich wurde zu e<strong>in</strong>em Suizid gerufen und sollte an<br />

die Angehörigen e<strong>in</strong>e Todesnachricht überbr<strong>in</strong>gen. Zunächst fuhr ich zu der besagten<br />

Adresse; es war e<strong>in</strong> Mehrfamilien-Hochhaus.<br />

Die Verstorbene war psychisch krank und lebte mit Wahnvorstellungen. Bei e<strong>in</strong>em<br />

Anfall ist sie <strong>in</strong> das Badez<strong>im</strong>mer, hatte sich e<strong>in</strong>geschlossen und sprang vom<br />

siebten Stockwerk aus dem Fenster [...]<br />

Vor dem Hochhaus standen noch die Feuerwehr und die Polizei, die damit beschäftigt<br />

waren, das Blut der Verstorbenen vom Beton zu entfernen. Hier ergaben<br />

sich bereits die ersten <strong>in</strong>tensiven Gespräche mit den Polizisten und der Feuerwehr.<br />

Ich merkte, wie wichtig es für die Helfer war, dass ihnen jemand zuhörte<br />

und sie durch das Erzählen des ganzen Vorgangs vieles bearbeiten konnten. Erst<br />

nach e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Stunden konnte ich die Tochter aufsuchen, um ihr die Todesnachricht<br />

zu überbr<strong>in</strong>gen. Auch hier dauerte das Gespräch e<strong>in</strong>e Stunde. Dies ist<br />

e<strong>in</strong>e Zeit, die mit <strong>in</strong>tensivem Zuhören sehr anstrengend se<strong>in</strong> kann und die der<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> oder die Feuerwehr häufig nicht haben.<br />

9 Welche Ratschläge und Tipps aus Ihrer Erfahrung möchten Sie gerne an zukünftige<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen weitergeben?<br />

Es ist äußerst wichtig, dass sich der <strong>Seelsorge</strong>r auf das Gespräch konzentriert.<br />

Wichtig ist dabei, dass er sich zurückn<strong>im</strong>mt und den Betroffenen erzählen lässt.<br />

Erfahrungsgemäß löst sich schon sehr viel an Anspannung, wenn der Betroffene<br />

von dem Erlebnis, das ihn belastet erzählt, je <strong>in</strong>tensiver, desto besser.<br />

123


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Ich möchte hier auch ermutigen, sich nicht zu scheuen, <strong>in</strong> solche Situationen<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zugehen. Es kann fast nichts falsch gemacht werden, wenn sich jemand<br />

e<strong>in</strong>em anderen als Mensch zur Seite stellt. Das gilt <strong>im</strong> Besonderen auch <strong>im</strong> Aushalten<br />

der Stille, wenn man auf drängende Fragen ke<strong>in</strong>e Antwort weiß. Oder<br />

auch zuzugeben, dass man selbst nicht auf die Frage „Warum?“ antworten kann.<br />

Antworten, die vorschnell oder besonders klug gegeben werden, hemmen eher<br />

das Gespräch, als dass sie nützen. Es ist äußerst wichtig, dass der <strong>Seelsorge</strong>r mit<br />

se<strong>in</strong>er ganzen Person auch zu dem steht, was er anderen rät.<br />

III NFS und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

10 Hat sich Ihr Bild vom <strong>Rettungsdienst</strong> seit Ihrer Tätigkeit <strong>in</strong> der NFS und der<br />

Zusammenarbeit mit dem <strong>Rettungsdienst</strong> geändert? Wenn ja, <strong>in</strong>wiefern?<br />

Ja, es hat sich geändert, vor allem, weil ich <strong>in</strong> den letzten Jahren feststelle, dass<br />

sich das Bewusstse<strong>in</strong> für die <strong>Notfallseelsorge</strong> ändert. Da sich auch <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

das ganze Handeln spezialisiert, wird der Ruf nach Betreuung lauter.<br />

Auch <strong>in</strong> den jährlichen Fortbildungen ist die persönliche Begleitung von Traumatisierten<br />

e<strong>in</strong> Thema.<br />

11.1 Was hat die NFS der Kirche(n) den E<strong>in</strong>satzkräften des <strong>Rettungsdienst</strong>es zu<br />

bieten?<br />

Ich denke, dass die Kirche hier e<strong>in</strong>en großen Dienst an den Menschen tut. Gerade<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> der viele nicht zuhören können oder sich auch scheuen Menschen<br />

<strong>in</strong> Notsituationen anzusprechen. Der <strong>Rettungsdienst</strong> ist bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz<br />

so lange blockiert, bis er sich wieder bei der Leitstelle frei meldet. Dies sollte<br />

möglichst schnell gehen, falls ke<strong>in</strong> Transport zu e<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>ik oder zu e<strong>in</strong>em Arzt<br />

stattf<strong>in</strong>det. Gerade bei Todesfällen ist kaum Zeit, um mit den Angehörigen <strong>im</strong><br />

Gespräch zu se<strong>in</strong>. Hier ist die <strong>Notfallseelsorge</strong> e<strong>in</strong>e dankbar angenommene Hilfe<br />

und Ergänzung für den <strong>Rettungsdienst</strong>.<br />

Ich denke, auch für die Mitarbeiter der <strong>Rettungsdienst</strong>e bietet die NFS e<strong>in</strong> großes<br />

Angebot. Gerade nach dem Zugunglück von Eschede wurde deutlich, dass<br />

Helfer, die warten mussten und nicht gleich zu den Opfern vordr<strong>in</strong>gen konnten,<br />

am meisten belastet waren. Hier gilt es, den Helfern e<strong>in</strong>e Möglichkeit zu geben,<br />

mit dieser Hilflosigkeit zu Recht zu kommen.<br />

11.2 Wie werden Angebote zur Stressbearbeitung nach belastenden E<strong>in</strong>sätzen von<br />

den Rettungskräften wahrgenommen?<br />

Leider werden diese Angebote eher weniger angenommen. Hierbei ist es wieder<br />

hilfreich, wenn sich jemand auch <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt und etwas E<strong>in</strong>blick<br />

hat und nicht nur von außen kommt. Wenn jemand selbst <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

mitfährt, ist die Schwelle zur Bitte um e<strong>in</strong> Gespräch wesentlich niedriger.<br />

12 Welche Rolle spielen Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach das Helfer-Syndrom, das Burnout-<br />

Syndrom und die Suchtgefahr für Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter des <strong>Rettungsdienst</strong>es?<br />

a) Das Helfer-Syndrom spielt be<strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> e<strong>in</strong>e große Rolle. Bei vielen,<br />

die diesen Beruf anstreben oder ausüben, stelle ich e<strong>in</strong> Hang zum Machbaren<br />

fest. Gerade durch viele Fortschritte <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong>, wird es möglich, dass<br />

durch Medikamente schnell geholfen werden kann. Dies setzt sich bei den<br />

Mitarbeitern <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> fort. Mit wenigen Handgriffen kann oftmals<br />

124


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

der Herz-Kreislauf wieder belebt werden. Leben und Tod sche<strong>in</strong>t dann <strong>in</strong><br />

den Händen des <strong>Rettungsdienst</strong>personals zu liegen. Dadurch kommt nicht<br />

selten die E<strong>in</strong>stellung, dass der Helfer nur an den Notfallpatienten gelassen<br />

werden muss, um ihm zu helfen.<br />

b) Bed<strong>in</strong>gt dadurch, wird der Helfer wichtig <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Handeln. Da aber sehr<br />

oft auch Rean<strong>im</strong>ationen erfolglos bleiben und der Patient nicht mehr <strong>in</strong>s Leben<br />

zurückgeholt werden kann, wirkt sich das belastend auf den Helfer aus.<br />

Durch die Diensthäufigkeit der Hauptamtlichen können sich solche „erfolglosen<br />

E<strong>in</strong>sätze“ häufen. Mit der Zeit merkt dann der Helfer, dass er ausgebrannt<br />

und leer wird, wenn sich mit der Zeit der Dienst zur alle<strong>in</strong>igen S<strong>in</strong>nerfüllung<br />

entwickelt hat.<br />

c) Nicht unerheblich ist ebenfalls die Gefahr von Abhängigkeiten. Ich stelle bei<br />

vielen <strong>Rettungsdienst</strong>kollegen e<strong>in</strong>en enormen Verbrauch an Kaffee und Zigaretten<br />

fest. Ebenso gibt es Kollegen, die mit dem Alkohol Probleme haben.<br />

Meist entwickelt sich dies he<strong>im</strong>lich und wird mit der Zeit umso häufiger.<br />

Schließlich kommt es auch zum Tr<strong>in</strong>ken <strong>im</strong> Dienst.<br />

13 Haben Sie mit e<strong>in</strong>er <strong>Rettungsdienst</strong>organisation besonders gute oder schlechte<br />

Erfahrungen gemacht?<br />

Ne<strong>in</strong>, ich denke da gibt es überall solche und solche Kollegen.<br />

14.1 Welche Erwartungen und Wünsche haben Sie als <strong>Notfallseelsorge</strong>r an die<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>organisationen?<br />

Ich denke, der Dienst der <strong>Notfallseelsorge</strong> könnte noch <strong>in</strong>tensiver <strong>in</strong> Fortbildungen<br />

den <strong>Rettungsdienst</strong>mitarbeitern nahe gebracht werden. Sowohl <strong>im</strong> E<strong>in</strong>satz<br />

für Angehörige, als auch für die eigenen Mitarbeiter nach belastenden E<strong>in</strong>sätzen.<br />

Ebenso denke ich, ist es von Seiten der Kirche wichtig, Kontakte zu den Organisationen<br />

vor Ort zu knüpfen.<br />

14.2 Welche Erwartungen und Wünsche haben Sie als <strong>Notfallseelsorge</strong>r an die<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte?<br />

Es sollte klar se<strong>in</strong>, dass der oder die <strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong> akzeptiert wird, als jemand<br />

der sich um die Person kümmert. Oftmals wird der Dienst eben als m<strong>in</strong>derwertig<br />

abgetan. Auch vor Ort sollten die E<strong>in</strong>satzkräfte sich nicht scheuen, auf<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r zurückzugreifen, auch wenn es zu ungünstigen Zeiten ist.<br />

IV Kirchengeme<strong>in</strong>de und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

15.1 Sehen Sie Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen e<strong>in</strong>er Kirchengeme<strong>in</strong>de<br />

und der Rettungswache vor Ort? Welche Erfahrungen haben Sie als<br />

Geme<strong>in</strong>deseelsorger auf diesem Gebiet gemacht?<br />

Es kommt zunächst auf die Konstellation vor Ort an. Wenn Bereitschaft signalisiert<br />

wird, dann ist e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit sehr oft möglich. Außerdem s<strong>in</strong>d oft<br />

die Mitarbeiter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rettungswache auch Mitglieder der Geme<strong>in</strong>de. Es ist sicher<br />

hilfreich, wenn sich der <strong>Seelsorge</strong>r vor Ort auch e<strong>in</strong>mal bei der Rettungswache<br />

vorstellt und kurz se<strong>in</strong>e Zusammenarbeit auch anbietet.<br />

Momentan stelle ich fest, dass gerade <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de XY die Zusammenarbeit<br />

recht gut funktioniert, da viele der jüngeren Mitarbeiter be<strong>im</strong> Roten Kreuz auch<br />

aktiv am Geme<strong>in</strong>deleben teilnehmen.<br />

125


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

15.2 Ist es schwer, mit dem <strong>Rettungsdienst</strong> Kontakt zu knüpfen? Haben Sie Ratschläge,<br />

die die Begegnung zwischen Kirche und <strong>Rettungsdienst</strong> erleichtern?<br />

Es ist sicher nicht schwerer als mit anderen <strong>in</strong> Kontakt zu kommen. Gut wäre es<br />

sicher, wenn bei e<strong>in</strong>er öffentlichen Feier (Tag der offenen Tür, Sommerfest u. ä.)<br />

der <strong>Seelsorge</strong>r ersche<strong>in</strong>en würde und se<strong>in</strong> Interesse an der Arbeit des <strong>Rettungsdienst</strong>es<br />

bekundet. Aber auch hier gilt, dass das Interesse ehrlich se<strong>in</strong> sollte.<br />

Aufgesetztes oder vorgespieltes Interesse wird sehr schnell durchschaut und ist<br />

dann contraproduktiv.<br />

16 Bei E<strong>in</strong>sätzen <strong>in</strong> kirchlichen Räumen (z. B. während e<strong>in</strong>es Gottesdienstes) soll<br />

es schon vere<strong>in</strong>zelt zu Missverständnissen oder sogar Konfrontationen zwischen<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> und Pfarrer gekommen sei – bis h<strong>in</strong> zum Streit, wer das<br />

Recht auf den Platz am Kopf be<strong>im</strong> Patienten hat.<br />

Haben Sie von solchen Vorfällen schon e<strong>in</strong>mal gehört? Sehen Sie Chancen,<br />

solche unguten Begegnungen von vornhere<strong>in</strong> zu vermeiden oder me<strong>in</strong>en Sie,<br />

diese Zeit der Missverständnisse ist längst vorbei?<br />

Ich weiß von e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz <strong>im</strong> XY, wo <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gottesdienst e<strong>in</strong> Besucher e<strong>in</strong>en<br />

Herz-Kreislauf-Stillstand erlitt. Hier hatten die Ersthelfer den Notfallpatient<br />

zum Ausgang gebracht, wo der <strong>Rettungsdienst</strong> se<strong>in</strong>e Arbeit tun konnte.<br />

Ich denke, es ist wichtig, dass zuerst der <strong>Rettungsdienst</strong> genügend Platz bekommt,<br />

um se<strong>in</strong>e Arbeit zu tun. Oftmals ist dabei der Kopf besonders wichtig<br />

und der sollte zunächst dem <strong>Rettungsdienst</strong> zur Verfügung stehen. Außerdem<br />

b<strong>in</strong> ich als <strong>Notfallseelsorge</strong>r hier auch als Ansprechpartner für Angehörige und<br />

unmittelbar Betroffene gefragt. Es sollte eventuell auch von dem <strong>Seelsorge</strong>r dem<br />

Patienten verständlich gemacht werden, dass zuerst der Arzt oder <strong>Rettungsdienst</strong><br />

die Notversorgung gewährleistet.<br />

Erfahrungsgemäß gibt es hier auch kaum Missverständnisse oder Unst<strong>im</strong>migkeiten.<br />

V Sonstiges<br />

17 Persönliche Anmerkungen, Fragen u. ä.<br />

Ich freue mich, dass sich jemand dieser Arbeit angenommen hat, um das Verhältnis<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> und <strong>Notfallseelsorge</strong> zu reflektieren. Ich denke, dass gerade<br />

<strong>in</strong> der Zusammenarbeit von beiden Organisationen die Zukunft der Patientenbetreuung<br />

liegt. Kirche kann gerade <strong>in</strong> Situationen des Leids und des Todes<br />

hier den Menschen e<strong>in</strong>e gute und wichtige Hilfe se<strong>in</strong>.<br />

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen für die Zeit und Ihr Engagement,<br />

mit der Sie me<strong>in</strong>e Arbeit hilfreich unterstützt haben.<br />

Mit freundlichem Gruß<br />

JZ<br />

126


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Fragebogen-Vorlage KID (Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst)<br />

I Zur Person<br />

1 Ihr Alter?<br />

( ) 18-25 Jahre ( ) 26-35 Jahre ( ) 36-45 Jahre<br />

( ) 46-55 Jahre ( ) über 56 Jahre<br />

2 Ihr Geschlecht?<br />

( ) ? ( ) ?<br />

3 KID - Organisation:<br />

KID des XY <strong>in</strong> XY.<br />

4 Seit wann engagieren Sie sich <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, seit wann <strong>im</strong> KID?<br />

5 Welche <strong>Rettungsdienst</strong>ausbildung haben Sie und welche Ausbildungskurse<br />

haben Sie für den KID absolviert?<br />

6 Aus welcher Motivation heraus arbeiten Sie <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> bzw. <strong>im</strong> KID?<br />

7 Wie ordnen Sie selbst Ihre religiöse bzw. kirchliche Zugehörigkeit e<strong>in</strong>?<br />

II Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst (KID) und <strong>Notfallseelsorge</strong> (NFS)<br />

8.1 Wie sehen Sie die NFS an? Als Konkurrenz oder kollegiale Unterstützung<br />

oder ...?<br />

8.2 Wo liegen Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach die entscheidenden Unterschiede zwischen<br />

KID und NFS? Wann wird <strong>in</strong> Ihrem Leitstellengebiet der KID, wann die NFS<br />

alarmiert?<br />

8.3 Wo sehen Sie Vorteile der NFS gegenüber dem KID und wo Nachteile der<br />

NFS?<br />

8.4 Wo gibt es Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach Möglichkeiten und Chancen für e<strong>in</strong>e gute<br />

Zusammenarbeit?<br />

9.1 Welche (positiven und/oder negativen) Erfahrungen mit <strong>Notfallseelsorge</strong>r<strong>in</strong>nen<br />

und -seelsorgern haben Sie bisher <strong>im</strong> Rahmen Ihrer KID-Tätigkeit gemacht?<br />

9.2 Hat sich Ihr Bild von der Kirche / den Kirchen durch die Begegnung mit der<br />

NFS geändert?<br />

10 Welche Erwartungen und Wünsche haben Sie an <strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen?<br />

11 Welche Erfahrung haben Sie <strong>im</strong> H<strong>in</strong>blick auf die E<strong>in</strong>satzkleidung der NFS.<br />

Sollte diese sich von der des <strong>Rettungsdienst</strong>es und des KID unterscheiden oder<br />

benötigt Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach die NFS ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>satzkleidung?<br />

12 Wie verarbeiten Sie selbst belastende E<strong>in</strong>sätze? Was bzw. wer hilft Ihnen dabei?<br />

III Stressbewältigungsangebote für den <strong>Rettungsdienst</strong><br />

13 Welche Rolle spielen Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach das Helfer-Syndrom, das Burnout-<br />

Syndrom und schließlich die Suchtgefahr für Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es?<br />

127


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

14.1 Welche Möglichkeiten und Angebote gibt es für E<strong>in</strong>satzkräfte, damit sie psychische<br />

Belastungen und Krisen be- und verarbeiten können?<br />

14.2 Aus Ihrer Erfahrung: Werden solche Angebote wahrgenommen oder me<strong>in</strong>en<br />

Sie, dass dennoch viele E<strong>in</strong>satzkräfte das Leid eher verdrängen und/oder sogar<br />

durch den Missbrauch von Alkohol und (anderen) Drogen betäuben?<br />

14.3 Können Sie sich vorstellen, dass die Kirche und deren Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen bei<br />

der Stressbearbeitung helfen können? Wenn ja, wie kann das Ihrer Me<strong>in</strong>ung<br />

nach konkret aussehen?<br />

15 Welche Erwartungen haben Sie an <strong>Seelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen, die E<strong>in</strong>satzkräfte seelsorglich<br />

begleiten?<br />

IV Kirchengeme<strong>in</strong>de<br />

16.1 Haben Sie irgendwelche Erfahrungen bezüglich (<strong>Rettungsdienst</strong>-) E<strong>in</strong>sätzen<br />

<strong>in</strong> kirchlichen Räumen (z. B. während e<strong>in</strong>em Gottesdienst) oder Konflikten<br />

zwischen <strong>Rettungsdienst</strong> und e<strong>in</strong>em <strong>Seelsorge</strong>r gemacht oder haben Sie von<br />

Kolleg<strong>in</strong>nen oder Kollegen bei Nachbesprechungen etwas darüber gehört?<br />

16.2 Welche Möglichkeiten gibt es Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach, damit bei E<strong>in</strong>sätzen Missverständnisse<br />

und Probleme zwischen <strong>Rettungsdienst</strong> und kirchlichen Mitarbeitern<br />

vermieden werden können? Was wünschen Sie sich <strong>in</strong> diesem Bezug<br />

von der Kirche?<br />

17 In der katholischen Kirche gibt es das Sakrament der Krankensalbung, das<br />

(früher) auch oft missverständlich „Letzte Ölung“ genannt wurde. Es wird<br />

Gläubigen <strong>in</strong> schwerer Krankheit und vor schwierigen Operationen gespendet.<br />

Haben Sie schon e<strong>in</strong>mal (z. B. bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz) erlebt, wie e<strong>in</strong> Priester die<br />

Krankensalbung gespendet hat? Und wenn ja, wie haben Sie diese zeichenhafte<br />

Handlung verstanden?<br />

18 Haben Sie als KID-Mitarbeiter/<strong>in</strong> irgendwelche Wünsche oder Erwartungen<br />

an die Kirchengeme<strong>in</strong>de und die <strong>Seelsorge</strong> am Ort der Rettungswache und an<br />

Ihrem Wohnort? Sehen Sie Möglichkeiten der Zusammenarbeit?<br />

V Sonstiges<br />

19 Persönliche Anmerkungen, Fragen u. ä.<br />

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen für die Zeit und Ihr Engagement, mit der Sie<br />

me<strong>in</strong>e Arbeit hilfreich unterstützt haben. Ihre Angaben werden garantiert nur <strong>im</strong> Rahmen<br />

der oben genannten Arbeit verwendet und anonym behandelt.<br />

Mit freundlichem Gruß<br />

JZ<br />

128


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

I Zur Person<br />

Fragebogen-Vorlage RD (<strong>Rettungsdienst</strong>)<br />

1 Ihr Alter?<br />

( ) 18-25 Jahre ( ) 26-35 Jahre ( ) 36-45 Jahre<br />

( ) 46-55 Jahre ( ) über 56 Jahre<br />

2 Ihr Geschlecht?<br />

( ) ? ( ) ?<br />

3 Ihre <strong>Rettungsdienst</strong>ausbildung?<br />

( ) Lehrrettungsassistent (LRA) ( ) Rettungsassistent (RA)<br />

( ) Rettungssanitäter (RS) ( ) Rettungshelfer (RH)<br />

4 Seit wann s<strong>in</strong>d Sie <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> tätig?<br />

5 Ihr Beschäftigungsverhältnis <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>?<br />

( ) hauptamtlich ( ) ehrenamtlich ( ) Zivildienst leistend<br />

6 Bei welcher <strong>Rettungsdienst</strong>organisation s<strong>in</strong>d Sie tätig?<br />

( ) ASB ( ) DRK ( ) JUH ( ) MHD ( ) ____________<br />

7 Wie ordnen Sie selbst Ihre religiöse bzw. kirchliche Zugehörigkeit e<strong>in</strong>?<br />

II <strong>Rettungsdienst</strong> (RD)<br />

8 Kennen Sie das Leitbild bzw. Programm Ihrer Organisation?<br />

( ) Ja ( ) Ne<strong>in</strong><br />

9 Aus welcher Motivation heraus s<strong>in</strong>d Sie zum <strong>Rettungsdienst</strong> gekommen?<br />

10 S<strong>in</strong>d Sie mit Ihrem Arbeitsplatz <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> zufrieden? Wenn ne<strong>in</strong>: Was<br />

st<strong>im</strong>mt Sie unzufrieden?<br />

11 Welche Ängste und Befürchtungen haben Sie <strong>in</strong> Bezug auf Ihre Tätigkeit?<br />

12 Ist für Sie der Mensch, der Ihnen als Patient begegnet, mehr als e<strong>in</strong> Wesen,<br />

das nur mediz<strong>in</strong>ische Betreuung benötigt?<br />

13.1 Welche Rolle spielten psychologische, ethische und religiöse Themen <strong>im</strong><br />

Rahmen Ihrer <strong>Rettungsdienst</strong>ausbildung? Gibt es Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach dabei<br />

Defizite?<br />

13.2 Wünschen Sie sich <strong>in</strong> diesen Bereichen Fortbildungse<strong>in</strong>heiten? Wenn ja, zu<br />

welchen Themen?<br />

13.3 Gibt es Ihres Erachtens nach Möglichkeiten für die Kirche, bei der Ausbildung<br />

und bei Fortbildungen und Übungen mitzuarbeiten?<br />

14 Welche Rolle spielen Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach das Helfer-Syndrom, das Burnout-<br />

Syndrom und die Suchtgefahr <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>alltag?<br />

15.1 Welche E<strong>in</strong>sätze oder Konfrontationen belasten Sie am meisten?<br />

15.2 Wie verarbeiten Sie persönlich die Erlebnisse belastender E<strong>in</strong>sätze? Was bzw.<br />

wer hilft Ihnen dabei?<br />

15.3 Gibt es dazu Angebote auf Ihrer Rettungswache oder von Ihrer Organisation?<br />

15.4 Können Sie sich vorstellen, dass die Kirche und deren Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen Ihnen<br />

dabei helfen können? Wie könnte das konkret aussehen?<br />

129


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

15.5 Aus Ihrer Erfahrung: Werden solche Angebote wahrgenommen oder me<strong>in</strong>en<br />

Sie, dass dennoch viele E<strong>in</strong>satzkräfte lieber das Leid verdrängen und/oder sogar<br />

durch den Missbrauch von Alkohol und (anderen) Drogen betäuben?<br />

15.6 Welche Erwartungen haben Sie an <strong>Seelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen, die E<strong>in</strong>satzkräfte seelsorglich<br />

begleiten?<br />

III <strong>Notfallseelsorge</strong> (NFS)<br />

16.1 Welche Erfahrungen haben Sie <strong>im</strong> Rahmen Ihres Dienstes mit der NFS gemacht?<br />

16.2 Hat sich Ihr Bild von der Kirche / den Kirchen durch die Begegnung mit der<br />

E<strong>in</strong>richtung der NFS geändert?<br />

17 Wie sehen Sie die NFS an: als Unterstützung oder Konkurrenz oder...?<br />

18 Wann alarmieren Sie bei e<strong>in</strong>em <strong>Rettungsdienst</strong>e<strong>in</strong>satz die NFS?<br />

19 In welchen Fällen ziehen Sie den Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst (KID) der NFS<br />

vor?<br />

20 Was erwarten Sie von e<strong>in</strong>er <strong>Notfallseelsorge</strong>r<strong>in</strong> / e<strong>in</strong>em <strong>Notfallseelsorge</strong>r?<br />

21 Sollten Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach <strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen an der Kleidung als solche<br />

erkennbar und von den Rettungskräften unterscheidbar se<strong>in</strong>?<br />

22 In der katholischen Kirche gibt es das Sakrament der Krankensalbung, das<br />

(früher) auch oft missverständlich „Letzte Ölung“ genannt wurde. Es wird<br />

Gläubigen <strong>in</strong> schwerer Krankheit und vor schwierigen Operationen gespendet.<br />

Haben Sie schon e<strong>in</strong>mal (z. B. bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz) erlebt, wie e<strong>in</strong> Priester die<br />

Krankensalbung gespendet hat? Und wenn ja, wie haben Sie diese zeichenhafte<br />

Handlung verstanden?<br />

IV Kirchengeme<strong>in</strong>de<br />

23.1 Gab es bei e<strong>in</strong>em Ihrer E<strong>in</strong>sätze schon e<strong>in</strong>mal Missverständnisse oder Konflikte<br />

zwischen dem <strong>Rettungsdienst</strong> und kirchlichen Mitarbeitern (z. B. bei e<strong>in</strong>em<br />

Notfall während e<strong>in</strong>es Gottesdienstes oder bei e<strong>in</strong>em Patienten zu Hause)?<br />

Wenn ja: Was ist passiert und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?<br />

23.2 Welche Möglichkeiten gibt es Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach, damit bei E<strong>in</strong>sätzen mögliche<br />

Missverständnisse und Probleme zwischen <strong>Rettungsdienst</strong> und Mitarbeitern<br />

der Kirche vermieden werden können? Was wünschen Sie sich <strong>in</strong> diesem<br />

Bezug von der Kirche?<br />

24 Haben Sie irgendwelche Wünsche oder Erwartungen an die Kirchengeme<strong>in</strong>de<br />

und die <strong>Seelsorge</strong> am Ort der Rettungswache und an Ihrem Wohnort? Sehen<br />

Sie Möglichkeiten der Zusammenarbeit?<br />

V Sonstiges<br />

25 Persönliche Anmerkungen, Fragen u. ä.<br />

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen für die Zeit und Ihr Engagement, mit der Sie<br />

me<strong>in</strong>e Arbeit hilfreich unterstützt haben. Ihre Angaben werden garantiert nur <strong>im</strong> Rahmen<br />

der oben genannten Arbeit verwendet und anonym behandelt.<br />

Mit freundlichem Gruß<br />

JZ<br />

130


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Vorbemerkungen:<br />

ANHANG 2<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>praktikum (Berichte)<br />

Während der Entstehung me<strong>in</strong>er Diplomarbeit b<strong>in</strong> ich gelegentlich als Praktikant auf<br />

e<strong>in</strong>em Rettungswagen mitgefahren und habe an Sanitätsdiensten teilgenommen, um die<br />

Praxis des <strong>Rettungsdienst</strong>es nicht nur durch Bücher und Fragebögen vor Augen zu ha-<br />

ben, sondern auch direkt zu erleben. Die zwei folgenden Berichte wollen besonders Le-<br />

sern, die auf diesem Gebiet eher unerfahren s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Arbeit<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es ermöglichen. Sie wollen e<strong>in</strong>e Hilfe se<strong>in</strong>, sich e<strong>in</strong> Stück weit <strong>in</strong> den<br />

Arbeitstag des <strong>Rettungsdienst</strong>es h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zudenken. Sie ersetzen selbstverständlich nicht<br />

das Erleben <strong>in</strong> der Realität; auch können diese Aufzeichnungen nicht auf jeden Aspekt<br />

e<strong>in</strong>gehen. Am Ende des jeweiligen Berichtes schließen e<strong>in</strong>ige persönliche Gedanken zu<br />

den erlebten Ereignissen als Nachbemerkungen die Darstellungen ab.<br />

H<strong>in</strong>weise:<br />

Um Rückschlüsse auf Personen zu vermeiden, wurden e<strong>in</strong>ige Angaben verändert. Die<br />

spezifischen Abkürzungen s<strong>in</strong>d <strong>im</strong> Abkürzungsverzeichnis aufgeschlüsselt. Für weitere<br />

Informationen zu den angegebenen Medikamenten, Geräten, mediz<strong>in</strong>ischen Fachterm<strong>in</strong>i<br />

und ähnliches sei verwiesen auf KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, LUTOMSKY / FLAKE: Leitfaden<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> und ferner auf Pschyrembel Kl<strong>in</strong>isches Wörterbuch.<br />

Bericht A: Beispiel für den Verlauf e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satzes<br />

Tag: Dienstag; Wache: XY<br />

Fahrzeug: XY, Schicht: 07.00 – 18.00 Uhr<br />

Besatzung: RA, RH, Praktikant<br />

Bisheriger Tagesverlauf <strong>in</strong> Stichpunkten:<br />

- 07.00 Uhr: Dienstbeg<strong>in</strong>n mit Überprüfung von RTW, mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Geräten und dem Material <strong>im</strong> Patie ntenraum.<br />

Ebenso Kontrolle der Medikamente auf<br />

Vollständigkeit und Haltbarkeit.<br />

Anschließend Aufenthalt auf der Wache.<br />

- 08.41 Uhr – 10.13 Uhr: Internistischer Notfall (Unklares Abdomen) <strong>in</strong><br />

XY.<br />

- 12.56 Uhr – 14.10 Uhr: Chirurgischer Notfall (Hausunfall) <strong>in</strong> XY.<br />

- 15.28 Uhr – 16.52 Uhr: Internistischer E<strong>in</strong>satz (Kreislaufkollaps) <strong>in</strong> XY.<br />

E<strong>in</strong>satz:<br />

- 16.57 Uhr Alarmierung per FME: „Achtung, Achtung. Leitstelle XY mit E<strong>in</strong>satz für den<br />

XY (= RTW), den XY (= NEF) mit dem Chirurgen nach XY.“<br />

Anschließend: sofortige Besetzung des RTW und Abfahrt mit Sonderrechten.<br />

Auf der Anfahrt teilt die Leitstelle per Funk den genauen E<strong>in</strong>satzort mit und<br />

gibt bekannt, dass es sich um e<strong>in</strong>en Verkehrsunfall handelt, bei dem e<strong>in</strong> Motorradfahrer<br />

beteiligt ist.<br />

131


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

- 17.03 Uhr Ankunft am E<strong>in</strong>satzort. Lage: E<strong>in</strong> Motorradfahrer (ca. 35 Jahre) ist auf e<strong>in</strong>er<br />

Landstraße zwischen XY und XY von se<strong>in</strong>em Kraftrad gestürzt. E<strong>in</strong>e Ersthelfer<strong>in</strong><br />

hat bereits wertvolle Hilfe geleistet. Die bereits e<strong>in</strong>getroffene Polizei sperrt<br />

die Unfallstelle ab. Zahlreiche Gaffer s<strong>in</strong>d am Ort und beh<strong>in</strong>dern sogar zum Teil<br />

die Rettungsarbeiten.<br />

Benötigte Geräte und Koffer: EKG, Beatmungsgerät, Notfallkoffer (für Atmung,<br />

Kreislauf und Wiederbelebung), Medikamentenkoffer und die elektronische<br />

Absaugpumpe. Da die Polizei bereits die Absicherung der Unfallstelle<br />

übernommen hat, verzichtet die Besatzung auf zusätzliche Warnwesten.<br />

Der RA und die Ersthelfer<strong>in</strong> (mit RS-Ausbildung) nehmen den Schutzhelm des<br />

Patienten vorsichtig vom Kopf ab und schützen die Halswirbel mit Hilfe e<strong>in</strong>es<br />

Stifneck ® vor weiteren Bewegungen. Der RH und der Praktikant kümmern sich<br />

währenddessen um die Ermittlung der Vitalparameter (HF: 80/m<strong>in</strong>.; SpO2: 88%;<br />

RR: 110/70 mmHg; EKG: normaler S<strong>in</strong>usrhythmus). Der Patient ist kaum ansprechbar<br />

und gibt gelegentlich Schmerzrufe von sich; mit beruhigenden Worten<br />

wird e<strong>in</strong>e psychische Betreuung unternommen.<br />

- 17.07 Uhr Der NA trifft am E<strong>in</strong>satzort e<strong>in</strong>. Aufgrund der schweren Verletzungen fordert<br />

der RA nach kurzer Beratung mit dem NA über Funk von der Leitstelle e<strong>in</strong>en<br />

RTH nach; die Leitstelle alarmiert daraufh<strong>in</strong> den RTH XY aus XY.<br />

Der NA befreit den Mundraum des Patienten von dem bereits geronnen Blut;<br />

danach folgt die Intubation für die künstliche Beatmung. Intravenöse Zugänge<br />

werden gelegt; R<strong>in</strong>ger-Vollelektrolytlösung (<strong>in</strong>sgesamt 3 Infusionen mit je 500<br />

ml) und HAES-steril ® (500 ml) zur Therapie des Volumenmangels werden angehängt.<br />

Ferner werden das Hypnotikum Hypnomidate ® zur Narkose und das<br />

Analgetika Fentanyl ® zur Schmerzl<strong>in</strong>derung verabreicht. Mittlerweile treffen<br />

weitere Polizeibeamte e<strong>in</strong>, die mit der Zeugenbefragung und der Rekonstruktion<br />

des Unfalls beg<strong>in</strong>nen. Die Besatzung e<strong>in</strong>es zweiten Feuerwehrfahrzeugs steht<br />

für Aufräumarbeiten zur Verfügung.<br />

- ca. 17.23 Uhr Der RTH (Besatzung: NA, RA und Pilot) landet <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe zur Unfallstelle.<br />

Die beiden Notärzte beraten das weitere Vorgehen. Über die Leitstelle<br />

wird e<strong>in</strong> Krankenhaus gesucht, das für die Aufnahme des sehr schwer verletzten<br />

Patienten vorbereitet ist.<br />

Der Patient wird mit Hilfe der Schaufeltrage auf e<strong>in</strong>e Vakuummatratze gelegt,<br />

die unnötige Bewegungen be<strong>im</strong> Transport verh<strong>in</strong>dert und dadurch e<strong>in</strong>e zusätzliche<br />

Belastung der Wirbelsäule vermeidet. Anschließend wird er <strong>in</strong> den RTH<br />

getragen, der gegen 17.42 Uhr <strong>in</strong> Richtung Kl<strong>in</strong>ik abfliegt.<br />

Die Besatzung des RTW räumt danach die Geräte und Koffer wieder <strong>in</strong> ihren<br />

E<strong>in</strong>satzwagen und entfernt die verbrauchten Kompressen und Verpackungen<br />

von der Straße. Dabei werden erste kurze Gedanken zum E<strong>in</strong>satzablauf ausgetauscht.<br />

Anschließend steht die Besatzung noch kurz an der E<strong>in</strong>satzstelle,<br />

spricht kurz mit den Polizeibeamten. Vor der Rückfahrt zur Wache lobt der RA<br />

se<strong>in</strong>e Besatzung für die gute Zusammenarbeit.<br />

- 18.05 Uhr Abfahrt von der E<strong>in</strong>satzstelle <strong>in</strong> Richtung Wache. Der Leitstelle werden per<br />

Funk die Rückmeldezahl (Aussagen über den Zustand des Patienten be<strong>im</strong> E<strong>in</strong>treffen<br />

u. ä.) und Rückmelde-Indikation (Verkehrsunfall mit Motorradfahrer)<br />

mitgeteilt; der RTW wird als „Nicht e<strong>in</strong>satzbereit“ gemeldet, da die benutzten<br />

Geräte unbed<strong>in</strong>gt des<strong>in</strong>fiziert werden müssen; außerdem müssen Medikamente,<br />

Infusionen, Verbandmaterial u. ä. aufgefüllt werden.<br />

- 18.19 Uhr Rückkehr auf der Wache. Der RTW wird geme<strong>in</strong>sam mit der Besatzung der<br />

Nachtschicht ausgeräumt. Alle Flächen <strong>im</strong> RTW, die mit Blut <strong>in</strong> Berührung gekommen<br />

s<strong>in</strong>d werden ebenso wie die Geräte des<strong>in</strong>fiziert; die verbrauchten Medikamente<br />

und Materialien werden aufgefüllt. Dabei kommt <strong>im</strong>mer wieder der<br />

E<strong>in</strong>satz zur Sprache. Der E<strong>in</strong>satzbericht wird <strong>in</strong> das EDV-System e<strong>in</strong>gegeben.<br />

- ca. 19.00 Uhr Die Besatzung der Nachtschicht übern<strong>im</strong>mt die restlichen anfallenden Arbeiten.<br />

Die Besatzung der Tagschicht beendet nach e<strong>in</strong>em anstrengenden Arbeitstag<br />

mit mehr als e<strong>in</strong>er Überstunde ihren Dienst.<br />

132


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Nachbemerkung: Dieser E<strong>in</strong>satz war gewiss ke<strong>in</strong>e Rout<strong>in</strong>e und g<strong>in</strong>g an der gesamten RTW-<br />

Besatzung nicht spurlos vorüber. Die große Frage am Abend dieses Tages war, ob der Patient<br />

nach diesen schweren Verletzungen überleben wird. Es blieb nur die Hoffnung.<br />

Bei den Aufräumarbeiten haben wir mite<strong>in</strong>ander noch e<strong>in</strong>mal über den E<strong>in</strong>satz gesprochen.<br />

Auch die Kollegen von der Nachtschicht haben später auf der Wache verständnisvoll zugehört<br />

und uns e<strong>in</strong>en großen Teil der Aufräumarbeiten abgenommen. Trotz aller Unklarheit bezüglich<br />

der Zukunft des Patienten hat mir das Lob des RA auf jeden Fall gut getan.<br />

Bericht B: Beispiel für den Verlauf e<strong>in</strong>er Nachtschicht<br />

Tag: Donnerstag; Wache: XY<br />

Fahrzeug: XY, Schicht: 18.00 – 07.00 Uhr<br />

Besatzung: RA, RH, Praktikant<br />

18.00 Uhr Dienstbeg<strong>in</strong>n, Tagschicht, Fahrzeugcheck (Rout<strong>in</strong>eüberprüfung von RTW, den<br />

mediz<strong>in</strong>ischen Geräten wie EKG, Beatmungsgeräte und Absaugpumpe auf<br />

Funktion und dem Material auf Vollständigkeit). Anschließend Aufenthalt auf<br />

der Wache mit geme<strong>in</strong>samem Abendessen, Gesprächen und Fernsehen.<br />

22.44 Uhr Alarmierung durch Leitstelle per FME: „Leitstelle XY mit Notfall für den XY.“<br />

22.45 Uhr Besetzung des RTW. Aufnahme des Funkkontaktes mit der Leitstelle (Angaben:<br />

Adresse <strong>in</strong> XY, Indikation: Internistischer Notfall), anschließend Abfahrt.<br />

22.49 Uhr Ankunft am E<strong>in</strong>satzort. Mitnahme von Notfall-Koffer (für AKW), EKG-Gerät<br />

und Medumat (Beatmungsgerät). Situation: Kaum ansprechbarer Patient (ca. 80<br />

Jahre) mit Korsakow-Syndrom, akutem Flüssigkeitsmangel und Fieber.<br />

Nach der Überprüfung der Vitalparameter (HF: 98/m<strong>in</strong>.; SpO2: 94%; RR:<br />

140/100 mmHg; BZ: 123 mg/dl; EKG: normaler S<strong>in</strong>usrhythmus) werden dem<br />

Patienten Sauerstoff (6 l/m<strong>in</strong>) verabreicht und e<strong>in</strong> venöser Zugang gelegt. Über<br />

Telefon fordert der RH von der Leitstelle e<strong>in</strong>en NA nach, da der Patient dr<strong>in</strong>gend<br />

e<strong>in</strong>e Infusion benötigt, um den Flüssigkeitsmangel auszugleichen.<br />

22.54 Uhr Alarmierung des NEF durch die Leitstelle. Während der Anfahrt des NEF wird<br />

der Patient für den Transport vorbereitet u. auf der Trage <strong>in</strong> den RTW gebracht.<br />

23.07 Uhr E<strong>in</strong>treffen des NEF am E<strong>in</strong>satzort. Nach e<strong>in</strong>er kurzen Besprechung mit dem RA<br />

untersucht der NA den Patienten und legt ihm e<strong>in</strong>e Infusion an (500 ml R<strong>in</strong>ger-<br />

Laktat-Lösung), um den Flüssigkeits- und Elektrolytmangel auszugleichen.<br />

23.23 Uhr Abfahrt (ohne NA und ohne Sonderrechte) zum Krankenhaus XY.<br />

Während der Fahrt wird der Patient betreut und die Vitalfunktionen überwacht.<br />

23.41 Uhr Ankunft <strong>im</strong> Krankenhaus. Der Patient wird auf die zuständige Station gebracht<br />

und an das Pflegepersonal übergeben. Anschließend: Wiederherstellung der<br />

E<strong>in</strong>satzbereitschaft des RTW.<br />

00.02 Uhr Abfahrt <strong>im</strong> Krankenhaus. Rückfahrt zur Wache.<br />

00.23 Uhr Ankunft auf der Wache. Ausfüllen des E<strong>in</strong>satzberichtes <strong>im</strong> EDV-System und<br />

Auffüllen der verbrauchten Materialien <strong>im</strong> RTW. Abschließend: Gespräche und<br />

Fernsehen <strong>im</strong> Wachraum.<br />

01.15 Uhr Nachtruhe <strong>in</strong> den Schlafräumen. Die Funkmeldeempfänger stehen <strong>in</strong> den Ladegeräten<br />

neben den Betten. In dieser Nacht erfolgt ke<strong>in</strong>e weitere Alarmierung.<br />

07.00 Uhr Ablösung durch die Tagschicht. Schichtende.<br />

Nachbemerkung:<br />

Der e<strong>in</strong>zige Patient dieser Schicht war e<strong>in</strong> älterer Mensch. Während und nach diesem Notfall<br />

musste ich öfters daran denken, wie es wohl später e<strong>in</strong>mal se<strong>in</strong> wird, wenn ich alt und vielleicht<br />

auch krank b<strong>in</strong>. Mir wurde wieder e<strong>in</strong>mal deutlich, wie wichtig es ist, dankbar für das eigene<br />

Leben zu se<strong>in</strong> und <strong>im</strong> Umgang mit alten Menschen nicht zu vergessen, dass es mir selbst e<strong>in</strong>mal<br />

ähnlich gehen kann. Diese Nachtschicht ist mit e<strong>in</strong>em Notfall am späten Abend relativ ruhig<br />

geblieben. Es gibt aber auch Nächte oder Tage, an denen man kaum zur Ruhe kommt; Nächte,<br />

<strong>in</strong> denen man mitten aus dem Schlaf gerissen wird und <strong>in</strong>nerhalb von kurzer Zeit 100% Leistung<br />

erbr<strong>in</strong>gen muss. Es gilt, <strong>im</strong>mer bereit zu se<strong>in</strong>. In der Regel schlafe ich bei den Nachtdiensten<br />

unruhig – vermutlich, weil ich weiß, dass ich jeden Moment durch den FME geweckt und<br />

zu Menschen <strong>in</strong> Not gerufen werden kann; eventuell geht es dabei sogar um Leben und Tod.<br />

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