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Kirchliche Seelsorge im Rettungsdienst - Notfallseelsorge in ...

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Johannes Zepezauer<br />

<strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Pastoraltheologische Untersuchungen<br />

zur Zusammenarbeit zwischen<br />

Kirche & <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die vorliegende Untersuchung ist die überarbeitete und gekürzte Ausgabe e<strong>in</strong>er<br />

„Wissenschaftlichen Arbeit für die Zulassung zur theologischen Abschlussprüfung<br />

(Diplom)“, die <strong>im</strong> November 2003 am Fachbereich Katholische Theologie<br />

der Johannes Gutenberg – Universität <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z e<strong>in</strong>gereicht wurde.<br />

Ma<strong>in</strong>z 2004


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

<strong>Rettungsdienst</strong><br />

„Im Zentrum<br />

der Bemühungen der<br />

Notfallmediz<strong>in</strong> steht<br />

der hilfsbedürftige<br />

Mensch.<br />

Er braucht die<br />

Kompetenz der Helfer<br />

als Vitalfunktionsexperten<br />

und ebenso<br />

ihre persönliche<br />

Zuwendung.“<br />

(SALOMON :<br />

Das Menschenbild , 245)<br />

Geme<strong>in</strong>sam<br />

&<br />

den Menschen<br />

<strong>im</strong> Mittelpunkt<br />

2<br />

Kirche<br />

„Der Mensch also,<br />

der e<strong>in</strong>e<br />

und ganze<br />

Mensch,<br />

mit Leib und Seele,<br />

Herz und Gewissen,<br />

Vernunft und Willen<br />

steht <strong>im</strong><br />

Mittelpunkt<br />

unserer<br />

Ausführungen.“<br />

(ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL:<br />

Gaudium et spes, Nr. 3)<br />

Die Abbildung zeigt e<strong>in</strong>en Ausschnitt e<strong>in</strong>er byzant<strong>in</strong>ischen Buchmalerei <strong>im</strong> Codex Rossanensis<br />

aus dem 6. Jahrhundert (Museo Civico Rossano, Kalabrien). Es ist die älteste bekannte bildliche<br />

Darstellung des Gleichnisses vom Barmherzigen Samariter (vgl. METZSCH: Menschen helfen<br />

Menschen, 76f).


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

3<br />

Seite<br />

Vorwort 7<br />

I EINLEITUNG<br />

1 E<strong>in</strong>e erste Begegnung von <strong>Rettungsdienst</strong> und Kirche 8<br />

2 Zielsetzung, Gegenstand, Methode und Disposition der Arbeit 10<br />

2.1 Zur Zielsetzung 10<br />

2.2 Zum Gegenstand 10<br />

2.3 Zur Methode 10<br />

2.4 Zur Disposition 11<br />

II KRITERIOLOGIE – Aufgaben der Kirche und ihre Umsetzung<br />

1 E<strong>in</strong>führung 13<br />

2 Theologische Grundlegung: Ort und Auftrag der Kirche bei Krisen 13<br />

2.1 Kriterien <strong>in</strong> der Heiligen Schrift 13<br />

2.1.1 Jesus als Retter und Heiland (Mt 8,1-4 u. a.) 13<br />

2.1.2 Gebot der Gottes- und Nächstenliebe (Lk 10,25-37) 15<br />

2.1.3 Werke der Barmherzigkeit (Mt 25,31-40) 17<br />

2.1.4 Apostolische Diakonie und Krisen<strong>in</strong>tervention (Apg 9,36-42) 19<br />

2.1.5 Trost durch die Getrösteten (2 Kor 1,3-5) 20<br />

2.1.6 Tragende Hoffnung (1 Petr 3,15b.16a) 20<br />

2.1.7 Alttestamentliche Lebenskunst (Sir 7,33-36) 21<br />

2.2 Kriterien <strong>in</strong> der kirchlichen Tradition 22<br />

2.2.1 Kirche als Instrument Christi 22<br />

2.2.2 Pr<strong>in</strong>zipien der christlichen Geme<strong>in</strong>de 23<br />

2.2.2.1 Mystik 23<br />

2.2.2.1.1 Leiturgia 24<br />

2.2.2.1.2 Martyria 24<br />

2.2.2.2 Ko<strong>in</strong>onia 25<br />

2.2.2.3 Diakonia 25<br />

2.2.3 Zusammenarbeit mit anderen Menschen und Organisationen 26<br />

2.3 Zusammenfassung 27


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3 Aktuelle Praxis der Kirche 28<br />

3.1 <strong>Notfallseelsorge</strong> 29<br />

3.1.1 Erste Begriffsbest<strong>im</strong>mung und Unterscheidungen 29<br />

3.1.1.1 <strong>Kirchliche</strong> <strong>Notfallseelsorge</strong> 29<br />

3.1.1.2 Krisen<strong>in</strong>tervention des <strong>Rettungsdienst</strong>es 32<br />

3.1.1.3 Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen 34<br />

3.1.1.4 <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> 35<br />

3.1.2 Entwicklungsgeschichte der <strong>Notfallseelsorge</strong> 36<br />

3.1.3 Auswahl, Ausbildung und Fortbildung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn 38<br />

3.1.4 Ausstattung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn 40<br />

3.1.5 Erwartungen der <strong>Notfallseelsorge</strong> an den <strong>Rettungsdienst</strong> 41<br />

3.1.6 Aktuelle Praxis <strong>im</strong> Bistum Ma<strong>in</strong>z 41<br />

3.1.6.1 Rahmenordnung für die <strong>Notfallseelsorge</strong> 41<br />

3.1.6.2 <strong>Notfallseelsorge</strong>-E<strong>in</strong>richtungen 43<br />

3.2 <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> 44<br />

3.3 Geme<strong>in</strong>deebene 46<br />

3.4 Zusammenfassung 47<br />

III KAIROLOGIE – „Zeichen der Zeit“ <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

1 E<strong>in</strong>führung 49<br />

2 Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es 50<br />

2.1 Geschichte des Helfens: Von den Anfängen zur Professionalität 50<br />

2.2 Organisatorische Grundlagen 52<br />

2.2.1 Allgeme<strong>in</strong>e Organisation 52<br />

2.2.2 E<strong>in</strong>satzarten 55<br />

2.2.3 Qualifikationen, Aus- und Fortbildungen 56<br />

2.2.4 Rettungsmittel 58<br />

2.2.5 Gesetzliche Best<strong>im</strong>mungen 59<br />

3 Arbeitsplatz <strong>Rettungsdienst</strong> 60<br />

3.1 Personal <strong>in</strong> Zahlen 60<br />

3.2 Motivation des Personal 61<br />

3.3 Spannung zwischen Klischee und Wirklichkeit 62<br />

4


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3.4 Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen 63<br />

3.4.1 Arbeitszeiten und Vergütung 63<br />

3.4.2 Belastungen und Gefahren 64<br />

3.4.2.1 Physische und psychische Belastungen und Gefahren 64<br />

3.4.2.2 Besonders belastende E<strong>in</strong>sätze 67<br />

3.4.2.2.1 Rean<strong>im</strong>ation 67<br />

3.4.2.2.2 K<strong>in</strong>dernotfall 69<br />

3.4.2.2.3 Massenanfall an Verletzten 71<br />

3.4.2.3 Helfersyndrom und Burnout-Gefahr 73<br />

3.4.3 Zufriedenheit und Befürchtungen des Personals 74<br />

3.5 Konkretes Beispiel: Rettungswache <strong>in</strong> Großkrotzenburg 76<br />

4 Mensch und Kirche <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> 80<br />

4.1 Menschenbild <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> 80<br />

4.1.1 Konsequenzen <strong>in</strong> der Patientenbetreuung 80<br />

4.1.2 Konsequenzen bei der Fürsorge für die E<strong>in</strong>satzkräfte 82<br />

4.2 Mensch und Kirche bei den Hilfsorganisationen 84<br />

4.2.1 Mit der Kirche verbundene Hilfsorganisationen 85<br />

4.2.1.1 Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. 85<br />

4.2.1.2 Malteser-Hilfsdienst e. V. 86<br />

4.2.2 Andere Hilfsorganisationen 88<br />

4.2.2.1 Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V. 88<br />

4.2.2.2 Deutsches Rotes Kreuz e. V. 89<br />

5 Begegnungen und Zusammenarbeit mit der Kirche 91<br />

5.1 Erfahrungen mit der Kirche 91<br />

5.2 Erwartungen und Wünsche an die Kirche 93<br />

6 Zusammenfassung 94<br />

IV PRAXEOLOGIE – Opt<strong>im</strong>ierung der Praxis<br />

1 E<strong>in</strong>führung 96<br />

2 Handlungs<strong>im</strong>pulse für die kirchliche Praxis 97<br />

2.1 Im Bereich der <strong>Notfallseelsorge</strong> 97<br />

2.1.1 Organisation und Ausstattung der <strong>Notfallseelsorge</strong> 98<br />

5


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

2.1.2 Eignung und Qualifikation der <strong>Notfallseelsorge</strong>r 99<br />

2.2 Im Bereich der <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> 102<br />

2.3 Im Bereich der Stressbearbeitung nach belastenden E<strong>in</strong>sätzen 103<br />

2.4 Im Bereich der Aus- und Fortbildungen <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> 104<br />

2.5 Auf Geme<strong>in</strong>deebene 104<br />

2.5.1 Wohlwollen und gegenseitige Unterstützung 104<br />

2.5.2 <strong>Seelsorge</strong> 106<br />

2.5.3 Liturgie 108<br />

3 Abschließende Überlegungen und Ausblick 109<br />

E<strong>in</strong> letztes Wort: Danke 110<br />

Abbildungsverzeichnis 110<br />

Quellen- und Literaturverzeichnis 111<br />

Abkürzungsverzeichnis 119<br />

� Anhang 1<br />

- Fragebogen NFS (<strong>Notfallseelsorge</strong>), überarbeitet 120<br />

- Fragebogen-Vorlage KID (Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst) 125<br />

- Fragebogen-Vorlage RD (<strong>Rettungsdienst</strong>) 127<br />

� Anhang 2<br />

- <strong>Rettungsdienst</strong>praktikum (Berichte) 129<br />

H<strong>in</strong>weise zu den Anhängen:<br />

Um Rückschlüsse auf die befragten Personen zu vermeiden, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dieser überarbeiten<br />

Ausgabe lediglich die Vorlagen der Fragebögen für den Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst<br />

und <strong>Rettungsdienst</strong> aufgenommen. Aus dem gleichen Grund s<strong>in</strong>d auch<br />

e<strong>in</strong>ige Daten <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>satzberichten <strong>im</strong> Rahmen des <strong>Rettungsdienst</strong>praktikums<br />

verändert worden.<br />

Ich bedanke mich für Ihr Interesse an der vorliegenden Arbeit<br />

und freue mich auch über Rückmeldungen.<br />

Mit herzlichem Gruß<br />

Johannes Zepezauer<br />

(Ernst Barlach - Straße 6, 63456 Hanau, E-mail:Johannes.Zepezauer@gmx.net)<br />

6


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Vorwort<br />

Während me<strong>in</strong>es Theologiestudiums kam es regelmäßig vor, dass das Mart<strong>in</strong>shorn<br />

e<strong>in</strong>es vorbeifahrenden Rettungswagens oder die Rotorgeräusche des Rettungshub-<br />

schraubers Christoph 77 die Vorlesungen kurz unterbrachen. <strong>Rettungsdienst</strong> und Theo-<br />

logie der Kirche s<strong>in</strong>d sich hier kurz und auf ganz eigene Weise begegnet. Auf beiden<br />

Seiten g<strong>in</strong>g und geht es (oft) um das Leben und den Menschen.<br />

Die vorliegende Diplomarbeit <strong>im</strong> Fach Pastoraltheologie soll der Versuch se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e<br />

andere Art der Begegnung zwischen der Theologie beziehungsweise genauer der Kirche<br />

und dem <strong>Rettungsdienst</strong> zu ermöglichen. In der Realität begegnen sich beide schon auf<br />

vielfältige Weise – vor allem durch Christen, die sich haupt- oder ehrenamtlich <strong>in</strong><br />

Hilfsorganisationen engagieren, <strong>in</strong> besonderer Weise auch durch die kirchlich geprägten<br />

Organisationen Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) auf evangelischer und Malteser-<br />

Hilfsdienst (MHD) auf katholischer Seite. An e<strong>in</strong>igen Orten geschieht diese Begegnung<br />

auch durch pastorale Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter, die das Personal von Rettungs-<br />

wachen seelsorglich betreuen oder <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong> aktiv s<strong>in</strong>d, die sich seit e<strong>in</strong>i-<br />

gen Jahren <strong>im</strong>mer mehr <strong>in</strong> Deutschland verbreitet.<br />

Auch ich b<strong>in</strong> nicht ganz unbeteiligt an dieser Begegnung: Durch me<strong>in</strong>en Zivildienst,<br />

den ich auf e<strong>in</strong>er Rettungswache des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) und e<strong>in</strong>er Sozi-<br />

alstation des Caritasverbandes <strong>im</strong> Mobilen Sozialen Hilfsdienst geleistet habe, durfte<br />

ich den <strong>Rettungsdienst</strong> genauer kennen lernen. Seitdem fahre ich gelegentlich als Prak-<br />

tikant auf e<strong>in</strong>em Rettungswagen mit, um Erfahrungen für Betreuungsgespräche und <strong>in</strong><br />

Erste-Hilfe-Maßnahmen zu sammeln. Außerdem ist es mir wichtig geworden, mich ne-<br />

ben me<strong>in</strong>em Studium und der Ausbildung <strong>im</strong> Priestersem<strong>in</strong>ar auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „weltlichen“<br />

Hilfsorganisation zu engagieren, dabei Freude und Geme<strong>in</strong>schaft zu erleben und vor<br />

allem Menschen zu helfen. In dieser Zeit habe ich unterschiedliche Erfahrungen der<br />

Zusammenarbeit und Begegnung zwischen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern von Kir-<br />

che und <strong>Rettungsdienst</strong> erlebt.<br />

Me<strong>in</strong>e Arbeit will e<strong>in</strong>en bescheidenen Beitrag zu e<strong>in</strong>er guten Begegnung mite<strong>in</strong>an-<br />

der leisten und auf Möglichkeiten e<strong>in</strong>er Zusammenarbeit h<strong>in</strong>weisen – zugunsten der<br />

Menschen, sowohl der Hilfsbedürftigen als auch der Helfenden.<br />

Diese Arbeit und das Engagement, die Zeit und Liebe, die ich <strong>in</strong> ihre Entstehung<br />

<strong>in</strong>vestiert habe, widme ich allen Menschen auf der ganzen Welt, die sich <strong>im</strong> Rettungs-<br />

dienst, <strong>in</strong> der Krisen<strong>in</strong>tervention und <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong> für Menschen e<strong>in</strong>setzen,<br />

die dr<strong>in</strong>gend Hilfe für Leib und Seele benötigen.<br />

7


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

I EINLEITUNG<br />

1 E<strong>in</strong>e erste Begegnung von <strong>Rettungsdienst</strong> und Kirche<br />

Es mag vielleicht etwas ungewöhnlich se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Arbeit mit e<strong>in</strong>er Ka-<br />

rikatur zu beg<strong>in</strong>nen; es sei an dieser Stelle dennoch gewagt, weil die folgende Karikatur<br />

des Rettungssanitäters Daniel Lüdel<strong>in</strong>g das zum Ausdruck br<strong>in</strong>gt, worum es <strong>in</strong> dieser<br />

pastoraltheologischen Untersuchung gehen soll:<br />

Zusammenarbeit und Begegnung von <strong>Rettungsdienst</strong> und Kirche<br />

Abb. 1<br />

Lüdel<strong>in</strong>g zeichnet hier (Abbildung 1) po<strong>in</strong>tiert e<strong>in</strong>e erste fiktive Begegnung zwischen<br />

e<strong>in</strong>em <strong>Rettungsdienst</strong>mitarbeiter und e<strong>in</strong>em <strong>Seelsorge</strong>r; die beiden Figuren stehen<br />

gleichsam für den <strong>Rettungsdienst</strong> (RD) und die Kirche.<br />

Es ist e<strong>in</strong>e eigenartige Begegnung; aber <strong>im</strong>merh<strong>in</strong> treffen sich die beiden, Rettungs-<br />

dienstler und <strong>Seelsorge</strong>r. Im Gleichnis beziehungsweise der Beispielerzählung Jesu vom<br />

Barmherzigen Samariter <strong>in</strong> Lk 10,25-37 haben sich sozusagen die Vorfahren von beiden,<br />

jüdischer Priester und Levit auf der e<strong>in</strong>en und helfender Samariter auf der anderen Seite,<br />

noch verpasst. 1 Hier begegnen sie sich nun endlich.<br />

Vielleicht führt sie die geme<strong>in</strong>same Sorge um den Menschen zusammen. Doch ihre Be-<br />

gegnung sche<strong>in</strong>t gestört zu se<strong>in</strong>: Da stehen sich zwar zwei Menschen guten Willens<br />

gegenüber, aber offenbar fällt es ihnen erst e<strong>in</strong>mal nicht ganz so leicht, sich zu begeg-<br />

nen. Beide merken, dass das Gegenüber anders ist als erwartet – anders, als die Vorur-<br />

1 Auf diese Erzählung, mit der Jesus e<strong>in</strong>e Antwort auf die Frage nach dem Nächsten geben wollte, sei<br />

hier nur kurz h<strong>in</strong>gewiesen; unter II, 2.1.2 wird später näher darauf e<strong>in</strong>gegangen. Das Beispiel des<br />

barmherzigen Samariters wurde für viele Menschen und Hilfsorganisationen zu e<strong>in</strong>em Leitbild für<br />

die Nächstenliebe. Durch die unterlassene Hilfeleistung der religiösen Amtspersonen (Priester und<br />

Levit), die vermutlich aus kultischen Gründen und vielleicht auch aus Angst so handeln, wird die<br />

professionelle Hilfe durch den von den Hörern Jesu verachteten Fremden (Samariter) umso mehr e<strong>in</strong><br />

vorbildhaftes Beispiel. Vgl. dazu auch METZSCH: Menschen helfen Menschen, bes. 14-19.<br />

8


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

teile, Klischees und bisherigen Erfahrungen es vorgegeben haben. Sie kennen sich noch<br />

nicht – zum<strong>in</strong>dest nicht richtig.<br />

Der <strong>Rettungsdienst</strong>ler hatte e<strong>in</strong>en von der Welt abgehobenen, engels- und heiligenglei-<br />

chen <strong>Seelsorge</strong>r erwartet, der vor allem Kirchenlieder, fromme Bücher und Sprüche <strong>im</strong><br />

Kopf hat, dessen Arbeitsplatz geradezu h<strong>im</strong>mlisch (abgehoben von der Welt) und ver-<br />

klärt zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t. 2 Nun erlebt der Mann <strong>in</strong> E<strong>in</strong>satzkleidung aber e<strong>in</strong>en ebenso auf der<br />

Erde stehenden Menschen, der ihm die Hand reichen will und auf den ersten Blick e<strong>in</strong>en<br />

freundlichen und sympathischen E<strong>in</strong>druck macht.<br />

Auch der <strong>Seelsorge</strong>r <strong>im</strong> Talar hat e<strong>in</strong>e Vorstellung vom RD-Mitarbeiter, die nicht ad-<br />

äquat dem Menschen entspricht, der ihm jetzt begegnet. Se<strong>in</strong>e Gedanken s<strong>in</strong>d von Kli-<br />

schees geprägt, die e<strong>in</strong>em <strong>Rettungsdienst</strong>ler nicht selten zugeordnet werden: sche<strong>in</strong>bar<br />

gefühllos, unerschütterlich, cool (mit Sonnenbrille), geradezu blutrünstig steht er <strong>in</strong> der<br />

Gedankenblase mit e<strong>in</strong>er Spritze und dem Laryngoskop für die Intubation <strong>in</strong> den Hän-<br />

den. Se<strong>in</strong> Arbeitsplatz gleicht e<strong>in</strong>em Schlachtfeld voll Blut, Knochen und Feuerflam-<br />

men.<br />

Karikaturen überzeichnen von ihrer Art her – und so ist es auch hier. Aber sie stellen<br />

dadurch e<strong>in</strong> Stück der Realität umso treffender dar: Menschen haben Vorurteile gegen-<br />

über anderen Menschen, die die Begegnungen mit ihnen beh<strong>in</strong>dern oder gar verh<strong>in</strong>dern.<br />

Sie übertragen Erfahrungen, die sie mit dem Vertreter e<strong>in</strong>er (Berufs-) Gruppe gemacht<br />

haben, leicht auf alle, die dieser Gruppe angehören.<br />

Bei der Begegnung zwischen RD und Kirche schw<strong>in</strong>gt das alles mit. Persönliche Erfah-<br />

rungen und auch Klischees bee<strong>in</strong>flussen das Zusammentreffen entweder positiv oder<br />

negativ, denn hier begegnen sich nicht nur zwei Institutionen, sondern lebendige Men-<br />

schen mit Emotionen.<br />

Es gilt also, e<strong>in</strong>ander besser kennen zu lernen. In der Realität ist dies bereits an vielen<br />

Orten auf gute Weise geschehen. Vertreter<strong>in</strong>nen und Vertreter auf beiden Seiten haben<br />

dazu beigetragen.<br />

In dieser Diplomarbeit soll nun e<strong>in</strong>e weitere Begegnung auf e<strong>in</strong>er anderen, theoretischen<br />

Ebene stattf<strong>in</strong>den, damit der <strong>Seelsorge</strong>r nicht nur <strong>in</strong> der Karikatur e<strong>in</strong>e realistische Vor-<br />

stellung vom RD bekommt und beide Seiten die Chancen e<strong>in</strong>er guten Zusammenarbeit<br />

erkennen und sich kollegial oder freundschaftlich begegnen können.<br />

2 Vgl. dazu auch SADOWSKI: Warum arbeiten Theologen <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 534. Vgl. ferner<br />

ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 54f und vgl. auch WIETERSHEIM: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 139.<br />

9


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

2 Zielsetzung, Gegenstand, Methode und Disposition der Arbeit<br />

2.1 Zur Zielsetzung<br />

Das vorrangige Ziel dieser Diplomarbeit <strong>im</strong> Fach Pastoraltheologie soll se<strong>in</strong>, die Zu-<br />

sammenarbeit der Kirche mit dem RD zu untersuchen.<br />

Diese Arbeit will und soll die Kirche und ihre Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

sensibilisieren und ermutigen, <strong>in</strong> der pastoralen Praxis sowohl Menschen <strong>in</strong> Krisensi-<br />

tuationen als auch das RD-Personal nicht aus dem Blick zu verlieren und Chancen des<br />

Zusammenwirkens mit den Hilfsorganisationen wahrzunehmen.<br />

2.2 Zum Gegenstand<br />

Gegenstand der Arbeit s<strong>in</strong>d Erfahrungen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwi-<br />

schen RD 3 und Kirche <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland. Neben dem Zusammenwir-<br />

ken auf dem Gebiet der Krisen<strong>in</strong>tervention und <strong>Notfallseelsorge</strong> soll auch auf weitere<br />

Bereiche der Pastoral e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

Die vorliegenden Untersuchungen behandeln e<strong>in</strong>en Ausschnitt der kirchlichen Praxis,<br />

vor allem <strong>im</strong> Bereich der <strong>Seelsorge</strong>, und s<strong>in</strong>d deshalb der Diszipl<strong>in</strong> Pastoraltheologie<br />

zuzuordnen, die ja auch als „<strong>Seelsorge</strong>-Theologie“ 4 bezeichnet wird.<br />

2.3 Zur Methode<br />

In der pastoraltheologischen Perspektive werden theologische und notfallmediz<strong>in</strong>ische<br />

Fachliteratur, kirchliche Dokumente und die normativen Leitbilder der Hilfsorganisa-<br />

tionen analysiert.<br />

Ebenso werden empirische Daten e<strong>in</strong>bezogen, um neben der wissenschaftlichen Litera-<br />

tur auch <strong>in</strong> den Erfahrungen und Gedanken der Menschen zu lesen. Neben persönlichen<br />

Erfahrungen des Verfassers werden auch ausgewertete Antworten aus Fragebögen e<strong>in</strong>-<br />

bezogen. Diese Fragebögen wurden <strong>in</strong> drei verschiedenen Fassungen für den Krisen<strong>in</strong>-<br />

terventionsdienst des <strong>Rettungsdienst</strong>es (KID), die <strong>Notfallseelsorge</strong> (NFS) und den Ret-<br />

tungsdienst (RD) konzipiert und <strong>im</strong> August und September 2003 zur Beantwortung an<br />

fünf RD-Mitarbeiter 5 , an e<strong>in</strong>e Krisen<strong>in</strong>terventionshelfer<strong>in</strong> des <strong>Rettungsdienst</strong>es und drei<br />

3 Dabei wird der Schwerpunkt auf den vier großen Hilfsorganisationen liegen, die sich <strong>in</strong> der Bundesrepublik<br />

<strong>im</strong> RD engagieren: der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), das Deutsche Rote Kreuz (DRK),<br />

die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und der Malteser-Hilfsdienst (MHD).<br />

4 SCHMID: Die Praxis als Ort der Theologie, 104.<br />

5 Von diesen waren zur Zeit der Befragung zwei Personen hauptamtlich (jeweils männlich) und drei<br />

ehrenamtlich (e<strong>in</strong>e Frau und zwei Männer) <strong>im</strong> RD und auf derselben Rettungswache aktiv.<br />

10


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r ausgegeben, die zuvor ihre Bereitschaft zur Teilnahme bekundet hat-<br />

ten.<br />

Bei der Auswahl der Personen wurde ke<strong>in</strong> besonderes Verfahren angewendet. Dennoch<br />

sollen zu den Befragten folgende Anmerkungen festgehalten werden: Bei den Mitar-<br />

beitern des <strong>Rettungsdienst</strong>es wurden bewusst zwei Personen e<strong>in</strong>bezogen, von denen<br />

bekannt war, dass sie negative Erfahrungen bei E<strong>in</strong>sätzen <strong>in</strong> Kirchen gesammelt haben,<br />

um auch solche negativen Begegnungen dem Leser vor Augen führen zu können. Die<br />

KID-Mitarbeiter<strong>in</strong> leitet e<strong>in</strong> KID-Team, das seit mehr als fünf Jahren aktiv ist und mit<br />

der kirchlichen NFS zusammenarbeitet. Bei den Mitarbeitern der NFS wurden zwei<br />

katholische Priester und e<strong>in</strong> evangelischer Pfarrer gewählt, die unterschiedliche und<br />

besondere Erfahrungen auf diesem Gebiet e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen: e<strong>in</strong> Dechant, der als Notfallseel-<br />

sorger be<strong>im</strong> Zugunglück <strong>in</strong> Eschede (1998) tätig gewesen ist, e<strong>in</strong> Kaplan, der persönlich<br />

<strong>im</strong> RD aktiv ist, und e<strong>in</strong> evangelischer Pastor.<br />

Die gewählten Personen wurden gebeten, ihre Antworten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Datei mit den Fragen<br />

e<strong>in</strong>zufügen. Im Gegensatz zu e<strong>in</strong>em Interview konnte durch dieses Vorgehen die Zeit<br />

der Bearbeitung von den Personen selbst gewählt und e<strong>in</strong>geteilt werden.<br />

Von den neun ausgeteilten Bögen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt fünf Bögen <strong>in</strong>nerhalb der vere<strong>in</strong>barten<br />

Zeit von sieben Wochen zurückgesandt worden: dre<strong>im</strong>al RD (von fünf) und jeweils<br />

e<strong>in</strong>mal KID (von e<strong>in</strong>em) und NFS (von drei). 6<br />

Die Bögen aus den Bereichen RD und KID s<strong>in</strong>d bewusst anonym gehalten, um Rück-<br />

schlüsse auf Personen und Orte zu vermeiden und möglichst authentische Antworten zu<br />

fördern. Die Namen von Dritten s<strong>in</strong>d bei allen Angaben anonymisiert worden.<br />

Bei der Erhebung der Fragebögen geht es nicht um e<strong>in</strong>e quantitative und repräsentative<br />

Umfrage, sondern um die Ermittlung von exemplarischen Erfahrungen und Me<strong>in</strong>ungen.<br />

An geeigneten Stellen der vorliegenden Untersuchungen werden Aussagen aus den Bö-<br />

gen übernommen oder auf entsprechende Antworten verwiesen. 7<br />

2.4 Zur Disposition<br />

Nach der E<strong>in</strong>leitung (I) wird <strong>in</strong> drei Schritten vorgegangen werden, die mit den Term<strong>in</strong>i<br />

Kriteriologie (II), Kairologie (III) und Praxeologie (IV) überschrieben s<strong>in</strong>d. 8<br />

6 Hier lässt sich weiter unterscheiden: Vom RD haben zwei hauptamtliche (RD 1 u. RD 3) und e<strong>in</strong><br />

ehrenamtlicher Mitarbeiter (alle männlich) ihre Antworten zurückgesandt. Alle weiteren Angaben zu<br />

diesen und den anderen Personen (über Alter, Ausbildung usw.) s<strong>in</strong>d den e<strong>in</strong>zelnen Fragebögen zu<br />

entnehmen (vgl. Anhang 1 – jedoch nicht <strong>in</strong> dieser überarbeiteten und gekürzten Ausgabe!).<br />

11


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Folgende Aspekte sollen bei diesem Dreischritt berücksichtigt werden:<br />

� Im ersten Schritt, der Kriteriologie, sollen die Kriterien der Kirche für den zu<br />

untersuchenden Bereich, ihre Aufgaben und Ziele, vorgestellt werden. Zu-<br />

nächst gilt es zu begründen, warum die Kirche ihren Ort und ihre Aufgabe<br />

(auch und besonders) bei Menschen <strong>in</strong> Not- und Krisensituationen hat und<br />

ebenso bei den Menschen, die sich <strong>im</strong> RD um diese kümmern. Danach werden<br />

die <strong>Notfallseelsorge</strong> und weitere Bereiche vorgestellt, <strong>in</strong> denen Kirche und RD<br />

bereits zusammenarbeiten und sich regelmäßig begegnen.<br />

� Die Kairologie hat die Aufgabe, die aktuelle „Situation“ zu erforschen und <strong>in</strong><br />

ihr die „Zeichen der Zeit“ 9 zu suchen, um Handlungs<strong>im</strong>pulse für die zukünfti-<br />

ge Praxis der Kirche aufzeigen zu können. Für die Untersuchungen bedeutet<br />

das, den Bereich des <strong>Rettungsdienst</strong>es mit se<strong>in</strong>en verschiedenen Facetten vor-<br />

zustellen und se<strong>in</strong>e Erwartungen gegenüber der Kirche wahrzunehmen.<br />

� In der Praxeologie sollen schließlich aus den bisherigen Untersuchungen Kon-<br />

sequenzen für die zukünftige Praxis der Kirche <strong>im</strong> Bereich der Zusammenar-<br />

beit mit dem RD gezogen und Möglichkeiten e<strong>in</strong>er „Praxisopt<strong>im</strong>ierung“ 10 dar-<br />

gestellt werden. Mit e<strong>in</strong>em Resümee soll diese Diplomarbeit abgeschlossen<br />

werden. 11<br />

Um e<strong>in</strong>e leichtere Lesbarkeit zu ermöglichen, wird <strong>in</strong> der Regel ausschließlich die<br />

männliche Form verwendet. 12 Spezifische Abkürzungen werden bei der ersten Verwen-<br />

dung ausgeschrieben und s<strong>in</strong>d <strong>im</strong> Abkürzungsverzeichnis noch e<strong>in</strong>mal aufgeschlüsselt.<br />

Ferner werden <strong>in</strong> den Fußnoten bei den Literaturangaben nur die <strong>im</strong> Quellen- und Lite-<br />

raturverzeichnis kursiv gedruckten Kurztitel und die <strong>in</strong> Kapitälchen geschriebenen Na-<br />

men (der Autoren beziehungsweise der Herausgeber o. ä.) verwendet.<br />

7<br />

In der Fußnote werden dann der entsprechende Bogen bzw. die Bögen angegeben; <strong>in</strong> der Klammer<br />

dah<strong>in</strong>ter ist die jeweilige Nummer (der Antwort bzw. Antworten) auf dem Bogen vermerkt. Es lohnt<br />

sich aber auch, die beantworteten Fragebögen als solche zu studieren.<br />

8<br />

Zur Verwendung der genannten Term<strong>in</strong>i bei Zulehner vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 15.<br />

9<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 4. Vgl. ferner Lk 12,54-57.<br />

10<br />

ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 37. Vgl. dazu auch das kybernetische Handlungsmodell von<br />

Rolf Zerfaß bei ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 37-39.<br />

11<br />

E<strong>in</strong>e weitere Beschreibung der Vorgehensweise erfolgt <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>führung zu Beg<strong>in</strong>n des jeweiligen<br />

Schrittes.<br />

12<br />

Der Verfasser bittet höflich darum, die weibliche Form <strong>im</strong>mer mitgeme<strong>in</strong>t zu verstehen.<br />

12


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

1 E<strong>in</strong>führung<br />

II KRITERIOLOGIE<br />

– Aufgaben der Kirche und ihre Umsetzung –<br />

In diesem ersten Schritt, der Kriteriologie, soll das Fundament dieser Untersuchung<br />

gelegt werden. Es gilt, die Kriterien, Aufgaben und Ziele der Kirche zu prüfen und fest-<br />

zustellen, warum die Kirche e<strong>in</strong>en Handlungsort bei Menschen <strong>in</strong> Krisensituationen hat<br />

und e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit mit dem RD sich von ihrer Seite aus anbietet.<br />

Anhand der überlieferten Offenbarung Gottes <strong>in</strong> der Heiligen Schrift und <strong>in</strong> der kirchli-<br />

chen Tradition sollen geeignete Kriterien gefunden werden, die der Treue der Kirche zu<br />

Gott und se<strong>in</strong>er Botschaft entsprechen und den Handlungsort der Kirche begründen.<br />

Nach dieser theologischen Grundlegung wird dann e<strong>in</strong> Blick auf die aktuelle Praxis der<br />

Kirche geworfen. Dazu werden die <strong>Notfallseelsorge</strong> und weitere Bereiche, <strong>in</strong> denen sich<br />

Kirche und RD begegnen und auch zusammenwirken, vorgestellt.<br />

2 Theologische Grundlegung: Ort und Auftrag der Kirche bei Krisen<br />

2.1 Kriterien <strong>in</strong> der Heiligen Schrift<br />

Im Folgenden werden <strong>in</strong> sieben Unterpunkten e<strong>in</strong>ige Perikopen und Worte aus der Hei-<br />

ligen Schrift herangezogen, von denen sich Aussagen ableiten lassen, welchen Ort und<br />

welche Aufgaben die Kirche, das von Gott (heraus-) gerufene Volk <strong>in</strong> der Nachfolge<br />

Jesu, e<strong>in</strong>zunehmen und zu erfüllen hat, wenn sie den ihr vorgegebenen Spuren treu se<strong>in</strong><br />

will. 13<br />

2.1.1 Jesus als Retter und Heiland (Mt 8,1-4 u. a.)<br />

1 Als Jesus von dem Berg herabstieg, folgten ihm viele Menschen. 2 Da kam e<strong>in</strong> Aussätziger,<br />

fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, wenn du willst, kannst du machen, daß ich re<strong>in</strong> werde.<br />

3 Jesus streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es – werde re<strong>in</strong>! Im gleichen<br />

Augenblick wurde der Aussätzige re<strong>in</strong>. 4 Jesus aber sagte zu ihm: N<strong>im</strong>m dich <strong>in</strong> acht! Erzähl<br />

niemand davon, sondern geh, zeig dich dem Priester und br<strong>in</strong>g das Opfer dar, das Mose angeordnet<br />

hat. Das soll für sie e<strong>in</strong> Beweis (de<strong>in</strong>er Heilung) se<strong>in</strong>. (Mt 8,1-4)<br />

13 Sicher s<strong>in</strong>d diese Bibeltexte nicht die e<strong>in</strong>zigen, die hier angeführt werden können. Der vorgegebene<br />

Rahmen dieser Arbeit möge aber diese Beschränkung und e<strong>in</strong> nicht re<strong>in</strong> exegetisches Vorgehen entschuldigen.<br />

Die wichtigsten Ergebnisse aus II, 2.1 (Hl. Schrift) und II, 2.2 (kirchliche Tradition) werden<br />

<strong>in</strong> II, 2.3 kurz zusammengefasst.<br />

13


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

In dieser Perikope, die sich an die Bergpredigt anschließt, begegnet Jesus e<strong>in</strong>em Aus-<br />

sätzigen. 14 Dieser Aussätzige ist e<strong>in</strong> Mensch, der durch se<strong>in</strong>e Krankheit zum Tod ver-<br />

urteilt ist und dessen Heilung der Auferweckung e<strong>in</strong>es Toten gleichkommen würde. 15<br />

Neben der physischen Krankheit belastet ihn zudem auch die soziale Isolation; denn für<br />

die Gesellschaft ist er aufgrund se<strong>in</strong>er Krankheit e<strong>in</strong>em Toten vergleichbar. Ke<strong>in</strong>er will<br />

und darf etwas mit ihm zu tun haben.<br />

Jesus steigt vom Berg herab und geht zu diesem Menschen, der sich <strong>im</strong> tiefsten Tal des<br />

Lebens, mitten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schweren Krise bef<strong>in</strong>det. Dieser kranke Mann vertraut auf die<br />

Hilfe von Jesus. Und der Menschensohn, so schildert es der Evangelist Markus <strong>in</strong> der<br />

älteren Parallelerzählung (Mk 1,40-45), „hatte Mitleid“ (Mk 1,41) mit dem Aussätzigen.<br />

Genauer übersetzt „erregt “16 ihn dessen Schicksal, es geht ihm an das Herz; 17 Jesus lei-<br />

det also mit diesem Menschen.<br />

Jesus tritt aber auch für ihn e<strong>in</strong>: Er berührt ihn und spricht zu dem Ausgegrenzten. Er<br />

schenkt ihm das Ansehen wieder, das dieser Kranke verloren hatte, und die Zuwendung,<br />

die dieser lange vermisst hatte. Jesus heilt also nicht nur die körperliche Krankheit, son-<br />

dern geht auch auf die seelischen Bedürfnisse dieses Menschen e<strong>in</strong>. 18 Jesus wird so zum<br />

Heiland für Leib und Seele 19 und schenkt ihm e<strong>in</strong>en Ort zum Heilwerden, e<strong>in</strong> „Heil-<br />

Land“ 20 . So kann dieser wieder une<strong>in</strong>geschränkt am Leben des Volkes teilnehmen. 21<br />

E<strong>in</strong> weiterer Blick soll auf die Menschen gelenkt werden, die Jesus vom Berg „folgten“<br />

(Mt 8,1). Dieses Leitverb „kennzeichnet sie als potentielle Kirche“ 22 . Wer Jesus nach-<br />

14<br />

Die Parallelstellen zu Mt 8,1-4 f<strong>in</strong>den sich bei Mk 1,40-45 und Lk 5,12-16. Zu Mt 8,1-4 vgl. auch<br />

ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 16-24 und vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 71-76.<br />

15<br />

Vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 9 (dort Anm. 8).<br />

16<br />

Übersetzung bei PESCH: Das Markusevangelium, 141; <strong>im</strong> Griechischen heißt es: „sp?a????s?e?? “.<br />

17<br />

Mt und Lk lassen diese Gemütsbewegung wahrsche<strong>in</strong>lich weg, um die Souveränität Jesu nicht zu<br />

schmälern (vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 10). Aus heutiger, humanistisch aufgeklärter<br />

Sicht machen aber gerade diese Gefühle Jesus sympathisch, ja sogar souverän. Auch JHWH lässt<br />

sich u. a. <strong>in</strong> Ex 3,7-10 von den Schreien se<strong>in</strong>es leidenden Volkes berühren und hat Mitleid. „Gott ist<br />

leidempf<strong>in</strong>dlich“ (ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 128) und greift rettend e<strong>in</strong>.<br />

18<br />

In der Auslegungsgeschichte der Kirche wurde der Aussatz oft als Synonym für die tödliche Sünde<br />

angesehen, so zum Beispiel bei August<strong>in</strong>us und Johannes Calv<strong>in</strong>. Die Heilung des Körpers und deren<br />

soziale D<strong>im</strong>ension wurden bis zum Humanismus und der Aufklärung oft übersehen. Vgl. LUZ: Das<br />

Evangelium nach Matthäus, 11.<br />

19<br />

Die Liturgiekonstitution bezeichnet Jesus <strong>in</strong> Anlehnung an e<strong>in</strong> Zitat des Ignatius von Antiochien als<br />

„den Arzt für Leib und Seele“. (ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Sacrosanctum Concilium, Nr. 5.)<br />

20<br />

Das Wortspiel „Heil-Land“ stammt von Markus Beranek. Vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral,<br />

75. Ebenso muss auch die Kirche <strong>in</strong> der Nachfolge Jesu e<strong>in</strong> Ort se<strong>in</strong>, an dem sich Heilung ereignet<br />

und Menschen He<strong>im</strong>at f<strong>in</strong>den. Vgl. hierzu ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 90-94.<br />

21<br />

Vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 74.<br />

22<br />

LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 9.<br />

14


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

folgen will, geht ihm h<strong>in</strong>terher, beobachtet se<strong>in</strong>e Praxis, schaut ihm sozusagen auf die<br />

F<strong>in</strong>ger und handelt auf Jesu Weise heilend an den Menschen. 23<br />

Das Vorbild Jesu ist also entscheidend für die kirchliche Praxis. Jesus, so schildern die<br />

Evangelien, heilt Menschen von ihren körperlichen und seelischen Krankheiten und<br />

setzt sich dabei auch über Grenzen religiöser oder geographischer Art h<strong>in</strong>weg (vgl. Joh<br />

4,1-26 und Mk 7,24-30). Er wendet sich Menschen zu, die trauern (Mk 5,35-43 u. a.).<br />

Es geht Jesus <strong>im</strong>mer um den Menschen, um den ganzen Menschen. Deshalb n<strong>im</strong>mt er<br />

zum Beispiel auch e<strong>in</strong>en Taubstummen „beiseite, von der Menge weg“ (Mk 7,33) und<br />

schützt ihn so vor neugierigen und schaulustigen Blicken. Gerade weil es Jesus um den<br />

Menschen geht, stellt er auch e<strong>in</strong> (schutzloses und unbeachtetes) K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die Mitte (vgl.<br />

Mt 18,2 und Mk 9,36) und geht den Verlorenen nach (vgl. Mk 9,12 und Mk 18,12-14).<br />

Jesus sorgt sich um alle Menschen, von den K<strong>in</strong>dern bis zu den Sterbenden und sogar<br />

den Toten, von den Suchenden bis zu den Verzweifelten und Verlorengegangenen.<br />

Von Jesus lässt sich auch lernen, dass er sich für sich selbst und se<strong>in</strong>e von ihrer Mission<br />

zurückgekehrten Apostel Zeit n<strong>im</strong>mt, um sich mit ihnen abseits der Menge über ihr Tun<br />

auszutauschen, geme<strong>in</strong>sam Kraft zu schöpfen und zu beten (vgl. Lk 9,10 und Lk 9,18). 24<br />

Abschließend kann also festgehalten werden, dass Jesus e<strong>in</strong> wahrer Meister des Heilens<br />

und Rettens ist, das den ganzen Menschen umfasst und Leben <strong>in</strong> Fülle (vgl. Joh 10,10)<br />

verheißt. Er ist der verwundete Arzt, der für uns Menschen durch die Krisen, Leiden<br />

und Nöte des menschlichen Lebens bis <strong>in</strong> den Tod h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> gegangen ist und der sie<br />

überwunden hat. Jesus ist also das Vorbild schlechth<strong>in</strong> für alle, die anderen Menschen<br />

helfen wollen.<br />

2.1.2 Gebot der Gottes- und Nächstenliebe (Lk 10,25-37)<br />

25 Da stand e<strong>in</strong> Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Meister,<br />

was muß ich tun, um das ewige Leben zu gew<strong>in</strong>nen? 26 Jesus sagte zu ihm: Was steht<br />

<strong>im</strong> Gesetz? Was liest du dort? 27 Er antwortete: Du sollst den Herrn, de<strong>in</strong>en Gott, lieben mit<br />

ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all de<strong>in</strong>er Kraft und all de<strong>in</strong>en Gedanken, und: De<strong>in</strong>en<br />

Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. 28 Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet.<br />

Handle danach, und du wirst leben. 29 Der Gesetzeslehrer wollte se<strong>in</strong>e Frage rechtfertigen<br />

und sagte zu Jesus: Und wer ist me<strong>in</strong> Nächster? 30 Darauf antwortete ihm Jesus: E<strong>in</strong><br />

Mann g<strong>in</strong>g von Jerusalem nach Jericho h<strong>in</strong>ab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten<br />

ihn aus und schlugen ihn nieder; dann g<strong>in</strong>gen sie weg und ließen ihn halbtot liegen.<br />

31 Zufällig kam e<strong>in</strong> Priester denselben Weg herab; er sah ihn und g<strong>in</strong>g weiter. 32 Auch e<strong>in</strong><br />

23 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 22-24 und vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral,<br />

75f. Zulehner verweist dabei auf e<strong>in</strong>e Darstellung der Perikope <strong>im</strong> so genannten Codex Echternach,<br />

<strong>in</strong> der die nachfolgende Kirche durch zwei Apostel (vermutlich Petrus und Johannes) und dann auch<br />

durch Zeitgenossen des Malers, erkennbar an der entsprechenden Kleidung, dargestellt wird. Das<br />

Bild sagt also, dass die Praxis Jesu für die Kirche von damals und auch von heute e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

und entscheidende Bedeutung hat.<br />

24 Für diesen H<strong>in</strong>weis bedanke ich mich bei Joach<strong>im</strong> Michalik.<br />

15


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und g<strong>in</strong>g weiter. 33 Dann kam e<strong>in</strong> Mann aus Samarien,<br />

der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid, 34 g<strong>in</strong>g zu ihm h<strong>in</strong>, goß Öl und We<strong>in</strong><br />

auf se<strong>in</strong>e Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf se<strong>in</strong> Reittier, brachte ihn zu e<strong>in</strong>er<br />

Herberge und sorgte für ihn. 35 Am andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem<br />

Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen,<br />

wenn ich wiederkomme. 36 Was me<strong>in</strong>st du: Wer von diesen dreien hat sich als der<br />

Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde? 37 Der Gesetzeslehrer<br />

antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh<br />

und handle genauso! (Lk 10,25-37)<br />

Der barmherzig und hilfsbereit handelnde Samariter, den Jesus <strong>in</strong> dieser bekannten Bei-<br />

spielgeschichte <strong>im</strong> Rahmen e<strong>in</strong>es Streitgespräches mit e<strong>in</strong>em Gesetzeslehrer schildert,<br />

ist zum „Kernbild der christlichen Ethik“ 25 geworden. 26<br />

Der Ausgangspunkt für diese Geschichte Jesu ist die Frage e<strong>in</strong>es Schriftgelehrten: „Und<br />

wer ist me<strong>in</strong> Nächster?“ (Lk 10,29b). Jesus erzählt darauf von e<strong>in</strong>em Mann, der <strong>im</strong> Wadi<br />

Quilt zwischen Jerusalem und Jericho unterwegs war und überfallen wurde. E<strong>in</strong> Priester<br />

und e<strong>in</strong> Levit, die nache<strong>in</strong>ander an dem Schwerverletzten vorüberg<strong>in</strong>gen, sahen diesen<br />

Hilflosen zwar, beachteten ihn aber nicht.<br />

Jesus selbst spricht nicht von den Gründen dieser jüdischen Kultbeamten für die unter-<br />

lassene Hilfeleistung. Heute wird dieses Fehlverhalten oft mit der Bewahrung kultischer<br />

Re<strong>in</strong>heit, mit Erfahrungsmangel <strong>im</strong> Umgang mit Verletzten oder mit bloßer Angst zu<br />

erklären versucht. 27 Statt ihren Gottesdienst <strong>im</strong> Tempel mit der Nächstenliebe zu ver-<br />

b<strong>in</strong>den, unterlassen die beiden Männer das geforderte barmherzige Handeln. 28 Ihr passi-<br />

ves Vorübergehen ist „unentschuldbar“ 29 , ist unbegründbar und provoziert.<br />

E<strong>in</strong> Samariter, für die jüdischen Hörer Jesu e<strong>in</strong> Fremder und Verachteter, kam als dritte<br />

Person an dem schwer verletzten Mann vorbei. Auch er sah ihn, aber er g<strong>in</strong>g nicht vor-<br />

über. Er hatte – ebenso wie Jesus bei dem Aussätzigen <strong>in</strong> Mk 1,40-45 – Mitleid mit die-<br />

sem Menschen. François Bovon übersetzt: Der Samariter „war <strong>im</strong> Innersten berührt“ 30 ,<br />

so dass e<strong>in</strong>e Beziehung zwischen den beiden Menschen entstehen konnte. 31 Der Sama-<br />

riter war sensibel für das Leid des Überfallenen, der vermutlich bewusstlos am Weg lag.<br />

25 WIETERSHEIM: Der barmherzige Samariter, 36. Später wird <strong>in</strong> der Kairologie darauf e<strong>in</strong>gegangen,<br />

welche wesentliche Bedeutung diese Perikope für die Hilfsorganisationen hat.<br />

26 Zu Lk 10,25-37 vgl. auch METZSCH: Menschen helfen Menschen, bes. 8-27 und vgl. auch WIE-<br />

TERSHEIM: Der barmherzige Samariter, 35f und vgl. auch REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 53f.<br />

27 Vgl. METZSCH: Menschen helfen Menschen, 17.<br />

28 Vgl. BOVON: Das Evangelium nach Lukas, 89.<br />

29 Vgl. BOVON: Das Evangelium nach Lukas, 90.<br />

30 BOVON: Das Evangelium nach Lukas, 81. Friedrich-August von Metzsch weist auf folgende Übersetzungsmöglichkeit<br />

h<strong>in</strong>: „Be<strong>im</strong> Anblick (des Verletzten) drehten sich ihm Magen und E<strong>in</strong>geweide <strong>im</strong><br />

Leib um.“ (METZSCH: Menschen helfen Menschen, 19.) Der Samariter ist also betroffen vom Leid<br />

des andern, das ihm sogar auf den Magen schlägt, so dass er mit ihm mit leidet.<br />

31 Bovon bemerkt dazu: „Der verletzliche Leib des e<strong>in</strong>en weckt das aufmerksame Herz des andern.“<br />

(BOVON: Das Evangelium nach Lukas, 90.)<br />

16


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Er versorgte die Wunden des Verletzten nach damaligem Wissen und Brauch professio-<br />

nell mit Öl und We<strong>in</strong> zur Re<strong>in</strong>igung, Des<strong>in</strong>fektion und Schmerzl<strong>in</strong>derung. 32 Der Helfer<br />

transportierte ihn anschließend auf se<strong>in</strong>em Reittier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Herberge und sorgte dort<br />

weiter für ihn. Erst am nächsten Tag setzte er se<strong>in</strong>e Reise fort, nachdem er den Wirt mit<br />

der Weiterversorgung beauftragt und die Kosten dafür übernommen hatte.<br />

Im Anschluss an diese Beispielgeschichte, die die Sympathie der Hörer leicht auf die<br />

Seite des Verletzten und vor allem des Samariters lenkt, folgt die Po<strong>in</strong>te des Streitge-<br />

sprächs: Jesus dreht die Frage des Schriftgelehrten um und fragt diesen selbst, wer sich<br />

dem Hilfsbedürftigen als Nächster erwiesen habe. 33 Der Schriftgelehrte verweist auf den<br />

Helfer, der barmherzig an dem Verletzten gehandelt hat (vgl. Lk 10,37b) und dessen<br />

Volkszugehörigkeit offenbar ke<strong>in</strong>e Rolle dabei spielte. Was alle<strong>in</strong> zählt, ist die Barm-<br />

herzigkeit und diese „ist e<strong>in</strong>e Eigenschaft Gottes [...]. Barmherzigkeit ist der ungeschul-<br />

dete Dienst.“ 34 Nach der Antwort des Schriftgelehrten fordert Jesus diesen und damit<br />

auch alle anderen auf: „Dann geh und handle genauso!“ (Lk 10,37b).<br />

Jesus fordert alle auf, die das Gebot Gottes erfüllen wollen, sich den Hilfsbedürftigen<br />

als Nächste zu erweisen und wie der Samariter nicht nach Ausreden zu suchen, sondern<br />

sensibel und nach bestem Wissen und Gewissen aktiv zu helfen. Gottes- und Nächsten-<br />

liebe können nicht vone<strong>in</strong>ander getrennt werden.<br />

Interessant ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die Darstellung dieser Beispielgeschichte <strong>im</strong><br />

Codex Rossanensis aus dem 6. Jahrhundert. 35 Sie zeigt den Samariter mit dem<br />

Kreuzn<strong>im</strong>bus Christi, der sich professionell um den verletzten Menschen <strong>in</strong> der Mitte<br />

sorgt und von e<strong>in</strong>er weißen Gestalt, e<strong>in</strong>em Engel gleich, dabei assistierend unterstützt<br />

wird. 36 Nach diesem Bild hilft jeder an Jesu Christi Statt, der wie der Samariter e<strong>in</strong>em<br />

Menschen <strong>in</strong> Not beisteht.<br />

Aufgabe der Kirche ist es, diese Forderung Jesu <strong>in</strong> ihr und <strong>in</strong> der Welt wach zu halten<br />

und die Hilfeleistungen wohlwollend und – wie der Engel <strong>in</strong> der oben genannten Dar-<br />

stellung – fördernd zu unterstützen. 37<br />

2.1.3 Werke der Barmherzigkeit (Mt 25,31-40)<br />

32<br />

Vgl. BOVON: Das Evangelium nach Lukas, 91 (dort Anm. 43) und vgl. METZSCH: Menschen helfen<br />

Menschen, 19.<br />

33<br />

Die Frage lautet also, wer sich wie der Samariter als Nächster erweist und nicht wer e<strong>in</strong>em selbst der<br />

Nächste ist.<br />

34<br />

ADAMS: Die Kunst des Helfens, 20.<br />

35<br />

Der betreffende Ausschnitt der Darstellung ist auf Seite 2 der vorliegenden Arbeit abgedruckt.<br />

36 Vgl. METZSCH: Menschen helfen Menschen, 76.<br />

17


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

31 Wenn der Menschensohn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird<br />

er sich auf den Thron se<strong>in</strong>er Herrlichkeit setzen. 32 Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen<br />

werden, und er wird sie vone<strong>in</strong>ander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den<br />

Böcken scheidet. 33 Er wird die Schafe zu se<strong>in</strong>er Rechten versammeln, die Böcke aber zur<br />

L<strong>in</strong>ken. 34 Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von<br />

me<strong>in</strong>em Vater gesegnet seid, nehmt das Reich <strong>in</strong> Besitz, das seit der Erschaffung der Welt<br />

für euch best<strong>im</strong>mt ist. 35 Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war<br />

durstig, und ihr habt mir zu tr<strong>in</strong>ken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt<br />

mich aufgenommen; 36 ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank,<br />

und ihr habt mich besucht; ich war <strong>im</strong> Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen. 37 Dann<br />

werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir<br />

zu essen gegeben, oder durstig und dir zu tr<strong>in</strong>ken gegeben? 38 Und wann haben wir dich<br />

fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben?<br />

39 Und wann haben wir dich krank oder <strong>im</strong> Gefängnis gesehen und s<strong>in</strong>d zu dir gekommen?<br />

40 Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für e<strong>in</strong>en me<strong>in</strong>er<br />

ger<strong>in</strong>gsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. (Mt 25,31-40)<br />

Dieser Ausschnitt der Weltgerichtszene <strong>im</strong> Rahmen der Endzeitreden Jesu <strong>im</strong> Matthäu-<br />

sevangelium wurde zu e<strong>in</strong>em „Grundtext der Diakonie“ 38 . Von ihm wurden die so ge-<br />

nannten Werke der Barmherzigkeit abgeleitet, die bis heute (nicht nur) dem Christentum<br />

wichtige Impulse für karitatives Verhalten geben: Speisung von Hungrigen, Versorgung<br />

von Durstigen, Aufnahme von Fremden und Obdachlosen, Bekleidung von Nackten,<br />

Besuch der Kranken und Gefangenen (vgl. Verse 35f).<br />

Ab dem 13. Jahrhundert, vermutlich <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Pest, wurde die Be-<br />

stattung von Toten (vgl. Tob 1,16f) und ferner auch der Besuch von Trauernden (vgl. Sir<br />

7,34f) zu dieser Reihe h<strong>in</strong>zugefügt. 39 Ebenso wurden so genannte geistliche Werke der<br />

Barmherzigkeit <strong>im</strong> Katalog der christlichen Handlungsideale ergänzt: Belehrung 40 , Rat,<br />

Trost, Ermutigung, Vergebung und Ertragen von Unrecht <strong>in</strong> Geduld 41 und, bei Johannes<br />

Calv<strong>in</strong> und anderen, auch das Gebet. 42<br />

Die Aufforderung, sich um die leiblichen und auch seelischen Nöte von leidenden Men-<br />

schen zu kümmern, spielt übrigens nicht nur <strong>im</strong> jüdisch-christlichen Kontext e<strong>in</strong>e Rolle,<br />

sondern auch bei anderen Religionen. 43<br />

37<br />

Diese alte Darstellung kann auch e<strong>in</strong> Vorbild für den RD (Samariter), die Kirche (Engel) und deren<br />

Zusammenarbeit se<strong>in</strong>.<br />

38<br />

LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 522. Auf die Diakonie wird später (unter II, 2.2.2.3) näher<br />

e<strong>in</strong>gegangen werden. Zu Mt 25,31-40 vgl. ferner ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 27,<br />

METZSCH: Menschen helfen Menschen, 44f und vgl. auch REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 54f.<br />

39<br />

Vgl. METZSCH: Menschen helfen Menschen, 45 und vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 522<br />

und vgl. ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 27.<br />

40<br />

Davon leitet Ulrich Luz übrigens folgendes ab, was hier durchaus nicht verschwiegen werden soll:<br />

„Auch Professoren können also gerettet werden!“ (LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 528; dort<br />

Anm. 93.)<br />

41<br />

Vgl. ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 27.<br />

42<br />

Vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 528.<br />

43<br />

H<strong>in</strong>gewiesen sei <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auf die große Übere<strong>in</strong>st<strong>im</strong>mung der Liebeswerke aus Mt<br />

25 mit denen, die <strong>in</strong> Texten anderer Religionen aufgezählt werden. Vgl. dazu LUZ: Das Evangelium<br />

nach Matthäus, 524.<br />

18


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Exegeten s<strong>in</strong>d sich une<strong>in</strong>ig, ob dieser paränetische Text universal oder exklusiv zu<br />

deuten ist, ob also Jesus <strong>in</strong> jedem Menschen, der Not leidet, gleich welcher Religion er<br />

angehört, begegnet oder – wie bis zum 19. Jahrhundert vorherrschend vertreten – nur <strong>in</strong><br />

hilfsbedürftigen Mitgliedern der christlichen Geme<strong>in</strong>de. 44 Ulrich Luz hält <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Kommentar fest, dass diese Perikope heute durchaus universal <strong>in</strong>terpretiert werden darf<br />

und „sich <strong>im</strong> ‚ger<strong>in</strong>gsten Bruder’ Jesu – sei dies nun e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>demitglied oder nicht –<br />

der erhöhte Herr beziehungsweise Gott selbst verbirgt und erfahren läßt“ 45 , weil Jesus<br />

„derjenige ist, der neue Augen schenkt, die den armen Menschen und Gott neu sehen<br />

und erfahren lassen.“ 46<br />

2.1.4 Apostolische Diakonie und Krisen<strong>in</strong>tervention (Apg 9,36-42)<br />

36 In Joppe lebte e<strong>in</strong>e Jünger<strong>in</strong> namens Tabita, das heißt übersetzt: Gazelle. Sie tat viele gute<br />

Werke und gab reichlich Almosen. 37 In jenen Tagen aber wurde sie krank und starb. Man<br />

wusch sie und bahrte sie <strong>im</strong> Obergemach auf. 38 Weil aber Lydda nahe bei Joppe liegt und<br />

die Jünger hörten, dass Petrus dort war, schickten sie zwei Männer zu ihm und ließen ihn<br />

bitten: Komm zu uns, zögere nicht! 39 Da stand Petrus auf und g<strong>in</strong>g mit ihnen. Als er ankam,<br />

führten sie ihn <strong>in</strong> das Obergemach h<strong>in</strong>auf; alle Witwen traten zu ihm, sie we<strong>in</strong>ten und zeigten<br />

ihm die Röcke und Mäntel, die Gazelle gemacht hatte, als sie noch bei ihnen war.<br />

40 Petrus aber schickte alle h<strong>in</strong>aus, kniete nieder und betete. Dann wandte er sich zu dem<br />

Leichnam und sagte: Tabita, steh auf! Da öffnete sie ihre Augen, sah Petrus an und setzte<br />

sich auf. 41 Er gab ihr die Hand und ließ sie aufstehen; dann rief er die Heiligen und die<br />

Witwen und zeigte ihnen, daß sie wieder lebte. 42 Das wurde <strong>in</strong> ganz Joppe bekannt, und<br />

viele kamen zum Glauben an den Herrn. (Apg 9,36-42)<br />

Der Apostel Petrus leistet <strong>in</strong> dieser Perikope sozusagen e<strong>in</strong>e Krisen<strong>in</strong>tervention. Er wird<br />

unmittelbar nach dem Tod der engagierten Christ<strong>in</strong> Tabita gerufen, weil sich die Ge-<br />

me<strong>in</strong>de von ihm Hilfe verspricht. Petrus lässt die Trauernden nicht <strong>im</strong> Stich, er macht<br />

sich auf den Weg, um die erbetene Hilfe zu leisten.<br />

Es geht hier sicher nicht um notfallmediz<strong>in</strong>ische Hilfe, denn dazu fehlten dem Fischer<br />

Petrus und den anderen damals die Kenntnisse, sondern um e<strong>in</strong> „authentisches und von<br />

den Trauernden wahrnehmbares Zeugnis des auferstandenen Christus“ 47 , das Trost ver-<br />

mittelt, weil die Verstorbene nicht „<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nlose Leere fällt.“ 48 Geme<strong>in</strong>t ist also „die<br />

Hilfe aus der Kraft des Glaubens und des Gebetes – und die Geme<strong>in</strong>de erwartete nur<br />

noch diese Hilfe.“ 49 Durch diesen Glauben an den auferstandenen Herrn ersteht Tabita<br />

zu e<strong>in</strong>em neuem Leben.<br />

Rudolf Pesch sieht <strong>in</strong> dieser Totenerweckung der Tabita, die sozusagen die Diakonie der<br />

Geme<strong>in</strong>de von Joppe personifizierte (vgl. ihre Taten <strong>in</strong> Vers 36), auch e<strong>in</strong>e Anrede des<br />

44 Vgl. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 521-530.<br />

45 LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 544.<br />

46 LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, 544.<br />

47 DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1.<br />

48 DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1.<br />

19


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Herrn an die Geme<strong>in</strong>de, die <strong>in</strong> ihr gestorbene Diakonie wiederaufleben zu lassen. E<strong>in</strong>e<br />

lebendige Diakonie ist also lebenswichtiger Bestandteil für e<strong>in</strong>e christliche Geme<strong>in</strong>de. 50<br />

Petrus wird hier sozusagen als e<strong>in</strong> biblischer <strong>Notfallseelsorge</strong>r dargestellt, der gerufen<br />

wird, um durch die Kraft des Glaubens und des Gebetes Trost und neues Leben zu er-<br />

möglichen. Petrus hilft durch se<strong>in</strong>en Glauben den Trauernden aus ihrer Krise heraus. 51<br />

2.1.5 Trost durch die Getrösteten (2 Kor 1,3-5)<br />

3 Gepriesen sei der Gott und Vater Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater des Erbarmens und<br />

der Gott allen Trostes. 4 Er tröstet uns <strong>in</strong> all unserer Not, damit auch wir die Kraft haben,<br />

alle zu trösten, die <strong>in</strong> Not s<strong>in</strong>d, durch den Trost, mit dem auch wir von Gott getröstet werden.<br />

5 Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteil geworden s<strong>in</strong>d, so wird uns durch<br />

Christus auch überreicher Trost zuteil. (2 Kor 1,3-5)<br />

Der Gott, den das Christentum verkündet, ist e<strong>in</strong> Gott des Trostes und des Lebens. Der<br />

dreie<strong>in</strong>ige Gott tröstet uns, weil er se<strong>in</strong>e Geschöpfe liebt:<br />

Aus dieser Liebe heraus hat Gott die gesamte Schöpfung samt den Menschen erschaf-<br />

fen. Er hat se<strong>in</strong> auserwähltes Volk aus der Knechtschaft der Ägypter befreit (vgl. Ex)<br />

und durch die Wüste <strong>in</strong> das gelobte Land geleitet (vgl. Jos) und <strong>im</strong>mer wieder aus den<br />

Händen fremder Mächte <strong>in</strong> die Freiheit geführt (vgl. 1 Kön 19, vgl. 2 Chr 36,22f u. a.).<br />

Der Herr hat sich als JHWH, als „Ich-b<strong>in</strong>-da“ (Ex 3,14), offenbart und <strong>im</strong>mer wieder als<br />

solcher erwiesen – als e<strong>in</strong> Gott, der mitfühlt und rettend e<strong>in</strong>greift. Aus dieser Liebe her-<br />

aus hat Gott se<strong>in</strong>en Sohn als Menschensohn auf die Erde gesandt, hat ihn für die Erlö-<br />

sung der Menschen h<strong>in</strong>gegeben und ihn die irdischen Leiden ertragen und überw<strong>in</strong>den<br />

lassen (vgl. Röm 8,32). Und aus dieser Liebe heraus ist auch Gottes Heiliger Geist als<br />

Beistand bei se<strong>in</strong>em Volk und stärkt es, damit wir als K<strong>in</strong>der Gottes leben und die Her-<br />

ausforderungen und Nöte unserer Zeit bestehen können (vgl. Röm 8,9-17 und vgl. 1 Kor<br />

12,1-11).<br />

Weil Gott se<strong>in</strong> Volk also getröstet hat, kann und muss die Kirche auch alle trösten, die<br />

des Trostes bedürfen. Das Volk Gottes gibt den Trost weiter, den Gott geschenkt hat. 52<br />

2.1.6 Tragende Hoffnung (1 Petr 3,15b.16a)<br />

15b Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die<br />

euch erfüllt; 16a aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Gewissen.“<br />

(1 Petr 3,15b.16a)<br />

49<br />

PESCH: Die Apostelgeschichte, 325.<br />

50<br />

Vgl. PESCH: Die Apostelgeschichte, 325. Das Pr<strong>in</strong>zip der Diakonie wird, wie bereits erwähnt, später<br />

unter II, 2.2.2.3 ausführlicher behandelt.<br />

51<br />

Vgl. DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1. Zu Apg 9,36-42 vgl. ferner REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>,<br />

56f.<br />

52<br />

Vgl. zu 2 Kor 3,1-5 ferner REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 56.<br />

20


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Christen leben aus e<strong>in</strong>er lebendigen Hoffnung, die <strong>in</strong> der Auferweckung Jesu Christi<br />

begründet ist. Sie glauben an e<strong>in</strong> Leben nach dem Tod <strong>im</strong> Reich Gottes, <strong>in</strong> dem der Tod<br />

nicht mehr se<strong>in</strong> wird, <strong>in</strong> dem es ke<strong>in</strong>e Trauer, ke<strong>in</strong>e Klage und ke<strong>in</strong>e Mühsal mehr ge-<br />

ben wird, weil das Alte dann vergangen ist (vgl. Offb 21,4). Ihre Hoffnung reicht also<br />

über die Grenzen und das Leid dieser Welt h<strong>in</strong>weg. Der Verfasser des ersten Petrusbrie-<br />

fes mahnt die christliche Geme<strong>in</strong>de, von dieser Hoffnung erfüllt zu leben und dadurch<br />

die Zeitgenossen zum Nachfragen herauszufordern. In der Hoffnung liegt e<strong>in</strong> wesentli-<br />

cher Moment des Glaubens (vgl. auch 1 Petr 1,3). 53<br />

Im Neuen Testament trägt die Hoffnung <strong>in</strong> sich „Momente der Erwartung des Künfti-<br />

gen, des Vertrauens und der Geduld [...] und steht <strong>in</strong> der Spannung von Gegenwart und<br />

Zukunft, der Grunderfahrung des schon gegenwärtigen Heiles und des ‚Noch-nicht’ der<br />

ausstehenden Endvollendung.“ 54 Das Christentum hat also allen Menschen e<strong>in</strong>e Hoff-<br />

nung zu bieten und zu verkündigen; und das besonders an den Orten, die von Hoff-<br />

nungslosigkeit und Not geprägt und beherrscht s<strong>in</strong>d. Es ist die Hoffnung auf die Rettung<br />

durch den gütigen und die Menschen liebenden Gott (vgl. Tit 3,4).<br />

2.1.7 Alttestamentliche Lebenskunst (Sir 7,33-36)<br />

33 Schenk jedem Lebenden de<strong>in</strong>e Gaben, und auch dem Toten versag de<strong>in</strong>e Liebe nicht!<br />

34 Entzieh dich nicht den We<strong>in</strong>enden, vielmehr trauere mit den Trauernden! 35 Säume nicht,<br />

den Kranken zu besuchen, dann wirst du von ihm geliebt. 36 Bei allem, was du tust, denk an<br />

das Ende, so wirst du niemals sündigen. (Sir 7,33-36)<br />

Dieser siebte Bibeltext ist dem alttestamentlichen Buch Jesus Sirach entnommen und<br />

vermutlich um 180 vor Christus <strong>in</strong> Jerusalem verfasst worden ist; das Buch wirbt für e<strong>in</strong><br />

Leben gemäß der Weisheit JHWHs. 55 Jesus Sirach fordert zur Hilfsbereitschaft gegen-<br />

über den Lebenden und den Toten auf. 56 Er leitet dazu an, Menschen <strong>in</strong> Krisensituatio-<br />

nen (We<strong>in</strong>enden, Trauernden und Kranken) beizustehen und sie nicht zu meiden, son-<br />

dern mit ihnen ihr Leid zu tragen. Bei der Sorge um die Toten hat der biblische Verfas-<br />

ser neben deren Bestattung bewusst auch die Versorgung und Tröstung der Angehöri-<br />

gen <strong>im</strong> Blick. 57<br />

53 Vgl. SCHELKLE: Die Petrusbriefe, 101.<br />

54 WOSCHITZ: Hoffnung, 316.<br />

55 Vgl. SCHREINER: Jesus Sirach, 8. Zu Sir 7,33-36 vgl. auch REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 57f.<br />

56 In diesem Zusammenhang gilt es, an die so genannte Goldene Regel zu er<strong>in</strong>nern: „Alles, was ihr also<br />

von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Dar<strong>in</strong> besteht das Gesetz und die Propheten.“ (Mt 7,12.)<br />

57 Vgl. SCHREINER: Jesus Sirach, 54.<br />

21


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Wer bei allen se<strong>in</strong>en Entscheidungen die eigene Sterblichkeit als Mahnung vor Augen<br />

hat, wird entsprechend handeln und <strong>im</strong> Alter dankbar und zufrieden auf e<strong>in</strong> erfülltes und<br />

an guten Taten reiches Leben zurückblicken können. 58<br />

Wer also e<strong>in</strong> Leben nach JHWHs Gesetz führen will, hat se<strong>in</strong>en Platz an Sterbebetten,<br />

an Unfallorten und überall dort, wo psychische und physische Hilfe und menschliche<br />

Begleitung benötigt wird. Er meidet solche Orte nicht und trägt die Sorgen und Gefühle<br />

dieser Menschen mit. 59<br />

2.2 Kriterien <strong>in</strong> der kirchlichen Tradition<br />

Ad fontes – Anhand e<strong>in</strong>iger wichtiger Quellen der kirchlichen Tradition sollen nun<br />

weitere theologische Grundlagen für die Zusammenarbeit zwischen Kirche und RD dar-<br />

gestellt werden. In e<strong>in</strong>em Kirchenbild aus der Zeit der Kirchenväter und <strong>in</strong> den drei we-<br />

sentlichen Pr<strong>in</strong>zipen der christlichen Geme<strong>in</strong>de sollen wichtige Kriterien gefunden und<br />

mit Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) bekräftigt werden.<br />

2.2.1 Kirche als Instrument Christi<br />

E<strong>in</strong> Fresko <strong>in</strong> den römischen Domitilla-Katakomben überträgt den Orpheus-Mythos der<br />

Antike auf Christus und die Menschheit. 60 Das frühchristliche Gemälde zeigt Christus<br />

als Orpheus mit e<strong>in</strong>er Leier und e<strong>in</strong>em Spielblättchen (Plektron) <strong>in</strong> der Hand.<br />

Im Vergleich zum Orpheus des Mythos hat es Christus aber geschafft, se<strong>in</strong>e Geliebte,<br />

die Menschheit, aus dem Reich des Todes zu befreien. Se<strong>in</strong> Instrument – die Leier –<br />

hilft ihm dabei, das befreiende „Lied des Lebens, des Lachens, der Hoffnung und der<br />

Auferweckung“ 61 zu spielen. 62<br />

Zwei Kirchenväter, Ignatius von Antiochien und Clemens von Alexandrien, sahen <strong>in</strong> der<br />

Leier die christliche Geme<strong>in</strong>de symbolisiert, deren Aufgabe es ist, Christus bei der Be-<br />

freiung der Menschheit als Instrument und Werkzeug zu dienen. Durch den Heiligen<br />

58 Vgl. SCHREINER: Jesus Sirach, 54.<br />

59 E<strong>in</strong>e knappe Zusammenfassung dieses und des folgenden Abschnitts erfolgt <strong>in</strong> II, 2.3.<br />

60 Vgl. dazu ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 70f und ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 58-<br />

60. Der genannte griechische Mythos erzählt von dem Spielmann Orpheus, der aus Liebe zu Eurydike,<br />

mit se<strong>in</strong>er Lyra (Leier) den Weg <strong>in</strong> die Unterwelt wagt, um die Verstorbene von den Fesseln des<br />

Todes zu befreien. Die Götter s<strong>in</strong>d von se<strong>in</strong>en herzerweichenden Liedern und se<strong>in</strong>er Liebe zu dieser<br />

Frau so bee<strong>in</strong>druckt, dass sie ihm erlauben, Eurydike aus dem Totenreich herauszuführen. Orpheus<br />

darf auf dem Rückweg allerd<strong>in</strong>gs nicht zurückschauen, um zu prüfen, ob ihm se<strong>in</strong>e Geliebte auch<br />

folgt. Doch aus Zweifel, ob sie h<strong>in</strong>ter ihm ist, dreht er sich deshalb – entgegen der Vere<strong>in</strong>barung –<br />

unterwegs um und verliert se<strong>in</strong>e Geliebte so für <strong>im</strong>mer. Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 70<br />

und vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 58.<br />

61 ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 70.<br />

62 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 70 und vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 58.<br />

22


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Geist, dargestellt durch das Plektron, werden die Saiten der Leier zum Schw<strong>in</strong>gen und<br />

Kl<strong>in</strong>gen gebracht. 63<br />

Die Kirche, das Volk Gottes, ist also nach dieser Kirchenvision aus der frühchristlichen<br />

Zeit lediglich Werkzeug <strong>in</strong> der Hand Jesu Christi, um am Reich Gottes mitzubauen. Sie<br />

dient also nicht e<strong>in</strong>em Selbstzweck, sondern hat von Gott die Aufgabe erhalten, Chri-<br />

stus zum Wohl des Menschen zu dienen. Ebenso treffend formuliert die Vision der Kir-<br />

chenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Die Kirche ist ja <strong>in</strong> Christus<br />

gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die <strong>in</strong>nigste Vere<strong>in</strong>igung<br />

mit Gott wie für die E<strong>in</strong>heit der ganzen Menschheit.“ 64<br />

Der Kirche muss es also um Gott und se<strong>in</strong>etwillen um den Menschen gehen. So heißt es<br />

<strong>in</strong> der Pastoralkonstitution Gaudium et spes klar und deutlich: „Der Mensch also, der<br />

e<strong>in</strong>e und ganze Mensch, mit Leib und Seele, Herz und Gewissen, Vernunft und Willen<br />

steht <strong>im</strong> Mittelpunkt unserer Ausführungen.“ 65<br />

2.2.2 Pr<strong>in</strong>zipien der christlichen Geme<strong>in</strong>de<br />

Die christliche Geme<strong>in</strong>de <strong>im</strong> Großen (Weltkirche) wie <strong>im</strong> Kle<strong>in</strong>en (Teilkirche bezie-<br />

hungsweise Diözese und auch die Pfarrgeme<strong>in</strong>de als „Kirche Gottes vor Ort“ 66 ) hat fol-<br />

gende Pr<strong>in</strong>zipien und Grundvollzüge, die für die Bildung und das Fortbestehen der Ge-<br />

me<strong>in</strong>de wesentlich s<strong>in</strong>d und untrennbar zusammengehören: die Mystik (mit Martyria<br />

und Leiturgia), die Ko<strong>in</strong>onia und die Diakonia. 67 Diese drei Grundfunktionen werden<br />

nun näher erläutert.<br />

2.2.2.1 Mystik<br />

63<br />

Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 70 und vgl. ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, 58.<br />

Zulehner verweist weiter auf Rolf Zerfaß, der diese Kirchenvision für die Pastoraltheologie erschlossen<br />

hat. Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 70 (dort Anm. 163).<br />

64<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Lumen gentium, Nr. 1. Vgl. dazu auch ZULEHNER: Pastoraltheologie,<br />

Bd. 2, 71.<br />

65<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 3. Nach der Enzyklika Redemptoris hom<strong>in</strong>is<br />

ist der Mensch „der erste und grundlegende Weg der Kirche.“ (JOHANNES PAUL II.: Redemptoris<br />

hom<strong>in</strong>is, 27; Hervorhebung <strong>im</strong> Orig<strong>in</strong>al.)<br />

66<br />

ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 50.<br />

67<br />

Verwendet werden hier die Bezeichnungen nach ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 83-127. He rmann<br />

Wieh bezeichnet die Grundvollzüge der Geme<strong>in</strong>de ähnlich mit Verkündigung, Eucharistie und<br />

Brüderlichkeit. Vgl. WIEH: Konzil und Geme<strong>in</strong>de, 216-220. Ferd<strong>in</strong>and Klostermann entspricht der<br />

Aufteilung von Zulehner: der Geist des Herrn (begründet die Ko<strong>in</strong>onia), das Wort des Herrn (Martyria),<br />

der Kult des Herrn (Leiturgia) und die Bruderliebe des Herrn (Diakonia). Vgl. KLOSTERMANN:<br />

Pr<strong>in</strong>zip Geme<strong>in</strong>de, 40-58. Vgl. ebenso ZERFAß: Lebensnerv Caritas, 86 und SCHMID: Die Praxis als<br />

Ort der Theologie, 108. Auch Joach<strong>im</strong> Müller-Lange spricht von Martyria, Diakonia, Leiturgia und<br />

Ko<strong>in</strong>onia. Vgl. MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 18. Vgl. auch KIRCHENKANZLEI<br />

DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND: <strong>Kirchliche</strong>s Handeln bei Unglücksfällen und Katastrophen,<br />

16f.<br />

23


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Kirche ist das Volk Gottes, die Geme<strong>in</strong>schaft der von Gott Herausgerufenen (?<br />

e????s?a); Gott will also <strong>in</strong> ihr gegenwärtig se<strong>in</strong>. Die Kirche hat den Auftrag, sozusa-<br />

gen randvoll mit dem Evangelium auf der von Gott vorgegebenen Spur durch die Ge-<br />

schichte zu gehen und diese mitzugestalten. In der christlichen Geme<strong>in</strong>de muss Gott für<br />

Menschen erfahrbar und erlebbar se<strong>in</strong>. Aus diesem Verwurzelt se<strong>in</strong> <strong>in</strong> Gott 68 , der My-<br />

stik mit ihrer „Grundbewegung empfangen – loben – austeilen“ 69 , erwachsen Leiturgia<br />

und Martyria. 70<br />

2.2.2.1.1 Leiturgia<br />

In der Liturgie (? ?e?t?????a), der „Heiligung und Heilung“ 71 , ereignet sich e<strong>in</strong> wahrer<br />

Gottesdienst <strong>in</strong> zwei Richtungen: Gottes Dienst an uns Menschen (vor allem soteriolo-<br />

gisch) und der Dienst der Menschen für Gott (latreutisch); Liturgie verb<strong>in</strong>det H<strong>im</strong>mel<br />

und Erde, Gott und Menschen <strong>in</strong> ganz besonderer Weise. 72<br />

Gebete und zeichenhafte Rituale (wie Segnungen und die Sakramente) haben neben<br />

ihrer religiösen D<strong>im</strong>ension auch e<strong>in</strong>e heilsame, beruhigende Wirkung und e<strong>in</strong>e soziale<br />

D<strong>im</strong>ension. 73 Das Zweite Vatikanische Konzil stellt fest: „Die Sakramente s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>ge-<br />

ordnet auf die Heiligung der Menschen.“ 74 Die Heiligung schließt die Heilung mit e<strong>in</strong>.<br />

In Krisensituationen kann die Kirche durch ihre <strong>Seelsorge</strong>r den Menschen, die das wün-<br />

schen, gemäß den kirchlichen Richtl<strong>in</strong>ien die Sakramente spenden, den Segen und die<br />

Nähe Gottes zusagen und für sie – gegebenenfalls auch mit ihnen – beten.<br />

2.2.2.1.2 Martyria<br />

Der Dienst der Verkündigung (? µa?t???a) steht für den Auftrag der Kirche, allen Men-<br />

schen die Frohe Botschaft des Evangeliums zu verkünden (vgl. Mt 28,16-20 u. a.). Es<br />

geht also darum, Zeugnis von der christlichen Hoffnung zu geben, die dem Leben S<strong>in</strong>n<br />

68 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 84.<br />

69 ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 86; Hervorhebung <strong>im</strong> Orig<strong>in</strong>al.<br />

70 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 86.<br />

71 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 88.<br />

72 In der Liturgiekonstitution heißt es dazu: „In der irdischen Liturgie nehmen wir vorauskostend an<br />

jener h<strong>im</strong>mlischen Liturgie teil, die <strong>in</strong> der heiligen Stadt Jerusalem gefeiert wird, zu der wir pilgernd<br />

unterwegs s<strong>in</strong>d.“ (ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Sacrosanctum Concilium, Nr. 59.)<br />

73 Unter anderem „haben Rituale e<strong>in</strong>e therapeutische D<strong>im</strong>ension. Sie ereignen sich an der Schnittstelle<br />

zwischen Bewußtem und Unbewußtem und vermögen tiefsitzende Ambivalenzen des Dase<strong>in</strong>s zu<br />

verarbeiten [...]. Rituale wirken <strong>im</strong> Widerstreit tiefer seelischer Kräfte entchaotisierend, schützend<br />

vor dem befürchteten Verschlungenwerden, spenden Trost <strong>in</strong> der Untröstlichkeit. Zudem vernetzen<br />

sie. Denn Rituale s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e private Angelegenheit, sondern lassen die Nähe e<strong>in</strong>er tragenden Geme<strong>in</strong>schaft<br />

spürbar werden.“ (ZULEHNER: Für Kirchenliebhaber<strong>in</strong>nen, 57f.) Ebenso darf nicht vergessen<br />

werden, dass die Feier der Sakramente nicht nur für die e<strong>in</strong>zelnen Empfänger bedeutsam s<strong>in</strong>d,<br />

sondern <strong>im</strong>mer zugleich auch für die ganze Kirche, weil sie <strong>in</strong> ihr gespendet werden.<br />

74 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Sacrosanctum Concilium, Nr. 59.<br />

24


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

und Kraft schenkt. 75 „Wer verkündigt, der denkt, redet und handelt <strong>im</strong> Namen Jesu, der<br />

gekommen ist, die Menschheit von der Macht des Todes zu befreien und ihr den Weg<br />

zum ewigen Leben zu öffnen“ 76 , schreibt Henri J. M. Nouwen.<br />

In Gaudium et spes heißt es: „Der Vater will, daß wir <strong>in</strong> allen Menschen Christus als<br />

Bruder sehen und lieben <strong>in</strong> Wort und Tat und so der Wahrheit Zeugnis geben und ande-<br />

ren das Gehe<strong>im</strong>nis der Liebe des h<strong>im</strong>mlischen Vaters mitteilen. Auf diese Weise wird <strong>in</strong><br />

den Menschen überall <strong>in</strong> der Welt e<strong>in</strong>e lebendige Hoffnung erweckt.“ 77<br />

2.2.2.2 Ko<strong>in</strong>onia<br />

Die Geme<strong>in</strong>schaft (? ???????a) der Kirche mit Gott <strong>in</strong> Jesus Christus (vgl. 1 Kor 1,9) 78<br />

trägt und hält ihre Mitglieder, die christlich Getauften, zusammen. Diese Geme<strong>in</strong>schaft,<br />

die besonders <strong>in</strong> der geme<strong>in</strong>sam gefeierten Leiturgia erfahrbar ist und durch diese ge-<br />

stärkt wird, ist aber nicht alle<strong>in</strong> für sich selbst da; die Kirche ist ke<strong>in</strong> Selbstzweck. 79 In<br />

Krisensituationen können und dürfen sich Menschen, die das wollen, von dieser Glau-<br />

bens- und Weggeme<strong>in</strong>schaft mitgetragen wissen und <strong>in</strong> ihr geborgen fühlen.<br />

Die Pastoralkonstitution schreibt zu dieser Geme<strong>in</strong>schaft der Kirche mit allen Men-<br />

schen:<br />

„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen<br />

und Bedrängten aller Art, s<strong>in</strong>d auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger<br />

Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht <strong>in</strong> ihren Herzen se<strong>in</strong>en Widerhall<br />

fände. Ist doch ihre eigene Geme<strong>in</strong>schaft aus Menschen gebildet, die, <strong>in</strong> Christus gee<strong>in</strong>t,<br />

vom Heiligen Geist auf ihrer Pilgerschaft zum Reich des Vaters geleitet werden und<br />

e<strong>in</strong>e Heilsbotschaft empfangen haben, die allen auszurichten ist. Darum erfährt diese Geme<strong>in</strong>schaft<br />

sich mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden.“ 80<br />

2.2.2.3 Diakonia<br />

Die Diakonie (? d?a????a) umfasst den Dienst an und die Unterstützung von Not lei-<br />

denden Menschen <strong>in</strong>nerhalb und außerhalb der christlichen Geme<strong>in</strong>de. Diakonie be-<br />

deutet, Not zu m<strong>in</strong>dern (helfende Diakonie oder Caritas) und ungerechte Strukturen zu<br />

verh<strong>in</strong>dern und zu verr<strong>in</strong>gern (politische Diakonie). 81 Die e<strong>in</strong>deutige Option Gottes für<br />

die Armen, Unterdrückten und Leidenden gilt ohne Zweifel auch für se<strong>in</strong>e Kirche. 82<br />

75<br />

Vgl. dazu auch II, 2.1.6 und vgl. auch II, 2.1.5.<br />

76<br />

NOUWEN: <strong>Seelsorge</strong>, die aus dem Herzen kommt, 65.<br />

77<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 93. Ferner heißt es <strong>in</strong> der Liturgiekonstitution:<br />

„Darum verkündet die Kirche denen, die nicht glauben, die Botschaft des Heils, damit alle Menschen<br />

den alle<strong>in</strong> wahren Gott erkennen und den, den er gesandt hat, Jesus Christus, und daß sie sich<br />

bekehren von ihren Wegen und Buße tun.“ (ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Sacrosanctum Concilium,<br />

Nr. 9.)<br />

78<br />

Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 91.<br />

79<br />

Vgl. dazu die Kirchenvision <strong>in</strong> II, 2.2.1.<br />

80<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 1; eigene Hervorhebungen.<br />

81<br />

Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 118-127 (bes. 118).<br />

82<br />

Vgl. Ex 3 und weitere Grundtexte der Diakonie (vgl. zum Beispiel II, 2.1.2 u. II, 2.1.3 u. II, 2.1.1).<br />

25


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Bereits e<strong>in</strong>e syrische Kirchenordnung aus dem fünften Jahrhundert, Testamentum Do-<br />

m<strong>in</strong>i (Vermächtnis des Herrn), gibt klare Anweisungen für das Amt des Diakons, das<br />

sozusagen der Kirche ihr Grundpr<strong>in</strong>zip der Diakonie ständig vor Augen führen und sie<br />

an die fürsorgliche Nächstenliebe er<strong>in</strong>nern soll. 83<br />

In Testamentum Dom<strong>in</strong>i heißt es, der Diakon „ist Ratgeber des ganzen Klerus und so<br />

etwas wie das S<strong>in</strong>nbild der ganzen Kirche. Er pflegt die Kranken, kümmert sich um die<br />

Fremden [...] und geht <strong>in</strong> den Häusern der Armen aus und e<strong>in</strong>, um festzustellen, ob es<br />

niemanden gibt, der <strong>in</strong> Angst, Krankheit oder Not geraten ist [...]. Er bekleidet und<br />

‚schmückt’ die verstorbenen Männer, er begräbt die Fremden, er n<strong>im</strong>mt sich derer an,<br />

die ihre He<strong>im</strong>at verlassen haben oder aus ihr vertrieben wurden. Er macht der Geme<strong>in</strong>de<br />

die Namen derer bekannt, die der Hilfe bedürfen.“ 84<br />

Diese Fürsorge des Diakons beschränkt sich aber nicht auf Christen. Die alte Kir-<br />

chenordnung fordert den Diakon ausdrücklich dazu auf, die gestrandeten Leichen von<br />

(unbekannten) Schiffbrüchigen ordentlich zu bestatten und auch <strong>in</strong> den Unterkünften<br />

der Fremden nach Notleidenden, Kranken und Verstorbenen zu suchen, damit sich die<br />

Geme<strong>in</strong>de um diese entsprechend sorgen kann. 85<br />

Testamentum Dom<strong>in</strong>i bezeichnet den Diakon sogar als „Auge der Kirche“ 86 . Das be-<br />

deutet für die christliche Geme<strong>in</strong>de, dass sie ihre Augen (und Ohren) den Menschen<br />

zuwenden soll, die Not an Leib und Seele erleiden. 87<br />

Auch das Zweite Vatikanische Konzil äußert sich e<strong>in</strong>deutig zur christlichen Caritas und<br />

Nächstenliebe. So heißt es <strong>in</strong> Lumen gentium:<br />

„Christus wurde vom Vater gesandt, ‚den Armen frohe Botschaft zu br<strong>in</strong>gen, zu heilen, die<br />

bedrückten Herzens s<strong>in</strong>d’ (Lk 4,18), ‚zu suchen und zu retten, was verloren war’ (Lk 19,10).<br />

In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit<br />

angefochten s<strong>in</strong>d, ja <strong>in</strong> den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie<br />

gegründet hat und selbst e<strong>in</strong> Armer und Leidender war. Sie müht sich, deren Not zu erleichtern,<br />

und sucht Christus <strong>in</strong> ihnen zu dienen.“ 88<br />

Im Dekret über das Apostolat der Laien, Apostolicam actuositatem, s<strong>in</strong>d die folgenden<br />

Aussagen zu f<strong>in</strong>den, die mit dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe, der soli-<br />

83<br />

Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 124. Vgl. dazu auch ZERFAß: Lebensnerv Caritas, 57-67.<br />

84<br />

TESTAMENTUM DOMINI (I. 34,1), 265f.<br />

85<br />

Vgl. TESTAMENTUM DOMINI (I. 34,3), 266.<br />

86<br />

TESTAMENTUM DOMINI (I. 35), 266. So gibt dieses Dokument wertvolle H<strong>in</strong>weise für die Grundaufgaben<br />

und Handlungsorte aller, die zum diakonischen Dienst bestellt s<strong>in</strong>d. Leider s<strong>in</strong>d die Diakone<br />

teilweise zu e<strong>in</strong>er Art Priesterersatz geworden. Ihre eigentliche Berufung zum Dienst an den Armen<br />

und Kranken, aus dem heraus auch ihre liturgische Assistenz (am Altar) zu verstehen ist, geriet dadurch<br />

bedauerlicherweise <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund. Vgl. dazu auch ZULEHNER: Dienende Männer, bes. 60.<br />

87<br />

Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 124.<br />

88<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Lumen gentium, Nr. 8; eigene Hervorhebung. Vgl. dazu auch<br />

DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 2.<br />

26


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

darischen Menschwerdung Jesu und se<strong>in</strong>em Auftrag an die Jünger, an der Liebe er-<br />

kennbar zu se<strong>in</strong>, begründet werden 89 :<br />

„Der barmherzige S<strong>in</strong>n für die Armen und Kranken und die sogenannten caritativen Werke,<br />

die gegenseitige Hilfe zur Erleichterung aller menschlichen Nöte, stehen deshalb <strong>in</strong> der<br />

Kirche besonders <strong>in</strong> Ehren [...].<br />

Das caritative Tun kann und muß heute alle Menschen und Nöte umfassen. Wo <strong>im</strong>mer<br />

Menschen leben, denen es an [...] notwendigen Mitteln zu e<strong>in</strong>em menschenwürdigen Leben<br />

fehlt, wo Menschen von Drangsal und Krankheit gequält werden, [...] muß die christliche<br />

Hilfe sie suchen und f<strong>in</strong>den, alle Sorgen für sie aufwenden, um sie zu trösten und mit tätiger<br />

Hilfe ihr Los zu erleichtern.“ 90<br />

Mit Paul M. Zulehner lässt sich schließlich knapp zusammenfassen: „Wenn die Kirche<br />

sich zu Gott bekehrt, wird sie sich auch zu den Leidenden bekehren.“ 91<br />

2.2.3 Zusammenarbeit mit anderen Menschen und Organisationen<br />

Was die Kooperation der Kirche mit allen Menschen und E<strong>in</strong>richtungen angeht, die sich<br />

für das Wohl der Menschen e<strong>in</strong>setzen, f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> den Dokumenten des Zweiten Va-<br />

tikanischen Konzils m<strong>in</strong>destens zwei Texte, die sich e<strong>in</strong>deutig für e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Tun<br />

aussprechen. So heißt es <strong>in</strong> Gaudium et spes:<br />

„Wenn die Kirche auch den Atheismus e<strong>in</strong>deutig verwirft, so bekennt sie doch aufrichtig,<br />

daß alle Menschen, Glaubende und Nichtglaubende, zum richtigen Aufbau dieser Welt, <strong>in</strong><br />

der sie geme<strong>in</strong>sam leben, zusammenarbeiten müssen. Das kann gewiß nicht geschehen ohne<br />

e<strong>in</strong>en aufrichtigen und klugen Dialog.“ 92<br />

Auch das Dekret über das Apostolat der Laien ermutigt zur Kooperation:<br />

„Die Laien mögen also die Werke der Liebe und die Unternehmungen der sozialen Hilfe,<br />

private oder öffentliche, auch die <strong>in</strong>ternationalen Hilfswerke hochschätzen und nach Kräften<br />

fördern. Durch sie wird e<strong>in</strong>zelnen Menschen und ganzen Völkern <strong>in</strong> ihrer Not wirklich<br />

geholfen. Dabei sollen die christlichen Laien mit allen Menschen guten Willens zusammenarbeiten.“<br />

93<br />

Die Laien werden folglich besonders dazu aufgefordert, die Hilfswerke – zu denen auch<br />

die Hilfsorganisationen (<strong>im</strong> RD) gehören, die <strong>im</strong> späteren Verlauf dieser Untersuchun-<br />

gen (<strong>in</strong> III, 4.2) näher vorgestellt werden – zu schätzen und zu unterstützen. 94<br />

89 Vgl. ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem, Nr. 8. Dort heißt es unter anderem:<br />

„Er (Jesus; eigene Anmerkung) selbst hat ja, als er die menschliche Natur annahm, die ganze<br />

Menschheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er übernatürlichen Solidarität zu e<strong>in</strong>er Familie zusammengefaßt und an sich gebunden.“<br />

(ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem, Nr. 8.)<br />

90 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem, Nr. 8; eigene Hervorhebungen. Vgl.<br />

dazu auch DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 2 und vgl. auch REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>,<br />

60. Weiter heißt es <strong>im</strong> oben genannten Dekret: „Damit die Übung dieser Liebe über jeden<br />

Verdacht erhaben sei und als solche auch <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung trete, muß man <strong>im</strong> Nächsten das Bild Gottes<br />

sehen, nach dem er geschaffen ist, und Christus den Herrn [...]. Man muß auch <strong>in</strong> tiefer Menschlichkeit<br />

auf die personale Freiheit und Würde dessen Rücksicht nehmen, der die Hilfe empfängt.“<br />

(ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem, Nr. 8; eigene Hervorhebung.)<br />

91 ZULEHNER: Für Kirchenliebhaber<strong>in</strong>nen, 46f.<br />

92 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 21.<br />

93 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem, Nr. 8; eigene Hervorhebungen.<br />

27


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

2.3 Zusammenfassung<br />

Die theologische Grundlegung zeigt, dass die Kirche, will sie der von Gott vorgegebe-<br />

nen Spur gemäß der Heiligen Schrift und der Tradition treu bleiben, e<strong>in</strong>en Handlungsort<br />

und -auftrag auch (und besonders) bei Menschen <strong>in</strong> Krisen- und Notsituationen hat.<br />

E<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de, die <strong>in</strong> der Nachfolge Jesu Christi steht, sorgt sich um den ganzen Men-<br />

schen mit se<strong>in</strong>en physischen, psychischen und spirituellen Bedürfnissen. Neben der vor-<br />

rangigen Option für die Armen und Unterdrückten gibt es also auch e<strong>in</strong>e Option für die<br />

(<strong>in</strong> welcher Weise auch <strong>im</strong>mer) Leidenden.<br />

Die Kirche hat neben materieller Hilfe und seelsorgerlicher Kompetenz vor allem auch<br />

e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nstiftende Hoffnung zu bieten, die nicht welt<strong>im</strong>manent, sondern <strong>in</strong> der Trans-<br />

zendenz des dreie<strong>in</strong>igen Gottes begründet liegt, der jeden Menschen liebt. Gerade <strong>in</strong><br />

Zeiten der Not und Krise kann die Religion, die gläubige Rückb<strong>in</strong>dung (religio) an<br />

Gott, Halt und Kraft geben. 95<br />

Ebenfalls kann festgehalten werden, dass Hilfsbereitschaft sich nicht nur von e<strong>in</strong>em<br />

Humanitätsgedanken ableiten lässt, sondern vor allem <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie religiös-ethische<br />

Ursprünge hat, die nicht zuletzt auch <strong>im</strong> Alten und <strong>im</strong> Neuen Testament liegen. Das<br />

Bild vom barmherzig handelnden Samariter (aus Lk 10,25-37) und die Werke der Barm-<br />

herzigkeit (Mt 25,35f, Tob 1,16f und Sir 7,34f) spielten und spielen dabei tragende Rol-<br />

len. Wer e<strong>in</strong>em Menschen <strong>in</strong> Not hilft und beisteht, handelt an Christi Stelle. Die Kirche<br />

hat also auch e<strong>in</strong>en Ort und e<strong>in</strong>e Aufgabe bei den Menschen, die Hilfe leisten, die sich<br />

zu Mitmenschen <strong>in</strong> Krisen wagen und dadurch selbst <strong>in</strong> Krisen geraten können.<br />

Weiter kann festgestellt werden, dass die Kirche und ihre Glieder die Zusammenarbeit<br />

mit Hilfsorganisationen und allen „Menschen guten Willens“ 96 suchen und fördern<br />

wollen und sollen – zum Wohl der Welt und Menschheit.<br />

Für die Kirche und ihre pastorale Praxis steht schließlich fest: „Der Mensch also, der<br />

e<strong>in</strong>e und ganze Mensch, mit Leib und Seele, Herz und Gewissen, Vernunft und Willen<br />

steht <strong>im</strong> Mittelpunkt unserer Ausführungen.“ 97 So ist also der Mensch „der erste und<br />

grundlegende Weg der Kirche“ 98 , wie Papst Johannes Paul II. <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ersten Enzykli-<br />

ka schreibt. 99<br />

94 Das Dekret hat – se<strong>in</strong>em Titel entsprechend – als Adressaten die Laien <strong>im</strong> Blick; es spricht aber gewiss<br />

nichts dagegen, diese Aufforderungen auch auf die Mitglieder des Klerus zu übertragen.<br />

95 Vgl. SARBACH: Beispiel Gondo, 90.<br />

96 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem, Nr. 8.<br />

97 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 3.<br />

98 JOHANNES PAUL II.: Redemptor hom<strong>in</strong>is, 27; Hervorhebung <strong>im</strong> Orig<strong>in</strong>al.<br />

99 In der Kairologie wird später zu prüfen se<strong>in</strong>, ob mit diesen kirchlichen Grundlagen auch e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />

Basis mit den Hilfsorganisationen, die sich <strong>im</strong> RD engagieren, gegeben ist.<br />

28


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3 Aktuelle Praxis der Kirche<br />

Nach dieser ausführlichen, aber notwendigen theologischen Grundlegung gilt es nun,<br />

sich dem zu behandelnden Gegenstand direkt zuzuwenden. So wird <strong>in</strong> diesem Kapitel<br />

auf die bisherige Umsetzung der oben festgestellten Kriterien <strong>in</strong> der kirchlichen Praxis<br />

e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Dabei sollen die Bereiche, <strong>in</strong> denen RD und Kirche sich bereits ständig begegnen und<br />

zusammenarbeiten, dargestellt werden: die <strong>Notfallseelsorge</strong>, die <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuer-<br />

wehr und <strong>Rettungsdienst</strong> und schließlich auch Aspekte <strong>im</strong> Rahmen der Geme<strong>in</strong>depasto-<br />

ral.<br />

3.1 <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

3.1.1 Erste Begriffsbest<strong>im</strong>mung und Unterscheidungen<br />

Der entsprechende Artikel <strong>im</strong> Lexikon der Pastoral def<strong>in</strong>iert <strong>Notfallseelsorge</strong> (NFS)<br />

folgendermaßen: „In der <strong>Notfallseelsorge</strong> (seit 1989 <strong>in</strong> der BRD) leisten haupt- und<br />

ehrenamtlich dafür geschulte und kirchlich beauftragte Priester und kirchliche Mitar-<br />

beiter/-<strong>in</strong>nen den Opfern, Angehörigen oder H<strong>in</strong>terbliebenen akuter Krisensituationen<br />

[...] auf der Basis des christlichen Glaubens ‚psychische Erste Hilfe’, e<strong>in</strong>gebunden <strong>in</strong><br />

die Rettungskette der Notfallversorgung.“ 100 Ebenso ist der seelsorgliche Dienst an den<br />

E<strong>in</strong>satzkräften (von RD, Feuerwehr, Polizei u. a.) dazuzuzählen. 101<br />

Im Rahmen dieser ersten Begriffsbest<strong>im</strong>mung von NFS ist es hilfreich und wichtig, vier<br />

E<strong>in</strong>richtungen auf diesem Gebiet vone<strong>in</strong>ander zu unterscheiden, die <strong>im</strong> Folgenden dar-<br />

gestellt werden: die kirchliche <strong>Notfallseelsorge</strong>, die Krisen<strong>in</strong>tervention des Rettungs-<br />

dienstes, die Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen und die <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feu-<br />

erwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>. 102<br />

3.1.1.1 <strong>Kirchliche</strong> <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

100 MÜLLER-CYRAN / SCHMID: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1200. Vgl. dazu auch ZIPPERT : <strong>Notfallseelsorge</strong>, 397f.<br />

101 Vgl. MÜLLER-CYRAN / SCHMID: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1200. Allerd<strong>in</strong>gs ist dieser Dienst nicht als organisierte<br />

Betreuung zu verstehen <strong>im</strong> Gegensatz zur Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen<br />

(unter II, 3.1.1.3) und zur <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> (unter II, 3.1.1.4). Vgl.<br />

KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1 u. 3f. Diese Def<strong>in</strong>itionen wurden von der Konferenz<br />

der Diözesanbeauftragten für <strong>Notfallseelsorge</strong> <strong>in</strong> Bayern erarbeitet und von der Konferenz der evangelischen<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r <strong>in</strong> Bayern anerkannt. Sie s<strong>in</strong>d also für Bayern normativ und für die anderen<br />

Bundesländer lediglich empfehlend zu verstehen. Für die H<strong>in</strong>weise hierzu danke ich Hanjo von<br />

Wietershe<strong>im</strong>.<br />

102 Vgl. dazu KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1-4.<br />

29


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die NFS ist „Grundbestandteil des <strong>Seelsorge</strong>auftrags der Kirche.“ 103 Sie hat also e<strong>in</strong><br />

„explizit kirchliches Selbstverständnis“ 104 und gehört, sei es als Teil oder Erweiterung,<br />

zur Geme<strong>in</strong>depastoral. 105 Ziel der NFS ist es, allen Menschen (unabhängig von deren<br />

Religion oder Konfession) <strong>in</strong> akuten Not- und Krisensituationen seelsorgliche Beglei-<br />

tung anzubieten; sie ist sozusagen „erste Hilfe für die Seele“ 106 , wie es die Kasseler<br />

Thesen formulieren. 107<br />

In der NFS engagieren sich hauptamtliche <strong>Seelsorge</strong>r der evangelischen und katholi-<br />

schen Kirche, die <strong>in</strong> der Regel auch e<strong>in</strong>e entsprechende Zusatzausbildung absolviert<br />

haben. 108 Nur <strong>in</strong> seltenen Fällen werden zusätzlich ehrenamtliche Mitarbeiter<strong>in</strong>nen offi-<br />

ziell von der Kirche dazu beauftragt. 109<br />

Die Dienst habenden <strong>Notfallseelsorge</strong>r, werden von der zuständigen Rettungsleitstelle<br />

per Funkmeldeempfänger oder Mobiltelefon alarmiert, sobald e<strong>in</strong> entsprechender E<strong>in</strong>-<br />

satzanlass (Indikation) vorliegt oder Rettungskräfte am E<strong>in</strong>satzort die NFS anfordern. 110<br />

Zu den Indikationen für die NFS zählen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie: erfolgloser Wiederbelebungs-<br />

versuch (Rean<strong>im</strong>ation), Tod e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des, Suizidankündigung beziehungsweise Suizid<br />

103<br />

Karl Lehmann und Manfred Kock <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e<br />

Handreichung, 3 (Geleitwort). Ebenso ist dieses Verständnis <strong>in</strong> den so genannten Kasseler Thesen<br />

zur NFS festgehalten, die 1997 von Vertretern der NFS aus verschiedenen Landeskirchen und Diözesen<br />

verabschiedet wurden. Vgl. EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung,<br />

21f. An dieser Stelle sei darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass es von der Deutschen Bischofskonferenz<br />

(DBK) bisher ke<strong>in</strong>e offizielle Stellungnahme zur NFS gibt; diese Feststellung wurde vom Sekretariat<br />

der DBK <strong>im</strong> August 2003 auf Anfrage bestätigt. Lediglich das oben zitierte geme<strong>in</strong>same Geleitwort<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Text- und Materialheft zur NFS (1997) des Vorsitzenden der DBK, Bischof Karl Lehmann,<br />

und des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche <strong>in</strong> Deutschland, Präses Manfred Kock,<br />

kann <strong>in</strong> diesem Zusammenhang angeführt werden.<br />

104<br />

KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1.<br />

105<br />

Vgl. KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1.<br />

106<br />

Kasseler Thesen <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung, 21.<br />

107<br />

Zu den Kasseler Thesen vgl. Anm. 103. Für genaue Def<strong>in</strong>itionen und Aspekte von Krisensituationen,<br />

auf die <strong>in</strong> dieser Arbeit nicht näher e<strong>in</strong>gegangen werden kann, sei verwiesen auf SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention,<br />

15-18 u. 29-60. An dieser Stelle sei aber zum<strong>in</strong>dest auf die Ambivalenz von Krisensituationen<br />

aufmerksam gemacht: Krisen stellen sowohl e<strong>in</strong>e Gefahr für den Menschen dar, tragen aber<br />

auch e<strong>in</strong>e Chance (Impuls zur positiven Veränderung) <strong>in</strong> sich. So ist auch zu verstehen, warum das<br />

ch<strong>in</strong>esische Schriftzeichen für Krise aus dem Zeichen für Gefahr und dem für Chance zusammengesetzt<br />

ist. Vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 29.<br />

108<br />

Auf die Ausbildung für <strong>Notfallseelsorge</strong>r wird unter II, 3.1.3 noch genauer e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

109<br />

Die kirchliche Beauftragung ist nicht zuletzt <strong>in</strong> Bezug auf das Zeugnisverweigerungsrecht notwendig.<br />

Denn dieses kann unter Umständen hilfreich se<strong>in</strong>, wenn dem <strong>Notfallseelsorge</strong>r <strong>im</strong> Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

Betreuungsgespräches <strong>in</strong> vertraulicher Weise Sachverhalte mitgeteilt worden s<strong>in</strong>d, die strafrechtlich<br />

relevant s<strong>in</strong>d. „Priester und Diakone genießen Zeugnisverweigerungsrecht [...]. Diese können, wenn<br />

ihnen das persönliche Ersche<strong>in</strong>en am E<strong>in</strong>satzort ausnahmsweise nicht möglich se<strong>in</strong> sollte, für den<br />

E<strong>in</strong>zelfall e<strong>in</strong>en Mitarbeiter, der nicht Geistlicher ist, oder e<strong>in</strong>e Mitarbeiter<strong>in</strong>, mit der Wahrnehmung<br />

e<strong>in</strong>er Tätigkeit am E<strong>in</strong>satzort beauftragen. E<strong>in</strong> solcher Mitarbeiter genießt dann e<strong>in</strong> Zeugnisverweigerungsrecht<br />

als sogenannter Berufshelfer. Darüber h<strong>in</strong>aus besteht für alle Mitarbeiter e<strong>in</strong>e Verschwiegenheitspflicht,<br />

<strong>in</strong>soweit sie als öffentlich Bedienstete anzusehen s<strong>in</strong>d.“ (BISCHÖFLICHES ORDI-<br />

NARIAT MAINZ: Rahmenordnung, 24).<br />

110<br />

Vgl. ZIPPERT : Organisationsmodelle von <strong>Notfallseelsorge</strong>, 13.<br />

30


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

oder -versuch und e<strong>in</strong> schweres E<strong>in</strong>satzbild (zum Beispiel schwerer Verkehrsunfall,<br />

Brand e<strong>in</strong>es Wohnhauses, Großschadensereignis). 111<br />

Zur Aufgabe der <strong>Notfallseelsorge</strong>r gehört <strong>im</strong> E<strong>in</strong>satzfall die seelsorgliche Begleitung<br />

von unverletzten Beteiligten, Verletzten und Angehörigen, die sich am E<strong>in</strong>satzort auf-<br />

halten. Wenn von den Betroffenen gewünscht, können auch Gebete, Segensrituale und,<br />

je nach Beauftragung oder Weihe, gemäß den kirchlichen Richtl<strong>in</strong>ien gegebenenfalls<br />

auch die Spendung von Sakramenten angeboten werden. 112<br />

Ebenso zählt die Fürsorge für erschöpfte E<strong>in</strong>satzkräfte zur NFS, die aber von e<strong>in</strong>er or-<br />

ganisierten E<strong>in</strong>satznachsorge zu unterscheiden ist. 113 Ferner ist möglich, dass Notfall-<br />

seelsorger von der Polizei gebeten werden, Polizeibeamte bei der Überbr<strong>in</strong>gung von<br />

Todesnachrichten zu begleiten und die Angehörigen des Verstorbenen zu betreuen. 114<br />

Die NFS bietet also <strong>in</strong> akuten Krisensituationen menschlichen Beistand und seelsorgli-<br />

che Begleitung an und sorgt sich, geme<strong>in</strong>sam mit dem RD, um Leib und Seele von<br />

Menschen, die Hilfe, Trost und Mitmenschlichkeit benötigen. NFS tritt für die Würde<br />

von Toten, Verletzten und Beteiligten e<strong>in</strong> und ermutigt betroffene Personen, sich die<br />

Zeit zur Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse zu nehmen, die diese dafür benöti-<br />

gen. Sie greift dort e<strong>in</strong>, wo andere lieber wegschauen und weggehen. 115<br />

Abb. 2<br />

Alles <strong>in</strong> allem steht die NFS für e<strong>in</strong>e „Option für das Leben“ 116 : Durch<br />

ihre Anwesenheit und ihre Dienste aus dem christlichen Glauben heraus<br />

bezeugt sie <strong>in</strong> Situationen, die von Tod, Verzweiflung und S<strong>in</strong>nlosigkeit<br />

geprägt s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>e religiöse Botschaft und D<strong>im</strong>ension, die S<strong>in</strong>n, Hoffnung,<br />

Weiterleben und Gottes Liebe und Nähe verkündigen. 117<br />

Die NFS setzt also genau die Aufgaben und Pr<strong>in</strong>zipien um, die <strong>in</strong> der<br />

theologischen Grundlegung bereits vorgestellt worden s<strong>in</strong>d. Sie handelt<br />

111 Vgl. Kasseler Thesen <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung,<br />

22 und <strong>in</strong> MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 20f. Vgl. praxisorientiert dazu auch<br />

die E<strong>in</strong>satzstatistik 2002 der NFS Wetterau <strong>in</strong>: www.notfallseelsorge-wetterau.de (vom 27.06.2003).<br />

Weiter sei verwiesen auf WIETERSHEIM: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 140-142.<br />

112 KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1.<br />

113 Vgl. dazu die Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen unter II, 3.1.1.3.<br />

114 Vgl. Kasseler Thesen <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung,<br />

21 und <strong>in</strong> MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 20.<br />

115 Vgl. dazu NOTFALLSEELSORGE WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 2f.<br />

116 KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1.<br />

117 Das drückt auch das Logo der NFS aus (vgl. Abb. 2): Über der Welt, auch mit ihren Wunden und<br />

Leiden (roter Kreis), leuchtet das gelbe Sternenkreuz – Symbol für den christlichen Glauben, der den<br />

Sieg Jesu Christi über Leid und Tod verkündet. Dieses Kreuz weist über den Kreis der Welt h<strong>in</strong>aus<br />

auf Gott, der se<strong>in</strong>e Geschöpfe liebt und e<strong>in</strong> Freund des wahren Lebens (vgl. Weish 11,26) ist. Vgl.<br />

www.notfallseelsorge.de/logob.htm (vom 03.09.2003) und vgl. WIETERSHEIM: Partner für Menschen<br />

<strong>in</strong> Not, 15.<br />

31


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

<strong>im</strong> Auftrag Gottes und se<strong>in</strong>er Kirche und ist folglich e<strong>in</strong> berechtigter und notwendiger<br />

kirchlicher Dienst an hilfsbedürftigen Menschen und zur Unterstützung der Helfer.<br />

Organisatorisch gesehen zählt die NFS zu den so genannten Notfallfolgediensten und ist<br />

daher von den Notfallfachdiensten wie Feuerwehr, RD und Polizei zu unterscheiden. 118<br />

NFS unterstützt die Notfallfachdienste und arbeitet mit diesen und anderen Behörden<br />

und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) zusammen, koord<strong>in</strong>iert durch die<br />

jeweilige Rettungsleitstelle. Neben dem dargestellten Pr<strong>in</strong>zip der Kooperation s<strong>in</strong>d für<br />

die Arbeit der NFS auch folgende Grundmerkmale wichtig: die Kollegialität unter den<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>rn, die Regionalität (Gliederung der NFS nach Rettungsleitstellen) 119<br />

und die Geme<strong>in</strong>debezogenheit (Stellvertretung für und E<strong>in</strong>bezug von der jeweiligen<br />

Ortsgeme<strong>in</strong>de). Auch die Pr<strong>in</strong>zipien der Ökumenizität (Offenheit gegenüber und Zu-<br />

sammenarbeit mit anderen Konfessionen und Religionen), der Freiwilligkeit und ebenso<br />

der Professionalität s<strong>in</strong>d hier anzuführen. 120<br />

Nach dieser allgeme<strong>in</strong>en Darstellung der NFS <strong>im</strong> Rahmen der Begriffsbest<strong>im</strong>mung wird<br />

später noch auf ihre Entwicklungsgeschichte, ferner auf die Auswahl, Ausbildung und<br />

Ausstattung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn und schließlich auf die aktuelle Situation der NFS<br />

<strong>im</strong> Bistum Ma<strong>in</strong>z e<strong>in</strong>gegangen. 121<br />

3.1.1.2 Krisen<strong>in</strong>tervention des <strong>Rettungsdienst</strong>es<br />

Die Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> (KIT) beziehungsweise der Krisen<strong>in</strong>terventi-<br />

onsdienst des <strong>Rettungsdienst</strong>es (KID) ist als „nichtkirchliches, aber nicht automatisch<br />

säkulares Pendant“ 122 zur NFS entstanden. Mittlerweile decken die NFS und die KIT<br />

zusammen ungefähr drei Viertel aller Landkreise <strong>in</strong> Deutschland ab. 123<br />

„Zielgruppe, E<strong>in</strong>satz<strong>in</strong>dikationen, psychotraumatologische Grundkenntnisse und Me-<br />

thoden s<strong>in</strong>d bei NFS und KIT <strong>in</strong> der Regel nahezu identisch.“ 124 Der Unterschied zwi-<br />

schen beiden E<strong>in</strong>richtungen liegt vor allem <strong>im</strong> Selbstverständnis und der Träger-<br />

118 Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 28. Notwendige Hilfe kann <strong>in</strong> Notfällen<br />

nicht <strong>im</strong>mer alle<strong>in</strong> durch die Notfallfachdienste geleistet werden kann, so dass die Notfallfolgedienste<br />

zum E<strong>in</strong>satz kommen; als Beispiel sei die Betreuung von aufgeregten und verstörten Personen bei<br />

e<strong>in</strong>em Wohnungsbrand genannt, die ke<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische Betreuung benötigen.<br />

119 Mit Hilfe dieses Pr<strong>in</strong>zips kann e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle NFS-Struktur entstehen, die e<strong>in</strong>e zuverlässige Erreich-<br />

barkeit und schnelle Verfügbarkeit der NFS garantiert.<br />

120 Vgl. ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 54-56 und vgl. ZIPPERT : Organisationsmodelle<br />

von <strong>Notfallseelsorge</strong>, 15.<br />

121 Vgl. II, 3.1.2 – II, 3.1.6. Darüber h<strong>in</strong>aus sei auf den Fragebogen NFS (<strong>im</strong> Anhang 1) verwiesen.<br />

122 ZIPPERT : Notfälle und Katastrophen begleiten, 228.<br />

123 Vgl. ZIPPERT : Notfälle und Katastrophen begleiten, 228. E<strong>in</strong>e ständig aktualisierte Liste der gemeldeten<br />

NFS- und KIT- bzw. KID-E<strong>in</strong>heiten ist unter www.notfallseelsorge.de/systeme.htm (Stand:<br />

22.08.2003) zu f<strong>in</strong>den.<br />

124 DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 17.<br />

32


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

schaft. 125 Seit 1994, zeitlich fast parallel zur E<strong>in</strong>richtung der NFS 126 , entwickelt sich<br />

dieses System offiziell <strong>in</strong> Deutschland, <strong>in</strong> dem eigens dafür qualifizierte RD-Mitarbeiter<br />

und zum Teil auch weitere Ehrenamtliche der Hilfsorganisationen Menschen <strong>in</strong> Krisen-<br />

situationen begleiten. 127<br />

Es handelt sich bei diesem Dienst um e<strong>in</strong>e kurzfristige Krisen<strong>in</strong>tervention für Menschen<br />

<strong>in</strong> Trauer oder mit akuter Traumatisierung unmittelbar nach e<strong>in</strong>em belastenden Ereignis;<br />

e<strong>in</strong>e solche Intervention kann schwere Folgeschäden <strong>im</strong> psychischen Bereich vermei-<br />

den. 128 Dadurch soll „der orig<strong>in</strong>ären Aufgabe der präkl<strong>in</strong>ischen Notfallmediz<strong>in</strong>, nämlich<br />

gesundheitliche Folgeschäden zu verh<strong>in</strong>dern, entsprochen“ 129 werden, zu der der RD<br />

durch das RD-Gesetz des jeweiligen Landes verpflichtet ist. 130<br />

Im Vergleich zur NFS verstehen sich KIT-Mitarbeiter von ihrer Institution her religi-<br />

onsneutral und sehen bei Gesprächen mit Klienten e<strong>in</strong>e religiöse D<strong>im</strong>ension nicht <strong>im</strong><br />

Vordergrund; wenn Menschen bei e<strong>in</strong>em KIT-E<strong>in</strong>satz um e<strong>in</strong> Gebet, religiöse Rituale,<br />

Segnungen oder gar die Spendung von Sakramenten bitten, muss der KIT-Mitarbeiter<br />

diese Anliegen <strong>in</strong> der Regel an die NFS oder den entsprechenden <strong>Seelsorge</strong>r vor Ort<br />

weitergegeben. 131 Carl-He<strong>in</strong>z Daschner stellt daher fest: „KIT als rettungsdienstliche<br />

Aufgabe und NFS als kirchliches Engagement ergänzen sich zwar, können sich aber<br />

ke<strong>in</strong>esfalls gegenseitig ersetzen. Insbesondere die Verh<strong>in</strong>derung schwerer gesundheitli-<br />

125<br />

Vgl. DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 17.<br />

126<br />

In manchen Gebieten entstand KIT bzw. KID sogar vor der NFS (so zum Beispiel <strong>im</strong> Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-<br />

Kreis).<br />

127<br />

Vgl. DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 119 und vgl. KONFERENZ: Tabellari-<br />

sche Begriffsklärung, 2.<br />

128 Vgl. KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 2. Hartmut Jatzko def<strong>in</strong>iert Trauma als „e<strong>in</strong>e unvorbereitete,<br />

plötzlich über den Menschen here<strong>in</strong>brechende, höchstmögliche Konfrontation mit der<br />

Endlichkeit des Se<strong>in</strong>s. E<strong>in</strong>e Reizüberflutung führt zur Blockierung der Gefühle und des Bewusstse<strong>in</strong>s<br />

[...]. Je nach Veranlagung und <strong>in</strong>dividueller Lebensgeschichte resultieren hieraus unterschiedliche<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigungen bis h<strong>in</strong> zum Krankheitswert.“ (JATZKO: Katastrophen-Nachsorge, 45.) Carl-<br />

He<strong>in</strong>z Daschner schreibt: „Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass 30 bis 50% aller Menschen,<br />

die traumatische Erfahrungen <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n machen mussten, später Symptome e<strong>in</strong>es psychischen<br />

Traumas zeigen.“ (DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 26.) Weiter sei auf<br />

den folgenden Abschnitt (II, 3.1.1.3) verwiesen, <strong>in</strong> dem näher auf die Posttraumatische Belastungsreaktion<br />

und -störung e<strong>in</strong>gegangen wird.<br />

129 DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 18. Vgl. auch BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszi-<br />

pl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 18.<br />

130 Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 18 und DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention<br />

<strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 12f. Diese Verpflichtung gibt es <strong>in</strong> den RD-Gesetzen aller Bundesländer.<br />

Daschner verweist dort beispielhaft auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 3 des Bayerischen <strong>Rettungsdienst</strong>gesetztes<br />

<strong>in</strong> der Fassung vom 9. Dezember 1997. Vgl. DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong><br />

<strong>Rettungsdienst</strong>, 13 (dort Anm. 2).<br />

131 Vgl. dazu DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 17. E<strong>in</strong> Zeugnisverweigerungsrecht<br />

(vgl. dazu Anm. 109) haben KIT-Mitarbeiter nur, wenn sie bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz von e<strong>in</strong>em Arzt<br />

mit der Betreuung e<strong>in</strong>es oder mehreren Klienten beauftragt werden (Zeugnisverweigerungsrecht als<br />

so genannte Berufshelfer).<br />

33


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

cher Folgeschäden ist die zentrale Aufgabe des <strong>Rettungsdienst</strong>es und der präkl<strong>in</strong>ischen<br />

Notfallmediz<strong>in</strong>.“ 132<br />

Es ist also s<strong>in</strong>nvoll, dass es beide E<strong>in</strong>richtungen, die KIT und die NFS, gibt und es ist<br />

möglich, dass beide zusammenarbeiten und sich ergänzen. Vor allem ist es für beide<br />

Seiten wichtig, sich gegenseitig wahrzunehmen, kennen zu lernen und den jeweils ande-<br />

ren zu akzeptieren.<br />

KIT-Mitarbeiter s<strong>in</strong>d zwar ke<strong>in</strong>e offiziellen <strong>Seelsorge</strong>r der Kirche, doch ist nach der<br />

theologischen Grundlegung oben durchaus festzuhalten, dass sie <strong>im</strong> S<strong>in</strong>ne Jesu und sei-<br />

ner Kirche handeln, wenn sie Menschen <strong>in</strong> Not nach bestem Wissen und Gewissen bei-<br />

stehen und helfen. 133<br />

3.1.1.3 Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen<br />

NFS und KIT <strong>im</strong> strengen S<strong>in</strong>n leisten ke<strong>in</strong>e organisierte Betreuung von E<strong>in</strong>satzkräften,<br />

sondern unterstützen diese <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie. 134 Allerd<strong>in</strong>gs können (Notfall-) <strong>Seelsorge</strong>r,<br />

Ärzte, Psychologen und Mitarbeiter vom KID und RD mit entsprechender Zusatzaus-<br />

bildung auf dem Gebiet der Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen (SbE ® ) für<br />

Rettungskräfte (und gegebenenfalls auch für deren Angehörige) tätig werden. 135<br />

Durch pr<strong>im</strong>äre Prävention, also Vorbereitung der E<strong>in</strong>satzkräfte auf belastende E<strong>in</strong>sätze<br />

und Vermittlung von Verarbeitungsmöglichkeiten, und sekundäre Prävention, soll auf<br />

Posttraumatische Belastungsreaktionen (PTB) 136 bei belasteten Personen reagiert wer-<br />

den, bevor diese sich zu Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS, englisch<br />

Posttraumatic Stress Disorder, PTSD), weiterentwickeln. 137 Die sekundäre Prävention,<br />

132 DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 17.<br />

133 H<strong>in</strong>gewiesen sei bereits hier auf den Fragebogen KID. Für weitere Informationen zu diesem Thema<br />

sei verwiesen auf DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> und FERTIG / WIE-<br />

TERSHEIM: Menschliche Begleitung, 115-131 und RUNGGALDIER: Psychologie, 850f und MÜLLER-<br />

CYRAN: Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 108-122 und ferner auf PETER: Der Betreuungse<strong>in</strong>satz,<br />

64-68.<br />

134 Vgl. KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 1f.<br />

135 E<strong>in</strong> SbE ® -Team besteht <strong>in</strong> der Regel aus e<strong>in</strong> bis zwei Fachleuten aus dem psychosozialen Bereich<br />

(beispielsweise Mediz<strong>in</strong>er, Psychologen oder <strong>Notfallseelsorge</strong>r) und zwei bis drei so genannten<br />

Peers, die der gleichen Gruppe wie die zu betreuenden E<strong>in</strong>satzkräfte angehören (für RD-Personal<br />

s<strong>in</strong>d es also RD-Mitarbeiter). Vgl. MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>satznachsorge, 270f. Zur SbE ® allgeme<strong>in</strong> sei<br />

weiter verwiesen auf MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>satznachsorge, 264-284 und RUNGGALDIER: Psychologie,<br />

852-828 und FERTIG: Streß und Streßbewältigung, 375-393 und KELLER: Alptraum „Retten“.<br />

136 Vgl. dazu auch ALBRECHT : Die Posttraumatische Belastungsreaktion, bes. 607.<br />

137 Vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 50-56 und vgl. dazu auch ALBRECHT : Die Posttraumatische<br />

Belastungsreaktion und vgl. ferner DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 24-29.<br />

Gernot Sonneck schreibt: „Die zahlreichen, teils sehr unterschiedlichen Symptome stellen zunächst<br />

e<strong>in</strong>e normale Reaktion auf e<strong>in</strong>e extreme Situation dar [...]. Von e<strong>in</strong>er Posttraumatischen Belastungsstörung<br />

spricht man erst dann, wenn die Symptome über e<strong>in</strong>en Zeitraum von mehr als e<strong>in</strong>em Monat<br />

andauern.“ (SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 52.) Generell lassen sich die Symptome <strong>in</strong> drei charakteristische<br />

Gruppen e<strong>in</strong>ordnen: Übererregung (z. B. Schlafstörungen und Reizbarkeit), Intrusion (Alp-<br />

34


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

die so genannte E<strong>in</strong>satznachsorge, besteht aus e<strong>in</strong>leitenden Defus<strong>in</strong>g-Gesprächen zur<br />

Entschärfung (ca. 8 Stunden nach dem belastenden Ereignis) und strukturierten E<strong>in</strong>satz-<br />

nachbesprechungen, dem Debrief<strong>in</strong>g (24 bis 72 Stunden danach). 138<br />

E<strong>in</strong>e standardisierte Rolle spielt dabei das von den US-Amerikanern Jeffrey T. Mitchell<br />

und George S. Everly entwickelte Critical Incident Stress Management (CISM), oft mit<br />

Stressmanagement nach kritischen Ereignissen 139 übersetzt, das mittlerweile von den<br />

Vere<strong>in</strong>ten Nationen als Non-Government-Organisation (NGO) anerkannt ist. 140 E<strong>in</strong>e<br />

professionelle Methode aus diesem Programm ist das Critical Incident Stress Debrie-<br />

f<strong>in</strong>g (CISD) mit se<strong>in</strong>en sieben Stufen: E<strong>in</strong>leitung, Fakten, Gedanken, Reaktionen, Sym-<br />

ptome, Information und Rückorientierung. 141<br />

Die SbE ® als solche ist ke<strong>in</strong>e Therapie, sondern betreut Menschen, die etwas außerge-<br />

wöhnlich Schreckliches erlebt haben. 142 Daher müssen Klienten, die bereits an psychia-<br />

trischen Erkrankungen leiden, an entsprechende Spezialisten weitergeleitet werden.<br />

Mittlerweile gibt es zahlreiche <strong>Notfallseelsorge</strong>r, die die entsprechende Zusatzausbil-<br />

dung absolviert haben und die SbE ® <strong>im</strong> Rahmen ihres NFS-Systems anbieten. 143 Ferner<br />

existiert die Bundesvere<strong>in</strong>igung SbE ® e. V., <strong>in</strong> der sich auch kirchliche Mitarbeiter en-<br />

gagieren und die gewährleistet, dass bundesweit und zu jeder Zeit e<strong>in</strong> SbE ® -Team zur<br />

Verfügung steht und <strong>im</strong> Bedarfsfall von E<strong>in</strong>satzkräften angefordert werden kann. 144<br />

Die Frage bleibt, wie die <strong>Rettungsdienst</strong>e diese Angebote <strong>in</strong> ihre Arbeit e<strong>in</strong>beziehen und<br />

welche SbE ® -Angebote die Hilfsorganisationen für ihre RD-Mitarbeiter (mit oder ohne<br />

kirchliche Kooperation) entwickelt haben. 145<br />

3.1.1.4 <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

träume und so genannte Flash-Backs, die den Betroffenen nach auslösenden, oft m<strong>in</strong><strong>im</strong>alen Reizen<br />

an das Trauma er<strong>in</strong>nern) und Konstriktion (depressive St<strong>im</strong>mung, Schuld- und Schamgefühle bis h<strong>in</strong><br />

zu Selbstmordhandlungen). Vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 52.<br />

138 Vgl. GIESEN: E<strong>in</strong>satznachbereitung, 5 und vgl. KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 4. Vgl.<br />

dazu auch BIEGE: Nachsorge, 164f. Im zuletzt genannten Artikel wird e<strong>in</strong> vorbildliches Nachsorgekonzept<br />

<strong>in</strong> Schottland vorgestellt. Der Autor hat allerd<strong>in</strong>gs Bedenken, was e<strong>in</strong>e Übertragung auf das<br />

deutsche System angeht.<br />

139 Vgl. dazu EVERLY / MITCHELL: CISM – Stressmanagement nach kritischen Ereignissen.<br />

140 Vgl. KONFERENZ: Tabellarische Begriffsklärung, 4. Vgl. zur Bedeutung von CISM auch MÜLLER-<br />

LANGE: Facetten des Krisen- und Katastrophenmanagements, 644-646.<br />

141 Vgl. EVERLY / MITCHELL: CISM – Stressmanagement nach kritischen Ereignissen, 85-88. Weiter sei<br />

verwiesen auf MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>satznachsorge, 270-277 und APPEL-SCHUMACHER: Streßmanagement<br />

nach traumatischen Ereignissen, bes. 261-267 und GIESEN: E<strong>in</strong>satznachbereitung, 5f.<br />

142 Vgl. NOTFALLSEELSORGE WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 8.<br />

143 So s<strong>in</strong>d zum Beispiel sechs von 20 <strong>Notfallseelsorge</strong>rn der NFS Wetterau zusätzlich für die SbE ®<br />

ausgebildet. Vgl. NOTFALLSEELSORGE WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 5.<br />

144 Vgl. MÜLLER-LANGE: Die Bundesvere<strong>in</strong>igung SBE, 26.<br />

145 Auf diese Frage wird <strong>in</strong> der Kairologie e<strong>in</strong>zugehen se<strong>in</strong>. Vgl. bes. III, 4.1.2 und III, 4.2.<br />

35


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Dieser pastorale Dienst ist e<strong>in</strong>e dauerhaft e<strong>in</strong>gerichtete Kategorialseelsorge, die <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie nur die Berufsgruppe der E<strong>in</strong>satzkräfte von Feuerwehr und RD <strong>im</strong> Blick hat. Aus<br />

diesem Grund ist sie von den bereits dargestellten Diensten (NFS, KIT und SbE ® ) zu<br />

unterscheiden, die nur bei akuten Notfallsituationen agieren. Diese Sonder- oder Be-<br />

rufsgruppenseelsorge wird daher (unter II, 3.2) eigens behandelt.<br />

3.1.2 Entwicklungsgeschichte der <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

Eigentlich ist NFS nichts Neues <strong>in</strong> der Kirche. Wie schon <strong>in</strong> der theologischen Grund-<br />

legung deutlich wurde, zählt die Begleitung von und die Hilfe für Menschen <strong>in</strong> Not- und<br />

Krisensituationen seit den Anfängen des Christentums zu den Grundaufgaben der<br />

kirchlichen Geme<strong>in</strong>de ebenso wie der Beistand für Sterbende und die würdige Bestat-<br />

tung von Toten. 146 In e<strong>in</strong>em Lehrbuch zur Krisen<strong>in</strong>tervention ist zu lesen: „Schon <strong>im</strong>-<br />

mer haben sich die Priester der Religionsgeme<strong>in</strong>schaften auch mit Menschen befasst,<br />

die <strong>in</strong> Krisen geraten s<strong>in</strong>d. Lange Zeit h<strong>in</strong>durch war es e<strong>in</strong>fach nur der Priester, den man<br />

<strong>in</strong> solchen Krisensituationen aufsuchte, dessen Rat man erbat.“ 147<br />

Bis vor etwa vierzig Jahren war es selbstverständlich, dass e<strong>in</strong> Priester zu den Schwer-<br />

kranken und Sterbenden gerufen wurde. Durch die Fortschritte <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong> und den<br />

Ausbau des Rettungswesens wurden Krankheit und Sterben mehr und mehr <strong>in</strong> die Kli-<br />

niken verlagert; deshalb wurde die Krankenhausseelsorge als Kategorialseelsorge auf-<br />

gebaut. Seitdem wurde der Ortspfarrer oft erst dann <strong>in</strong>formiert, wenn die Beerdigung<br />

anstand. 148 Der Arbeitsort von RD und <strong>Seelsorge</strong>rn entwickelte sich <strong>im</strong>mer mehr aus-<br />

e<strong>in</strong>ander, e<strong>in</strong>e Begegnung war eher selten oder zufällig. 149<br />

Als e<strong>in</strong> Schritt der (evangelischen) Kirche zu den Rettungsorganisationen h<strong>in</strong> kann e<strong>in</strong>e<br />

Veröffentlichung der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche <strong>in</strong> Deutschland am Ende<br />

der 1970er Jahre angesehen werden. 150 Im Bewusstse<strong>in</strong> der Gefährdung durch Katastro-<br />

phen und Unglücksfälle und der kirchlichen Verantwortung forderte diese Handrei-<br />

chung die Kirchenmitarbeiter und -geme<strong>in</strong>den zur Zusammenarbeit mit den Rettungsor-<br />

ganisationen auf, um sich geme<strong>in</strong>sam auf die Hilfe bei Katastrophenfällen vorzubereiten<br />

146<br />

Vgl. MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 17.<br />

147<br />

SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention und Suizidverhütung, 213. Manuel Rupp schreibt: „Sowohl die römisch<br />

katholische Kirche wie die evangelischen Kirchen bieten e<strong>in</strong> differenziertes Angebot unterschiedlichster<br />

Hilfeleistungen an. Entsprechend s<strong>in</strong>d viele kirchliche Mitarbeiter mit psychosozialen<br />

Fällen konfrontiert“ (RUPP: Notfall Seele, 25).<br />

148<br />

Vgl. Karl Lehmann und Manfred Kock <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT :<br />

E<strong>in</strong>e Handreichung, 3.<br />

149<br />

Vgl. SADOWSKI: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 427.<br />

150<br />

Vgl. KIRCHENKANZLEI DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND: <strong>Kirchliche</strong>s Handeln bei<br />

Unglücksfällen und Katastrophen.<br />

36


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

und <strong>im</strong> Ernstfall gerüstet zu se<strong>in</strong>. 151 Doch wurde dies nicht konsequent genug <strong>in</strong> die<br />

Praxis umgesetzt, so dass diese Schrift eher e<strong>in</strong> Beleg für die Hilflosigkeit der kirchli-<br />

chen Organisation <strong>in</strong> Bezug auf Katastrophen war. 152<br />

Der eigentliche Beg<strong>in</strong>n der (modernen) NFS liegt dar<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>ige Mitarbeiter <strong>in</strong> Kir-<br />

che und RD bemerkten, dass etwas Wichtiges <strong>in</strong> der <strong>im</strong>mer professioneller werdenden<br />

Rettungskette außer Acht gelassen wurde: e<strong>in</strong> ganzheitliches Menschenbild, das sich<br />

nicht auf die Vitalfunktionen reduzieren lässt. Durch diese Reduktion spielten <strong>in</strong> der<br />

Praxis der Notfallrettung die psychischen, spirituellen und seelsorglichen Bedürfnisse<br />

der Menschen (sowohl Patienten, Angehörige als auch E<strong>in</strong>satzkräfte) meistens ke<strong>in</strong>e<br />

Rolle. 153<br />

Um dies zu ändern, trafen sich Ende der 1980er Jahre an e<strong>in</strong>igen Orten <strong>in</strong> Deutschland<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte und <strong>Seelsorge</strong>r und entwickelten Konzepte für die NFS, Krisen<strong>in</strong>terventi-<br />

on und Schulung der E<strong>in</strong>satzkräfte.<br />

Bemerkenswerterweise liegt also der „Ursprung der ‚zeitgenössischen’ <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

[...] nicht etwa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er pastoralpsychologischen oder -soziologischen Analyse, aus der<br />

sich die Forderung e<strong>in</strong>er verlässlichen Erreichbarkeit e<strong>in</strong>es <strong>Seelsorge</strong>rs ableitet.“ 154 Er<br />

liegt vielmehr bei den E<strong>in</strong>satzkräften selbst, „die auf die Kirche mit der Bitte zugehen,<br />

<strong>in</strong> ‚Notfällen’ erreichbar zu se<strong>in</strong> und persönlich zur Verfügung zu stehen.“ 155<br />

Die Zusammenarbeit mit der Kirche hat sich den E<strong>in</strong>satzkräften angeboten: Die Kirche<br />

verfügt „über e<strong>in</strong> dichtes Netz von Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern, die Erfahrung mit<br />

Trauernden haben. Im Notfall-E<strong>in</strong>satz haben sie ke<strong>in</strong>e anderen Aufgaben und können<br />

sich darum ganz ihren GesprächspartnerInnen widmen.“ 156<br />

151<br />

So heißt es <strong>in</strong> diesem Dokument: (Durch Unglücke und Katastrophen) „werden Christen, Geme<strong>in</strong>den<br />

und Kirchen [...] gefordert [...]. Die Öffentlichkeit erwartet den Dienst der Kirche, aber es wird auch<br />

befürchtet, daß die Kirche sich <strong>in</strong> die Zuständigkeit anderer e<strong>in</strong>mischt und ihren eigenen Auftrag dabei<br />

überschreitet. Beidem muß die Kirche Rechnung tragen. Ihr Beitrag zur Bewältigung von Katastrophen<br />

besteht <strong>in</strong> der <strong>Seelsorge</strong>, Verkündigung und Dienst am Nächsten. Die Kirche wird das ihr<br />

Aufgetragene tun ohne Lärm, und ohne falsche Ansprüche, gewissenhaft und möglichst umgehend,<br />

nicht <strong>in</strong> Abhängigkeit, aber mit e<strong>in</strong>em Höchstmaß an Zusammenarbeit [...]. Wenn Menschen nach<br />

der Präsenz der Kirche fragen und Hilfe von Christen erwarten, sollten wir bereit se<strong>in</strong>, das unsere besonnen<br />

zu tun.“ (Helmut Claß <strong>in</strong> KIRCHENKANZLEI DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND:<br />

<strong>Kirchliche</strong>s Handeln bei Unglücksfällen und Katastrophen, 1f.) Die Handreichung gibt ferner detaillierte<br />

Informationen über die Arbeit und Organisation des Katastrophenschutzes und stellt zahlreiche<br />

Möglichkeiten dar, mit denen die Kirchengeme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Absprache und Zusammenarbeit mit den<br />

Rettungsorganisationen den Menschen <strong>in</strong> Not helfen können. Vgl. KIRCHENKANZLEI DER EVAN-<br />

GELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND: <strong>Kirchliche</strong>s Handeln bei Unglücksfällen und Katastrophen,<br />

bes. 8-38.<br />

152<br />

Vgl. MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 18f.<br />

153<br />

Vgl. GIERING: Lücke <strong>im</strong> Gefüge der <strong>Rettungsdienst</strong>e, A-874.<br />

154<br />

DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 2.<br />

155<br />

DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 2.<br />

156<br />

Walter Meier <strong>in</strong> MEIER / CIMASCHI-OBERTI: <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> Katastrophenfall, 346. Vgl. dazu auch<br />

RUPP: Notfall Seele, 25.<br />

37


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Besonderheit der NFS liegt <strong>im</strong> Vergleich zur traditionellen <strong>Seelsorge</strong> also dar<strong>in</strong>,<br />

dass sie „unter den Bed<strong>in</strong>gungen des heutigen Rettungswesens“ 157 aktiv wird und mit<br />

den <strong>Rettungsdienst</strong>en zusammenarbeitet; dazu gehört auch die Sorge um die E<strong>in</strong>satz-<br />

kräfte. 158<br />

In zahlreichen Regionen, <strong>in</strong> denen die NFS mittlerweile aufgebaut ist, garantiert sie den<br />

zuständigen Rettungsleitstellen und E<strong>in</strong>satzkräften rund um die Uhr abrufbereite und<br />

entsprechend ausgebildete <strong>Seelsorge</strong>r zur Unterstützung. Die Zahl der Dienst habenden<br />

<strong>Seelsorge</strong>r wird dabei regional geregelt und dem durchschnittlichen Bedarf angepasst.<br />

Ferner kann bei Großschadensfällen und Katastrophen auf e<strong>in</strong>en großen Pool an Not-<br />

fallseelsorgern aus ganz Deutschland zurückgegriffen werden; so geschah es zum Bei-<br />

spiel be<strong>im</strong> Zugunglück 1998 <strong>in</strong> Eschede 159 und der großen Flutkatastrophe <strong>in</strong> Süd- und<br />

Ostdeutschland <strong>im</strong> Jahr 2002. 160<br />

Mittlerweile gibt es zahlreiche Tagungen, Konferenzen und e<strong>in</strong>en jährlich stattf<strong>in</strong>den-<br />

den Bundeskongress <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention, die zu e<strong>in</strong>em gegenseiti-<br />

gen Erfahrungsaustausch und e<strong>in</strong>er ständigen Verbesserung auf diesen Gebieten beitra-<br />

gen. 161<br />

Mit den Worten des evangelischen Pfarrers Hanjo von Wietershe<strong>im</strong>, der zu den Pionie-<br />

ren der NFS zählt, kann zusammenfassend festgestellt werden: „In den 10 Jahren, <strong>in</strong><br />

denen es <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention gibt, hat sich viel getan. Die psychi-<br />

sche Komponente <strong>im</strong> Rettungswesen wird mittlerweile sowohl bei der Betreuung der<br />

Geschädigten als auch bei der Unterstützung des E<strong>in</strong>satzpersonals gesehen und zum<br />

Teil auch beachtet. Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist die Integration der vorliegenden<br />

Erkenntnisse <strong>in</strong> Ausbildung, E<strong>in</strong>satz und Personalmanagement und die Entwicklung<br />

zuverlässiger Standards, die bei der Unterscheidung der verschiedenen Ansätze und<br />

Systeme helfen können.“ 162<br />

157<br />

SADOWSKI: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 427.<br />

158<br />

Sigurd Sadowski schreibt dazu: „Bisher war es kaum möglich, unter solchen Bed<strong>in</strong>gungen zu arbeiten,<br />

da sich Kirchen und <strong>Rettungsdienst</strong>e zu weit ause<strong>in</strong>anderentwickelt hatten. Das betrifft v. a. Organisationen,<br />

die nicht auf besondere kirchliche Traditionen verweisen.“ (SADOWSKI: <strong>Notfallseelsorge</strong>,<br />

427). Ferner bezeichnet Günther Kames die „direkte E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung aller bei e<strong>in</strong>em Rettungse<strong>in</strong>satz<br />

Beteiligten, das Zusammenrücken von Kirchenleuten und nicht Kirchenleuten“ (KAMES: Erste Hilfe<br />

für die Seele, 20) als Schlüssel für die Entstehung der NFS Wetterau.<br />

159<br />

Vgl. dazu HÖLTERHOFF: Katastrophenseelsorge (zur <strong>Notfallseelsorge</strong>) und vgl. auch HELMERICHS:<br />

E<strong>in</strong>satznachsorge.<br />

160<br />

Zum Thema NFS (allgeme<strong>in</strong>) vgl. auch die ausführlicheren Darstellungen bei ZIPPERT : Notfälle und<br />

Katastrophen begleiten, 245-254 und vgl. ferner ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 27-34.<br />

161<br />

Vgl. dazu den Bericht vom 3. Bundeskongress <strong>in</strong> Augsburg <strong>im</strong> Januar 2000 <strong>in</strong> WIETERSHEIM: H<strong>in</strong>ter<br />

Blaulicht und Mart<strong>in</strong>shorn, 807f.<br />

162<br />

WIETERSHEIM: H<strong>in</strong>ter Blaulicht und Mart<strong>in</strong>shorn, 808. Für Thomas Zippert ist zurzeit noch offen,<br />

„wie sich die N. [<strong>Notfallseelsorge</strong>; Anm. des Autors] <strong>in</strong> zunehmend multirel. Umfeld zu den Polen<br />

38


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3.1.3 Auswahl, Ausbildung und Fortbildung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn<br />

Das Anforderungsprofil und die Qualifikation von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn werden durch die<br />

entsprechenden Rahmenordnungen der jeweiligen Landeskirche beziehungsweise Di-<br />

özese festgesetzt. Darüber h<strong>in</strong>aus liegt es an den e<strong>in</strong>zelnen NFS-E<strong>in</strong>heiten, Kriterien für<br />

die Auswahl und die Aus- und Weiterbildung der eigenen <strong>Notfallseelsorge</strong>r festzulegen.<br />

Hier gibt es e<strong>in</strong>e Fülle an Regelungen, die je nach Region unterschiedlich s<strong>in</strong>d: von<br />

niedrigen Standards (jeder pastorale Mitarbeiter <strong>in</strong> der Kirchengeme<strong>in</strong>de) bis h<strong>in</strong> zu<br />

hohen Anforderungen (strenge Auswahlkriterien und Fortbildungsverpflichtungen). 163<br />

Die folgenden Ausführungen s<strong>in</strong>d anhand der bereits oben erwähnten so genannten<br />

Kasseler Thesen und der Fachliteratur zusammengestellt und bieten e<strong>in</strong>e Übersicht über<br />

e<strong>in</strong>en „Quasi-Standard“ 164 , der aber unverb<strong>in</strong>dlich ist:<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r sollten pastorale Mitarbeiter se<strong>in</strong>, die hauptamtlich <strong>in</strong> der evangeli-<br />

schen oder katholischen Kirche tätig s<strong>in</strong>d, damit sie die NFS als Vertretung für den<br />

Ortspfarrer leisten und das Zeugnisverweigerungsrecht <strong>in</strong> Anspruch nehmen können;<br />

außerdem kann den Hauptamtlichen der E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> der NFS als Arbeitszeit angerechnet<br />

werden. 165 Der Standard für die Mitarbeit <strong>in</strong> der NFS ist e<strong>in</strong>e kirchlich anerkannte pa-<br />

storale Ausbildung, um auch <strong>in</strong> den Notsituationen auf e<strong>in</strong>e seelsorgliche und theologi-<br />

sche Kompetenz zurückgreifen zu können. 166 Durch weitere Zusatzausbildungen, die<br />

auch psychologische (vor allem psychotraumatologische) und mediz<strong>in</strong>ische Kenntnisse<br />

bezüglich der Krisen<strong>in</strong>tervention berücksichtigen, soll die Arbeit <strong>in</strong> der NFS vorbereitet<br />

und verbessert werden, da <strong>Notfallseelsorge</strong>r „<strong>in</strong>sbesondere Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

pfarramtlicher Grundaufgabe und funktionaler Spezialisierung, gesellschaftsdiakonischer Dienstleistung<br />

(neben anderen Anbietern) und theol. Kritik des Machbarkeitsdenkens und der E<strong>in</strong>satzrout<strong>in</strong>e<br />

zu verorten ist.“ (ZIPPERT : <strong>Notfallseelsorge</strong>, 398.)<br />

163<br />

So erwartet das Konzept der NFS Wetterau von se<strong>in</strong>en Mitarbeitern unter anderem, dass sie m<strong>in</strong>destens<br />

fünf Jahre seelsorgliche Berufserfahrung haben, Supervision <strong>in</strong> Anspruch nehmen, seelsorglich<br />

kompetent s<strong>in</strong>d und nicht von Profilierungssucht oder Selbstüberschätzung bee<strong>in</strong>trächtigt werden.<br />

Vgl. NOTFALLSEELSORGE WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 10.<br />

164<br />

WIETERSHEIM: Fortbildung <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 287. Für konkrete Beispiele sei verwiesen auf<br />

die Darstellungen bei REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, bes. 36-38 und ferner auf die Rahmenordnung für<br />

die <strong>Notfallseelsorge</strong> der Diözese Ma<strong>in</strong>z, die später (unter II, 3.1.6.1) dargestellt wird. Vgl. BI-<br />

SCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24f.<br />

165<br />

Vgl. MÜLLER-LANGE: Erwartungen an den Amts<strong>in</strong>haber, 317 und vgl. WIETERSHEIM: Fortbildung <strong>in</strong><br />

der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 287.<br />

166<br />

Vgl. WIETERSHEIM: Fortbildung <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 287. Durch diese Grundvoraussetzung<br />

n<strong>im</strong>mt die NFS „ernst, daß bei Menschen <strong>in</strong> existentiellen Extremsituationen die religiösen und weltanschaulichen<br />

Prägungen offenbar werden.“ (Karl Lehmann und Manfred Kock <strong>in</strong> EVANGELISCH-<br />

KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung, 3).<br />

39


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

über [...] Reaktionsformen von Menschen <strong>in</strong> Not- und Extremsituationen“ 167 benötigen<br />

und wissen müssen, wie diesen Menschen am besten zu helfen ist. 168<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r <strong>im</strong> Dienst müssen bereit se<strong>in</strong>, jederzeit e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>satz zu übernehmen,<br />

der sie mit Extremsituationen, Leid und Tod konfrontieren kann. 169 Sie müssen <strong>in</strong> der<br />

Lage se<strong>in</strong>, diese belastenden Erfahrungen zu verarbeiten und sich durch Gespräche und<br />

Supervision dabei helfen zu lassen. 170<br />

Ferner wird erwartet, dass sie kooperativ s<strong>in</strong>d und „sich auf die Arbeitsweisen, Arbeits-<br />

abläufe, Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen und die Mentalität von E<strong>in</strong>satzkräften e<strong>in</strong>stellen kön-<br />

nen“ 171 . Deshalb setzt NFS „die Kenntnis des Systems der <strong>Rettungsdienst</strong>e samt se<strong>in</strong>er<br />

Kompetenzen und <strong>in</strong>ternen Hierarchien und die stetige Pflege der persönlichen Be-<br />

kanntschaft mit den Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern der <strong>Rettungsdienst</strong>e vor Ort vor-<br />

aus.“ 172 Um dies zu erreichen, werden Besuche von Rettungs- und Feuerwehrwachen<br />

vorgeschlagen. Manche NFS-E<strong>in</strong>heiten fordern von ihren Mitarbeitern sogar Praktika <strong>in</strong><br />

diesen Bereichen. 173 Für Thomas Zippert ist es „wünschenswert“ 174 , dass Notfallseel-<br />

sorger sogar e<strong>in</strong>en Grundlehrgang der Feuerwehr oder e<strong>in</strong>e Rettungshelferausbildung<br />

absolvieren; zum<strong>in</strong>dest sollte aber e<strong>in</strong> Erste-Hilfe-Kurs der M<strong>in</strong>deststandard se<strong>in</strong>, um<br />

auf dem Gebiet der Notfallmediz<strong>in</strong> nicht ganz unbeholfen aufzutreten. 175 Ferner gehö-<br />

ren Fortbildungen und Übungen (auch geme<strong>in</strong>sam mit Feuerwehr und RD) bei vielen<br />

NFS-E<strong>in</strong>heiten dazu.<br />

3.1.4 Ausstattung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn<br />

167<br />

Vgl. Kasseler Thesen <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung,<br />

22.<br />

168<br />

So gibt es zum Beispiel e<strong>in</strong>en viertägigen Grundkurs NFS (<strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Belastungssituationen), der<br />

neben theologischen Grundlagen, e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die NFS und Rollenspielen zu E<strong>in</strong>satzsituationen<br />

auch Themen der Psychotraumatologie behandelt. Ferner werden dort die Organisation und Arbeitsweise<br />

der <strong>Rettungsdienst</strong>e vorgestellt. Weiter gibt es Konzepte für Aufbaukurse zur Vertiefung.<br />

Auch zusätzliche Qualifikationen s<strong>in</strong>d möglich: Leitender <strong>Notfallseelsorge</strong>r, der speziell für die NFS-<br />

Leitung bei Großschadensfällen vorbereitet ist, oder Mitarbeiter <strong>in</strong> der Stressbearbeitung nach belastenden<br />

Ereignissen (SbE ® ) oder ausgebildete <strong>Seelsorge</strong>r <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>. Vgl.<br />

WIETERSHEIM: Fortbildung <strong>in</strong> der Notfallseelso rge, 288-302.<br />

169<br />

Vgl. MÜLLER-LANGE: Erwartungen an den Amts<strong>in</strong>haber, 317.<br />

170<br />

Vgl. Kasseler Thesen <strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung,<br />

22 und vgl. ZIPPERT : Anforderungsprofil und Qualifikation, 18.<br />

171<br />

MÜLLER-LANGE: Erwartungen an den Amts<strong>in</strong>haber, 317.<br />

172<br />

ZIPPERT : Anforderungsprofil und Qualifikation, 18.<br />

173<br />

So gehören zum Ausbildungskatalog der NFS Wetterau Praktika bei Feuerwehr, RD und Polizei.<br />

Vgl. NOTFALLSEELSORGE WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 10.<br />

174<br />

ZIPPERT : Anforderungsprofil und Qualifikation, 18. Vgl. dazu auch die so genannten Kasseler Thesen<br />

<strong>in</strong> EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT : E<strong>in</strong>e Handreichung, 22.<br />

175<br />

Vgl. ZIPPERT : Anforderungsprofil und Qualifikation, 18.<br />

40


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die allgeme<strong>in</strong>e Grundausstattung besteht aus e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>satzjacke 176 (<strong>in</strong> der Regel gelb<br />

und blau, oft mit der Aufschrift „<strong>Notfallseelsorge</strong>“ oder „<strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>“), e<strong>in</strong>em<br />

Dienstausweis, e<strong>in</strong>em Funkmeldeempfänger (FME) und dem Mobiltelefon. Des Weite-<br />

ren empfiehlt sich e<strong>in</strong> Koffer mit Bibel, Kerze, Schreibzeug, e<strong>in</strong>e Mappe mit Gebet-<br />

stexten 177 , eventuell mit Spielzeug für K<strong>in</strong>der, Zigaretten und anderen Materialien (bei<br />

Priestern zum Beispiel das Öl für das Sakrament der Krankensalbung). Außerdem ist es<br />

hilfreich, <strong>im</strong> Fahrzeug des <strong>Notfallseelsorge</strong>rs die Stadtpläne der Umgebung, e<strong>in</strong> Adres-<br />

senverzeichnis der Pfarrämter der Region, Decken, e<strong>in</strong>e Taschenlampe und e<strong>in</strong>e Auto-<br />

kennzeichnung („<strong>Notfallseelsorge</strong>“) deponiert zu haben. 178<br />

E<strong>in</strong>igen NFS-Gruppen stehen sogar eigene E<strong>in</strong>satzfahrzeuge zur Verfügung. In den<br />

meisten E<strong>in</strong>heiten muss h<strong>in</strong>gegen auf den Privat- beziehungsweise kirchlichen Dienst-<br />

wagen zurückgegriffen werden. In Sondersituationen, zum Beispiel bei gebotener Eile,<br />

ist es aber auch möglich, die Leitstelle um e<strong>in</strong> Transportmittel mit Fahrer zu bitten, das<br />

den <strong>Notfallseelsorge</strong>r zum E<strong>in</strong>satzort befördert (gegebenenfalls sogar mit Sonderrech-<br />

ten, also Blaulicht und Mart<strong>in</strong>shorn). 179<br />

3.1.5 Erwartungen der <strong>Notfallseelsorge</strong> an den <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem RD erwartet die NFS der Kirche von der<br />

Leitung und dem Personal der jeweiligen Rettungswache e<strong>in</strong>en entsprechend kollegia-<br />

len Umgang und Akzeptanz; dafür bietet die NFS umgekehrt dasselbe. 180<br />

Die Kooperation sollte durch gegenseitiges Interesse und Wohlwollen für die Arbeit<br />

und die Anliegen des anderen geprägt se<strong>in</strong>; e<strong>in</strong> gegenseitiges Kennenlernen ist zu för-<br />

dern. Zudem unterstützt der RD die NFS, <strong>in</strong>dem er deren Angebot und Erreichbarkeit<br />

durch ständigen Aushang auf den Wachen und durch H<strong>in</strong>weise <strong>in</strong> Fortbildungsveran-<br />

staltungen bei se<strong>in</strong>em Personal bekannt macht. Außerdem sollten <strong>Notfallseelsorge</strong>r die<br />

Rettungswachen, E<strong>in</strong>satzorte und -kräfte ungeh<strong>in</strong>dert aufsuchen dürfen. 181<br />

176<br />

E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>satzjacke beispielsweise ist wichtig, um am E<strong>in</strong>satzort von Polizei, Feuerwehr, RD und den<br />

Betroffenen als NFS (und nicht-mediz<strong>in</strong>ischer Dienst) erkennbar zu se<strong>in</strong>; ferner dient sie dem Eigenschutz<br />

(besonders auf der Straße). Vgl. dazu auch die Fragebögen NFS (7) und RD 1-3 (dort jeweils<br />

21).<br />

177<br />

Zur Auswahl an Gebeten, Texten, Abschiedsritualen und weiteren liturgischen Vorlagen vgl.<br />

MÜLLER-LANGE: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, 331-349.<br />

178<br />

Vgl. MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 22 und vgl. NOTFALLSEELSORGE<br />

WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 12 und vgl. ferner WIETERSHEIM: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 143.<br />

179<br />

Vgl. MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 22 und vgl. NOTFALLSEELSORGE<br />

WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau, 12. Vgl. auch REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 38-40.<br />

180<br />

So heißt es <strong>im</strong> Fragebogen NFS (14.2): „Es sollte klar se<strong>in</strong>, dass der oder die <strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong><br />

akzeptiert wird.“<br />

41


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3.1.6. Aktuelle Situation <strong>im</strong> Bistum Ma<strong>in</strong>z<br />

3.1.6.1 Rahmenordnung für die <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

E<strong>in</strong>e erste Rahmenordnung für die <strong>Notfallseelsorge</strong> für das Bistum Ma<strong>in</strong>z wurde <strong>im</strong><br />

Januar 2000 <strong>in</strong> Kraft gesetzt und sollte ursprünglich probeweise nur bis zum 31. Januar<br />

2003 gelten. 182 Da die zweite Rahmenordnung derzeit (Oktober 2003) aber noch erar-<br />

beitet wird und nicht veröffentlicht ist, kann <strong>in</strong> dieser Untersuchung nur auf die alte und<br />

noch geltende Bezug genommen werden. 183<br />

Die Rahmenordnung aus dem Jahr 2000 regelt neben grundsätzlichen Best<strong>im</strong>mungen<br />

zur NFS auch den zeitlichen Umfang (<strong>im</strong> Rahmen der Arbeitszeit), die Unfall- und<br />

Haftpflichtversicherung, die Fahrtkostenerstattung, das Zeugnisverweigerungsrecht, die<br />

Auswahl und Beauftragung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn und deren Aus- und Weiterbil-<br />

dung. 184 Zur Grundausstattung e<strong>in</strong>es <strong>Notfallseelsorge</strong>rs gehören nach der Rahmenord-<br />

nung Schutzkleidung (E<strong>in</strong>satzjacke) und Handy oder Funkmeldeempfänger (FME); für<br />

deren Anschaffung tritt das Bischöfliche Ord<strong>in</strong>ariat e<strong>in</strong>, falls ke<strong>in</strong>e Unterstützung von<br />

dritter Seite zu erwarten ist. 185<br />

Im Bistum Ma<strong>in</strong>z können, gemäß der Rahmenordnung, nur (hauptamtliche) „Priester,<br />

Diakone, Pastoralreferenten/<strong>in</strong>nen und Geme<strong>in</strong>dereferenten/<strong>in</strong>nen“ 186 <strong>in</strong> der NFS tätig<br />

werden. Die bischöfliche Beauftragung durch den Generalvikar erfolgt erst, nachdem<br />

der zuständige Dekan die Eignung des Bewerbers überprüft und der Personaldezernent<br />

der Bewerbung zugest<strong>im</strong>mt hat. 187<br />

Das Dokument hält fest, dass das Bistum Ma<strong>in</strong>z der Träger der NFS auf dem Diözesan-<br />

gebiet ist, <strong>in</strong>sofern diese durch katholische Mitarbeiter geleistet wird. H<strong>in</strong>gewiesen sei<br />

auf die ausdrückliche Festlegung der Rahmenordnung, dass die NFS <strong>in</strong> der Diözese<br />

181 Vgl. MÜLLER-LANGE: Erwartungen an Träger von Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 317.<br />

182 Vgl. BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24f.<br />

183 Für diese Informationen danke ich Ord<strong>in</strong>ariatsrat Bernd Krämer vom Bischöflichen Ord<strong>in</strong>ariat <strong>in</strong><br />

Ma<strong>in</strong>z. [Nachtrag: Die neue Rahmenordnung wurde am 7. November 2003 vom Ma<strong>in</strong>zer Generalvikar<br />

Dietmar Giebelmann unterzeichnet und am 12. Januar 2004 veröffentlicht <strong>in</strong>: <strong>Kirchliche</strong>s Amtsblatt<br />

für die Diözese Ma<strong>in</strong>z 146 (2004) 6-8.]<br />

184 Vgl. BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24f. Zum Zeugnisverweigerungsrecht<br />

vgl. auch Anm. 109. Auf die Aus- und Weiterbildung der <strong>Notfallseelsorge</strong>r wird <strong>im</strong><br />

Dokument – wie zu erwarten – nur eher allgeme<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gegangen. E<strong>in</strong>e Kooperation mit der Evangelischen<br />

Kirche Hessen-Nassau (EKHN) wird <strong>in</strong> diesem Bereich angestrebt. Vgl. BISCHÖFLICHES<br />

ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 25. In der Rahmenordnung heißt es: „Das Bistum<br />

Ma<strong>in</strong>z trägt Sorge für e<strong>in</strong>e bedarfsgerechte Qualifizierung und Fortbildung der <strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen<br />

[...]. Die zentralen Maßnahmen werden vom Bistum regelmäßig angeboten und f<strong>in</strong>anziert.<br />

Die dezentralen Maßnahmen werden von den <strong>Notfallseelsorge</strong>-Teams <strong>in</strong> Absprache mit der Abteilung<br />

Fortbildung nach Bedarf organisiert.“ (BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung,<br />

25.)<br />

185 Vgl. BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 25.<br />

186 BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24.<br />

187 Vgl. BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24f.<br />

42


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Ma<strong>in</strong>z „nur auf Anforderung und <strong>in</strong> Abst<strong>im</strong>mung mit der zuständigen Leitstelle gelei-<br />

stet“ 188 wird und be<strong>im</strong> Zusammenwirken „die Eigenständigkeit aller beteiligten Dien-<br />

ste“ 189 als Grundlage zu betrachten ist. Außerdem wird von den <strong>Notfallseelsorge</strong>rn „e<strong>in</strong><br />

geeigneter Nachweis über das Vorhandense<strong>in</strong> aktueller Kenntnisse bezüglich des Ver-<br />

haltens am Unfallort und der Befähigung zur Ersten Hilfe“ 190 verlangt.<br />

3.1.6.2 <strong>Notfallseelsorge</strong>-E<strong>in</strong>richtungen<br />

Derzeit gibt es <strong>in</strong> 17 von 20 Dekanaten der Diözese Ma<strong>in</strong>z e<strong>in</strong>e organisierte (re<strong>in</strong> kirch-<br />

liche) NFS. In 13 Dekanaten wird diese von der evangelischen und katholischen Kirche<br />

<strong>in</strong> ökumenischer Zusammenarbeit getragen. Entsprechend der ungleichen Konfessions-<br />

verteilung der Bevölkerung ist <strong>in</strong> den Dekanaten Darmstadt, Dieburg und Erbach über-<br />

wiegend die evangelische Kirche, <strong>im</strong> Dekanat Seligenstadt eher die katholische Kirche<br />

<strong>in</strong> der NFS tätig. 191<br />

188 BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24.<br />

189 BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24. Im Dokument heißt es auch:<br />

„Den <strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen, die den E<strong>in</strong>satz geleistet haben, obliegt die Übergabe der weiteren<br />

seelsorglichen Begleitung an den zuständigen Ortspfarrer bzw. den zuständigen <strong>Seelsorge</strong>r/<strong>in</strong> vor<br />

Ort. Dies betrifft <strong>in</strong>sbesondere die Trauerbegleitung, Begräbnisfeier usw.“ (BISCHÖFLICHES OR-<br />

DINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 24.)<br />

190 BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ: Rahmenordnung, 25.<br />

191 Vgl. Abbildung 3.<br />

43


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Abb. 3<br />

BISTUM MAINZ<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong><br />

<strong>in</strong> den Dekanaten<br />

B<strong>in</strong>gen<br />

Alzey /<br />

Gau-<br />

Bickelhe<strong>im</strong><br />

Ma<strong>in</strong>z-<br />

Stadt<br />

Ma<strong>in</strong>z-<br />

Süd<br />

Worms<br />

Legende:<br />

Ökumenisch<br />

Überwiegend evangelisch<br />

Überwiegend katholisch<br />

SiN Rüsselshe<strong>im</strong> e.V.<br />

Rüsselshe<strong>im</strong><br />

Bergstraße<br />

- West<br />

Wetterau<br />

- West<br />

Dreieich<br />

Darmstadt<br />

Bergstraße<br />

- Mitte<br />

E<strong>in</strong>e Besonderheit gibt es <strong>im</strong> Dekanat Rüsselshe<strong>im</strong>: Hier übern<strong>im</strong>mt die Krisen<strong>in</strong>ter-<br />

vention und NFS der Vere<strong>in</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Notfällen (SiN) Rüsselshe<strong>im</strong> e. V., <strong>in</strong> dem sich<br />

<strong>Seelsorge</strong>r der Kirchen und Mitarbeiter der Rettungsorganisationen geme<strong>in</strong>sam engagie-<br />

ren. 192 Da – wie oben bereits erwähnt – nach der Rahmenordnung für die Notfallseel-<br />

sorge <strong>im</strong> Bistum Ma<strong>in</strong>z nur (hauptamtliche) pastorale Mitarbeiter anerkannt werden,<br />

192 Für weitere Informationen zu diesem Vere<strong>in</strong> sei auf die Diplomarbeit von Markus Reuter verwiesen,<br />

die den SiN Wiesbaden e. V. vorstellt, von dem sich SiN Rüsselshe<strong>im</strong> e. V. abgeleitet hat. Vgl.<br />

REUTER: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 36 u. 44-46 u. 88-91.<br />

44<br />

Offenbach<br />

Gießen<br />

Rodgau<br />

Seligenstadt<br />

Dieburg<br />

Bergstraße<br />

- Ost<br />

Erbach<br />

Wetterau - Ost<br />

Alsfeld


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

zählt diese E<strong>in</strong>richtung als solche nicht zur offiziellen, von der Diözese Ma<strong>in</strong>z getrage-<br />

nen NFS. 193<br />

3.2 <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Dieser <strong>Seelsorge</strong>bereich wird <strong>in</strong> die Kategorial- beziehungsweise Sonderseelsorge e<strong>in</strong>-<br />

geordnet und hat e<strong>in</strong> Vorbild <strong>in</strong> der seit e<strong>in</strong>igen Jahren fest <strong>in</strong>stitutionalisierten Polizei-<br />

seelsorge. 194 Zu bemerken ist allerd<strong>in</strong>gs, dass es <strong>im</strong> Vergleich zur genannten Polizei-<br />

seelsorge bislang nur wenige kirchliche Stellen gibt, die vollständig oder zum<strong>in</strong>dest<br />

teilweise für diese spezielle Berufsgruppenseelsorge zuständig s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>ige Evangeli-<br />

sche Landeskirchen haben jeweils e<strong>in</strong>en und die bayerischen Diözesen geme<strong>in</strong>sam ei-<br />

nen Beauftragten für die <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> angestellt. 195<br />

Neben der Ausbildung zum <strong>Notfallseelsorge</strong>r empfiehlt es sich für diese Sonderseelsor-<br />

ge, auch e<strong>in</strong>en entsprechenden Aufbaukurs <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

absolviert zu haben. 196 Nicht selten waren beziehungsweise s<strong>in</strong>d diese <strong>Seelsorge</strong>r selbst<br />

<strong>im</strong> RD oder bei der Feuerwehr aktiv.<br />

Im Rahmen dieser Berufsgruppenseelsorge begleiten pastorale Mitarbeiter seelsorglich<br />

die E<strong>in</strong>satzkräfte von Rettungs- und Feuerwehrwachen 197 , die bei ihrer alltäglichen Ar-<br />

beit mit außergewöhnlichen Belastungen (zum Beispiel Tod, Krankheit, schwere Ver-<br />

kehrsunfälle) konfrontiert werden. 198 Annähernd vergleichbar s<strong>in</strong>d diese <strong>Seelsorge</strong>r mit<br />

den Chapla<strong>in</strong>s der Rettungs- und Feuerwachen <strong>in</strong> den USA, deren Präsenz und Arbeit<br />

<strong>in</strong> den Medien nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 <strong>im</strong>mer wieder lo-<br />

bend erwähnt wurden.<br />

Hanjo von Wietershe<strong>im</strong> gliedert diese seelsorgliche Betreuung <strong>in</strong> folgende drei Aufga-<br />

benbereiche:<br />

1) Vorbereitung: Bei der Ausbildung von E<strong>in</strong>satzkräften wird darauf geachtet, dass<br />

ethische, theologische und psychologische Aspekte ausreichend berücksichtigt wer-<br />

193<br />

Ebenso gehört die Krisen<strong>in</strong>tervention des KID bzw. der KIT (der RD-Organisationen), die auf der<br />

NFS-Karte (Abb. 3) überhaupt nicht berücksichtigt s<strong>in</strong>d, nicht zur NFS der Diözese.<br />

194<br />

Vgl. WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 145 u. 147. Zur spezifischen Feuerwehrseelsorge<br />

sei h<strong>in</strong>gewiesen auf WATERSTRAAT : Feuerwehrseelsorge, 1-19.<br />

195<br />

Vgl. dazu das Adressenverzeichnis <strong>in</strong> MÜLLER-LANGE: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, 357-361. Weitere<br />

Informationen über kirchliche Stellen <strong>in</strong> dieser Kategorialseelsorge konnten leider nicht e<strong>in</strong>geholt<br />

werden. In der Diözese Ma<strong>in</strong>z ist diese Sonderseelsorge bislang nicht vorgesehen.<br />

196<br />

Die Ausbildungs<strong>in</strong>halte e<strong>in</strong>es solchen Aufbaukurses s<strong>in</strong>d abgedruckt <strong>in</strong> WIETERSHEIM: Fortbildung<br />

<strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 291f.<br />

197<br />

Vgl. KONFERENZ: Tabellarische Begriffserklärung, 3.<br />

198<br />

Vgl. dazu auch ALBRECHT : Die Posttraumatische Belastungsreaktion, 607.<br />

45


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

den. 199 Die Helfer sollen lernen, mit den eigenen Gefühlen und den Emotionen der<br />

Menschen, denen sie Hilfe br<strong>in</strong>gen, aufmerksam und sensibel umzugehen. Außer-<br />

dem werden die Arbeit und die Angebote der NFS und Krisen<strong>in</strong>tervention vorge-<br />

stellt. Die E<strong>in</strong>satzkräfte lernen die <strong>Seelsorge</strong>r auf diese Weise kennen und es kann<br />

sich e<strong>in</strong> Vertrauensverhältnis entwickeln. Bei Fortbildungen und Übungen werden<br />

die bereits genannten Ausbildungsaspekte wiederholt und vertieft. Gottesdienste mit<br />

dem Rettungspersonal und seelsorgliche Gespräche gehören ebenfalls dazu. 200<br />

2) E<strong>in</strong>satz: Bei best<strong>im</strong>mten E<strong>in</strong>satz<strong>in</strong>dikationen fahren die <strong>Seelsorge</strong>r auch zum E<strong>in</strong>-<br />

satzort, um die Helfer dort zu unterstützen. Hierbei überschneiden sich ihre Aufga-<br />

ben mit denen der NFS: Betreuung der Verletzten und Angehörigen und Sorge um<br />

die psychisch stark belasteten E<strong>in</strong>satzkräfte. 201<br />

3) Nachbereitung: In Gruppen- oder E<strong>in</strong>zelgesprächen haben die E<strong>in</strong>satzkräfte die<br />

Möglichkeit, mit ihrem <strong>Seelsorge</strong>r belastende Erlebnisse bei den Rettungsarbeiten<br />

zu besprechen und zu verarbeiten (entsprechend der <strong>in</strong> II, 3.1.1.3 vorgestellten<br />

SbE ® ). 202<br />

Des Weiteren organisieren diese Kategorialseelsorger auch Bes<strong>in</strong>nungstage und weitere<br />

religiöse Programme für die E<strong>in</strong>satzkräfte. Je nach Wunsch, kirchlicher Zugehörigkeit<br />

und Beauftragung beziehungsweise Weihe kann auch die Feier von Sakramenten für<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte und deren Angehörige zu ihrem Dienst gehören. 203<br />

Aufgrund der wenigen vorhandenen Stellen kann diese Kategorialseelsorge <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie nur <strong>in</strong> Rettungs- und Feuerwachen von Großstädten und <strong>in</strong> den entsprechenden<br />

Ausbildungse<strong>in</strong>richtungen tätig se<strong>in</strong>.<br />

In kle<strong>in</strong>eren Städten und Geme<strong>in</strong>den ist die Initiative von pastoralen Mitarbeitern der<br />

Pfarrgeme<strong>in</strong>den vor Ort gefragt, die aber gewiss nicht <strong>im</strong> gleichen Umfang stattf<strong>in</strong>den<br />

kann. Auch hier gilt das Pr<strong>in</strong>zip der ökumenischen Zusammenarbeit.<br />

H<strong>in</strong>zuweisen ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang ferner auf die Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>Seelsorge</strong><br />

<strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> (AGS), <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>satzkräfte und <strong>Seelsorge</strong>r sich ge-<br />

199 Vgl. WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 146. Die Evangelische Kirche <strong>in</strong><br />

Deutschland wies bereits Ende der 1970er Jahre auf die Notwendigkeit h<strong>in</strong>, dass Theologen geme<strong>in</strong>sam<br />

mit Katastrophenschutzbeauftragten e<strong>in</strong>e Unterrichtse<strong>in</strong>heit für Helfer der Hilfsorganisationen<br />

ausarbeiten sollen, die solche Themen anspricht und von Vertretern der Kirchen durchgeführt werden<br />

sollen. Vgl. KIRCHENKANZLEI DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND: <strong>Kirchliche</strong>s Handeln<br />

bei Unglücksfällen und Katastrophen, 22f. Zum Aspekt der Ausbildung von E<strong>in</strong>satzkräften sei verwiesen<br />

auf WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 147.<br />

200 Vgl. WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 146.<br />

201 Vgl. WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 146.<br />

202 Vgl. WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 146.<br />

203 Vgl. WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 146.<br />

46


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

me<strong>in</strong>sam „<strong>im</strong> weitesten S<strong>in</strong>n für mehr Menschlichkeit <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

e<strong>in</strong>setzen“ 204 und an e<strong>in</strong>er besseren Zusammenarbeit zwischen E<strong>in</strong>satzkräften und Seel-<br />

sorgern arbeiten. 205<br />

3.3 Auf Geme<strong>in</strong>deebene<br />

Auf Geme<strong>in</strong>deebene gibt es unterschiedliche Ansätze der Zusammenarbeit und gegen-<br />

seitigen Unterstützung: von gar ke<strong>in</strong>en oder eher zufälligen Begegnungen zwischen<br />

Kirche und RD bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em lebendigen und guten Mite<strong>in</strong>ander. 206<br />

In (noch) religiös-kirchlich geprägten Gebieten und bei den christlich und kirchlich ge-<br />

prägten Hilfsorganisationen JUH und MHD ist e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit von den Grund-<br />

voraussetzungen her leichter möglich. In erster L<strong>in</strong>ie hängt dies aber von den handeln-<br />

den Personen wie von geschichtlichen Entwicklungen vor Ort ab.<br />

So gibt es zahlreiche überzeugte Mitglieder von Kirchengeme<strong>in</strong>den, die sich ehren- oder<br />

hauptamtlich, als Zivildienstleistende oder <strong>im</strong> Rahmen e<strong>in</strong>es Freiwilligen Sozialen Jah-<br />

res (FSJ) bei e<strong>in</strong>er RD-Organisation engagieren und durch ihre Person und ihren geleb-<br />

ten Glauben zu e<strong>in</strong>er Begegnung zwischen RD und Kirche beitragen. Auch e<strong>in</strong>ige Ge-<br />

me<strong>in</strong>deseelsorger bieten der Rettungswache vor Ort ausdrücklich ihre Bereitschaft an,<br />

auf Wunsch des Personals für Gespräche nach belastenden E<strong>in</strong>sätzen zur Verfügung zu<br />

stehen. Manche Rettungswachen suchen von sich aus die Zusammenarbeit mit der<br />

Pfarrgeme<strong>in</strong>de.<br />

In den mit der Kirche verbundenen Organisationen JUH und MHD gibt es zum großen<br />

Teil auch Geme<strong>in</strong>depfarrer, die als Standortseelsorger die Wache und die Kirchenge-<br />

me<strong>in</strong>de mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>den. Beide Hilfsorganisationen haben oft e<strong>in</strong>e starke Anb<strong>in</strong>-<br />

dung an die Ortsgeme<strong>in</strong>de; so wird unter anderem bei Neugründungen von Ortsverbän-<br />

den meist e<strong>in</strong> Gottesdienst mit der Pfarrgeme<strong>in</strong>de gefeiert.<br />

Schließlich gibt es vere<strong>in</strong>zelt e<strong>in</strong>e gute Zusammenarbeit <strong>in</strong> Form von Sanitätsdiensten<br />

bei größeren Gottesdiensten (zum Beispiel Wallfahrten) und Aktionen, auch durch Er-<br />

ste-Hilfe-Kurse <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>deräumen, Segnungen von neuen RD-Fahrzeugen und bei<br />

Jubiläums- und Gedenkgottesdiensten der Organisationen.<br />

204 MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Notfallseelsorge</strong>, 19.<br />

205 Für weitere Informationen zur Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> sei<br />

auf die Homepage www.notfallseelsorge.de (vom 22.08.2003) verwiesen.<br />

206 Auch nach längerer Suche konnten <strong>in</strong> der Literatur zu diesem Thema ke<strong>in</strong>e weiterführenden Informationen<br />

gefunden werden. So beruft sich dieser Abschnitt alle<strong>in</strong> auf Gespräche mit <strong>Seelsorge</strong>rn und<br />

RD-Personal. Vgl. dazu auch den Fragebogen NFS (15.1 u. 15.2).<br />

47


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Nicht zuletzt ist auf Gottesdienste anlässlich großer Katastrophen und Unglücke (und<br />

deren Jahrestage) 207 h<strong>in</strong>zuweisen, die sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den<br />

Rettungskräften oft als hilfreich und heilsam empfunden werden.<br />

Alle diese Beispiele s<strong>in</strong>d vor allem orts- und auch personenabhängig zustande gekom-<br />

men. Vermutlich wird <strong>in</strong> der Literatur deshalb kaum auf die Zusammenarbeit auf Ge-<br />

me<strong>in</strong>deebene e<strong>in</strong>gegangen.<br />

In diesem Teil der Untersuchungen soll es genügen, diese vere<strong>in</strong>zelt möglichen und<br />

genutzten Begegnungen erwähnt zu haben. In der Praxeologie wird später auf weitere<br />

Chancen und Möglichkeiten <strong>in</strong> diesem Bereich e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

3.4 Zusammenfassung<br />

In diesem letzten Kapitel der Kriteriologie wurde festgestellt, dass die kirchliche Praxis<br />

auf dem Gebiet der NFS auf jeden Fall den der Kirche vorgegebenen theologischen<br />

Kriterien entspricht und <strong>in</strong> zahlreichen Regionen mit dem RD zusammenarbeitet.<br />

In vielen Gebieten engagiert sich die NFS vorbildlich und mit guter Qualität. Die Öf-<br />

fentlichkeitsarbeit und vor allem der NFS-Dienst vor Ort tragen dazu bei, dass diese<br />

ökumenische E<strong>in</strong>richtung der Kirche von zahlreichen Seiten wohlwollend wahrgenom-<br />

men wird: Bei den NFS-E<strong>in</strong>sätzen s<strong>in</strong>d viele Betroffene positiv überrascht, dass die<br />

Kirche ihnen hier beisteht und nehmen die Hilfe gerne an. 208 Die NFS genießt sowohl<br />

bei den Hilfsorganisationen und E<strong>in</strong>satzkräften als auch bei der Bevölkerung e<strong>in</strong>en gro-<br />

ßen Vertrauensbonus. 209<br />

Auf diesem Gebiet wird der Kirche und ihren Mitarbeitern weitestgehend e<strong>in</strong>e große<br />

Kompetenz zugesprochen und kirchliches Handeln als heilsam und glaubwürdig er-<br />

lebt. 210 Die Kirche hat den Menschen <strong>in</strong> Not wirklich etwas Wertvolles zu bieten: quali-<br />

207 Vgl. dazu SARBACH: Gedenktag als Lebenshilfe, 90.<br />

208 Bei der NFS Wetterau wurden die <strong>Notfallseelsorge</strong>r nur <strong>in</strong> zehn Fällen von ca. 200 E<strong>in</strong>sätzen von<br />

den Betroffenen abgelehnt. Vgl. KAMES: Erste Hilfe für die Seele, 21. Ungefähr 95% der Betroffenen<br />

waren „dankbar, dass überhaupt jemand da war, der mit ihnen redete, schwieg oder auch e<strong>in</strong>mal den<br />

Versuch unternahm, das Unfassbare <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gebet zu fassen. Dabei spielte die kirchliche B<strong>in</strong>dung oft<br />

nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Rolle.“ (KAMES: Erste Hilfe für die Seele, 21.)<br />

209 Vgl. KELLER: Mit frommen Sprüchen ist ke<strong>in</strong>em geholfen. Vgl. auch die Fragebögen RD 1-3 (jeweils<br />

16.1 u. 17) und KID (8.1, 8.3, 8.4 u. 9.1). Die NFS wird von den Befragten vor allem positiv und als<br />

Unterstützung wahrgenommen. So heißt es <strong>im</strong> Fragebogen KID (8.1): „Mittlerweile sehen wir uns<br />

als ‚Brüder und Schwestern’. Wenn der e<strong>in</strong>e nicht e<strong>in</strong>satzklar ist, ist es vielleicht die andere Gruppe.<br />

Außerdem haben wir unsere Stärken zu unterschiedlichen Zeiten. Somit ergänzen wir uns gut.“<br />

210 Im Lehrbuch von Gernot Sonneck wird festgestellt: „Auch heute noch ist der Priester nach der Untersuchung<br />

von GURIN [...] mit Lehrern, Sozialarbeitern und Hausärzten e<strong>in</strong>er der am meisten Aufgesuchten<br />

<strong>in</strong> Krisensituationen. Freilich gestattet ihm die Vielschichtigkeit der Probleme nicht, sie alle<strong>in</strong><br />

suffizient zu lösen.“ (SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention und Suizidverhütung, 213.)<br />

48


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

fizierte Hilfe, seelsorglichen Beistand, Trost, Gebet, Hoffnung, Gottes frohe Botschaft<br />

und Segen. Im Gegensatz zum RD hat die NFS auch relativ unbegrenzte Zeit. 211<br />

Durch die Entwicklung der NFS ist e<strong>in</strong> wichtiger Schritt getan, was die Zusammenar-<br />

beit von RD und Kirche angeht. Allerd<strong>in</strong>gs gibt es ke<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dliches Anfor-<br />

derungsprofil und Ausbildungsprogramm für <strong>Notfallseelsorge</strong>r, sondern bisher nur ei-<br />

nen „Quasi-Standard“ 212 als Empfehlung. Wenn dieser <strong>in</strong> den Landeskirchen und Di-<br />

özesen bei der Erstellung e<strong>in</strong>er Rahmenordnung für die NFS berücksichtigt wird, kann<br />

<strong>in</strong> allen Regionen e<strong>in</strong>e qualitativ hochwertige NFS gewährleistet werden.<br />

Unverzichtbar für die NFS ist – nach dem oben dargestellten „Quasi-Standard“ 213 – auf<br />

jeden Fall, dass die Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es den <strong>Notfallseelsorge</strong>rn bekannt<br />

ist und die Zusammenarbeit vor Ort regelmäßig durch e<strong>in</strong>en Dialog mite<strong>in</strong>ander geför-<br />

dert und auch reflektiert wird, so dass <strong>im</strong>mer wieder e<strong>in</strong>e Opt<strong>im</strong>ierung erfolgen kann. 214<br />

Nur so kann die NFS wirklich geme<strong>in</strong>sam „mit dem <strong>Rettungsdienst</strong> ganz für den Men-<br />

schen da se<strong>in</strong> und ist ke<strong>in</strong> fremdes Etwas, welches den Ablauf der Rettung stört.“ 215<br />

Ferner ist die Kategorialseelsorge <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> und Feuerwehr e<strong>in</strong> Bei-<br />

spiel für e<strong>in</strong>e gute Zusammenarbeit, die allerd<strong>in</strong>gs aufgrund der spärlichen Stellen nur<br />

<strong>in</strong> wenigen Regionen und Rettungswachen auf e<strong>in</strong>er solch professionellen und <strong>in</strong>tensi-<br />

vem Ebene stattf<strong>in</strong>den kann. Daher gilt e<strong>in</strong> besonderes Augenmerk beispielhaften In-<br />

itiativen von e<strong>in</strong>zelnen Pfarrgeme<strong>in</strong>den, die den RD vor Ort nicht aus dem Blick verlie-<br />

ren.<br />

Nicht unerwähnt bleiben dürfen die zahlreichen Christen, die sich haupt- oder ehren-<br />

amtlich <strong>im</strong> RD, <strong>in</strong> der KIT (beziehungsweise <strong>im</strong> KID) oder der Feuerwehr engagieren;<br />

nicht wenige bauen dadurch an e<strong>in</strong>er Brücke zwischen RD und Kirche und können <strong>in</strong><br />

diesem Bereich wichtige Ansprechpersonen für pastorale Mitarbeiter se<strong>in</strong>.<br />

1 E<strong>in</strong>führung<br />

III KAIROLOGIE<br />

– „Zeichen der Zeit“ <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> –<br />

Nachdem bisher die Kriterien der Kirche und ihre Praxis untersucht wurden, wird nun<br />

<strong>in</strong> diesem zweiten Schritt, der Kairologie, sozusagen die andere Seite und deren Aufga-<br />

211<br />

Vgl. GIERING: Lücke <strong>im</strong> Gefüge der <strong>Rettungsdienst</strong>e, A-875. Vgl. dazu auch den Fragebogen NFS<br />

(11.1).<br />

212<br />

WIETERSHEIM: Fortbildung <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 287.<br />

213<br />

WIETERSHEIM: Fortbildung <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 287.<br />

214<br />

E<strong>in</strong> Beispiel für diese Aspekte (Kennenlernen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, Dialog mit diesem und Überlegungen<br />

zur Opt<strong>im</strong>ierung) soll <strong>im</strong> Rahmen dieser Untersuchungen <strong>in</strong> der Kairologie und Praxeologie<br />

gegeben werden.<br />

49


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

ben und Ziele vorgestellt: der RD und se<strong>in</strong>e geschichtliche Entwicklung, die E<strong>in</strong>satz-<br />

kräfte und ihr Arbeitsalltag, die Hilfsorganisationen und ihre Leitbilder. Es gilt, zu prü-<br />

fen, <strong>in</strong>wiefern der RD zu e<strong>in</strong>er Kooperation mit der Kirche bereit ist.<br />

Neben dem E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> den RD, der für das Zusammenwirken nicht nur <strong>in</strong> der NFS<br />

wichtig ist, dient dieser Teil der Untersuchungen ebenso als Praxisanalyse für die Pasto-<br />

ral. Die Kirche darf den Berufsalltag und die Lebenssituation der Menschen, auch der<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte, nicht aus dem Blick verlieren. Kirche und Theologie müssen also <strong>im</strong>mer<br />

auch kairologisch arbeiten und <strong>in</strong> der aktuellen Situation die Chancen und Gefahren<br />

wahrnehmen und entsprechend darauf reagieren. 216 Im Alltag und Lebenskontext der<br />

Menschen gilt es, die Zeichen Gottes zu erkennen und das, was ihnen widerstrebt.<br />

Schließlich geht es der Kirche ja darum, den Menschen zu helfen, <strong>in</strong> der von Gott ge-<br />

schenkten Würde zu leben. Dementsprechend schreibt Papst Johannes Paul II. <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

ersten Enzyklika Redemptor hom<strong>in</strong>is (1979):<br />

„Da also der Mensch der Weg der Kirche ist, der Weg ihres täglichen Lebens und Erlebens,<br />

ihrer Aufgaben und Mühen, muß sich die Kirche unserer Zeit <strong>im</strong>mer wieder neu die ‚Situation’<br />

des Menschen bewußt machen. Sie muß se<strong>in</strong>e Möglichkeiten kennen [...] zugleich<br />

aber muß die Kirche die Bedrohungen kennen, die über dem Menschen hängen. Sie muß<br />

sich all dessen bewußt se<strong>in</strong>, was offenkundig dem Bemühen entgegensteht, das Leben der<br />

Menschen ‚<strong>im</strong>mer humaner zu gestalten’, damit alle Bereiche dieses Lebens der wahren<br />

Würde des Menschen entsprechen.“ 217<br />

Gemäß der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils „obliegt der Kirche<br />

allzeit die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie <strong>im</strong> Licht des Evangeli-<br />

ums zu deuten [...]. Es gilt also, die Welt, <strong>in</strong> der wir leben, ihre Erwartungen, Bestre-<br />

bungen und ihren oft dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen.“ 218<br />

Deswegen soll <strong>in</strong> diesem Teil der Untersuchungen der RD <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en unterschiedlichen<br />

Facetten beleuchtet werden, um dort „Zeichen der Zeit“ 219 wahrnehmen zu können.<br />

2 Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es<br />

Wie die Theologie und andere Bereiche des Lebens hat auch der RD e<strong>in</strong>e eigene Fach-<br />

sprache mit zahlreichen spezifischen Term<strong>in</strong>i und Abkürzungen. Wer mit dem RD zu-<br />

sammenarbeiten will, muss diese Sprache verstehen lernen und kennen. Die Abschnitte<br />

der Kairologie versuchen daher, <strong>in</strong> die eigene Welt des <strong>Rettungsdienst</strong>es e<strong>in</strong>zuführen.<br />

215 SADOWSKI: Warum arbeiten Theologen <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 538.<br />

216 Vgl. dazu auch SCHMID: Die Praxis als Ort der Theologie, 103f. Die Praktische Theologie „n<strong>im</strong>mt<br />

die Praxis als Locus theologicus.“ (SCHMID: Die Praxis als Ort der Theologie, 113; ohne Hervorhebung.)<br />

Peter F. Schmid schreibt weiter: „Die Pastoraltheologie ‚kümmert sich’ – und zwar darum wie<br />

Menschen ihr Leben gestalten, wie sie handeln. Das heißt, sie kümmert sich um die Praxis.“<br />

(SCHMID: Die Praxis als Ort der Theologie, 104.)<br />

217 JOHANNES PAUL II.: Redemptor hom<strong>in</strong>is, 28f; ohne Hervorhebung. Das dar<strong>in</strong> verwendete Zitat ist der<br />

Pastoralkonstitution entnommen. Vgl. ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 38.<br />

218 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 4.<br />

50


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

2.1 Geschichte des Helfens: Von den Anfängen zur Professionalität<br />

Bereits der griechische Arzt Hippokrates von Kos (5. Jahrhundert vor Christus) forderte<br />

die Versorgung von Verletzten und Kranken ohne Ansehen der Person. Doch erst durch<br />

das Evangelium Jesu bekam der Hilfsgedanke e<strong>in</strong>e beachtsame Bedeutung. 220 Die Er-<br />

zählung vom barmherzig handelnden Samariter (Lk 10,25-37) und die Werke der Barm-<br />

herzigkeit (vor allem aus Mt 25,31-40) spielten dabei e<strong>in</strong>e besondere Rolle. 221<br />

Hilflosen, verletzten und kranken Menschen beizustehen, galt zunächst vor allem nur <strong>im</strong><br />

Rahmen der eigenen Familie und Geme<strong>in</strong>de als Selbstverständlichkeit. Im Mittelalter<br />

wurde dann die notwendige Hilfe durch Bruderschaften und Gilden organisiert; parallel<br />

dazu gab es die Armen- und Hospitale<strong>in</strong>richtungen der Kirche. 222<br />

Der Wandel zur Industriegesellschaft machte die Hilfeleistungen zur öffentlichen An-<br />

gelegenheit. Das Helferse<strong>in</strong> wurde <strong>im</strong>mer mehr professionalisiert und entwickelte sich<br />

zur beruflichen Tätigkeit der Ärzte, Krankenschwestern, Altenpfleger<strong>in</strong>nen, Feuer-<br />

wehrmänner, Polizisten, <strong>Rettungsdienst</strong>ler und anderen. 223 Dennoch gehört das Helfen<br />

zur Bürgerpflicht und e<strong>in</strong>e unterlassene Hilfeleistung kann nach § 323c des Strafgesetz-<br />

buches (StGB) angezeigt und bestraft werden. 224<br />

Ebenso wie die Organisation der Hilfe entwickelte sich allmählich die Notfallmediz<strong>in</strong>.<br />

Die Mund-zu-Mund-Beatmung gehört vermutlich zu den ältesten mediz<strong>in</strong>ischen Maß-<br />

nahmen. Bereits 1300 Jahre vor Christus kannten Hebammen <strong>im</strong> Volk Israel e<strong>in</strong>e Me-<br />

thode, um Säugl<strong>in</strong>ge mit Atemstillstand wieder zu beleben. Auch <strong>in</strong> der Bibel wird <strong>in</strong><br />

mehreren Perikopen von Totenerweckungen berichtet, die teilweise als Wiederbelebun-<br />

219 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 4. Vgl. ferner Lk 12,54-57.<br />

220 Vgl. METZSCH: Menschen helfen Menschen, 69.<br />

221 Auf diese biblischen Quellen wurde bereits e<strong>in</strong>gegangen. Vgl. II, 2.1.2 und II, 2.1.3.<br />

222 Hier ist beispielsweise die Ritterbruderschaft Sankt Johannis zum Spital von Jerusalem zu nennen,<br />

die <strong>im</strong> Rahmen des ersten Kreuzzuges entstanden ist, um die Verletzten und Kranken <strong>in</strong> Jerusalem zu<br />

versorgen. Weil <strong>in</strong> dieser Bruderschaft die geme<strong>in</strong>samen Wurzeln der JUH und des MHD liegen,<br />

wird später (unter III, 4.2.1) noch genauer darauf e<strong>in</strong>gegangen werden. Ferner können hier selbstverständlich<br />

zahlreiche (zum Teil auch heilig gesprochene) Menschen angeführt werden, die sich um<br />

Notleidende und Kranke vorbildhaft bemüht haben; Franziskus von Assisi und Elisabeth von Thür<strong>in</strong>gen<br />

seien stellvertretend erwähnt.<br />

223 Vgl. ADAMS: Die Kunst des Helfens, 5f. Ursula Adams bemerkt dazu <strong>im</strong> Blick auf Lk 10,30-35: „Wir<br />

haben den Samaritaner zum Samariter und damit zum Mitglied e<strong>in</strong>er Hilfsorganisation gemacht. Das<br />

war er damals nicht. Er war ganz und gar ke<strong>in</strong> Professioneller; das waren se<strong>in</strong>e Vorhut, der Priester<br />

und der Levit [...]. Er hatte e<strong>in</strong>en Hauptberuf, der ihn <strong>in</strong> ganz anderer Richtung verpflichtete. Er hatte<br />

auch ke<strong>in</strong>e Zeugen für se<strong>in</strong> Tätigwerden – nichts, was mit Rücksicht auf e<strong>in</strong> zu erwerbendes Renomée<br />

als soziale Persönlichkeit oder Lebensretter e<strong>in</strong> Tätigwerden nahe legen könnten. Er tat e<strong>in</strong>fach<br />

den Dienst am anderen. Und der, der da schon zwe<strong>im</strong>al liegengelassen worden war und gewiß<br />

nicht mehr mit Hilfe rechnete, durfte staunend erfahren, daß ihn doch e<strong>in</strong> Mensch annahm, aufnahm,<br />

mitnahm.“ (ADAMS: Die Kunst des Helfens, 19f.)<br />

224 Vgl. UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 770.<br />

51


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

gen (Rean<strong>im</strong>ationen) gedeutet werden (vgl. 1 Kön 17,17-24, vgl. 2 Kön 4,8-37, vgl. Lk<br />

7,11-17 u. a.). Bei den Griechen und Römern der Antike wurde die Wundversorgung<br />

durch Verbände und die Tracheotomie (Luftröhrenschnitt) entwickelt. 225<br />

Im Hochmittelalter wurde die Mediz<strong>in</strong> teilweise sogar als Gotteslästerung verachtet,<br />

weil Krankheit als Strafe Gottes und der Umgang mit kranken und verstorbenen Men-<br />

schen als entehrend betrachtet wurde. Bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts gab es des-<br />

halb mancherorts gesetzliche Erlasse, die mediz<strong>in</strong>ische Hilfeleistungen untersagt ha-<br />

ben. 226<br />

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entwickelten sich organisierte Sanitätsdienste<br />

bei Feldzügen, die <strong>in</strong> der Regel nur die eigenen Verwundeten versorgten; 1517 erschien<br />

dann das Feldbuch der Wundartzney, das e<strong>in</strong> Kompendium der damaligen notfallmedi-<br />

z<strong>in</strong>ischen Kenntnisse darstellt. 227<br />

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde e<strong>in</strong>e Rean<strong>im</strong>ationsmethode entwickelt, die der seit<br />

1958 üblichen Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) ähnelt. Auch die moderne Infusi-<br />

ons- und Schocktherapie begannen <strong>im</strong> 19. Jahrhundert und wurden dann <strong>im</strong> Zweiten<br />

Weltkrieg und später <strong>im</strong> Koreakrieg vor allem von den Amerikanern weiterentwik-<br />

kelt. 228<br />

E<strong>in</strong> organisierter RD entstand <strong>in</strong> Deutschland um 1899 <strong>in</strong> Köln. Dort wurde Sanitätsper-<br />

sonal ausgebildet; e<strong>in</strong> Arzt wurde mit e<strong>in</strong>em Zweispänner zur Erstversorgung an den<br />

Unfallort gebracht. 229<br />

Generell war es aber üblich, Verletzte möglichst schnell durch Rettungsabteilungen zum<br />

Arzt <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik zu br<strong>in</strong>gen. 230 Dieses Pr<strong>in</strong>zip wird mit Load and go oder Scoop and<br />

run bezeichnet und ist <strong>im</strong> angloamerikanischen Raum heute noch üblich. 231<br />

1938 forderte Kirschner, dass der Arzt rasch zum Notfallpatienten gebracht werden soll<br />

und nicht umgekehrt; der Patient soll also bereits am E<strong>in</strong>satzort notfallmediz<strong>in</strong>isch ver-<br />

sorgt und auf den Transport vorbereitet werden. Dieses Postulat kann als Geburt der<br />

225 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 602.<br />

226 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 602f.<br />

227 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 603.<br />

228 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 603f.<br />

229 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 604.<br />

230 In se<strong>in</strong>em Leitfaden zur Ersten Hilfe (1927) schreibt Gustav Zöch: „Durch die zahlreichen Hilfeleistungen<br />

wird die Tätigkeit der Rettungsabteilungen dem Publikum häufig vor Augen geführt. Jeder<br />

Augenzeuge e<strong>in</strong>er raschen Hilfeleistung anerkennt die Wichtigkeit e<strong>in</strong>er solchen, sieht mit <strong>in</strong>nerer<br />

Befriedigung den Rettungswagen mit dem Verunglückten davoneilen und n<strong>im</strong>mt die Beruhigung mit<br />

sich, dass auch ihm <strong>im</strong> Falle e<strong>in</strong>es Unglückes rasche Hilfe zuteil werde.“ (ZÖCH: Erste Hilfe , 82.)<br />

231 Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 21 und vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 604.<br />

52


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

modernen präkl<strong>in</strong>ischen Notfallmediz<strong>in</strong> <strong>in</strong> Deutschland angesehen werden. 232 E<strong>in</strong> sol-<br />

ches Vorgehen wird <strong>in</strong> der Fachsprache Stay und Play genannt und bildet bis heute das<br />

wesentliche Pr<strong>in</strong>zip für die Notfallrettung <strong>in</strong> Deutschland. 233<br />

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden alle Hilfsorganisationen aufgelöst oder mit<br />

dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) zwanghaft vere<strong>in</strong>igt. Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

g<strong>in</strong>g die Entwicklung des <strong>Rettungsdienst</strong>es <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Besatzungszonen unter-<br />

schiedlich weiter und wurde erst 1990 mit der deutschen Wiedervere<strong>in</strong>igung <strong>in</strong> allen<br />

Bundesländern vere<strong>in</strong>heitlicht. 234<br />

Neben Rettungswagen mit ausgebildeten Sanitätern entstand ergänzend e<strong>in</strong> Notarztsy-<br />

stem: 1957 wurde <strong>in</strong> Köln erstmals e<strong>in</strong> Notarztwagen (NAW) e<strong>in</strong>gesetzt (so genanntes<br />

Kompakt- oder Stationssystem) und 1964 begann das so genannte Rendezvous-System,<br />

bei dem der Notarzt unabhängig vom Rettungswagen (RTW) mit e<strong>in</strong>em Notarzte<strong>in</strong>satz-<br />

fahrzeug (NEF) an den E<strong>in</strong>satzort gebracht wird und erst dort mit dem RTW zusam-<br />

mentrifft. 235 Seit 1967 entwickelte sich dann parallel dazu die Ära der Rettungshub-<br />

schrauber (RTH), die Notärzte schnell <strong>in</strong> weite und abgelegene Gegenden br<strong>in</strong>gen kön-<br />

nen und e<strong>in</strong>en raschen und schonenden Patiententransport ermöglichen. 1989 wurde<br />

schließlich die Ausbildung des Rettungsassistenten gesetzlich geregelt und diese als<br />

Berufsbezeichnung geschützt. 236<br />

Seit vielen Jahren verfügt Deutschland über e<strong>in</strong> ausgeklügeltes und professionelles Sy-<br />

stem der präkl<strong>in</strong>ischen Notfallmediz<strong>in</strong>. Dadurch ist es möglich, dass <strong>in</strong> dr<strong>in</strong>genden Fäl-<br />

len <strong>in</strong> durchschnittlich acht M<strong>in</strong>uten nach der Alarmierung durch die Leitstelle erste<br />

mediz<strong>in</strong>ische Hilfe am E<strong>in</strong>satzort e<strong>in</strong>trifft. Mittlerweile n<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> Durchschnitt jeder<br />

neunte bis zehnte Bundesbürger pro Jahr die Dienstleistungen des <strong>Rettungsdienst</strong>es <strong>in</strong><br />

Anspruch. 237<br />

2.2 Organisatorische Grundlagen<br />

2.2.1 Allgeme<strong>in</strong>e Organisation<br />

In Deutschland zählt der RD zu den öffentlichen Aufgaben des Staates, wird als Da-<br />

se<strong>in</strong>sfürsorge und zugleich als Gefahrenabwehr e<strong>in</strong>geordnet und gehört zum Rettungs-<br />

232 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 604.<br />

233 Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 21.<br />

234 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 604f.<br />

235 Vgl. HELLWIG / BAUER: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 605f. In Deutschland werden bis heute<br />

beide Systeme praktiziert. Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 608.<br />

236 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 798. Vgl. dazu auch III, 2.2.3.<br />

237 Vgl. drk.de/rettungsdienst/<strong>in</strong>dex.htm (vom 16.09.2003). Vgl. auch RUNGGALDIER: Ausbildung und<br />

Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 807 und vgl. MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 118.<br />

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Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

wesen. Es ist Ländersache, den RD zu regeln; daher gibt es für jedes Bundesland e<strong>in</strong><br />

eigenes RD-Gesetz. 238<br />

Die orig<strong>in</strong>ären Aufgaben des <strong>Rettungsdienst</strong>es werden vom RD-Gesetz des jeweiligen<br />

Bundeslandes festgelegt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der RD vor allem die<br />

umfassende Aufgabe hat, „bei Notfallpatienten Maßnahmen zur Erhaltung des Lebens<br />

und zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden durchzuführen, ihre Transportfähigkeit<br />

herzustellen sowie die lebenswichtigen Körperfunktionen während des sachgerechten<br />

Transports zu e<strong>in</strong>er geeigneten Fachbehandlung (Krankenhaus) zu überwachen und auf-<br />

rechtzuerhalten.“ 239<br />

Da die RD-Organisation zu den Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung gehört,<br />

s<strong>in</strong>d die Kreise beziehungsweise kreisfreien Städte die RD-Träger. Diese führen den RD<br />

entweder selbst durch oder delegieren ihn an e<strong>in</strong>en oder mehrere Leistungserbr<strong>in</strong>ger, die<br />

das Personal, die Fahrzeuge mit der entsprechenden Ausstattung (Rettungsmittel) be-<br />

reitstellen. So s<strong>in</strong>d kommunale E<strong>in</strong>richtungen (zum Beispiel die Feuerwehren), die<br />

Hilfsorganisationen 240 und zum Teil auch private Anbieter <strong>im</strong> RD tätig. 241<br />

Als dem RD verwandte Dienste können der Ärztliche Notdienst, Sanitätsdienste, sonsti-<br />

ge Serviceleistungen (wie dr<strong>in</strong>gende Blut-, Organ-, Arzne<strong>im</strong>ittel- und Materialtrans-<br />

porte) und Speziale<strong>in</strong>heiten (zum Beispiel die Rettungshundestaffel) dazugezählt wer-<br />

den. 242 Ferner s<strong>in</strong>d der Katastrophenschutz der Kommunen und Regierungspräsidenten,<br />

die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk (THW), die Wasser- und die Bergrettung<br />

(Bergwacht) zu nennen. 243<br />

Das Rettungswesen <strong>in</strong> Deutschland ist <strong>in</strong> Form der so genannten Rettungskette organi-<br />

siert und gewährleistet die notwendige Versorgung von Notfallpatienten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ange-<br />

messenen Qualität. 244 Zu dieser Kette gehören als wichtige Glieder die Lebensrettenden<br />

Sofortmaßnahmen durch Ersthelfer, die Notfallmeldung bei der Rettungsleitstelle (per<br />

238 Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 608f.<br />

239 BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 18.<br />

240 Hierzu zählen vor allem der ASB, das DRK, die JUH und der MHD. Auf diese Hilfsorganisationen,<br />

ihre Entstehung und Leitbilder wird später unter III, 4.2 näher e<strong>in</strong>gegangen.<br />

241 Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 609f.<br />

242 Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 24.<br />

243 Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 19-21 u. 29.<br />

244 E<strong>in</strong> Notfallpatient ist def<strong>in</strong>itionsgemäß e<strong>in</strong> Mensch, bei dem „durch Verletzung, Vergiftung oder<br />

Erkrankung – e<strong>in</strong>e oder mehrere der lebensnotwendigen Funktionen [...] akut gestört oder bedroht<br />

s<strong>in</strong>d bzw. – die Entwicklung e<strong>in</strong>er solchen Störung oder Bedrohung zu befürchten oder nicht auszuschließen<br />

ist.“ (BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 18; ohne Hervorhebungen.) Zu<br />

den genannten lebensnotwendigen Vitalfunktionen zählen die Atmung, das Bewusstse<strong>in</strong> und der<br />

Herz-Kreislauf (Zirkulation). Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 18.<br />

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Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Telefon, Notrufsäule oder auch per Fax – zum Beispiel bei Gehörlosen), weitere Erste-<br />

Hilfe-Maßnahmen, der RD (gegebenenfalls mit Arzt) und das Krankenhaus. 245<br />

Für die gesamte RD-Organisation ist das Pr<strong>in</strong>zip der Individualmediz<strong>in</strong> ausschlagge-<br />

bend; so wird der RD entsprechend der statistischen Fallzahlen e<strong>in</strong>gerichtet und regel-<br />

mäßig aktualisiert: die Standorte der Rettungswachen, die Bereitstellung der Hilfsmittel<br />

(so genannte Vorhaltezeiten), deren Hilfsfristen und Ausrückzeiten. 246<br />

Die jeweilige Rettungsleitstelle koord<strong>in</strong>iert <strong>in</strong> ihrem Zuständigkeitsbereich den gesam-<br />

ten RD (also Notfallrettung und Krankentransport) und <strong>in</strong> manchen Bundesländern auch<br />

die Feuerwehr; sie ist sozusagen die Schnittstelle zwischen dem Hilfsbedürftigen und<br />

den Helfern des <strong>Rettungsdienst</strong>es. 247<br />

Geht e<strong>in</strong> Notruf <strong>in</strong> der Leitstelle e<strong>in</strong>, entscheidet dort e<strong>in</strong> Disponent entsprechend den<br />

Angaben des Hilfeersuchenden, welche Rettungsmittel e<strong>in</strong>gesetzt werden müssen und<br />

alarmiert <strong>in</strong> der Regel per Funkmeldeempfänger (FME; so genannte Piepser) die ent-<br />

sprechende(n) Besatzung(en). 248 Auf der Anfahrt gibt der Disponent der Besatzung über<br />

Funk die wichtigsten Informationen zum Notfall, vor allem den E<strong>in</strong>satzort und -anlass<br />

(Indikation), bekannt. 249 Ferner steht er dem E<strong>in</strong>satzpersonal zur Verfügung, wenn die-<br />

ses gegebenenfalls weitere Rettungsmittel nachfordert oder e<strong>in</strong> Krankenhaus sucht, das<br />

den Patienten aufn<strong>im</strong>mt. 250<br />

2.2.2 E<strong>in</strong>satzarten<br />

245<br />

Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 608f und vgl. METZSCH: Menschen helfen<br />

Menschen, 65 und vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 18.<br />

246<br />

Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 21. Die Rettungswachen müssen demnach<br />

so stationiert se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong> Rettungsmittel <strong>in</strong>nerhalb der vorgegebenen Zeit (= Hilfsfrist) zu jedem<br />

beliebigen E<strong>in</strong>satzort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bewohnten Gebiet e<strong>in</strong>treffen kann. Die Hilfsfrist wird <strong>im</strong> RD-Gesetz<br />

des jeweiligen Bundeslandes festgelegt und beträgt <strong>in</strong> der Regel ca. 10 bis 12 M<strong>in</strong>uten. Sie bietet<br />

aber ke<strong>in</strong>e Garantie dafür, dass <strong>in</strong> jedem Fall e<strong>in</strong> Rettungsmittel <strong>in</strong>nerhalb dieser Zeit vor Ort ist, weil<br />

das nächstgelegene Rettungsmittel durch e<strong>in</strong>en anderen E<strong>in</strong>satz eventuell bereits besetzt se<strong>in</strong> kann.<br />

Die Ausrückzeiten legen fest, <strong>in</strong>nerhalb welcher Zeit nach dem Notrufe<strong>in</strong>gang beziehungsweise der<br />

Alarmierung e<strong>in</strong> Rettungsmittel <strong>in</strong> Richtung E<strong>in</strong>satzort gestartet se<strong>in</strong> muss.<br />

247<br />

Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 610.<br />

248<br />

Die verschiedenen RD-Ausbildungen werden unter III, 2.2.3 und die Rettungsmittel unter III, 2.2.4<br />

dargestellt.<br />

249<br />

Zu den Indikationen zählen neben den verschiedenen chirurgischen und <strong>in</strong>ternistischen Anlässen<br />

auch gynäkologische, psychiatrische, pädiatrische und sonstige Hilfeleistungen. Um den Funkverkehr<br />

zu entlasten und aus Datenschutzgründen werden bei vielen Leitstellen die Indikationen <strong>in</strong> Form von<br />

Zahlenko mb<strong>in</strong>ationen übermittelt.<br />

250<br />

Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 610.<br />

55


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Bei den E<strong>in</strong>satzarten <strong>im</strong> RD wird zwischen Krankentransport und Notfallrettung unter-<br />

schieden. 251 Der Krankentransport ist für Nicht-Notfallpatienten e<strong>in</strong>gesetzt, die aus me-<br />

diz<strong>in</strong>ischen Gründen ke<strong>in</strong>e öffentlichen Verkehrsmittel benutzen können, die Fachper-<br />

sonal benötigen oder an e<strong>in</strong>er ansteckenden Krankheit leiden. 252<br />

Die Notfallrettung, also die Versorgung von Notfallpatienten, kann wiederum <strong>in</strong> Not-<br />

fälle und Notfalle<strong>in</strong>sätze untergliedert werden:<br />

Notfälle werden als nicht akut e<strong>in</strong>gestuft und wie dr<strong>in</strong>gliche oder planbare Kranken-<br />

transporte behandelt. Notfalle<strong>in</strong>sätze haben h<strong>in</strong>gegen absolute Priorität, weil hier dr<strong>in</strong>-<br />

gende Eile geboten ist, um menschliches Leben zu retten oder drohende Lebensgefahr<br />

zu vermeiden. Bei E<strong>in</strong>sätzen ist weiter zu entscheiden, ob zusätzlich e<strong>in</strong> Notarzt benö-<br />

tigt wird oder nicht. 253 Die zusätzliche Ansage „Achtung, Achtung“ bei der Alarmie-<br />

rung zu Notfalle<strong>in</strong>sätzen weist darauf h<strong>in</strong>, dass absolute Eile geboten ist und Sonder-<br />

rechte gelten; aufgrund der Dr<strong>in</strong>glichkeit erfolgt die Anfahrt mit der Verwendung von<br />

Sondersignalen, also blaues Bl<strong>in</strong>klicht und E<strong>in</strong>satz- beziehungsweise Mart<strong>in</strong>shorn ge-<br />

mäß §§ 35 und 38 der Straßenverkehrsordnung (StVO). 254 Vor e<strong>in</strong>em Patiententransport<br />

steht es <strong>in</strong> der Entscheidung des Notarztes beziehungsweise Rettungsassistenten, welche<br />

Dr<strong>in</strong>glichkeit vorliegt und ob Sonderrechte erforderlich s<strong>in</strong>d; die Leitstelle ist darüber<br />

rechtzeitig zu <strong>in</strong>formieren. 255<br />

Im E<strong>in</strong>zelnen s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong> Deutschland jährlich ca. 1,9 Millionen (19,9%) Notfalle<strong>in</strong>sätze<br />

mit Notarzt, ca. 2,0 Millionen (20,7%) Notfalle<strong>in</strong>sätze ohne Notarzt, ca. 2,2 Millionen<br />

(22,4%) dr<strong>in</strong>gliche Krankentransporte oder Notfälle und ca. 3,6 Millionen (37%) Kran-<br />

kentransporte, die auch als Aufträge bezeichnet werden. In 80% der Fälle wird <strong>im</strong> RD<br />

also ke<strong>in</strong> Notarzt benötigt. 256<br />

Da die Kostenfrage <strong>in</strong> unserem Gesundheitssystem e<strong>in</strong>e nicht unbedeutende Rolle<br />

spielt, soll an dieser Stelle auch darauf e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

251<br />

E<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> verschiedene E<strong>in</strong>satz- und Dienstabläufe bieten die Berichte des RD-<br />

Praktikums (Anhang 2).<br />

252<br />

Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 23.<br />

253<br />

Indikationen für e<strong>in</strong>en Notarzt s<strong>in</strong>d Bewusstlosigkeit, Atemstillstand, Schock, Verdacht auf Herz<strong>in</strong>farkt,<br />

starke Blutungen, Unfälle mit erkennbar Schwerverletzten, Vergiftungen und andere. Vgl.<br />

ASB: Erste Hilfe, 113.<br />

254<br />

Vgl. REDELSTEINER: Fahrzeuge, 677. Dort heißt es: „Der Gesetzgeber befreit wohl bei der Verwendung<br />

dieser Signale von der E<strong>in</strong>haltung mancher Verkehrsregeln, letztlich sollte aber aus der Sicht<br />

des Lenkers der E<strong>in</strong>satz von Sonderrechten als Bitte an die anderen Verkehrsteilnehmer verstanden<br />

werden, Platz zu machen.“ (REDELSTEINER: Fahrzeuge, 677.)<br />

255<br />

REDELSTEINER: Fahrzeuge, 678.<br />

256<br />

Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 611. Vgl. dazu auch MOHR / KETTLER:<br />

Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 118. Zu bemerken ist noch, dass nicht bei jedem Notarzte<strong>in</strong>satz unbed<strong>in</strong>gt<br />

e<strong>in</strong> Notarzt notwendig ist; aufgrund von ungenauen oder übertriebenen Notrufmeldungen können<br />

solche Situationen leicht zu Stande ko mmen.<br />

56


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Innerhalb e<strong>in</strong>es Kommunalkreises vere<strong>in</strong>baren die Vertreter der entsprechenden Lei-<br />

stungserbr<strong>in</strong>ger <strong>im</strong> RD und der Krankenkassen jährlich geme<strong>in</strong>sam Pauschalbeträge für<br />

den Patiententransport; dabei wird unterschieden, ob es sich um e<strong>in</strong>en Krankentransport<br />

oder e<strong>in</strong>e Notfallrettung handelt. 257 Das bedeutet, dass der Leistungsbr<strong>in</strong>ger nur dann<br />

Geld von den Krankenkassen erhält, wenn er e<strong>in</strong>en Patienten transportiert und am Zie-<br />

lort lebend übergeben hat. Verwendete Medikamente oder andere Materialien werden<br />

nicht abgerechnet. E<strong>in</strong>sätze, bei denen der Patient verstirbt, den Transport verweigert<br />

oder ke<strong>in</strong>e Transport<strong>in</strong>dikation besteht, gehen folglich zu Lasten der Rettungswachen.<br />

Deshalb wird versucht, die Pauschalbeträge möglichst so auszuhandeln, dass alle not-<br />

wendigen Unkosten der Leistungserbr<strong>in</strong>ger gedeckt werden können. 258<br />

2.2.3 Qualifikationen, Aus- und Fortbildungen<br />

Zum RD-Personal zählen zum e<strong>in</strong>en die Notärzte als ärztliches RD-Personal und zum<br />

anderen die Rettungsassistenten, Rettungssanitäter und Rettungshelfer als so genanntes<br />

Rettungsfachpersonal. 259 Mehr als 70% der <strong>im</strong> Rettungsfachpersonal beruflich Tätigen<br />

s<strong>in</strong>d Rettungsassistenten, ca. 25% Rettungssanitäter und ca. 2 % Rettungshelfer. 260<br />

E<strong>in</strong> Notarzt (NA) ist <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong> praktizierender Internist, Chirurg, Anästhesist<br />

(oder gegebenenfalls auch Gynäkologe oder Pädiater), der zusätzlich e<strong>in</strong>en Fachkun-<br />

denachweis für den RD erworben hat. 261<br />

Der Beruf des Rettungsassistenten (RA) ist e<strong>in</strong> Gesundheitsfachberuf und seit 1989<br />

durch das Gesetz über den Beruf der Rettungsassistent<strong>in</strong> und des Rettungsassistenten<br />

geschützt und als Ausbildungsberuf anerkannt. Ebenso wurde damals e<strong>in</strong>e Ausbildungs-<br />

und Prüfungsverordnung für Rettungsassistenten <strong>in</strong> Kraft gesetzt. 262<br />

Die Regelausbildung zum RA, die für Rettungssanitäter und Krankenpflegepersonal<br />

verkürzt werden kann, besteht aus zwei Ausbildungsjahren: Im ersten Jahr ist e<strong>in</strong>e theo-<br />

retische und praktische Ausbildung an e<strong>in</strong>er RA-Schule und <strong>im</strong> Krankenhaus zu absol-<br />

vieren (m<strong>in</strong>destens 1200 Stunden), die durch e<strong>in</strong>e staatliche Prüfung abgeschlossen<br />

wird. Im zweiten Jahr folgt e<strong>in</strong>e praktische Tätigkeit an e<strong>in</strong>er anerkannten Lehrret-<br />

tungswache unter Aufsicht e<strong>in</strong>es Lehrrettungsassistenten (m<strong>in</strong>destens 1600 Stunden).<br />

257 Konkretes Beispiel: In e<strong>in</strong>em dem Verfasser bekannten Kreis beträgt die Transportpauschale <strong>im</strong> Jahr<br />

2003 ca. 150 € für e<strong>in</strong>en Krankentransport und ca. 330 € für die Notfallrettung. Krankentransporte an<br />

Sonn- und Feiertagen und <strong>in</strong> der Nacht werden als Notfallrettung abgerechnet. Der E<strong>in</strong>satz und<br />

Transport des Notarztes ist vom RD-Träger zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />

258 Diese Informationen basieren auf den Aussagen verschiedener RD-Mitarbeiter.<br />

259 Vgl. RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 611.<br />

260 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 800.<br />

261 Vgl. FLAKE: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 35.<br />

57


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Nach e<strong>in</strong>em Abschlussgespräch kann schließlich bei der zuständigen Behörde die Er-<br />

teilung der Berufsbezeichnung RA beantragt werden. 263<br />

Der RA ist für die E<strong>in</strong>satzbereitschaft se<strong>in</strong>es Rettungsfahrzeuges verantwortlich und<br />

leitet den RD-E<strong>in</strong>satz von der Anfahrt zum E<strong>in</strong>satzort bis zur Rückkehr auf der Ret-<br />

tungswache. Wenn e<strong>in</strong> Arzt anwesend ist, übern<strong>im</strong>mt dieser die Leitung und der RA<br />

assistiert ihm. In über 60% der Notfälle müssen Rettungsassistenten stabilisierende und<br />

lebensrettende Maßnahmen ergreifen, ohne dass e<strong>in</strong> Notarzt vor Ort ist. 264<br />

Die RD-Ausbildungen zum Rettungssanitäter (RS) und Rettungshelfer (RH) berechti-<br />

gen dazu, <strong>im</strong> RD tätig zu se<strong>in</strong>, s<strong>in</strong>d aber nicht als Ausbildungsberufe anerkannt.<br />

Die Ausbildung zum RS ist bisher nicht verb<strong>in</strong>dlich geregelt; es liegt <strong>in</strong> den Händen der<br />

jeweiligen Hilfsorganisation, welche Inhalte an ihren RD-Schulen vermittelt werden<br />

und wie die RS-Ausbildung aufgebaut ist. Es gibt dazu lediglich vom Bund-Länder-<br />

Ausschuss Rettungswesen empfohlene Grundsätze, die 1977 erarbeitet worden s<strong>in</strong>d.<br />

Diese schlagen e<strong>in</strong>en Kurs vor, der sich aus m<strong>in</strong>destens 520 Stunden zusammensetzt.<br />

Der Ausbildungsweg zum RS enthält nach den genannten Empfehlungen e<strong>in</strong>e theoreti-<br />

sche Ausbildung (eventuell mit Prüfung), e<strong>in</strong> Kl<strong>in</strong>ikpraktikum und e<strong>in</strong>e Rettungswa-<br />

chenausbildung (jeweils m<strong>in</strong>destens 160 Stunden) und e<strong>in</strong>en Abschlusslehrgang (40<br />

Stunden) mit e<strong>in</strong>er Prüfung, die <strong>in</strong> der Regel unter staatlicher Aufsicht durchgeführt<br />

wird. Rechtlich hat e<strong>in</strong> RS allerd<strong>in</strong>gs (annähernd) e<strong>in</strong>e vergleichbare Kompetenz wie<br />

e<strong>in</strong> RA. 265<br />

Die RH-Ausbildung ist die niedrigste Qualifikation <strong>im</strong> RD und als E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> den<br />

RD gedacht. Sie wird <strong>in</strong> den verschiedenen Hilfsorganisationen und zum Teil auch <strong>in</strong><br />

den Regionen unterschiedlich gestaltet. Die Ausbildung setzt e<strong>in</strong>en Erste-Hilfe-Kurs<br />

voraus und umfasst m<strong>in</strong>destens 320 Stunden. E<strong>in</strong> RH unterstützt den RS oder RA <strong>im</strong><br />

262 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 794 u. 798.<br />

263 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 802-806 und vgl. FLAKE: Organisation<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 32f. Inwiefern <strong>im</strong> Rahmen der RD-Ausbildung auf ethische und religiöse<br />

Aspekte e<strong>in</strong>gegangen wird, ist auch von den RD-Schulen und -Dozenten abhängig. Vgl. dazu auch<br />

die Fragebögen RD 1-3 (jeweils 13.1).<br />

264 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 808f.<br />

265 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 801f. Vgl. dazu auch FLAKE: Organisation<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 31f. Klaus Runggaldier bemerkt zur RS-Ausbildung: „Es darf [...] nicht<br />

übersehen werden, dass die Ausbildung zum RS von Fachleuten als auf die Dauer nicht geeignet angesehen<br />

wurde, um die für die Notfallrettung notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln.<br />

Denn für die Konfrontation mit lebensbedrohlichen Zuständen von Menschen ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e nur<br />

dre<strong>im</strong>onatige Ausbildung schlichtweg unzureichend.“ (RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong><br />

<strong>Rettungsdienst</strong>, 820.)<br />

58


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Krankentransport und <strong>in</strong> der Notfallrettung und wird <strong>in</strong> der Regel als Fahrer e<strong>in</strong>ge-<br />

setzt. 266<br />

Wer <strong>im</strong> RD tätig ist, muss jedes Jahr e<strong>in</strong>e gewisse Anzahl an Fortbildungen und Übun-<br />

gen absolvieren, die <strong>in</strong> der jeweiligen Hilfsorganisation geregelt und angeboten werden.<br />

Hier werden die Kenntnisse der Grundausbildung wiederholt und vertieft, aber auch<br />

neue Erkenntnisse vermittelt; so gab es zum Beispiel auch Fortbildungen zu den The-<br />

men <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention. 267 Das so genannte Mega-Code-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g,<br />

bei dem alle Facetten e<strong>in</strong>es Rean<strong>im</strong>ationse<strong>in</strong>satzes (von der Herzdruckmassage bis h<strong>in</strong><br />

zu den Medikamenten und zur Defibrillation) wiederholt und geübt werden, steht <strong>in</strong> der<br />

Regel halbjährlich verpflichtend auf dem Programm.<br />

Über die genannten RD-Grundausbildungen h<strong>in</strong>aus gibt es ferner Zusatzausbildungen<br />

und -qualifikationen wie zum Lehrrettungsassistent (LRA) 268 , staatlich geprüften Des<strong>in</strong>-<br />

fektor 269 , Wachleiter, Leitstellendisponent und Organisatorischer Leiter RD (OrgL RD),<br />

der vor allem bei Großschadensfällen tätig wird. 270<br />

2.2.4 Rettungsmittel<br />

Im RD wird zwischen folgenden Rettungsmitteln unterschieden, die jeweils nach der<br />

entsprechenden Deutschen Industrie Norm (DIN) ausgestattet und entsprechend dem<br />

RD-Gesetz des jeweiligen Bundeslandes besetzt s<strong>in</strong>d: 271<br />

1) Krankentransportwagen (KTW)<br />

In der Regel setzt sich e<strong>in</strong>e KTW-Besatzung aus e<strong>in</strong>em RS und e<strong>in</strong>em RH zu-<br />

sammen und dient dem Krankentransport. Ausnahmsweise kann der KTW als so<br />

genannter First Responder zu e<strong>in</strong>em Notfall geschickt werden, wenn aufgrund<br />

von Überbelastung kurzfristig ke<strong>in</strong> RTW <strong>im</strong> E<strong>in</strong>satzgebiet zur Verfügung steht.<br />

Der First Responder übern<strong>im</strong>mt <strong>in</strong> diesem Fall die Erstversorgung des Notfall-<br />

patienten und wartet dann (<strong>im</strong> Normalfall) auf den nächsten zur Verfügung ste-<br />

henden RTW (s. u.), der die weitere Versorgung und den Transport übern<strong>im</strong>mt.<br />

266<br />

Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 800f. Vgl. dazu auch FLAKE: Organisation<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 34f.<br />

267<br />

Vgl. dazu auch Fragebogen RD 2 (13.3).<br />

268<br />

E<strong>in</strong> LRA ist an der Aus- und Fortbildung von RD-Personal beteiligt. Vgl. dazu FLAKE: Organisation<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 33f. Vgl. ferner RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 807.<br />

269<br />

Der Des<strong>in</strong>fektor ist auf se<strong>in</strong>er Rettungswache für die ordnungsgemäße Des<strong>in</strong>fektion der Rettungsmittel,<br />

des Personals und der Geräte verantwortlich.<br />

270<br />

Vgl. dazu FLAKE: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 36f.<br />

271<br />

Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 23 und vgl. RUNGGALDIER: Organisation<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 608 und vgl. FLAKE: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 40-42. Auf weitere<br />

Rettungsmittel, die so genannten Spezialrettungsmittel wie zum Beispiel e<strong>in</strong> Baby-NAW und e<strong>in</strong> Intensivtransportwagen,<br />

kann hier nicht e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

59


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

2) Rettungs(-transport-)wagen (RTW)<br />

E<strong>in</strong> RTW ist <strong>in</strong> der Regel besetzt mit e<strong>in</strong>em den E<strong>in</strong>satz leitenden RA und e<strong>in</strong>em<br />

RS oder RH als Fahrer. Der RTW gewährleistet die Erstversorgung von Notfall-<br />

patienten und transportiert diese. E<strong>in</strong> RTW kann also sowohl <strong>im</strong> Krankentrans-<br />

port als auch <strong>in</strong> der Notfallrettung e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

Die Ausstattung an mediz<strong>in</strong>ischen Geräten und Medikamenten dient der Erhal-<br />

tung beziehungsweise Wiederherstellung der Vitalfunktionen. So gehören bei-<br />

spielsweise e<strong>in</strong> Notfallkoffer (für Atmung, Kreislauf und Wiederbelebung), di-<br />

verse Medikamente, e<strong>in</strong> Beatmungsgerät und e<strong>in</strong> EKG-Monitor mit Defibrillator<br />

zur Grundausstattung ebenso dazu wie Verbandmaterial, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>dernotfallkoffer<br />

und chirurgisches Notfallbesteck.<br />

3) Notarztwagen (NAW)<br />

Die Ausstattung entspricht <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>em RTW, allerd<strong>in</strong>gs wird die Besat-<br />

zung um e<strong>in</strong>en Notarzt (NA) erweitert; e<strong>in</strong> RTW mit NA ist also e<strong>in</strong> NAW. Der<br />

NAW dient der Erstversorgung und dem Transport von Notfallpatienten mit<br />

Notarzt<strong>in</strong>dikation.<br />

4) Notarzte<strong>in</strong>satzfahrzeug (NEF)<br />

Das NEF ist e<strong>in</strong> Pkw mit Notfallausstattung und br<strong>in</strong>gt den Notarzt unabhängig<br />

vom RTW zum E<strong>in</strong>satzort. Besetzt ist es <strong>in</strong> der Regel mit e<strong>in</strong>em NA und e<strong>in</strong>em<br />

RA.<br />

5) Rettungshubschrauber (RTH)<br />

Die RTH-Besatzung setzt sich <strong>in</strong> der Regel aus e<strong>in</strong>em Piloten, e<strong>in</strong>em RA und<br />

e<strong>in</strong>em NA zusammen. Der RTH kann als Notarztzubr<strong>in</strong>ger oder für e<strong>in</strong>en<br />

schnellen und schonenden Transport über weite Distanzen e<strong>in</strong>gesetzt werden. 272<br />

2.2.5 Gesetzliche Best<strong>im</strong>mungen<br />

Für den RD-Bereich gelten zahlreiche rechtliche Best<strong>im</strong>mungen, die hier nicht <strong>im</strong> E<strong>in</strong>-<br />

zelnen behandelt werden können. Dazu zählen unter anderem Regelungen zur Schwei-<br />

gepflicht, zum Datenschutz, zum Straßenverkehr und vor allem auch das Mediz<strong>in</strong>pro-<br />

dukte- und das Betäubungsmittelgesetz. In dieser Arbeit soll lediglich auf die Garanten-<br />

stellung und die so genannte Notkompetenz e<strong>in</strong>gegangen werden. 273<br />

272 Zu diesem gesamten Abschnitt vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden, 23 und vgl.<br />

RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 608 u. 612 und vgl. FLAKE: Organisation des<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>es, 40-42.<br />

273 Deshalb sei weiterführend verwiesen auf UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es.<br />

60


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Garantenstellung (nach § 13 StGB) verpflichtet das Rettungsfachpersonal dazu,<br />

„spätestens mit der Übernahme e<strong>in</strong>es konkreten E<strong>in</strong>satzauftrags von der Rettungsleit-<br />

stelle [...] sämtliche erforderlichen, ihm möglichen und zumutbaren Hilfeleistungen am<br />

Patienten durchzuführen.“ 274 Erleidet der Patient durch e<strong>in</strong>e unterlassene Hilfeleistung<br />

der Rettungskräfte e<strong>in</strong>en Schaden, können diese wegen Körperverletzung oder gegebe-<br />

nenfalls sogar wegen Tötung bestraft werden. 275<br />

Die so genannte Notkompetenz wird seit fast 20 Jahren „<strong>im</strong> juristischen Schrifttum zum<br />

Rettungswesen“ 276 diskutiert und ist nicht ganz unproblematisch. Notkompetenz <strong>im</strong> RD<br />

bedeutet, dass Rettungsassistenten (und ferner auch Rettungssanitäter) <strong>im</strong> Falle e<strong>in</strong>er<br />

Nichterreichbarkeit des Notarztes ausnahmsweise dr<strong>in</strong>gend <strong>in</strong>dizierte <strong>in</strong>vasive, also<br />

e<strong>in</strong>greifende und sonst dem Arzt vorbehaltene, Maßnahmen bei e<strong>in</strong>em Notfallpatienten<br />

durchführen dürfen und sogar müssen, um dadurch Lebensgefahr oder e<strong>in</strong>en schweren<br />

körperlichen Schaden zu verh<strong>in</strong>dern. Zu diesen Maßnahmen zählen zum Beispiel die<br />

Venenpunktion, die Intubation (für die künstliche Beatmung) oder die Verabreichung<br />

von Infusionen. Vorausgesetzt wird dabei, dass der handelnde RD-Mitarbeiter die ent-<br />

sprechende Maßnahme <strong>im</strong> Rahmen se<strong>in</strong>er Ausbildung erlernt hat und zu ihrer Durch-<br />

führung befähigt ist. 277<br />

Abschließend lässt sich zum juristischen Bereich festhalten, dass der RD rechtlich gese-<br />

hen oft e<strong>in</strong>e „gefahrgeneigte Arbeit“ 278 <strong>in</strong> sich birgt, die für den Träger und die Mitar-<br />

beiter unter Umständen strafrechtliche Konsequenzen nach sich führen kann.<br />

3 Arbeitsplatz <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3.1 Personal <strong>in</strong> Zahlen<br />

Im Jahr 2001 waren laut Statistischem Bundesamt <strong>in</strong>sgesamt ungefähr 46.000 Personen,<br />

darunter etwa 15.000 Frauen (hauptamtlich) <strong>im</strong> RD beschäftigt. 279<br />

Be<strong>im</strong> DRK gab es <strong>im</strong> Jahr 2002 <strong>in</strong>sgesamt 30.419 <strong>Rettungsdienst</strong>ler, davon 15.448<br />

Hauptamtliche, 3.109 Aushilfen, 3.023 Zivildienstleistende und 8.839 Ehrenamtliche.<br />

274<br />

UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 770.<br />

275<br />

Vgl. UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 770.<br />

276<br />

UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 775.<br />

277<br />

UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 775f. Vgl. auch RUNGGALDIER: Tips für den<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>alltag, 5f.<br />

278<br />

UFER: Rechtliche Grundlagen des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 772.<br />

279<br />

Vgl. www.destatis.de/basis/d/gesu/gesutab2.htm (vom 07.08.2003). Im Jahr 2000 war das RD-<br />

Personal nur 44.000 Personen stark, darunter 13.000 Frauen. Nach den Angaben von Klaus Runggaldier<br />

s<strong>in</strong>d es etwa 15.000 Notärzte und 35.000 Rettungsassistenten, -sanitäter und -helfer. Vgl.<br />

RUNGGALDIER: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es, 608.<br />

61


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Be<strong>im</strong> ASB waren <strong>im</strong> gleichen Jahr 2.959 Hauptamtliche und 5.429 Ehrenamtliche <strong>im</strong><br />

Bereich des gesamten Rettungswesens e<strong>in</strong>gesetzt (also beispielsweise auch <strong>im</strong> nichtme-<br />

diz<strong>in</strong>ischen Krankentransport). Be<strong>im</strong> MHD setzte sich, ebenfalls 2002, das RD-Personal<br />

mit <strong>in</strong>sgesamt 3.986 Personen aus 1.117 Hauptamtlichen, 662 Aushilfen, 464 Zivil-<br />

dienstleistenden und 1.743 Ehrenamtlichen zusammen. 280 Von der JUH waren (trotz<br />

Anfrage) ke<strong>in</strong>e Angaben zu erfahren.<br />

3.2 Motivation des Personals<br />

Was bewegt Menschen dazu, sich <strong>im</strong> RD zu engagieren und dafür ungünstige Arbeits-<br />

zeiten, ger<strong>in</strong>ge Aufstiegsmöglichkeiten, hohe physische und psychische Belastungen<br />

und e<strong>in</strong> vergleichsweise niedriges Gehalt <strong>in</strong> Kauf zu nehmen? 281<br />

Thomas Stepan stellt fest, „dass die Art der Motivation [...] ausschlaggebend dafür ist,<br />

ob der Betroffene bei der Tätigkeit längerfristig Erfüllung und Befriedigung erlangt<br />

oder aber der S<strong>in</strong>n für das Helfen verloren geht.“ 282<br />

Bei e<strong>in</strong>er Umfrage unter dem RD-Personal e<strong>in</strong>es Kreisverbandes wurden die folgenden<br />

Motivationsaspekte am häufigsten genannt: Umgang mit Menschen, Leben retten, Ab-<br />

wechslung und Herausforderung, S<strong>in</strong>ngebung und schließlich Blaulichtfahrten. 283 Ins-<br />

gesamt lassen sich bei den vielfältigen Motiven teils s<strong>in</strong>n- und teils erlebnisorientierte<br />

Aspekte f<strong>in</strong>den. Am Anfang steht bei den meisten RD-Mitarbeitern e<strong>in</strong>e „vorwiegend<br />

idealistische Auffassung“. 284<br />

Die Antworten der Fragebögen lassen darauf schließen, dass die genannten Ideale e<strong>in</strong>e<br />

wichtige Rolle bei der Motivation spielen, besonders das Ideal des Helfens. 285<br />

280<br />

Diese Informationen s<strong>in</strong>d auf briefliche Anfrage <strong>im</strong> August 2003 vom Generalsekretariat bzw. vom<br />

Bundesvorstand der jeweiligen Hilfsorganisation zugesandt worden. Die zahlenmäßige Relation von<br />

weiblichem und männlichem Personal war daraus nicht zu erschließen.<br />

281<br />

Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 27f. Die genannten Aspekte werden später (unter<br />

III, 3.4) noch näher erläutert.<br />

282<br />

STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 29.<br />

283<br />

Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 30. Vgl. dazu auch die kritische Aussage <strong>im</strong><br />

Fragebogen NFS (6): „Bei vielen <strong>Rettungsdienst</strong>lern wird der Dienst weniger als Dienst am Menschen<br />

gesehen, sondern eher als eigener Geltungsdrang. Es stärkt das Selbstbewusstse<strong>in</strong>, wenn jemand<br />

mit Blaulicht und Mart<strong>in</strong>shorn durch die Straßen fährt, um auf sich aufmerksam zu machen.“<br />

284<br />

STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 34. Wesentliche Motivationen s<strong>in</strong>d: 1) Verantwortungsgefühl<br />

(moralische Verpflichtung), 2) Abenteuer und Neues erleben, ke<strong>in</strong>e Rout<strong>in</strong>e, 3) Wunsch<br />

nach Anerkennung durch das soziale Umfeld und Gesellschaft und 4) soziale Kontakte. Vgl. STEPAN:<br />

Motive und Psychologie des Helfens, 34.<br />

285<br />

Alle Befragten (Fragebögen RD und KID) gaben als Motivation an, anderen helfen zu können. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus war für RD 1 e<strong>in</strong>e zusätzliche Motivation, dass er selbst etwas bewirken kann; RD 2 bewegte<br />

auch die Neugierde und Herausforderung und für RD 3 verleiht die Arbeit <strong>im</strong> RD zudem (e <strong>in</strong>en)<br />

S<strong>in</strong>n. Vgl. dazu die Fragebögen RD 1-3 (jeweils 9) und KID (6).<br />

62


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Nicht selten bleiben Zivildienstleistende nach ihrer Dienstzeit weiterh<strong>in</strong> <strong>im</strong> RD ehren-<br />

amtlich tätig; teilweise absolvieren ehemalige Zivildienstleistende sogar die RA-<br />

Ausbildung und treten <strong>in</strong> e<strong>in</strong> hauptamtliches Beschäftigungsverhältnis e<strong>in</strong>, anstatt <strong>in</strong><br />

ihren zuvor erlernten Beruf zurückzukehren beziehungsweise e<strong>in</strong> Studium oder e<strong>in</strong>e<br />

(andere) Ausbildung zu beg<strong>in</strong>nen. 286<br />

3.3 Spannung zwischen Klischee und Wirklichkeit<br />

Wer sich be<strong>im</strong> Arbeitsamt über den Beruf des Rettungsassistenten erkundigen will, f<strong>in</strong>-<br />

det <strong>in</strong> der aktuellen Informationsmappe folgende erste Berufsumschreibung: „Mit quiet-<br />

schenden Reifen und bl<strong>in</strong>kendem Mart<strong>in</strong>shorn bahnt sich der Rettungswagen se<strong>in</strong>en<br />

Weg durch die Autokolonne des Feierabendverkehrs. Der e<strong>in</strong>satzleitende RA und se<strong>in</strong><br />

Beifahrer lassen sich davon jedoch nicht aus der Ruhe br<strong>in</strong>gen.“ 287<br />

Mart<strong>in</strong>shorn und Blaulicht s<strong>in</strong>d vermutlich die ersten Assoziationen, die dem Bevölke-<br />

rungsdurchschnitt zum Stichwort „<strong>Rettungsdienst</strong>“ <strong>in</strong> den S<strong>in</strong>n kommen; denn auf diese<br />

Weise nehmen die meisten Menschen Tag für Tag den RD wahr. Der Beschreibung<br />

oben entsprechend werden die Mitarbeiter des <strong>Rettungsdienst</strong>es wohl oft als unerschüt-<br />

terlich, vielleicht auch als kühn und be<strong>in</strong>ahe gefühllos bewertet. 288<br />

In der Öffentlichkeit gibt es ohne Zweifel e<strong>in</strong>e mangelnde Anerkennung des Rettungs-<br />

dienstes und se<strong>in</strong>er Mitarbeiter. 289 So werden qualifizierte Rettungsassistenten nicht<br />

selten lediglich als Krankenwagenfahrer bezeichnet; bei E<strong>in</strong>sätzen wird oft nur nach<br />

dem Notarzt gefragt und nach Zeitungsberichten s<strong>in</strong>d an Unfallorten <strong>im</strong>mer zahlreiche<br />

Ärzte, aber ke<strong>in</strong>e Rettungsassistenten oder -sanitäter aktiv. 290<br />

286 Diese Angaben basieren auf eigenen Erfahrungen. Statistiken konnten hierzu nicht gefunden werden.<br />

Durch die Verkürzung der Zivildienstzeit auf zehn Monate und der langen Ausbildung lohnt es sich<br />

für Rettungswachen heutzutage kaum noch, Zivildienstleistende aufgrund der langen Ausbildung <strong>im</strong><br />

RD e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

287 BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT : Informationsmappe 130, A 03-92. Der Verfasser muss an dieser Stelle<br />

zugeben, dass er trotz mehrjähriger Erfahrung bislang noch „ke<strong>in</strong> bl<strong>in</strong>kendes Mart<strong>in</strong>shorn“ entdeckt<br />

hat. Angesichts dieser mit Klischees angereicherten RD-Beschreibung <strong>im</strong> Zitat möge der Leser diese<br />

Bemerkung wohlwollend verzeihen.<br />

288 Vgl. dazu auch die Vorurteile des <strong>Seelsorge</strong>rs <strong>in</strong> der Karikatur von Daniel Lüdel<strong>in</strong>g (Abb. 1), auf die<br />

<strong>in</strong> der E<strong>in</strong>leitung e<strong>in</strong>gegangen wurde. Gelegentlich gibt es auch Vorurteile, nach denen die <strong>Rettungsdienst</strong>ler<br />

mit Blaulicht mal schnell Pizza oder Eis holen fahren. Manchmal gehen auch Beschwerden<br />

auf Rettungswachen e<strong>in</strong>, weil e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satzfahrzeug mit dem Mart<strong>in</strong>shorn die Ruhe der Anwohner<br />

störte. Die Bevölkerung weiß <strong>in</strong> der Regel nicht sehr viel von der Realität des <strong>Rettungsdienst</strong>es. Geschätzt<br />

werden die Menschen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>satzkleidung oft nur, wenn ihre Unterstützung für e<strong>in</strong>en selbst<br />

oder Angehörige benötigt wird. E<strong>in</strong> Wort des Dankes für die geleistete Hilfe ist nicht mehr unbed<strong>in</strong>gt<br />

selbstverständlich, weil der E<strong>in</strong>satz oft als bezahlte Leistung der Krankenkasse aufgefasst wird.<br />

289 Diese mangelnde Anerkennung und Kenntnis der Arbeit des <strong>Rettungsdienst</strong>es st<strong>im</strong>mt e<strong>in</strong>en der Lehrrettungsassistenten<br />

<strong>in</strong> den Fragebögen unzufrieden. Vgl. Fragebogen RD 3 (10).<br />

290 Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 37.<br />

63


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Auch die Darstellungen <strong>in</strong> den TV-Serien (zum Beispiel Alphateam <strong>in</strong> SAT. 1) und <strong>im</strong><br />

Reality-TV (zum Beispiel Notruf <strong>in</strong> RTL) geben nur e<strong>in</strong> verzerrtes Bild des Rettungs-<br />

dienstes wieder. 291 So lässt sich mit den Worten von Thomas Stepan festhalten: „Die<br />

Intention der Sendungen war von vornhere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere, als oft angekündigt. Hier geht<br />

es nicht darum, dem Durchschnittsbürger die wirkliche Arbeit des <strong>Rettungsdienst</strong>es<br />

näherzubr<strong>in</strong>gen, sondern re<strong>in</strong> um Action, um voyeuristisch anmutenden Sensationsjour-<br />

nalismus und um Spiel mit den Emotionen [...] der Zuschauer.“ 292<br />

Um e<strong>in</strong>en realistischeren E<strong>in</strong>druck vom RD zu gew<strong>in</strong>nen, empfiehlt sich vor allem der<br />

persönliche Kontakt mit den Mitarbeitern. Das folgende Gedicht von Hans Spiecker<br />

kann dabei vielleicht auf poetische Weise zu e<strong>in</strong>em besseren Grundverständnis weiter-<br />

helfen:<br />

3.4 Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

3.4.1 Arbeitszeiten und Vergütung<br />

„ Auch Helfer s<strong>in</strong>d Menschen<br />

Manchmal s<strong>in</strong>d auch [...]<br />

Sanitäter erschüttert [...]<br />

Sie kennen Freude,<br />

Enttäuschung, Geduld.<br />

Sie haben Sorgen,<br />

Familie und Schuld.<br />

Sie gleichen dir sehr.“ 293<br />

Die Arbeitszeiten für Hauptamtliche <strong>im</strong> RD s<strong>in</strong>d von der durchschnittlichen Auslastung<br />

der jeweiligen Wache abhängig. Jede Rettungsleitstelle errechnet statistisch ihren<br />

durchschnittlichen Bedarf an Rettungsmitteln, die so genannten Vorhaltezeiten, zu den<br />

unterschiedlichen Tageszeiten; dementsprechend ergeben sich auf den e<strong>in</strong>zelnen Ret-<br />

tungswachen verschiedene Schichten. 294<br />

Als Arbeitszeit wird vor allem nur die Zeit angerechnet, die (statistisch gesehen) durch-<br />

schnittlich von tatsächlicher Arbeit geprägt ist, der übrige Teil bleibt als Bereitschafts-<br />

dienst <strong>in</strong> der Regel unbezahlt. Auf Rettungswachen mit ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>satzaufkommen<br />

291 Vgl. STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 37 und vgl. STEPAN: Reality-TV und <strong>Rettungsdienst</strong>,<br />

369. Weiterführend sei h<strong>in</strong>gewiesen auf STEPAN: Reality-TV und <strong>Rettungsdienst</strong>, 369-377. So<br />

schreibt Thomas Stephan: „Die Arbeit des <strong>Rettungsdienst</strong>es wird <strong>in</strong> teilweise unrealistischer Weise<br />

dargestellt und beschränkt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl der Beiträge auf e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>drucksvolles Spiel mit Blaulicht<br />

und Mart<strong>in</strong>shorn.“ (STEPAN: Reality-TV und <strong>Rettungsdienst</strong>, 377.)<br />

292 STEPAN: Motive und Psychologie des Helfens, 38.<br />

293 SPIECKER: H<strong>in</strong>ter Bremsspur und Blaulicht, 60. Da professionelle Helfer auch Menschen s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d<br />

auch sie nicht frei von Emotionen – gerade, wenn es um existentielle Erfahrungen geht.<br />

64


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

kann es also se<strong>in</strong>, dass die Arbeits- und Bereitschaftszeit für e<strong>in</strong>en Mitarbeiter <strong>in</strong>sge-<br />

samt bis zu 60 Stunden pro Woche betragen. 295 Überstunden können gegebenenfalls<br />

noch dazukommen. Verschiedene Schichtdienste (Tag- und Nachtschichten, auf man-<br />

chen Wachen sogar 24-Stunden-Schichten und andere) gehören ebenso selbstverständ-<br />

lich zur Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es wie die Arbeit an Sonn- und Feiertagen. 296<br />

Bei den Hilfsorganisationen ist die Vergütung des hauptamtlichen RD-Personals nach<br />

Bundesland und Region verschieden. In der Regel erhalten Rettungsassistenten e<strong>in</strong> Ge-<br />

halt, das ungefähr der Gruppe VIb des Bundesangestelltentarifs (BAT) entspricht; e<strong>in</strong><br />

Aufstieg bis <strong>in</strong> Gruppe Vc BAT ist möglich. Rettungssanitäter verdienen meist e<strong>in</strong> Ge-<br />

halt, das etwa dem der Gruppe VII BAT gleichkommt. 297 Die Vergütung hängt zum<br />

e<strong>in</strong>en von der Gehaltsgruppe ab, <strong>in</strong> die der jeweilige Mitarbeiter entsprechend der<br />

Grundqualifikation (RA, RS oder RH), dem Alter, dem Familienstand und der Dauer<br />

der Betriebszugehörigkeit (Bewährungsaufstieg) zugeordnet wird, und zum anderen von<br />

den Zuschlägen, die für geleistete Dienststunden <strong>in</strong> der Nacht, an Sonn- und Feiertagen<br />

gewährt werden. Ferner können durch Zusatzqualifikationen (wie Des<strong>in</strong>fektor, Lehrret-<br />

tungsassistent) weitere Gehaltszuwächse erreicht werden. 298<br />

3.4.2 Belastungen und Gefahren<br />

3.4.2.1 Physische und psychische Belastungen und Gefahren<br />

Zu den persönlichen und privaten Belastungen, die das Leben des e<strong>in</strong>zelnen Mitarbei-<br />

ters <strong>im</strong> RD (und auch bei der Feuerwehr) ohneh<strong>in</strong> schon prägen, kommen zahlreiche<br />

berufsbed<strong>in</strong>gte belastende und gefährliche Situationen und Umstände h<strong>in</strong>zu.<br />

Der RD-Alltag ist durch ständige Bereitschaft und Ungewissheit geprägt. Der nächste<br />

E<strong>in</strong>satz kann beispielsweise e<strong>in</strong>e Fehlfahrt, e<strong>in</strong> unkomplizierter Krankentransport, e<strong>in</strong>e<br />

Rean<strong>im</strong>ation oder sogar e<strong>in</strong> schweres Busunglück se<strong>in</strong>.<br />

Auf der e<strong>in</strong>en Seite steht das Geduld fordernde Warten auf die Alarmierung und auf der<br />

anderen Seite steht die Arbeit und Entscheidungsf<strong>in</strong>dung unter Zeitdruck bei e<strong>in</strong>em<br />

294<br />

E<strong>in</strong> konkretes Beispiel wird anhand der Schichte<strong>in</strong>teilung der Rettungswache <strong>in</strong> Großkrotzenburg<br />

unter III, 3.5 gegeben.<br />

295<br />

Vgl. MHD: Q-Tipp, 9.<br />

296<br />

Diese Informationen wurden vom DRK-Generalsekretariat gegeben. Vgl. auch MHD: Q-Tipp, 9f.<br />

297<br />

Vgl. www.asb-onl<strong>in</strong>e.de/home/home.htm (vom 08.09.2003).<br />

298<br />

Diese Informationen wurden vom DRK-Generalsekretariat auf Anfrage gegeben. Vgl. auch MHD:<br />

Q-Tipp, 10f. Als konkrete Beispiele für die Vergütung mögen folgende Angaben dienen: Im Jahr<br />

2002 lag das Grundgehalt (ohne Zuschläge und Überstunden) e<strong>in</strong>es 25jährigen ledigen Rettungsassistenten<br />

be<strong>im</strong> MHD bei ungefähr 1.500 € brutto und bei e<strong>in</strong>em 30jährigen verheirateten Rettungsassistenten<br />

(mit e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d) ca. 1.950 € brutto pro Monat. Vgl. MHD: Q-Tipp, 10f. Aktuelle Daten waren<br />

nicht zu erhalten. Das ehrenamtliche Personal erhält <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>e Aufwandsentschädigung<br />

65


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

dr<strong>in</strong>genden Notfall. H<strong>in</strong>zu kommt die Anspannung und Unsicherheit bei der Anfahrt zur<br />

E<strong>in</strong>satzstelle, weil die Lage vor Ort trotz gemeldeter E<strong>in</strong>satz<strong>in</strong>dikation <strong>im</strong>mer ungeahnte<br />

Überraschungen und Gefahren mit sich br<strong>in</strong>gen kann. Die Spanne der alltäglichen Be-<br />

rufserfahrungen kann von der glücklichen Geburt e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des über e<strong>in</strong>en Verkehrsun-<br />

fall mit Schwerverletzten bis h<strong>in</strong> zu verbrannten oder verstümmelten Toten führen. 299<br />

Ebenso spiegeln die E<strong>in</strong>satzorte und Patienten die Bandbreite des Lebens wider: von der<br />

Sozialwohnung zur Villa und vom Säugl<strong>in</strong>g zum alten Menschen. 300<br />

Die RD-Mitarbeiter erleben bei ihrer Arbeit Alter, Sterben, Krankheiten, Geburt, Tod,<br />

Armut und Reichtum, K<strong>in</strong>der, Erwachsene, Obdachlose, e<strong>in</strong>same Menschen etc; sie<br />

erfahren Realität – und zwar ungeschönt. 301<br />

Besonders belastend ist die direkte Konfrontation mit der menschlichen Verletzbarkeit<br />

und Endlichkeit: K<strong>in</strong>dernotfälle, erfolglose Rean<strong>im</strong>ationsversuche (besonders bei Säug-<br />

l<strong>in</strong>gen und K<strong>in</strong>dern), psychiatrische Notfälle (beispielsweise Suizidandrohung), zahlrei-<br />

che Tote, Schwerverletzte und verzweifelte Angehörige; noch belastender wird es, wenn<br />

es sich dabei um Verwandte, Freunde, Kollegen oder Bekannte handelt oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

ähnlichen Situation bereits selbst negative Erfahrungen gesammelt wurden. 302<br />

Weiter haben die Erlebnisse von eigener Hilflosigkeit, von persönlichen Fehlern mit<br />

negativen Folgen für den Patienten, die Bedrohung der eigenen Gesundheit und das<br />

Gefühl, nicht alles Machbare getan zu haben „e<strong>in</strong>e hohe Traumatisierungspotenz“. 303 Es<br />

ist also e<strong>in</strong>e Fülle an E<strong>in</strong>drücken und Erfahrungen, die <strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit erlebt<br />

wird und verarbeitet se<strong>in</strong> will. Mitarbeiter <strong>im</strong> RD haben also außergewöhnliche Ereig-<br />

nis- und Berufsstressoren. 304<br />

für die Verpflegung. Bei e<strong>in</strong>er dem Verfasser bekannten Rettungswache beträgt diese Aufwandsentschädigung<br />

beispielsweise 1 € pro Dienststunde.<br />

299 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 811.<br />

300 Da ist zum Beispiel der tote Drogenabhängige <strong>in</strong> der Bahnhofstoilette zu nennen oder der Firmenchef<br />

mit Herz<strong>in</strong>farkt auf dem Bürostuhl. Da ist die krebskranke Hausfrau, die sich auf dem Bett <strong>im</strong><br />

Schlafz<strong>im</strong>mer die Pulsadern aufgeschnitten hat; dann s<strong>in</strong>d da die Rentner<strong>in</strong>, die an der Bushaltestelle<br />

gestürzt ist, der Alkoholiker, der aus dem Fenster spr<strong>in</strong>gen will und das kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>d, das von e<strong>in</strong>em<br />

Auto angefahren wurde etc.<br />

301 Vgl. dazu auch Fragebogen RD 2 (15.1): Sterbefahrten und die Konfrontation mit extremer Armut<br />

werden von diesem Rettungsassistenten neben K<strong>in</strong>dernotfällen, die auch die Fragebögen RD 1+3<br />

(jeweils 15.1) nennen, als besonders belastend erlebt.<br />

302 Vgl. GIESEN: E<strong>in</strong>satznachbereitung, 2 und vgl. STEPAN: Angst <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 162 und vgl.<br />

WIETERSHEIM: Psychische Aspekte be<strong>im</strong> Betreuungse<strong>in</strong>satz, 133.<br />

303 GIESEN: E<strong>in</strong>satznachbereitung, 2 und vgl. STEPAN: Angst <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 162. Im H<strong>in</strong>blick auf<br />

Behandlungsfehler und Schuld sei verwiesen auf die Publikation von Stefanie Bachste<strong>in</strong>, deren siebenjährige<br />

Tochter nach e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall durch e<strong>in</strong>e Fehl<strong>in</strong>tubation der Notärzt<strong>in</strong> gestorben ist.<br />

Das Buch erzählt auf e<strong>in</strong>drückliche Weise von den Folgen dieses Behandlungsfehlers und e<strong>in</strong>em offenen<br />

und verzeihenden Umgang e<strong>in</strong>er Mutter mit der Schuld und der Schuldigen. Vgl. BACHSTEIN:<br />

Du hättest leben können.<br />

304 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 811 und vgl. FLATTEN: Der hilflose<br />

Helfer, 268.<br />

66


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Der Schichtdienst entgegen dem Lebensrhythmus, unregelmäßige Mahlzeiten, körperli-<br />

che Höchstleistungen und Adrenal<strong>in</strong>schübe zu unterschiedlichen Tageszeiten belasten<br />

den menschlichen Körper. Die unregelmäßige Schichte<strong>in</strong>teilung stellt zudem e<strong>in</strong>e Bela-<br />

stung für die Familie und die soziale Umgebung dar. 305 Die Scheidungs- und Tren-<br />

nungsrate liegt bei RD-Mitarbeitern über dem Durchschnitt. 306<br />

Zu den typischen Berufskrankheiten zählen Wirbelsäulenverletzungen und Ansteckung<br />

durch Infektionen. 307 Nicht zu vernachlässigen s<strong>in</strong>d auch psychosomatische und -soziale<br />

Folgen wie ungesunde Ernährung, Schlaf- und Essstörungen oder die Abhängigkeit von<br />

Kaffee, Alkohol, Tabletten, Nikot<strong>in</strong> und anderen Drogen, die unter RD-Mitarbeitern<br />

nicht selten vorkommt, wenn Probleme, Schuldgefühle und traumatische Bilder ver-<br />

drängt werden. 308 Ferner können sich bei E<strong>in</strong>satzkräften auch Posttraumatische Bela-<br />

stungsstörungen entwickeln, wenn schreckliche E<strong>in</strong>satzerlebnisse nicht rechtzeitig auf-<br />

gearbeitet werden. 309 Es ist wichtig zu beachten, dass „nicht nur dramatische Ereignisse<br />

[...], sondern auch ‚kle<strong>in</strong>ere’ <strong>im</strong>mer wiederkehrende Belastungen [...] kumulieren und<br />

zu den [...] vegetativen bzw. sich chronifizierenden psychosomatischen traumareaktiven<br />

Beschwerden führen“ 310 können. Bei Nichtbehandlung sehen Betroffene nicht selten<br />

den Selbstmord als letzte Lösungsmöglichkeit, als „ult<strong>im</strong>ate stress reaction“ 311 . Wie<br />

305 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 811.<br />

306 Vgl. FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269.<br />

307 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 812. So s<strong>in</strong>d beispielsweise weltweit<br />

bisher 73 HIV-Infektionen gezählt worden, die sehr wahrsche<strong>in</strong>lich beruflich bed<strong>in</strong>gt erworben wurden.<br />

In Deutschland s<strong>in</strong>d es zwei publizierte und gesicherte Fälle und zwei wahrsche<strong>in</strong>liche. Vgl.<br />

RUNGGALDIER: Tips für den <strong>Rettungsdienst</strong>alltag, 19. Mohr und Kettler schreiben dazu: „Der unbekannte<br />

Patient birgt [...] auch e<strong>in</strong> erhöhtes Risiko der eigenen Gefährdung durch Infektionen. Die<br />

Zahl HIV-positiver Patienten <strong>in</strong> den Notfallaufnahmen von Krankenhäusern und unter Unfallopfern<br />

beträgt bei überwiegend städtischen E<strong>in</strong>zugsgebieten bis zu 5%. Die Versorgung von Drogenabhängigen<br />

oder blutenden Verletzten, aber auch der Umgang mit Kanülen bei unkooperativen Patienten<br />

stellen potentielle Gefahrenquellen dar. Die Arbeit <strong>in</strong> der Stresssituation des Notfalls verleitet schnell<br />

zur Missachtung entsprechender Vorsichtsregeln.“ (MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>,<br />

119.) Wesentlich größer als das Risiko e<strong>in</strong>er HIV-Infektion ist allerd<strong>in</strong>gs das e<strong>in</strong>er Hepatitis B- oder<br />

Hepatitis C-Infektion. Vgl. RUNGGALDIER: Tips für den <strong>Rettungsdienst</strong>alltag, 19.<br />

308 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 812 und vgl. BENGEL: Psychische<br />

Belastungen des Rettungspersonals, 52. Vgl. dazu auch die Fragebögen RD 1-3 (jeweils 14) und ferner<br />

Fragebögen KID (13) und NFS (12), die alle die Suchtgefahr <strong>im</strong> RD hoch e<strong>in</strong>schätzen. So<br />

schreibt beispielsweise e<strong>in</strong> Rettungsassistent: „Die Suchtgefahr halte ich für sehr hoch! Alkohol ist,<br />

denke ich, für viele Kollegen oft die ‚Erste Lösung’ um nach dem Dienst mit dem Erlebten fertig zu<br />

werden.“ (Fragebogen RD 1.)<br />

309 Auf die PTBS wurde bereits unter II, 3.1.1.3 (vor allem Anm. 137) näher e<strong>in</strong>gegangen. Vgl. dazu<br />

auch RUNGGALDIER: Psychologie, 846-848 und vgl. BENGEL: Posttraumatische Belastungsstörung.<br />

Feuerwehr, RD und Katastrophenschutz lassen sich mit Blick auf die PTBS-Gefährdung als Hochrisiko-Berufsgruppen<br />

bezeichnen. Vgl. HEINRICHS: E<strong>in</strong>satzbelastungen, 4.<br />

310 FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269. Nach Markus He<strong>in</strong>richs „zeigen E<strong>in</strong>satzkräfte [...] auch <strong>im</strong>mer<br />

erhöhte körperliche Beschwerden <strong>im</strong> Vergleich zur Allgeme<strong>in</strong>bevölkerung – <strong>in</strong>sbesondere <strong>im</strong> Bereich<br />

Herz/Kreislauf.“ (HEINRICHS: E<strong>in</strong>satzbelastungen, 5.) So s<strong>in</strong>d bei RD-Mitarbeitern nicht selten<br />

gesundheitliche Beschwerden vorgekommen, „die eben nicht <strong>im</strong>mer organisch entsprechend abgeklärt<br />

werden können.“ (HEINRICHS: E<strong>in</strong>satzbelastungen, 5.)<br />

311 FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269.<br />

67


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

amerikanische Studien belegen, gibt es bei belasteten E<strong>in</strong>satzkräften e<strong>in</strong>e überdurch-<br />

schnittliche Suizidrate. 312<br />

Der Arbeitsplatz der RD-Mitarbeiter ist vielfältig und birgt nicht selten Gefahren wie<br />

beispielsweise Feuer, Explosionen, gefährliche Stoffe und gewalttätige Patienten <strong>in</strong><br />

sich. 313 Die E<strong>in</strong>satzkräfte müssen oft an Orten präsent se<strong>in</strong>, die andere Menschen mei-<br />

den oder fluchtartig verlassen. Auch der Straßenverkehr stellt e<strong>in</strong>e Gefahr dar. So gibt<br />

es <strong>in</strong> Deutschland pro Jahr ca. 3.500 Unfälle mit E<strong>in</strong>satzfahrzeugen des Rettungsdien-<br />

stes; bei ca. 200 dieser Unfälle gibt es Verletzte, bei ungefähr 50 von ihnen Schwerver-<br />

letzte und etwa 14 Mal verlieren Menschen dabei ihr Leben. 314 Das Unfallrisiko von<br />

Fahrzeugen mit Sondersignal wird viermal höher angesehen als bei allen anderen Ver-<br />

kehrsteilnehmern. 315 E<strong>in</strong>sätzkräfte können unter Umständen <strong>in</strong> der Gefahr stehen, sich<br />

zu überschätzen und als sche<strong>in</strong>bar omnipotente Lebensretter die eigenen Grenzen und<br />

Möglichkeiten falsch e<strong>in</strong>zustufen und dadurch sich und andere zu gefährden. 316<br />

Aufgrund dieser zahlreichen außergewöhnlichen Belastungen spricht vieles dafür, „dass<br />

diese Tätigkeit nicht bis zur gesetzlichen Altersgrenze ausgeübt werden kann.“ 317 Ge-<br />

setzliche Regelungen hierzu gibt es bislang ke<strong>in</strong>e.<br />

3.4.2 Besonders belastende E<strong>in</strong>sätze<br />

Jeder RD-E<strong>in</strong>satz br<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong>e eigenen Belastungen mit sich. Auch oder sogar gerade<br />

Krankentransporte dürfen dabei nicht unterschätzt werden: Sie konfrontieren das RD-<br />

Personal oft mit schweren Krankheiten (beispielsweise Krebs) und den negativen Seiten<br />

des Alters (E<strong>in</strong>samkeit, Mult<strong>im</strong>orbidität, Demenz u. ä.).<br />

An dieser Stelle sollen beispielhaft drei konkrete E<strong>in</strong>satzbereiche vorgestellt werden,<br />

die als solche besondere Belastungen für das Personal mit sich br<strong>in</strong>gen.<br />

3.4.2.1 Rean<strong>im</strong>ation<br />

Wenn e<strong>in</strong> Patient kl<strong>in</strong>isch tot ist, bei ihm also weder Spontanatmung noch Herz- und<br />

Kreislauftätigkeit vorliegen, kann e<strong>in</strong>e rechtzeitig begonnene kardiopulmonale Reani-<br />

mation (CPR), auch Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) genannt, möglicherweise e<strong>in</strong><br />

312 Vgl. FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269.<br />

313 Vgl. RUNGGALDIER: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 812.<br />

314 Vgl. REDELSTEINER: Fahrzeuge, 674.<br />

315 Vgl. REDELSTEINER: Fahrzeuge, 674. Bei Fahrten mit Sonderrechten und -signal ist statistisch ges ehen<br />

bei jedem 272.000. E<strong>in</strong>satz mit e<strong>in</strong>em tödlichen Verkehrsunfall zu rechnen. Vgl. REDELSTEINER:<br />

Fahrzeuge, 674.<br />

316 Vgl. dazu auch SALOMON: Das Menschenbild, 246.<br />

317 BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT : Informationsmappe 130, B 3,1 . 09/92.<br />

68


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Weiterleben erreichen. 318 Die Basismaßnahmen der Wiederbelebungsversuche werden<br />

als Basic Cardiac Life Support (BCLS) bezeichnet, s<strong>in</strong>d nach dem ABC-Schema ange-<br />

ordnet und können von jedermann angewendet werden: Atemwege fre<strong>im</strong>achen, beatmen<br />

und die Circulation <strong>in</strong> Gang br<strong>in</strong>gen (durch Hochlagern der Be<strong>in</strong>e und Herzdruckmas-<br />

sage). 319<br />

Die erweiterten Maßnahmen der CPR, die Advanced Cardiac Life Support (ACLS),<br />

werden vom RD-Personal durchgeführt. Dazu gehören die endotracheale Intubation 320 ,<br />

die Beatmung mit mediz<strong>in</strong>ischem Sauerstoff über Tubus und Beatmungsgerät, e<strong>in</strong> venö-<br />

ser Zugang (für Medikamente), Volumengabe (Infusionen mit Vollelektrolytlösungen)<br />

und Medikamentengabe (vor allem e<strong>in</strong> Adrenal<strong>in</strong>präparat und ferner Lidoca<strong>in</strong> und<br />

Atrop<strong>in</strong>) und bei Kammerfl<strong>im</strong>mern gegebenenfalls Defibrillation mit <strong>in</strong> der Regel 200<br />

beziehungsweise 360 Joule. 321<br />

Das RD-Personal ist bei e<strong>in</strong>em Patienten mit Herzkreislaufstillstand zur Rean<strong>im</strong>ation<br />

verpflichtet bis e<strong>in</strong> Arzt deren E<strong>in</strong>stellung entscheidet. Die Verpflichtung besteht aller-<br />

d<strong>in</strong>gs nicht, wenn so genannte sichere Todeszeichen 322 erkennbar s<strong>in</strong>d oder Verletzun-<br />

gen vorliegen, „die e<strong>in</strong>deutig mit dem Leben nicht vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d, wie schwerste Schä-<br />

digung von Gehirn, Rückenmark, Herz und großen Körpergefäßen.“ 323<br />

Die ACLS werden vom RD-Personal regelmäßig <strong>in</strong> den verschiedenen Algorithmen<br />

tra<strong>in</strong>iert, damit bei e<strong>in</strong>er Rean<strong>im</strong>ation wertvolle Zeit nicht unnötig verloren geht. Auf<br />

Außenstehende können die Rean<strong>im</strong>ationsmaßnahmen und ihre Begleitersche<strong>in</strong>ungen<br />

durchaus gewalttätig und grausam wirken, denn „schnelles Lagern der leblosen Person<br />

auf e<strong>in</strong>er harten Unterlage [...], Fre<strong>im</strong>achen des Oberkörpers durch Zerreißen der Klei-<br />

318<br />

E<strong>in</strong>e Studie ergab e<strong>in</strong>en pr<strong>im</strong>ären Rean<strong>im</strong>ationserfolg von 20 bis 50 % der Fälle (abhängig von den<br />

Bed<strong>in</strong>gungen). Allerd<strong>in</strong>gs haben nur 7% der präkl<strong>in</strong>isch rean<strong>im</strong>ierten Patienten das Krankenhaus<br />

wieder lebend verlassen. Vgl. MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 121. „Spätestens nach<br />

e<strong>in</strong>er mehr als 8 M<strong>in</strong>uten dauernden Unterbrechung der Sauerstoffversorgung des Gehirns muß mit<br />

irreversiblen Schädigungen dieses Organs gerechnet werden. Die Prognose von Patienten mit Herzkreislaufstillstand<br />

ist daher am günstigsten, wenn <strong>in</strong>nerhalb von etwa 4 M<strong>in</strong>uten nach E<strong>in</strong>tritt des<br />

Stillstandes mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung begonnen wird und <strong>in</strong>nerhalb von 8 M<strong>in</strong>uten erweitere<br />

Wiederbelebungsmaßnahmen wie Medikamentengabe oder elektrische Defibrillation bei<br />

Kammerfl<strong>im</strong>mern vorgenommen werden.“ (MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 119.<br />

319<br />

Vgl. GERDTS: Rean<strong>im</strong>ation, 309 u. 312. Vgl. dazu auch FLAKE / LUTOMSKY: Kardiopulmonale Rean<strong>im</strong>ation,<br />

192-194. Das Verhältnis zwischen Beatmung und Herzdruckmassage beträgt e<strong>in</strong>e Beatmung<br />

zu 15 Kompressionen; zu Beg<strong>in</strong>n der Maßnahmen wird zwe<strong>im</strong>al beatmet.<br />

320<br />

Bei der Intubation wird e<strong>in</strong> Tubus zur Beatmung und Medikamentengabe durch die Luftröhre <strong>in</strong> die<br />

Lunge gelegt.<br />

321<br />

Vgl. GERDTS: Rean<strong>im</strong>ation, 314 u. 318f u. 328. Vgl. dazu auch FLAKE / LUTOMSKY: Kardiopulmonale<br />

Rean<strong>im</strong>ation, 194-198. Für K<strong>in</strong>der gibt es je nach Altersgruppe eigene Besonderheiten bei der<br />

HLW, auf die hier nicht näher e<strong>in</strong>gegangen werden kann.<br />

322<br />

Hierzu zählen vor allem die Totenflecken (Hypostase), die frühestens 20 M<strong>in</strong>uten nach dem E<strong>in</strong>tritt<br />

des kl<strong>in</strong>ischen Todes festgestellt werden können. Vgl. MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>,<br />

120.<br />

323<br />

MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 120.<br />

69


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

dung, Blutaustritt an Punktionsstellen oder bizarre Zuckungen der Extremitäten bei der<br />

Defibrillation s<strong>in</strong>d häufig unvermeidliche Begleitumstände e<strong>in</strong>es fachgerecht durchge-<br />

führten ärztlichen Wiederbelebungsversuches.“ 324<br />

Zu diesem Themenkomplex zählt für die E<strong>in</strong>satzkräfte „auch die traurige Gewißheit, <strong>im</strong><br />

E<strong>in</strong>zelfall möglicherweise ohne die Wiedererlangung personalen Menschse<strong>in</strong>s nur bio-<br />

logisches Leben bewahren oder wiederherstellen zu können.“ 325<br />

„Wenn der Tod nicht mehr zu bekämpfen ist“ 326 , ist das RD-Personal „aufgefordert,<br />

diese Grenze zu bejahen.“ 327 Wer <strong>im</strong> RD arbeitet, muss – wie jeder Mensch –akzeptie-<br />

ren lernen, dass Menschen sterblich s<strong>in</strong>d und jeder zu e<strong>in</strong>em ihm vorgegebenen Zeit-<br />

punkt auch e<strong>in</strong> Recht auf das Sterben hat, das nach dem christlichen Glauben nicht das<br />

Ende, sondern der Anfang e<strong>in</strong>es neuen, ewigen Lebens bei Gott <strong>in</strong> sich birgt. 328<br />

3.4.2.2 K<strong>in</strong>dernotfall<br />

K<strong>in</strong>dernotfälle (Patienten unter 14 Jahre) haben <strong>im</strong> RD nur e<strong>in</strong>en Anteil von 3 bis 7%<br />

aller E<strong>in</strong>sätze. Dadurch fehlt be<strong>im</strong> RD-Personal e<strong>in</strong>e gewisse Rout<strong>in</strong>e, da K<strong>in</strong>der auf-<br />

grund ihrer physiologischen und pathophysiologischen Besonderheiten bei der Notfall-<br />

versorgung nicht e<strong>in</strong>fach als kle<strong>in</strong>e Erwachsene behandelt werden können. Weiter wer-<br />

den K<strong>in</strong>dernotfälle meist durch e<strong>in</strong>e schwierige Kommunikation, unruhige, schreiende<br />

und verängstigte Patienten und besonders aufgeregte Angehörige mit zusätzlichem<br />

Stress für die E<strong>in</strong>satzkräfte belastet; ganz zu schweigen von den emotionalen Aspekten<br />

324 MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 120.<br />

325 MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 125. Geme<strong>in</strong>t ist folgender Sachverhalt: Bei pr<strong>im</strong>är<br />

erfolgreichen Rean<strong>im</strong>ationen kann es durchaus vorkommen, dass zwar der Herz-Kreislauf des Patienten<br />

wieder belebt werden kann, aber durch e<strong>in</strong>en zu langen Sauerstoffdefizit irreparable neurologische<br />

Schäden entstanden s<strong>in</strong>d, die nur noch e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschränkt selbständiges Leben zulassen. Vgl.<br />

MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 125. Vgl. dazu auch FALK: Ethische, psychologische<br />

und theologische Aspekte, 365. Dabei ist allerd<strong>in</strong>gs zu beachten, dass die Gegenüberstellung von personalem<br />

Menschse<strong>in</strong> und biologischem Leben aus (moral-) theologischer Sicht äußerst kritisch zu<br />

bewerten ist. Nach christlicher Auffassung kommt allem menschlichen Se<strong>in</strong> Personenwürde zu. Dies<br />

wird auch <strong>in</strong> Dokumenten des kirchlichen Lehramtes betont. So heißt es beispielsweise <strong>in</strong> der Enzyklika<br />

Evangelium vitae (1995): „Die Gesamtbotschaft, die das Neue Testament zur Vervollkommnung<br />

br<strong>in</strong>gen wird, ist e<strong>in</strong> mächtiger Appell zur Achtung und Unantastbarkeit des physischen Lebens<br />

und der persönlichen Integrität.“ (JOHANNES PAUL II.: Evangelium vitae, 51.) Weiter heißt es dort:<br />

„Das menschliche Leben ist <strong>in</strong> jedem Augenblick se<strong>in</strong>er Existenz [...] heilig und unantastbar. Der<br />

Mensch gehört vom Mutterschoß an Gott.“ (JOHANNES PAUL II.: Evangelium vitae, 75.)<br />

326 MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 125.<br />

327 MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>, 125. Die Entscheidung über das Beenden von Rean<strong>im</strong>ationsmaßnahmen<br />

liegt <strong>in</strong> den Händen des Arztes, doch fühlt sich das RD-Personal durch das aktive<br />

Abbrechen gewiss emotional daran nicht unbeteiligt. Zur ganzen ethischen Problematik dieser<br />

Entscheidung, die der Arzt <strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit zu treffen hat, sei auf den Beitrag von Michael<br />

Mohr und Dietrich Kettler h<strong>in</strong>gewiesen. Vgl. MOHR / KETTLER: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>.<br />

328 Im Gegensatz zur durchschnittlichen Bevölkerungen werden die RD-Kräfte aber ständig mit dem<br />

Tod konfrontiert. Vgl. zum Thema Tod <strong>im</strong> RD auch RUNGGALDIER: Tips für den <strong>Rettungsdienst</strong>alltag,<br />

21f und vgl. PÜSCHEL / SCHNEIDER: Sterben und Tod, 374f und vgl. ferner FALK: Ethische, psychologische<br />

und theologische Aspekte, 367f.<br />

70


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

für die RD-Mitarbeiter (beispielsweise durch die Er<strong>in</strong>nerung an die eigenen K<strong>in</strong>der und<br />

deren Schutzlosigkeit). 329<br />

In Deutschland sterben jährlich ungefähr 18.000 K<strong>in</strong>der und Jugendliche. 330 Laut dem<br />

Statistischem Bundesamt starben <strong>im</strong> Jahr 2001 <strong>in</strong> der BRD alle<strong>in</strong> 3.163 Säugl<strong>in</strong>ge (bis 1<br />

Jahr), davon 429 am Sudden Infant Death Syndrome (SIDS), dem so genannten Plötzli-<br />

chen K<strong>in</strong>dstod. 331 SIDS, auch als Krippentod bezeichnet, ist „e<strong>in</strong> plötzlich u. unvermutet<br />

e<strong>in</strong>tretender Tod <strong>im</strong> Säugl<strong>in</strong>gs- und Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>desalter, bei dem ke<strong>in</strong>e ausreichend erklä-<br />

rende Todesursache nachgewiesen werden kann“ 332 , schreibt e<strong>in</strong> kl<strong>in</strong>isches Wörterbuch.<br />

Bei Vermutung e<strong>in</strong>es SIDS-E<strong>in</strong>satzes ist es s<strong>in</strong>nvoll, wenn die Leitstelle bereits parallel<br />

zum RD die NFS oder den KID alarmiert, um die Betreuung der Eltern sicherzustellen,<br />

damit sich die E<strong>in</strong>satzkräfte alle<strong>in</strong> auf das K<strong>in</strong>d konzentrieren können. 333 Allerd<strong>in</strong>gs<br />

kann K<strong>in</strong>dern mit SIDS „selbst durch den schnellsten und qualifiziertesten Rettungs-<br />

dienste<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> aller Regel nicht geholfen werden.“ 334<br />

Nach erfolglosen Wiederbelebungsversuchen ist es dann die Aufgabe des Notarztes, den<br />

Eltern den Tod ihres K<strong>in</strong>des mitzuteilen. Bei Verdacht auf SIDS muss der Arzt <strong>im</strong> To-<br />

tensche<strong>in</strong> die Todesursache als nicht aufgeklärt angeben; <strong>in</strong> den meisten Bundesländern<br />

ist daraufh<strong>in</strong> die Polizei zu verständigen, die gegebenenfalls e<strong>in</strong>e Obduktion veran-<br />

lasst. 335<br />

Gerade diese bürokratischen und gesetzlichen Regelungen benötigen e<strong>in</strong>e sensible Vor-<br />

bereitung, Information und Begleitung der Eltern (durch die NFS oder den KID), da<br />

sich diese oft schuldig am Tod ihres K<strong>in</strong>des fühlen, ohne es wirklich zu se<strong>in</strong>. 336<br />

„Das Thema Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod stößt <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> auf sehr großes Interesse<br />

und sche<strong>in</strong>t dennoch e<strong>in</strong> Tabuthema zu se<strong>in</strong>“ 337 , stellt e<strong>in</strong>e Rettungssanitäter<strong>in</strong> und zu-<br />

329<br />

Vgl. HEINZ: Das K<strong>in</strong>d als Notfallpatient, 273-276. Vgl. ferner auch GERDTS: Pädiatrische Notfälle,<br />

475. In allen drei Fragebögen RD haben die Befragten die K<strong>in</strong>dernotfälle zu den E<strong>in</strong>sätzen gezählt,<br />

die sie am meisten belasten. Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 15.1).<br />

330<br />

Vgl. DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 80.<br />

331<br />

Vgl. www.destatis.de/basis/d/gesu/gesutab.21.thm (vom 07.08.2003).<br />

332<br />

Pschyrembel Kl<strong>in</strong>isches Wörterbuch, 1578f.<br />

333<br />

In RD-Kreisen ist es umstritten, ob man die Eltern bei den Rean<strong>im</strong>ationsversuchen an ihrem K<strong>in</strong>d<br />

beteiligen oder davon abschirmen soll. Vgl. dazu Denise Thomas <strong>in</strong> HELMERICHS: Erfahrungen des<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>-Personals, 112. Die Mehrheit (der von Denise Thomas Befragten) tendiert dazu, die<br />

Eltern aus e<strong>in</strong>er Entfernung bei den Rettungsmaßnahmen zuschauen zu lassen, damit sie sehen, dass<br />

alles Menschenmögliche für ihr K<strong>in</strong>d getan wird. Vgl. Denise Thomas <strong>in</strong> HELMERICHS: Erfahrungen<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>-Personals, 112 und vgl. HELMERICHS: Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod, 107.<br />

334<br />

HELMERICHS: Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod, 107.<br />

335<br />

Vgl. BÖHMER: Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer Leitfaden, 34.<br />

336<br />

Vgl. HELMERICHS: Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod, 108-111. Es empfiehlt sich auch deshalb hier die NFS<br />

oder den KID <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen, weil die RD-Kräfte nach den erfolglosen Rean<strong>im</strong>ationsversuchen<br />

e<strong>in</strong> Gespräch mit den Angehörigen als sehr belastend erleben. Vgl. HELMERICHS: Plötzlicher<br />

Säugl<strong>in</strong>gstod, 104. Vgl. zur Krisen<strong>in</strong>tervention nach SIDS ferner DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention<br />

<strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 80-84.<br />

71


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

gleich vom SIDS betroffene Mutter fest, die e<strong>in</strong>e Umfrage zu diesem Thema bei RD-<br />

Kollegen durchgeführt hat.<br />

Bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz mit Exitus des Patienten und e<strong>in</strong>er unklaren Todesursache kommt das<br />

E<strong>in</strong>satzpersonal leicht zum Zweifeln an den persönlichen Möglichkeiten und Fähigkei-<br />

ten und fühlt sich oft hilflos – besonders, wenn der Patient e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d ist. E<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d<br />

wird gefühlsmäßig nicht zugestanden, dass es wie alle Menschen sterblich ist und ster-<br />

ben kann; e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>derleben wird nicht selten wertvoller als das e<strong>in</strong>es Erwachsenen e<strong>in</strong>-<br />

geschätzt. 338 Der Tod von K<strong>in</strong>dern gehört daher ohne Zweifel „zu den am schwersten zu<br />

bewältigenden Notfalle<strong>in</strong>sätzen.“ 339<br />

3.4.2.3 Massenanfall von Verletzten<br />

Mit e<strong>in</strong>em Massenanfall von Verletzten (MANV) wird das RD-Personal bei Großscha-<br />

denslagen (zum Beispiel Verkehrsunfälle mit zahlreichen Verletzten) bis h<strong>in</strong> zu Kata-<br />

strophen konfrontiert; erstere können regional und kurzfristig bewältigt werden, Kata-<br />

strophen h<strong>in</strong>gegen haben noch größere Ausmaße. 340<br />

Bei e<strong>in</strong>em MANV haben sich die E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>im</strong> Extremfall mit außerordentlichen<br />

und vielleicht nie geahnten Ausmaßen an Leid und Zerstörung ause<strong>in</strong>anderzusetzen.<br />

Neben e<strong>in</strong>er großen organisatorischen Herausforderung angesichts der zahlreichen<br />

Verletzten kann gegebenenfalls auch der Anblick von schweren Verletzungen und grau-<br />

sam entstellten Toten die E<strong>in</strong>satzkräfte zusätzlich belasten und unter Umständen e<strong>in</strong><br />

Gefühl der Unüberschaubarkeit, Hilflosigkeit und Ohnmacht erzeugen. 341<br />

Aufgrund der zahlreichen Verletzten und vergleichsweise wenigen Helfer müssen zu<br />

Beg<strong>in</strong>n der Rettungsarbeiten Prioritäten zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Patienten gesetzt wer-<br />

den, <strong>in</strong>dem die Verletzten <strong>im</strong> Rahmen der so genannten Triage nach Überlebenswahr-<br />

337<br />

Denise Thomas <strong>in</strong> HELMERICHS: Erfahrungen des <strong>Rettungsdienst</strong>-Personals, 112.<br />

338<br />

Vgl. Denise Thomas <strong>in</strong> HELMERICHS: Erfahrungen des <strong>Rettungsdienst</strong>-Personals, 113. Denise Thomas<br />

bezieht sich dabei auf die Ergebnisse e<strong>in</strong>er von ihr durchgeführten Fragebogenaktion bei <strong>Rettungsdienst</strong>lern.<br />

Vgl. dazu auch BASSY / MÜLLER: Manchmal musst du stark se<strong>in</strong>. Dort berichten e<strong>in</strong><br />

Rettungsassistent und e<strong>in</strong> <strong>Notfallseelsorge</strong>r von e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen E<strong>in</strong>satz mit Plötzlichem Säugl<strong>in</strong>gstod.<br />

Ferner sei verwiesen auf DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 85-87.<br />

339<br />

HELMERICHS: Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod, 115.<br />

340<br />

Vgl. BITTGER: Massenanfall von Verletzten, 736.<br />

341<br />

Vgl. zu den besonderen Stressoren be<strong>im</strong> MANV auch WATERSTRAAT : Der Mensch <strong>in</strong> der Katastrophe,<br />

33f. E<strong>in</strong>e gute Vorbereitung auf Katastrophenfälle und e<strong>in</strong>e effektive Koord<strong>in</strong>ation und Zusammenarbeit<br />

der zahlreichen Dienste und E<strong>in</strong>richtungen muss sich hier bewähren, damit zusätzliche<br />

Belastungen durch organisatorische Fragen vermieden werden können. Weiter sei dazu verwiesen auf<br />

BITTGER: Massenanfall von Verletzten, bes. 738-740 u. 758f.<br />

72


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

sche<strong>in</strong>lichkeit, Transportfähigkeit und Behandlungsdr<strong>in</strong>glichkeit gesichtet und e<strong>in</strong>ge-<br />

ordnet werden. 342<br />

Zu den wohl unvergessenen Katastrophen der letzten Jahre <strong>in</strong> Deutschland gehören die<br />

Flugkatastrophe von Ramste<strong>in</strong> <strong>im</strong> August 1988 mit 70 Toten und ungefähr 1.000 Ver-<br />

letzten 343 und das Zugunglück von Eschede, bei dem <strong>im</strong> Juni 1998 unweit von Celle der<br />

Intercityexpress (ICE) Wilhelm Conrad Röntgen entgleiste und dabei 101 Menschen<br />

starben und 72 schwer verletzt wurden. 344 Eschede wurde „zum Synonym für die Hilf-<br />

losigkeit vieler E<strong>in</strong>satzkräfte angesichts der Katastrophe [...]. Die Bilder vom Unglück<br />

sitzen bei vielen Betroffenen tief <strong>im</strong> Innersten, e<strong>in</strong>gebrannt <strong>in</strong> die Seele, und lassen kei-<br />

ne Ruhe [...]. Für ke<strong>in</strong>en Helfer war dieser E<strong>in</strong>satz Rout<strong>in</strong>e, und kaum e<strong>in</strong>er hat sicher-<br />

lich so viel Hornhaut auf der Seele, dass ihn das Ereignis ‚kalt’ läßt.“ 345<br />

Die Katastrophen von Ramste<strong>in</strong> und Eschede haben wesentlich dazu beigetragen, dass<br />

die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>satznachsorge für Rettungskräfte <strong>im</strong>mer mehr erkannt und<br />

Möglichkeiten dieser Nachsorge entwickelt wurden. Nach Ramste<strong>in</strong> wurde damit auf<br />

kle<strong>in</strong>er Ebene begonnen und zehn Jahre danach wurde be<strong>im</strong> Unglück <strong>in</strong> Eschede die<br />

Nachsorge <strong>in</strong>stitutionalisiert e<strong>in</strong>gesetzt. 346<br />

342 Bei der Triage werden vier Behandlungskategorien unterschieden: T1 (= Immediate treatment: Patienten<br />

mit vital bedrohlicher Verletzung, aber Überlebenschance), T2 (= Delayed treatment: Patienten,<br />

die schnell zu stabilisieren s<strong>in</strong>d und Transportpriorität haben), T3 (= M<strong>in</strong><strong>im</strong>al treatment: Patienten,<br />

die gehfähig oder zum<strong>in</strong>dest sitzfähig s<strong>in</strong>d) und schließlich T4 (= Expectant treatment: Patienten,<br />

die unter Katastrophenbed<strong>in</strong>gungen kaum Überlebenschancen haben). Vgl. BITTGER: Großunfälle<br />

und Katastrophen, 86-88. Vgl. dazu auch BITTGER: Massenanfall von Verletzten, 755-758. Die Triage<br />

kann für betroffene E<strong>in</strong>satzkräfte unter Umständen zu e<strong>in</strong>em ethischen Problemfall werden, da <strong>in</strong>nerhalb<br />

kürzester Zeit unter Umständen sozusagen über Leben und Tod entschieden werden muss.<br />

Ohne Triage würden die Rettungsarbeiten aber unübersichtlich und die Prioritäten, die man gezwungenermaßen<br />

setzen muss, undurchschaubar werden. Zum ethischen Aspekt sei weiter verwiesen auf<br />

GRAF-BAUMANN / GORGAß: Werte und Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, 349f und ferner auf RUNGGALDIER:<br />

Ethik , bes. 864f.<br />

343 Vgl. Hartmut Jatzko, Sybille Jatzko und He<strong>in</strong>er Seidlitz <strong>in</strong> JATZKO: Katastrophen-Nachsorge, 9.<br />

344 Vgl. GIESEN: E<strong>in</strong>satznachbereitung nach dem ICE-Unfall <strong>in</strong> Eschede, 2.<br />

345 STEPAN: Eschede, 583. In Eschede waren damals übrigens mehr als 1.800 Hilfskräfte e<strong>in</strong>gesetzt. Vgl.<br />

HELMERICHS: E<strong>in</strong>satznachsorge, 119. Im Zusammenhang mit Ramste<strong>in</strong> soll Folgendes nicht unerwähnt<br />

bleiben: „E<strong>in</strong> großer Teil der Helfer leidet bis heute unter nicht verarbeiteten Erlebnissen. Drei<br />

Helfer sollen <strong>in</strong>folge posttraumatischer Depressionen Selbstmord begangen haben.“ (HÖLTERHOFF:<br />

Katastrophenseelsorge, 128.) Zahlreiche E<strong>in</strong>satzkräfte können ihren Beruf seit dem Unglück nicht<br />

mehr ausüben. Vgl. dazu auch die Berichte von betroffenen Helfern bei JATZKO: Katastrophen-<br />

Nachsorge, 79-86. An dieser Stelle soll auch nicht verschwiegen werden, dass die durch diese Katastrophe<br />

ausgelösten psychischen Leiden bei Opfern, Helfern und Angehörigen bis heute nicht durch<br />

e<strong>in</strong>e symbolische f<strong>in</strong>anzielle Entschädigung von politischer Seite anerkannt wurden. Vgl. dazu<br />

JATZKO: Katastrophen-Nachsorge, bes. 114 u. 210-213. Auch die TV-Sendung „Johannes B. Kerner“<br />

(ZDF) vom 20. Juni 2003 beschäftigte sich mit dieser Problematik.<br />

346 Vgl. JATZKO: Katastrophennachsorge, bes. 95-101 und vgl. HELMERICHS: E<strong>in</strong>satznachsorge. Jutta<br />

Helmerichs schreibt: „Das Zugunglück <strong>in</strong> Eschede und die damit hochbelastenden Aufgaben für die<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte hat dazu geführt, daß sich <strong>im</strong> gesamten Bundesgebiet das Engagement, weitere Krisen<strong>in</strong>terventionsteams<br />

und <strong>Notfallseelsorge</strong>dienste aufzubauen, deutlich verstärkt.“ (HELMERICHS:<br />

E<strong>in</strong>satznachsorge, 121.) Zur E<strong>in</strong>satznachsorge bei Großschadensfällen allgeme<strong>in</strong> sei weiter verwiesen<br />

auf HERMANUTZ / FIEDLER: Nachbereitung, bes. 273-284.<br />

73


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

E<strong>in</strong>ige Rettungskräfte, die <strong>in</strong> Eschede aktiv beteiligt waren, haben sich zu diesem An-<br />

gebot folgendermaßen geäußert: „Psychologische Betreuung vor Ort und E<strong>in</strong>satznach-<br />

sorge für die E<strong>in</strong>satzkräfte haben sich als wertvoll und notwendig bei diesem außerge-<br />

wöhnlich belastenden E<strong>in</strong>satz herausgestellt – zukünftig sollte dies zum regelhaften<br />

Bestandteil jeder E<strong>in</strong>satzplanung gehören und nicht dem Zufall überlassen bleiben.“ 347<br />

3.4.2.3 Helfersyndrom und Burnout-Gefahr<br />

Das Helfersyndrom und die Burnout-Gefahr s<strong>in</strong>d <strong>im</strong> Zusammenhang mit allen helfen-<br />

den Berufen zu nennen (und nicht nur mit diesen); sie s<strong>in</strong>d nicht rettungsdienstspezi-<br />

fisch und sollen deshalb hier eigens dargestellt werden.<br />

Das Helfersyndrom beschreibt e<strong>in</strong>e Situation, „<strong>in</strong> der die Hilfsbereitschaft weder spon-<br />

tan noch rollengebunden ist, sondern auf der Abwehr anderer Gefühle oder Handlungs-<br />

bereitschaften beruht.“ 348 Wer <strong>im</strong>mer nur der Stärkere, der Helfende und Gebende se<strong>in</strong><br />

will, hat e<strong>in</strong> ausgeprägtes Helfersyndrom und sucht se<strong>in</strong>e eigene Sicherheit dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>em<br />

Schwächeren helfen zu können. E<strong>in</strong>e Gefahr besteht dann, wenn e<strong>in</strong> „Helfersyndrom-<br />

Helfer“ 349 die eigene Hilfsbedürftigkeit und -losigkeit völlig verdrängt oder nicht wahr-<br />

n<strong>im</strong>mt, die Hilfe von anderen verweigert und somit selbst zu e<strong>in</strong>em hilflosen Helfer<br />

wird. 350<br />

Das zweite Phänomen, das Burnout-Syndrom, ist e<strong>in</strong> Reaktions-Syndrom und wurde<br />

vermutlich erstmals <strong>in</strong> der Erzählung A burn-out case (1961) von Graham Greene als<br />

solches bezeichnet. 351<br />

Darunter ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>nerer Prozess zu verstehen, bei dem e<strong>in</strong> Mensch, der anfänglich vor<br />

idealem Arbeitseifer sozusagen gebrannt hat, sich für unentbehrlich hielt und nie Zeit<br />

für sich hatte, auf e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>nkrise fällt und sich wie ausgebrannt fühlt, weil er<br />

dem (eigenen und fremden) Leistungsdruck und -anspruch nicht mehr standhalten kann<br />

und ke<strong>in</strong>en Erfolg <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Arbeit erkennt. 352 E<strong>in</strong>e emotionale Erschöpfung, die Deper-<br />

sonalisierung und die Reduktion der Leistungsfähigkeit oder -zufriedenheit s<strong>in</strong>d die<br />

wesentlichen Aspekte dieses Syndroms; Menschen mit Burnout haben sozusagen <strong>in</strong>ner-<br />

347<br />

DRK KREISVERBAND CELLE: Sanitätsorganisationen, 198. E<strong>in</strong>e beteiligte Feuerwehrstelle gibt fo lgendes<br />

Feedback zu diesem Aspekt: „Bewährt hat sich die möglichst frühzeitige Anwesenheit von<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>rn und psychologisch geschultem Betreuungspersonal vor Ort.“ (KREISFEUERWEHR<br />

DES LANDKREISES CELLE: Feuerwehr Celle, 210.)<br />

348<br />

SCHMIDBAUER: Helfersyndrom und Burnout-Gefahr, 4.<br />

349<br />

SCHMIDBAUER: Helfersyndrom und Burnout-Gefahr, 4f.<br />

350<br />

Vgl. SCHMIDBAUER: Helfersyndrom und Burnout-Gefahr, 5-8.<br />

351<br />

Vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 40.<br />

352<br />

Vgl. SCHMIDBAUER: Helfersyndrom und Burnout-Gefahr, 15-18 und vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>terven-<br />

tion, 40-47.<br />

74


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

lich gekündigt. 353 Die biopsychosozialen Folgen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> hoher Krankenstand, depressi-<br />

ve Zustände und physische Probleme wie zum Beispiel Schlaflosigkeit und chronische<br />

Gelenkschmerzen. 354<br />

Zur Prävention und Bewältigung von Burnout ist es nach Sonneck vor allem wichtig,<br />

Zeitdruck abzubauen, Verantwortung zu teilen und realistische Ziele festzulegen, die<br />

e<strong>in</strong>e Effizienzkontrolle und Feedback ermöglichen. 355<br />

Den Fragebögen zufolge ist die Burnout-Gefahr <strong>im</strong> RD nicht zu unterschätzen. 356 Der<br />

Aspekt des Helfer-Syndroms ist vor allem dann entscheidend, wenn es darum geht, ob<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte bei der Verarbeitung von belastenden Erlebnissen fremde Hilfe <strong>in</strong> An-<br />

spruch nehmen können und wollen; oder ob sie ihre Belastungen zu verdrängen suchen,<br />

<strong>in</strong>dem sie sich beispielsweise <strong>in</strong> das Helfen bei anderen Menschen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>steigern. 357<br />

Wer <strong>im</strong> RD oder <strong>in</strong> der <strong>Seelsorge</strong> tätig ist, sollte also diese beiden möglichen Gefahren,<br />

vor allem Burnout, bei den Klienten, Kollegen und sich selbst <strong>im</strong> Blick haben. 358<br />

3.4.3 Zufriedenheit und Befürchtungen des Personals<br />

Im RD können laut der Informationsmappe des Arbeitsamtes zum Beruf des Ret-<br />

tungsassistenten „die Berufsaussichten, Ortsungebundenheit vorausgesetzt, <strong>im</strong>mer noch<br />

als befriedigend e<strong>in</strong>geschätzt werden.“ 359<br />

Die Zufriedenheit und Befürchtungen oder Ängste des Personals lassen sich jedoch<br />

nicht auf die Berufsaussichten reduzieren, sondern s<strong>in</strong>d nicht unwesentlich von den all-<br />

geme<strong>in</strong>en und spezifischen Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen vor Ort abhängig (abgesehen von den<br />

persönlichen Voraussetzungen des e<strong>in</strong>zelnen Mitarbeiters).<br />

353<br />

Vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 41f. Nach Gernot Sonneck besteht der Burnout-Zyklus aus zwölf<br />

Phasen: 1) Zwang, sich zu beweisen, 2) Verstärkter E<strong>in</strong>satz, 3) Vernachlässigung eigener Bedürfnisse,<br />

4) Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen, 5) Umdeutung von Werten, 6) Verleugnung<br />

der aufgetretenen Probleme, 7) Rückzug, 8) Änderung des Verhaltens, 9) Verlust des Gefühls für die<br />

eigene Persönlichkeit (Verpuppung), 10) Innere Leere, 11) Depression, 12) Völlige Burnout-<br />

Erschöpfung. Ab der sechsten Phase wird das Syndrom problematisch und der Betroffene bedarf professioneller<br />

Hilfe. Vgl. SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 45-47.<br />

354<br />

Vgl. SCHMIDBAUER: Helfersyndrom und Burnout-Gefahr, 17.<br />

355<br />

SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 50.<br />

356<br />

Vgl. dazu die Fragebögen RD 1-3 (jeweils 14) und ferner Fragebögen NFS (12) und KID (13).<br />

357<br />

Aus den Antworten <strong>in</strong> den Fragebögen RD 1-3 (jeweils 14) lässt sich schließen, dass die Befragten<br />

ke<strong>in</strong>e genaue Vorstellung vom Helfer-Syndrom haben (bes. RD 2 u. RD 3) und es daher gar nicht<br />

oder nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ganzen Problematik sehen. Vgl. ferner Fragebogen NFS (12).<br />

358<br />

Weiterführend sei zu diesen Themen verwiesen auf SCHMIDBAUER: Helfersyndrom und Burnout-<br />

Gefahr und auf SONNECK: Krisen<strong>in</strong>tervention, 40-50 und ferner auf RUNGGALDIER: Psychologie,<br />

844f. Interessant hierzu ist auch die Publikation von Michael Johannes Späth, <strong>in</strong> der die Geschichte<br />

e<strong>in</strong>es ehrenamtlichen Feuerwehrmanns und Rettungssanitäters erzählt wird, der sich <strong>in</strong> das Helfen<br />

<strong>im</strong>mer mehr h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>steigert und dabei sich selbst vernachlässigt. Weil er als K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>em Freund nicht<br />

helfen konnte, will er nun möglichst zahlreich helfen können. Bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz wird er durch e<strong>in</strong>en<br />

Unfall schwer verletzt, ist enttäuscht von der mangelnden Solidarität se<strong>in</strong>er Kameraden und gerät <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e tiefe S<strong>in</strong>nkrise. Vgl. SPÄTH: Verbrannte Seele.<br />

75


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Im Folgenden sollen zu diesen Themenbereichen beispielhaft und auszugsweise die<br />

Ergebnisse e<strong>in</strong>er Umfrage <strong>in</strong>nerhalb des Malteser Hilfsdienstes (MHD) und die Ant-<br />

worten auf den Fragebögen vorgestellt werden.<br />

Der MHD ist offensichtlich an der Me<strong>in</strong>ung und Zufriedenheit se<strong>in</strong>es Personals <strong>in</strong>teres-<br />

siert und hat daher <strong>in</strong> den Jahren 1999 und 2001 bundesweit alle se<strong>in</strong>e RD-Mitarbeiter<br />

(Hauptamtliche, Ehrenamtliche, Zivildienstleistende und sonstige) danach befragt; 2001<br />

haben sich 3.986 Personen, also 24,6 % des RD-Personals <strong>im</strong> MHD, an der Umfrage<br />

beteiligt. 360<br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die zu leistende Anwesenheitszeit (bis zu 60 Stunden pro Woche) und<br />

damit auch zu den Arbeitsbelastungen haben sich die Befragten 2001 <strong>in</strong> der MHD-<br />

Region Hessen, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz und Saarland wie folgt geäußert: Für 33,9 % s<strong>in</strong>d diese<br />

problemlos leistbar, für 45,7% leistbar, für 17,3% kaum noch leistbar und für 3,1% ei-<br />

gentlich nicht mehr leistbar. 361 Ungefähr e<strong>in</strong> Fünftel schätzt also die Belastungen <strong>in</strong>ner-<br />

halb des Dienstes als zu hoch e<strong>in</strong>.<br />

Die Vergütung wurde 2001 von den Befragten <strong>in</strong> den genannten drei Bundesländern<br />

wie folgt e<strong>in</strong>geordnet: Für 3,3% war die eigene E<strong>in</strong>kommenssituation sehr gut, für<br />

19,5% gut, für 27,6% befriedigend, für 31,7% ausreichend und für 17,9% mangel-<br />

haft. 362 Fast die Hälfte der genannten Umfragepersonen stufen ihre Vergütung also mit<br />

den Schulnoten vier und fünf e<strong>in</strong>, s<strong>in</strong>d demnach damit gar nicht zufrieden. Beachtens-<br />

wert ist, dass fast e<strong>in</strong> Sechstel das eigene Gehalt (vermutlich <strong>im</strong> H<strong>in</strong>blick auf die gelei-<br />

stete Arbeit und ihre persönliche f<strong>in</strong>anzielle Situation) sogar als zu ger<strong>in</strong>g ansieht.<br />

Die Teamarbeit während der E<strong>in</strong>sätze schätzten <strong>im</strong> Jahr 2001 27,9% der Befragten als<br />

sehr gut, 57,1% als gut, 12,0% als befriedigend, 2,0% als ausreichend und 1,0% als<br />

mangelhaft e<strong>in</strong>. 363 Für 97% des oben def<strong>in</strong>ierten Personals ist die Zusammenarbeit mit<br />

359 BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT : Informationsmappe 130, F. 2.2.<br />

360 Vgl. MHD: Q-Tipp, 2. Alle Angaben ohne Gewähr des Verfassers. Dem MHD, besonders Klaus<br />

Runggaldier, sei für die Zusendung dieser Informationen gedankt. [Nachtrag: Auch <strong>im</strong> Jahr 2003 hat<br />

der MHD e<strong>in</strong>e solche Umfrage durchgeführt, die hier aber nicht mehr berücksichtigt werden kann.]<br />

361 Vgl. MHD: Q-Tipp, 9. Im Vergleich dazu die Bewertungen von 1999: für 32,0% problemlos leistbar,<br />

für 46,7% leistbar, für 16,4% kaum noch leistbar und für 4,9% eigentlich nicht mehr leistbar. Vgl.<br />

MHD: Q-Tipp, 9. Die Ergebnisse <strong>in</strong> den übrigen MHD-Regionen vgl. ebenfalls MHD: Q-Tipp, 9.<br />

Der Q-Tipp begründet diese Fragestellung damit, „dass e<strong>in</strong>e zu hohe Arbeitsbelastung der Auslöser<br />

von Arbeitsunzufriedenheit und Demotivation se<strong>in</strong> kann“ (MHD: Q-Tipp, 9) wie verschiedene Untersuchungen<br />

belegen. Vgl. MHD: Q-Tipp, 9.<br />

362 Vgl. MHD: Q-Tipp, 11. Im Vergleich dazu die Bewertungen von 1999: für 3,2% sehr gut, für 12,7%<br />

gut, für 40,5% befriedigend, für 21,4% ausreichend u. für 22,2% mangelhaft. Vgl. MHD: Q-Tipp, 11.<br />

363 Vgl. MHD: Q-Tipp, 6. Die Ergebnisse weiterer Fragen (unter anderem zur Ausstattung und zur Personalführung)<br />

s<strong>in</strong>d dem genannten Q-Tipp des MHD zu entnehmen, da darauf nicht weiter e<strong>in</strong>gegangen<br />

werden kann.<br />

76


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

den Kollegen m<strong>in</strong>destens zufrieden stellend, mehr als e<strong>in</strong> Viertel stuft sie sogar als sehr<br />

gut e<strong>in</strong>.<br />

Im Anschluss an die Auswertung dieser Mitarbeiterbefragung von 2001 zog der MHD<br />

folgendes Fazit: „1. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>sgesamt konnte gegen-<br />

über 1999 verbessert werden. 2. Insgesamt ist die Unzufriedenheit der Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen<br />

bei zahlreichen wichtigen Aspekten [...] noch <strong>im</strong>mer sehr ausgeprägt.“ 364 Als dritten<br />

Punkt halten die Verantwortlichen fest, dass „unbed<strong>in</strong>gt gezielte Maßnahmen zur weite-<br />

ren und konsequenten Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit erforderlich“ 365 s<strong>in</strong>d.<br />

Ergänzend sei an dieser Stelle auf die Aussagen <strong>in</strong> den RD-Fragebögen <strong>im</strong> Anhang h<strong>in</strong>-<br />

gewiesen. Die drei befragten Mitarbeiter s<strong>in</strong>d mit ihrem Arbeitsplatz <strong>im</strong> RD zufrie-<br />

den. 366<br />

Die beiden hauptamtlichen Rettungsassistenten nennen aber auch Punkte, die sie unzu-<br />

frieden st<strong>im</strong>men: die schlechte Bezahlung (beide), das Ansehen der RD-Mitarbeiter <strong>in</strong><br />

der Öffentlichkeit, die Unwissenheit der Bevölkerung über den Beruf des Rettungsassi-<br />

stenten, die körperliche und psychische Belastung, der Zustand unseres Gesundheitssy-<br />

stems und die strenge Hierarchie der Krankenhausstruktur (jeweils e<strong>in</strong> Befragter). 367<br />

Auch die Ängste der Befragten sollen nicht unerwähnt bleiben: Die beiden Hauptamtli-<br />

chen befürchten gesundheitliche Probleme, die sie an der Ausübung ihrer Tätigkeit h<strong>in</strong>-<br />

dern könnten; e<strong>in</strong>er von ihnen hat Angst, dass se<strong>in</strong> Arbeitsplatz aus Kostengründen<br />

wegrationalisiert wird. 368 Der ehrenamtliche RA hat „Angst vor dem eigenen Versagen<br />

und dem Wissen darüber, dass dies wahrsche<strong>in</strong>lich nicht zu verh<strong>in</strong>dern ist.“ 369<br />

3.5 Konkretes Beispiel: Rettungswache <strong>in</strong> Großkrotzenburg<br />

Die Lehrrettungswache Sama Hu 85 370 des ASB-Ortsvere<strong>in</strong>s Großkrotzenburg (Landes-<br />

verband Hessen) liegt <strong>im</strong> südlichen Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-Kreis (Rhe<strong>in</strong>-Ma<strong>in</strong>-Gebiet), etwa 10<br />

364<br />

MHD: Q-Tipp, 20. Als wichtige Aspekte werden unter anderem die Kommunikation zwischen Führung<br />

und Mitarbeiter, Motivation durch Vorgesetzte und die Vergütung genannt. Vgl. MHD: Q-Tipp,<br />

20.<br />

365<br />

MHD: Q-Tipp, 20. Konkrete Ansätze hierzu s<strong>in</strong>d dem Q-Tipp zu entnehmen.<br />

366<br />

Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 10).<br />

367<br />

Vgl. dazu Fragebögen RD 1+3 (jeweils 10).<br />

368<br />

Vgl. dazu Fragebögen RD 1+3 (jeweils 11).<br />

369<br />

Vgl. dazu Fragebögen RD 2 (11).<br />

370<br />

Sama Hu 85 ist der Funkrufname dieser Rettungswache und setzt sich wie folgt zusammen: „Sama“<br />

ist der Funkname des ASB, „Hu“ das Autokennzeichen für Hanau und „85“ die Nummer der Wache<br />

<strong>im</strong> Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-Kreis. Die Funkrufnamen aller Fahrzeuge und Personen mit Leitungsfunktion des<br />

Ortsvere<strong>in</strong>s setzen sich aus diesem Namen und e<strong>in</strong>er weiteren Ziffer zusammen (z. B. Sama Hu<br />

85/83 für den 24-Stunden-RTW); <strong>in</strong> der Praxis wird das „Sama“ gelegentlich auch weggelassen.<br />

77


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

km von Hanau entfernt. 371 Zum Leistungsangebot und Programm des Ortsvere<strong>in</strong>s gehö-<br />

ren vor allem die Notfallrettung und der Krankentransport (24 Stunden täglich), der<br />

nichtmediz<strong>in</strong>ische Transportservice, e<strong>in</strong>e Schnell-E<strong>in</strong>satz-Gruppe (SEG) 372 , die Vor-<br />

aushelfer-Gruppe 373 , der Katastrophenschutz (Sanitätszug), der Hausnotruf-Service 374 ,<br />

Essen auf Rädern, Ausbildungskurse (Lebensrettende Sofortmaßnahmen, Erste-Hilfe u.<br />

a.), die Jugendarbeit (Arbeiter-Samariter-Jugend) und Sanitätsdienste am Badesee Frei-<br />

gericht West und bei verschiedenen Veranstaltungen.<br />

Die Wache ist der Zentralen Leitstelle „Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig“ <strong>in</strong> Hanau zugeordnet, die die Not-<br />

fallrettung und Krankentransport (mit <strong>in</strong>sgesamt über 40 Fahrzeugen), den Katastro-<br />

phenschutz und die Feuerwehren <strong>im</strong> gesamten Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-Kreis vollständig und rund<br />

um die Uhr koord<strong>in</strong>iert.<br />

Zum pr<strong>im</strong>ären E<strong>in</strong>satzgebiet der Rettungswache zählen aufgrund der gesetzlich festge-<br />

legten Hilfsfrist von zehn M<strong>in</strong>uten neben Großkrotzenburg auch die Hanauer Stadtteile<br />

Großauhe<strong>im</strong>, Kle<strong>in</strong>-Auhe<strong>im</strong> und teilweise Ste<strong>in</strong>he<strong>im</strong>. Zum sekundären E<strong>in</strong>satzgebiet<br />

zählt der übrige Altkreis von Hanau, <strong>in</strong>sofern die benötigte Anzahl an Rettungsmitteln<br />

dort nicht zur Verfügung steht.<br />

Das E<strong>in</strong>satzgebiet von Sama Hu 85 grenzt unmittelbar an die Zuständigkeitsbereiche<br />

der Leitstellen Dietzenbach (Kreis Offenbach <strong>in</strong> Hessen) und Aschaffenburg (Bayern)<br />

an. Im Bedarfsfall werden also auch Notfalle<strong>in</strong>sätze aushilfsweise <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>den dieser<br />

Gebiete übernommen, wenn deren eigene Rettungsmittel bereits vergeben s<strong>in</strong>d und die<br />

Hanauer Leitstelle e<strong>in</strong> Großkrotzenburger Fahrzeug dafür bereitstellen kann.<br />

Das E<strong>in</strong>satzgebiet lässt sich ferner als e<strong>in</strong>e Mischung zwischen Stadt- und Landrettung<br />

e<strong>in</strong>ordnen. 375 Als Gefahrenpotentiale gehören Abschnitte der Autobahn 45 und der Bun-<br />

371<br />

Die Informationen dieses gesamten Abschnittes basieren auf Gesprächen mit dem RD-Personal der<br />

genannten Wache.<br />

372<br />

Hierzu gehören Rettungsassistenten, -sanitäter und -helfer, die von der Leitstelle per FME alarmiert<br />

werden, um Rettungsmittel als SEG oder als so genannter H<strong>in</strong>tergrund-<strong>Rettungsdienst</strong> zusätzlich zu<br />

besetzen, wenn der reguläre <strong>Rettungsdienst</strong> die Grenzen se<strong>in</strong>er Kapazitäten erreicht hat.<br />

373<br />

Zu dieser Gruppe gehören entsprechend ausgebildete und ausgestattete Helfer und <strong>Rettungsdienst</strong>ler,<br />

die vor allem bei der E<strong>in</strong>satz<strong>in</strong>dikation der Rean<strong>im</strong>ation von der Leitstelle zusätzlich zum regulären<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> per FME alarmiert werden, weil sie aufgrund von räumlicher Nähe eventuell schneller<br />

als dieser am E<strong>in</strong>satzort se<strong>in</strong> können und dadurch die entscheidende Zeit mit lebensrettenden Sofortmaßnahmen<br />

überbrücken können. Diese Voraushelfer, auch First Responder genannt, s<strong>in</strong>d aber<br />

durch die Alarmierung nicht zum E<strong>in</strong>satz verpflichtet.<br />

374<br />

Das Hausnotruf-System ist e<strong>in</strong> Angebot vor allem für hilfsbedürftige und ältere Menschen, die alle<strong>in</strong>e<br />

zu Hause wohnen. Über e<strong>in</strong>e Telefonanlage und e<strong>in</strong>en Notfallknopf zum Umhängen können sie <strong>in</strong><br />

Notfällen direkt mit e<strong>in</strong>er Zentrale Kontakt aufnehmen, die je nach Anlass weitere Hilfsmaßnahmen<br />

e<strong>in</strong>leitet und gegebenenfalls e<strong>in</strong>en Helfer mit dem Wohnungsschlüssel vor Ort schickt.<br />

375<br />

Die Stadtrettung ist <strong>im</strong> Vergleich zur Landrettung vor allem durch höhere E<strong>in</strong>satzzahlen geprägt<br />

(Bevölkerungsdichte). Aufgrund von verstärkter Industrie und e<strong>in</strong>em größeren Aufkommen <strong>im</strong> Straßenverkehr<br />

s<strong>in</strong>d bei der Stadtrettung entsprechende E<strong>in</strong>satz<strong>in</strong>dikationen (zum Beispiel Betriebs- und<br />

Verkehrsunfälle) entsprechend häufiger gegeben.<br />

78


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

desstraße 43a, der Badesee Freigericht West und e<strong>in</strong> Kohlekraftwerk zum pr<strong>im</strong>ären, die<br />

Industrie <strong>in</strong> Hanau zum sekundären E<strong>in</strong>satzbereich.<br />

Zum hauptamtlichen RD-Personal der Wache gehören derzeit (September 2003) e<strong>in</strong>e<br />

Rettungsassistent<strong>in</strong>, acht Rettungsassistenten (darunter der Wacheleiter und Des<strong>in</strong>fektor<br />

und zwei Lehrrettungsassistenten) und vier Rettungshelfer. Das Durchschnittsalter be-<br />

trägt 31 Jahre, die Spanne liegt dabei zwischen 22 und 62 Jahren. Wegen der Verkür-<br />

zung der Zivildienstzeit lohnt es sich für die Wache kaum, Zivildienstleistende <strong>im</strong> RD<br />

e<strong>in</strong>zusetzen, wohl aber für Essen auf Rädern und den Hausnotruf-Service.<br />

Zum ehrenamtlichen RD-Personal des Ortsvere<strong>in</strong>s gehören zwei Rettungsassistenten,<br />

zehn Rettungssanitäter und -<strong>in</strong>nen, zwei Rettungshelfer und zwei Praktikanten; das<br />

Durchschnittsalter liegt hier unter 30 Jahren.<br />

Alle Helfer s<strong>in</strong>d <strong>im</strong> Rahmen ihres Dienstes versichert. Die Dienstkleidung (Rettungsho-<br />

se und -hemd, E<strong>in</strong>satzjacke und Sicherheitsschuhe entsprechend der Norm) wird vom<br />

Ortsvere<strong>in</strong> bereitgestellt und gere<strong>in</strong>igt.<br />

Die Großkrotzenburger Rettungswache verfügt über drei regulär e<strong>in</strong>gesetzte Ret-<br />

tungstransportwagen (Hu 85/83, Hu 85/84 und Hu 85/86), die nach Norm ausgestattet<br />

s<strong>in</strong>d und auch für den Krankentransport benutzt werden können. Ferner besitzt sie Fahr-<br />

zeuge für den Katastrophenschutz, Hausnotruf und Essen auf Rädern.<br />

Die Rettungswagen werden entsprechend dem Hessischen RD-Gesetz (HRDG) be-<br />

setzt. 376 Die Dienstzeiten <strong>im</strong> RD ergeben sich – wie bereits erwähnt – aus der Arbeits-<br />

und der Bereitschaftszeit, so dass nicht <strong>im</strong>mer die gesamte Dienstzeit vergütet wird. 377<br />

Neben der Notfallrettung s<strong>in</strong>d vom Personal auch Arbeiten auf der Wache zu verrichten;<br />

so müssen beispielsweise die Fahrzeuge regelmäßig komplett des<strong>in</strong>fiziert und die Me-<br />

dikamente auf Vollständigkeit und Haltbarkeit überprüft werden.<br />

Der Dienstplan der Hauptamtlichen ist unterschiedlich gestaltet; <strong>in</strong> der Regel werden sie<br />

drei oder vier Tage zur gleichen Schicht e<strong>in</strong>geteilt und nach e<strong>in</strong>em freien Tag oder zwei<br />

freien Tagen wieder zu e<strong>in</strong>em anderen Schichtdienst verpflichtet. Die Ehrenamtlichen<br />

können sich beliebig <strong>in</strong> den Plan e<strong>in</strong>tragen.<br />

Durch statistische Berechnungen wurde der durchschnittliche Bedarf der Leitstelle an<br />

Rettungsfahrzeugen <strong>im</strong> E<strong>in</strong>satzgebiet, die so genannten Vorhaltezeiten, ermittelt und<br />

376 Das bedeutet, dass die RTW-Besatzung m<strong>in</strong>destens aus e<strong>in</strong>em Rettungshelfer (oder höhere Ausbildung)<br />

als Fahrer und e<strong>in</strong>em Rettungsassistenten als Beifahrer besteht.<br />

377 Vgl. dazu III, 3.4.1.<br />

79


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

dann auf vier verschiedene Schichten (Tag-, Nacht-, Kurz- und „Dialyse“ 378 -Dienst) wie<br />

folgt übertragen:<br />

Schicht Fahrzeug Dienstzeit Angerechnete Arbeitszeit<br />

T-Schicht (täglich): Hu 85/83 07-18 Uhr 08,8 von 11,0 Stunden<br />

N-Schicht (täglich): Hu 85/83 18-07 Uhr 10,4 von 13,0 Stunden<br />

D-Schicht (Mo.-Do.): Hu 85/86 06-13 Uhr 07,0 von 07,0 Stunden<br />

D-Schicht (Fr.): Hu 85/86 06-12 Uhr 06,0 von 06,0 Stunden<br />

D-Schicht (Sa.): Hu 85/86 07-14 Uhr 07,0 von 07,0 Stunden<br />

K-Schicht (Mo.-Do.): Hu 85/84 09-16 Uhr 07,0 von 07,0 Stunden<br />

K-Schicht (Fr.): Hu 85/84 09-15 Uhr 06,0 von 06,0 Stunden<br />

K-Schicht (Sa.): Hu 85/84 10-19 Uhr 07,2 von 09,0 Stunden<br />

Im Jahr 2002 absolvierte das Personal der Großkrotzenburger Wache <strong>in</strong>sgesamt 2.304<br />

Alarmierungen (davon 1.613 E<strong>in</strong>sätze und Notfälle, 374 Krankentransporte und 317<br />

Fehle<strong>in</strong>sätze 379 ). Vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2003 waren es 919 E<strong>in</strong>sätze und Not-<br />

fälle, 481 Krankentransporte und 211 Fehle<strong>in</strong>sätze und 12.990 gefahrene Kilometer. 380<br />

Das Wachgebäude bietet dem Personal neben dem Wach- und Aufenthaltsraum mit TV-<br />

und Musik-Anlage auch e<strong>in</strong> Ausbildungsz<strong>im</strong>mer und weitere Sozialräume (Umkleide-<br />

raum, e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Küche, zwei Ruheräume, Toiletten und Dusche).<br />

Für die haupt- und ehrenamtlichen Helfer gibt es auf der Wache unter anderem die fol-<br />

genden Angebote: e<strong>in</strong> wöchentlicher Treffpunkt am Abend, monatliche Fortbildungen,<br />

Ausbildungen und Übungen für Rettungs-, Sanitätsdienst und Katastrophenschutz.<br />

Für die Stressbearbeitung und Gespräche nach belastenden E<strong>in</strong>sätzen wird auf das Ver-<br />

antwortungsbewusstse<strong>in</strong> des jeweiligen Rettungsteams vertraut. E<strong>in</strong> <strong>in</strong> CISM 381 ausge-<br />

bildeter Rettungsassistent, zwei wach<strong>in</strong>terne Helfer des Krisen<strong>in</strong>terventionsdienstes und<br />

die beiden Ortspfarrer (von evangelischer und katholischer Seite) stehen auf Anfrage<br />

jederzeit für Gespräche zur Verfügung; allerd<strong>in</strong>gs wird auf diese Angebote nicht (mehr)<br />

durch e<strong>in</strong>en ständigen Aushang an der Informationswand h<strong>in</strong>gewiesen.<br />

378<br />

Bei der E<strong>in</strong>richtung dieser Schicht wurde damit gerechnet, dass vor allem Transporte von Dialysepatienten<br />

von diesem Dienst durchzuführen s<strong>in</strong>d.<br />

379<br />

Fehle<strong>in</strong>sätze s<strong>in</strong>d Fahrten, die ohne Transport e<strong>in</strong>es Patienten beendet worden s<strong>in</strong>d, weil der Patient<br />

diesen verweigert hat, verstorben ist oder weil am E<strong>in</strong>satzort ke<strong>in</strong>e <strong>Rettungsdienst</strong><strong>in</strong>dikation vorlag<br />

oder die Leitstelle den E<strong>in</strong>satz abgebrochen hat. Die Kosten dieser Fahrten können nicht mit den<br />

Krankenkassen abgerechnet werden und müssen somit von der Rettungswache getragen werden.<br />

380<br />

Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass bis Dezember 2002 nur zwei RTW <strong>im</strong> Dienst waren,<br />

die <strong>in</strong> drei Schichten (Hu 85/84: täglich Tag- und Nachtschicht; Hu 85/83: montags bis freitags Kurzschicht<br />

von 9-17 Uhr) e<strong>in</strong>geteilt worden s<strong>in</strong>d.<br />

381<br />

Auf das Critical Incident Stress Management wurde bereits <strong>in</strong> II, 3.1.1.3 e<strong>in</strong>gegangen.<br />

80


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Aufgaben der NFS und des KID wurden bereits <strong>in</strong> Fortbildungse<strong>in</strong>heiten vorge-<br />

stellt. Die Nachforderung von NFS und KID über die Leitstelle bleibt dem jeweiligen<br />

Rettungsteam überlassen. 382<br />

4 Mensch und Kirche <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

4.1 Menschenbild <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Das Menschenbild, das e<strong>in</strong>e Person oder Organisation hat, prägt nicht nur deren Ver-<br />

ständnis von den Mitmenschen und von sich selbst, sondern auch deren Umgangswei-<br />

sen mit sich und den anderen. 383<br />

Die Mediz<strong>in</strong> und somit auch die Notfallmediz<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d vom naturwissenschaftlichen<br />

Denkansatz des René Descartes (1596-1650) geprägt, der den Menschen als Dualismus<br />

von Körper und Geist ansieht. Sie hatte ihr Menschenbild <strong>im</strong>mer mehr auf den Körper<br />

reduziert und diesen, angelehnt an Descartes, als e<strong>in</strong>e Art reparable Masch<strong>in</strong>e betrach-<br />

tet. Die Notfallmediz<strong>in</strong> konzentrierte sich demnach vor allem auf die Vitalfunktionen. 384<br />

Ungefähr seit Mitte der 1980er Jahre hat allmählich e<strong>in</strong> Umdenkprozess stattgefunden.<br />

Seitdem wird <strong>im</strong>mer mehr Wert darauf gelegt, dass der Mensch auch <strong>im</strong> RD und <strong>in</strong> der<br />

Notfallmediz<strong>in</strong> nicht mehr auf se<strong>in</strong>e Vitalfunktionen reduziert, sondern wieder ganz-<br />

heitlich als e<strong>in</strong> Geschöpf mit vielen D<strong>im</strong>ensionen und Bedürfnissen (vor allem physi-<br />

scher, psychischer, sozialer, kultureller und auch spiritueller Art) wahrgenommen und<br />

behandelt wird, „als E<strong>in</strong>heit von Körper, Geist und Seele.“ 385<br />

Diese Rückbes<strong>in</strong>nung hat <strong>im</strong> RD das Patientenbild und das Mitarbeiterbild <strong>im</strong>mer mehr<br />

verändert und dadurch Konsequenzen – sowohl für die Patientenbetreuung als auch <strong>in</strong><br />

382 Im Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-Kreis gibt es ferner e<strong>in</strong>e Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Krisen<strong>in</strong>tervention, <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

und Stressbewältigung unter der Leitung des ärztlichen Leiters für den RD, <strong>in</strong> der Mitglieder aus dem<br />

RD, der Feuerwehr, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) und der NFS geme<strong>in</strong>sam<br />

an e<strong>in</strong>em Tisch sitzen und beraten.<br />

383 Vgl. SALOMON: Das Menschenbild, 242.<br />

384 Vgl. SALOMON: Das Menschenbild, 242f. Fred Salomon verweist dabei auf Descartes’ Meditationen<br />

über die Erste Philosophie (1642). Salomon bemerkt ferner, dass „die Konzentration auf die lebenswichtigen<br />

Systeme von Herz-Kreislauf, Atmung und Gehirn [...] e<strong>in</strong>e Schutzmauer gegen das Hervorbrechen<br />

von Gefühlen und Erfahrungen der eigenen Betroffenheit, e<strong>in</strong>e Schutzmauer gegen die<br />

Konfrontation mit der eigenen Verletzlichkeit“ (SALOMON: Das Menschenbild, 243) bietet. Diese<br />

Schutzmauern s<strong>in</strong>d aber zu h<strong>in</strong>terfragen, sobald „sie die Selbstwahrnehmung oder die Beziehung zu<br />

anderen Menschen bee<strong>in</strong>trächtigen.“ (SALOMON: Das Menschenbild, 243.)<br />

385 KARUTZ: Mit dem Notfallpatienten e<strong>in</strong>en „PAKT“ schließen, 212. Vgl. dazu auch FALK: Ethische,<br />

psychologische und theologische Aspekte, 361f und vgl. auch SALOMON: Das Menschenbild. Im RD<br />

kam und kommt es auch heute noch vor, dass <strong>in</strong> der Kommunikation Patienten oft auf ihre Krankheit<br />

oder Verletzung reduziert werden. So wird zum Beispiel von manchem RD-Personal e<strong>in</strong>e Lungenentzündung<br />

oder e<strong>in</strong>e Kopfplatzwunde <strong>im</strong> Krankenhaus angemeldet – für die Ärzte ist es natürlich<br />

hilfreich, wenn zusätzlich auch der dazugehörige Patient mitgebracht wird.<br />

81


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Bezug auf die Fürsorge für die E<strong>in</strong>satzkräfte – mit sich gebracht, auf die <strong>in</strong> den weiteren<br />

Unterpunkten e<strong>in</strong>gegangen werden soll. 386<br />

4.1.1 Konsequenzen <strong>in</strong> der Patientenbetreuung<br />

Durch die oben genannte Tendenz, <strong>im</strong> RD den Menschen wieder ganzheitlich zu be-<br />

trachten, wurde Ende der 1980er Jahre <strong>im</strong>mer mehr auch die Lücke der psychischen<br />

beziehungsweise seelsorglichen Betreuung <strong>im</strong> RD wahrgenommen. In vielen Regionen<br />

s<strong>in</strong>d daher der KID (bzw. die KIT), die NFS und die SbE ® e<strong>in</strong>gerichtet worden. 387<br />

In zahlreichen Publikationen, <strong>in</strong> den Hilfsorganisationen und be<strong>im</strong> RD-Personal wird<br />

seitdem <strong>im</strong>mer mehr die Me<strong>in</strong>ung vertreten, dass es <strong>im</strong> RD nicht darum gehen kann,<br />

sich bei der Versorgung auf die mediz<strong>in</strong>ischen Parameter zu beschränken. Mehr und<br />

mehr wird darauf geachtet, auch die seelischen Zustände (wie Angst, E<strong>in</strong>samkeit und<br />

Ungewissheit etc.) und Bedürfnisse (zum Beispiel nach Zuwendung) des Patienten und<br />

gegebenenfalls se<strong>in</strong>er Angehörigen <strong>in</strong> den Blick zu nehmen und darauf e<strong>in</strong>zugehen. 388<br />

„Immer mehr <strong>Rettungsdienst</strong>mitarbeiter erkennen, dass die qualifizierte psychotrauma-<br />

tologische Intervention <strong>im</strong> Rahmen e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satzgeschehens <strong>in</strong>tegraler Bestandteil des<br />

rettungsdienstlichen Auftrags ist. <strong>Rettungsdienst</strong> wird damit nicht auf e<strong>in</strong>e Vitalfunkti-<br />

onsmechanik reduziert, sondern hält e<strong>in</strong> ganzheitliches Menschenbild <strong>im</strong> Blick“ 389 , so<br />

Andreas Müller-Cyran. Demnach steht also „<strong>im</strong> Zentrum der Bemühungen der Notfall-<br />

mediz<strong>in</strong> [...] der hilfsbedürftige Mensch. Er braucht die Kompetenz der Helfer als Vital-<br />

funktionsexperten und ebenso ihre persönliche Zuwendung.“ 390 Weiter zeigen „mannig-<br />

386<br />

FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 362f.<br />

387<br />

Die genannten E<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d bereits unter II, 3.1.1 dargestellt worden. Vgl. zu dieser Thematik<br />

auch GIERING: Lücke <strong>im</strong> Gefüge der <strong>Rettungsdienst</strong>e.<br />

388<br />

Vgl. SALOMON: Das Menschenbild, 245. Als Publikationen seien stellvertretend PETER: Der Betreuungse<strong>in</strong>satz<br />

und FERTIG / WIETERSHEIM: Menschliche Begleitung und Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

und BENGEL: Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong> und KARUTZ: Mit dem<br />

Notfallpatienten e<strong>in</strong>en „PAKT“ schließen genannt. Auf die e<strong>in</strong>zelnen Hilfsorganisationen wird später<br />

noch näher e<strong>in</strong>gegangen. Vgl. auch Fragebögen RD 1-3 (jeweils 12). Diese bestätigen tendenziell die<br />

genannte Entwicklung, vor allem RD 3; RD 1 geht eher auf Emotionen und die Distanz e<strong>in</strong> als auf<br />

se<strong>in</strong> Patientenbild; was se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach „das Beste“ für den Patienten ist, beantwortet er nicht.<br />

RD 2 beschränkt sich <strong>in</strong> der akuten Notsituation vor allem auf die Vitalparameter, sieht aber generell<br />

<strong>im</strong> Patienten e<strong>in</strong>en ganzheitlichen Menschen.<br />

389<br />

Andreas Müller-Cyran <strong>in</strong> DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 8. Weiter heißt es<br />

dort: „In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die psychologisch-humanitäre Kompetenz e<strong>in</strong> wesentlicher<br />

Bestandteil des Berufsbildes ‚Rettungsassistent’ geworden ist. Die berufliche Identität des<br />

Rettungsassistenten erschöpft sich nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er wesentlichen Zuordnung als Assistent des (Not-)<br />

Arztes. Es gehört nunmehr zum beruflichen Profil [...], psychisch traumatisierte und trauernde Menschen<br />

<strong>in</strong> der Akutsituation zu identifizieren und selbst verantwortlich zu <strong>in</strong>tervenieren.“ (Andreas<br />

Müller-Cyran <strong>in</strong> DASCHNER: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 8f.)<br />

390<br />

SALOMON: Das Menschenbild, 245. Vgl. zum ersten Teil des Zitats die bereits <strong>in</strong> der Kriteriologie<br />

(unter II, 2.2.1) angeführte Aussage der Pastoralkonstitution: „Der Mensch also, der e<strong>in</strong>e und ganze<br />

Mensch, mit Leib und Seele, Herz und Gewissen, Vernunft und Willen steht <strong>im</strong> Mittelpunkt unserer<br />

Ausführungen.“ (ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 3.) Auf Seite 2 dieser<br />

82


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

fache Erfahrung und mittlerweile auch e<strong>in</strong>ige Studien [...], dass Entscheidungen, Hand-<br />

lungen, Verzicht auf Maßnahmen oder die Geschw<strong>in</strong>digkeit der Hilfe nicht nur von<br />

harten mediz<strong>in</strong>ischen Fakten, sondern auch von sozialen, emotionalen, psychischen Ge-<br />

gebenheiten und Wertvorstellungen der Beteiligten bee<strong>in</strong>flusst werden.“ 391<br />

Als e<strong>in</strong> guter Fortschritt <strong>in</strong> diesem Bereich kann angesehen werden, dass Schulungen<br />

und Fortbildungen des RD-Personals <strong>in</strong> psychologischem Grundwissen und Basis-<br />

Krisen<strong>in</strong>tervention und die Beteiligung des KID oder der NFS bei problematischen E<strong>in</strong>-<br />

sätzen <strong>in</strong> vielen Gebieten <strong>im</strong>mer selbstverständlicher werden. 392<br />

4.1.2 Konsequenzen bei der Fürsorge für die E<strong>in</strong>satzkräfte<br />

Das ganzheitliche Menschenbild muss sich auch <strong>in</strong> der Fürsorge der Dienststellen für<br />

ihr RD-Personal und auch <strong>im</strong> Umgang der E<strong>in</strong>satzkräfte mit sich selbst widerspiegeln.<br />

Es gilt, dabei auch die Grenzen und Probleme der Helfer zu berücksichtigen. 393<br />

Die E<strong>in</strong>satznachsorge wird allerd<strong>in</strong>gs „nach wie vor als Stiefk<strong>in</strong>d behandelt.“ 394 Die<br />

Frage bleibt, <strong>in</strong>wiefern die RD-Mitarbeiter solche Angebote akzeptieren, für sich selbst<br />

als notwendig und hilfreich erachten und schließlich nutzen. Nicht selten werden <strong>im</strong> RD<br />

Gefühle und Befürchtungen als Schwächen verdrängt. Es wird versucht, e<strong>in</strong>fach zur<br />

Normalität zurückzukehren und sich dadurch von e<strong>in</strong>em erlebten Trauma abzulenken.<br />

Schließlich wird unter Umständen zu Alkohol oder Medikamenten gegriffen. 395<br />

Ausgabe s<strong>in</strong>d beide Formulierungen gegenübergestellt und können e<strong>in</strong>e Grundlage für die Zusammenarbeit<br />

bilden: Geme<strong>in</strong>sam den Menschen <strong>im</strong> Mittelpunkt.<br />

391 SALOMON: Das Menschenbild, 246. Vgl. dazu auch die deutliche Aussage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Leitfaden zur<br />

Ersten Hilfe: „Genauso wichtig wie e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Wundversorgung oder e<strong>in</strong>e lebensrettende Maßnahme<br />

ist <strong>im</strong>mer auch die psychische Betreuung des Notfallpatienten [...]. Bei allen Notfallsituationen<br />

trägt die psychische Betreuung zur Schockvorbeugung bei.“ (ASB: Erste Hilfe, 37.) Vgl. dazu<br />

auch Fragebogen RD 3 (13.1): „E<strong>in</strong> Gespräch und menschliche Zuwendung kann oft mehr bewirken<br />

als so manches Medikament.“ Ganz <strong>im</strong> Gegensatz dazu steht e<strong>in</strong>e Publikation von Gustav Zöch aus<br />

dem Jahr 1927, die <strong>im</strong> Rahmen von Erste-Hilfe-Maßnahmen überhaupt nicht auf psychische Betreuung<br />

e<strong>in</strong>geht und nur die physische Seite der Notfallversorgung kennt. Vgl. ZÖCH: Erste Hilfe .<br />

392 Natürlich gibt es noch e<strong>in</strong>iges auf diesen Gebieten zu verbessern und an der Diskrepanz zwischen<br />

Ideal und Praxis zu arbeiten, aber e<strong>in</strong> guter Anfang ist auf jeden Fall gemacht. Nicht unerwähnt ble iben<br />

soll an dieser Stelle, dass es <strong>in</strong> den vergangenen Jahren auch weiterh<strong>in</strong> Publikationen gab, die die<br />

psychische Betreuung u. ä. nicht berücksichtigen. So ist zum beispielsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Leitfaden für<br />

E<strong>in</strong>satzorganisation bei Katastrophen (von 1996) ke<strong>in</strong>erlei H<strong>in</strong>weis auf psychische Belastungen,<br />

NFS, KID und Stressbearbeitung zu f<strong>in</strong>den, sondern nur e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> technische Abwicklung der Rettungsmaßnahmen.<br />

Der Aspekt der Betreuung me<strong>in</strong>t hier vor allem die Versorgung mit Lebensmitteln<br />

und Unterbr<strong>in</strong>gung von Hilfsbedürftigen; Köche u. ä. werden deshalb dafür bevorzugt benötigt. Vgl.<br />

BITTGER: Großunfälle und Katastrophen, bes. 52 u. 73.<br />

393 Vgl. SALOMON: Das Menschenbild, 245. Vgl. zur aktuellen Situation auch LOVENFOSSE / FALK:<br />

Mediatorenmodell <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 376f. Auf die zahlreichen und vielfältigen Belastungen des<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>es wurde bereits e<strong>in</strong>gegangen und die gängigen Methoden zur Stressbearbeitung belastender<br />

E<strong>in</strong>sätze (SbE ® ) <strong>im</strong> Rahmen e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>satznachsorge wurden vorgestellt. Vgl. dazu III, 3.4.2<br />

(zu den Belastungen <strong>im</strong> RD) und II, 3.1.1.3 (zur E<strong>in</strong>satznachsorge).<br />

394 FLATTEN: Der hilflose Helfer, 269.<br />

395 Vgl. STEPAN / JATZKO: Traumatherapie <strong>in</strong> der Diskussion, 547. Vgl. dazu auch III, 3.4.2.1.<br />

83


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Aus den Fragebögen lassen sich folgende Methoden der Stressbewältigung bei den Be-<br />

fragten herauslesen: Gespräche <strong>im</strong> Rettungsteam und beziehungsweise mit Familienan-<br />

gehörigen oder Freunden, Musikhören oder e<strong>in</strong> Nachsorgegespräch mit e<strong>in</strong>em qualifi-<br />

zierten Kollegen (des KID). 396 Die Mehrheit der Befragten bewertet die bisherige Ak-<br />

zeptanz und Nutzung von Bewältigungsangeboten eher skeptisch. 397<br />

Natürlich kann ke<strong>in</strong> RD-Mitarbeiter zu e<strong>in</strong>er begleiteten Stressbearbeitung gezwungen<br />

werden, doch es ist s<strong>in</strong>nvoll, wenn die Dienststellen <strong>im</strong> Rahmen ihrer Fürsorge auch<br />

Stressbewältigungsangebote mit qualifizierten und erfahrenen Helfern ermöglichen. 398<br />

Innerhalb des <strong>Rettungsdienst</strong>es kann das so genannte Mediatorenmodell mit dem Leit-<br />

wort Mensch <strong>im</strong> Mittelpunkt, das 1994 vom MHD e<strong>in</strong>geführt wurde, e<strong>in</strong>e besondere<br />

Rolle bei der E<strong>in</strong>satznachsorge spielen. 399<br />

Das Modell ist aus sechs Handlungse<strong>in</strong>heiten zusammengesetzt, die <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander greifen:<br />

1) Bewusstse<strong>in</strong>sveränderung <strong>in</strong>nerhalb der jeweiligen RD-Organisation zu e<strong>in</strong>em<br />

neuen ethischen Verständnis (Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen, um dadurch<br />

Leistungsbereitschaft und Qualität zu steigern, vor allem <strong>im</strong> Bereich der Patien-<br />

tenbetreuung),<br />

2) Aufnahme von Lernzielen der Bereiche Ethik, Psychologie und Theologie <strong>in</strong> die<br />

RD-Ausbildung,<br />

3) Grundlagensem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Kommunikation (langfristig für jeden Mitarbeiter),<br />

396 Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 15.2 u. 15.3). Der Fragebogen KID (12) nennt zusätzlich die Supervision<br />

und das „Auftanken“ be<strong>im</strong> Gottesdienst. Ergänzend seien hier die Ergebnisse der Umfrage<br />

von Denise Thomas genannt. Danach s<strong>in</strong>d für die befragten RD-Mitarbeiter nach e<strong>in</strong>em belastenden<br />

E<strong>in</strong>satz (Beispiel SIDS) die Gespräche mit den Kollegen am wichtigsten, ferner zusätzlich Gespräche<br />

mit dem Lebenspartner (55% der Befragten) und mit dem Freundeskreis (45%). Vgl. Denise Thomas<br />

<strong>in</strong> HELMERICHS: Erfahrungen des <strong>Rettungsdienst</strong>-Personals, 114. „Außerdem sche<strong>in</strong>t der Glaube bei<br />

der Verarbeitung e<strong>in</strong>e Rolle zu spielen. Sowohl der Tod an sich als auch der Tod e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des kann –<br />

so lautet das Auswertungsergebnis – mit Religiosität besser bewältigt werden.“ (Denise Thomas <strong>in</strong><br />

HELMERICHS: Erfahrungen des <strong>Rettungsdienst</strong>-Personals, 114.)<br />

397 Vgl. Fragebögen KID (13, 14.1 u. 14.2), NFS (11.2), RD 3 (15.5) und RD 1 (15.5 u. 14); lediglich<br />

Fragebogen RD 2 schreibt: „Die Mehrheit sieht eigentlich ke<strong>in</strong>e Heldentat mehr dar<strong>in</strong>, über Erlebnisse<br />

offen zu sprechen.“ (Fragebogen RD 2, 15.3.) Interessant ist zu diesem Aspekt auch die folgende<br />

Aussage über die RD-Kräfte von Hans Ulrich Giesen <strong>im</strong> Rahmen der E<strong>in</strong>satznachsorge von Eschede:<br />

„Vielfach fehlte jegliches Wissen über die Tatsache, daß es belastende Momente bei solchen E<strong>in</strong>sätzen<br />

gibt und daß es Maßnahmen zur Reduktion und Verkürzung der möglichen Störungen gibt... Lediglich<br />

bei den Malteser Kräften, die <strong>in</strong> das Projekt Mensch <strong>im</strong> Mittelpunkt e<strong>in</strong>gegliedert s<strong>in</strong>d, zeigte<br />

sich e<strong>in</strong> hoher Bekanntheitsgrad und Sensibilität für E<strong>in</strong>satznachsorge. Hier sche<strong>in</strong>t das Projekt mit<br />

dem Ziel, pro Dienststelle m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>en Mediator zu haben, Früchte zu tragen.“ (GIESEN: E<strong>in</strong>satznachbereitung<br />

nach dem ICE-Unfall <strong>in</strong> Eschede, 8.) Das genannte Mediatorenmodell wird <strong>in</strong> diesem<br />

Abschnitt noch genauer vorgestellt.<br />

398 Vgl. STEPAN / JATZKO: Traumatherapie <strong>in</strong> der Diskussion, 547. Roman Lovenfosse und Bernd Falk<br />

sehen <strong>in</strong> der hohen Fluktuation <strong>im</strong> RD möglicherweise e<strong>in</strong>en Indikator für ungenügende Angebote<br />

auf diesem Gebiet Vgl. LOVENFOSSE / FALK: Mediatorenmodell <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 377.<br />

399 Vgl. RUNGGALDIER: Psychologie, 856. Zur E<strong>in</strong>satznachsorge sei allgeme<strong>in</strong> weiter verwiesen auf<br />

WATERSTRAAT : Aspekte der E<strong>in</strong>satznachsorge nach e<strong>in</strong>em Massenanfall von Verletzten, bes. 4-8 und<br />

auf WATERSTRAAT : Der Mensch <strong>in</strong> der Katastrophe, 41-43.<br />

84


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

4) Grundlagensem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Stressbewältigung (langfristig für jeden Mitarbeiter),<br />

5) Ausbildung von Mediatoren und<br />

6) Ausbildung von CISM- beziehungsweise SbE ® -Teams (mittlerweile bundesweit<br />

an vier Standorten und jeden Tag 24 Stunden abrufbereit). 400<br />

Der Mediator ist e<strong>in</strong> zusätzlich geschulter RD-Mitarbeiter und hat als Vermittler zwi-<br />

schen Kollegen, Dienststelle und den <strong>im</strong> E<strong>in</strong>zelfall benötigten psychosozialen Fach-<br />

kräften (zum Beispiel Dozenten und CISM-/SbE ® -Team) e<strong>in</strong>e wichtige Funktion. 401<br />

„Dabei bleibt er Kollege <strong>im</strong> Team ohne Vorgesetztenrolle“ 402 , gibt Impulse für das<br />

Fortbildungsprogramm und organisiert bei Bedarf für belastete E<strong>in</strong>satzkräfte Nachsor-<br />

gegespräche nach CISM. 403<br />

4.2 Mensch und Kirche bei den Hilfsorganisationen<br />

In diesem Abschnitt soll auf die vier großen Hilfsorganisation <strong>im</strong> RD e<strong>in</strong>gegangen wer-<br />

den, die e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag zur Entwicklung und Praxis des Rettungswesens<br />

geleistet haben und auch heute noch leisten: der ASB, das DRK, die JUH und der<br />

MHD. E<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> die Entstehungsgeschichte, das normative Leitbild und das Pro-<br />

gramm der jeweiligen Organisation soll prüfen, welches Ideal und Menschenbild ihr<br />

Tun prägt und ob sich e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit mit der Kirche zum Wohl der Menschen<br />

(Patienten, Angehörige und E<strong>in</strong>satzkräfte) vorstellen lässt.<br />

E<strong>in</strong>leitend lässt sich bereits jetzt festhalten, dass die <strong>in</strong> der Kriteriologie (unter II, 2.1.2)<br />

ausführlich behandelte Samariter-Perikope aus Lk 10,25-37 als „unverzichtbarer Be-<br />

standteil der theologischen Grundlagen“ 404 der Hilfsorganisationen JUH und MHD, die<br />

beide mit den christlichen Kirchen verbunden s<strong>in</strong>d, zu sehen ist. Auch über den b<strong>in</strong>nen-<br />

400 Vgl. RUNGGALDIER: Psychologie, 856-858. Vgl. dazu auch LOVENFOSSE / FALK: Mediatorenmodell<br />

<strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 377-381. Auf CISM wurde bereits unter II, 3.1.1.3 e<strong>in</strong>gegangen.<br />

401 Die Inhalte der Mediatorenausbildung s<strong>in</strong>d neben Kommunikation, Stressbewältigung unter anderem<br />

auch Moral und Ethik <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> und auch die Bedürfnisse von Patienten, Angehörigen und<br />

E<strong>in</strong>satzkräften. Vgl. LOVENFOSSE / FALK: Mediatorenmodell <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 381.<br />

402 RUNGGALDIER: Psychologie, 857. Dass e<strong>in</strong> RD-Kollege diese vermittelnde Rolle als Ansprechpartner<br />

und Impulsgeber e<strong>in</strong>n<strong>im</strong>mt, hat e<strong>in</strong>e entscheidende Bedeutung für die Akzeptanz unter den Mitarbeitern.<br />

Bestätigend sei die folgende Aussage aus e<strong>in</strong>er Reflexion zur E<strong>in</strong>satznachsorge von Eschede<br />

angeführt: „Viele E<strong>in</strong>satzkräfte gaben die Rückmeldung, daß die E<strong>in</strong>satznachbesprechungen auch<br />

deshalb akzeptiert werden konnten, weil sie überwiegend von geschulten Kollegen und Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

aus Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong> durchgeführt wurden. Das Konzept der ‚psychologischen Kollegenhilfe’<br />

hat sich hier bewährt.“ (HELMERICHS: E<strong>in</strong>satznachsorge, 120.) Auch e<strong>in</strong>ige Fragebögen<br />

bekräftigen diesen Aspekt. Vgl. Fragebögen RD 1 (15.2), KID (12) und NFS (11.2).<br />

403 Vgl. RUNGGALDIER: Psychologie, 857. Zum Aspekt der (allgeme<strong>in</strong>en) Stressbewältigung für RD-<br />

Mitarbeiter sei ferner h<strong>in</strong>gewiesen auf FERTIG: Stress und Stressbewältigung <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, 383-<br />

393 und LANDEN: Möglichkeiten der Stressbewältigung und WIETERSHEIM: Psychische Aspekte be<strong>im</strong><br />

Betreuungse<strong>in</strong>satz, 143-151 und auch FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte,<br />

368-370.<br />

404 WIETERSHEIM: Der barmherzige Samariter, 36.<br />

85


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

kirchlichen Kontext h<strong>in</strong>aus baut diese Beispielgeschichte e<strong>in</strong>e Brücke zu den anderen<br />

Hilfsorganisationen, für die der barmherzig handelnde Samariter der Bibel ebenso e<strong>in</strong><br />

Vorbild darstellt: der Arbeiter-Samariter-Bund hat ihn sogar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Verbandsnamen<br />

aufgenommen und ebenso folgt das Rote Kreuz diesem Ideal e<strong>in</strong>es Helfers. 405<br />

Ferner lässt sich allgeme<strong>in</strong> bemerken, dass die Hilfsorganisationen „aus unterschiedli-<br />

chen Traditionen und Wertvorstellungen heraus“ 406 entstanden s<strong>in</strong>d; „der Anlaß der<br />

Gründung war jedoch <strong>im</strong>mer die Hilfsbedürftigkeit von Menschen.“ 407<br />

Geme<strong>in</strong>sam ist allen vier Organisationen ebenfalls, dass sie e<strong>in</strong> Kreuz (<strong>in</strong> verschiedenen<br />

Formen), das christliche Symbol für den Sieg des auferstandenen Herrn über den Tod,<br />

<strong>in</strong> ihren Emblemen tragen; das DRK führt es sogar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Namen. Alle vier Hilfsor-<br />

ganisationen engagieren sich nicht nur <strong>im</strong> RD, KID (bzw. KIT) und Katastrophen-<br />

schutz, sondern auch <strong>im</strong> Sozialdienst, <strong>in</strong> der Kranken- und Altenpflege, <strong>in</strong> der Hospiz-<br />

bewegung, <strong>in</strong> der Jugendarbeit und <strong>in</strong> weiteren karitativen Bereichen.<br />

4.2.1 Mit der Kirche verbundene Hilfsorganisationen<br />

Die JUH und der MHD haben e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Ursprung <strong>in</strong> der Ritterbruderschaft<br />

Sankt Johannis zum Spital von Jerusalem, die 1099 <strong>in</strong> den Wirren des ersten Kreuzzu-<br />

ges entstanden ist, um die Verwundeten und Kranken, unabhängig von deren Religion,<br />

zu pflegen. Diese Hospitalbruderschaft besteht seit der Reformation <strong>im</strong> evangelischen<br />

Johanniterorden und <strong>im</strong> katholischen Malteserorden fort, die beide gemäß dem Ideal der<br />

christlichen Nächstenliebe die Sorge um Not leidende Menschen (vor allem Kranke,<br />

Verletzte und Schwache) als ihre Hauptaufgabe übernommen haben. 408<br />

Als sich Anfang der 1950er Jahre das Rettungswesen allmählich weiterentwickelte, sa-<br />

hen beide Orden die Notwendigkeit, zur Unterstützung jeweils e<strong>in</strong>e eigene Hilfsorgani-<br />

sationen zu gründen: 1952 die JUH durch den Johanniterorden und 1953 der MHD<br />

durch den Malteserorden. 409<br />

4.2.1.1 Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.<br />

405 Vgl. WIETERSHEIM: Der barmherzige Samariter, 36. Ferner sei auf den Leitsatz der Feuerwehr<br />

(„Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr“) h<strong>in</strong>gewiesen, der dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe<br />

<strong>in</strong> Lk 10,27 entspricht, und auch auf den Slogan „Die Polizei als Freund und Helfer“, der<br />

ebenso auf die genannte biblische Geschichte verweist. Vgl. WIETERSHEIM: Der barmherzige Samariter,<br />

36.<br />

406 FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 359.<br />

407 FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 359.<br />

408 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 360 und vgl. METZSCH: Menschen<br />

helfen Menschen, 69.<br />

86


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Präambel der JUH fasst ihr Selbstverständnis <strong>in</strong> folgender Aussage zusammen: „Im<br />

Bewußtse<strong>in</strong> der Tradition christlicher Nächstenliebe, der die Johanniter seit Jahrhun-<br />

derten verpflichtet s<strong>in</strong>d, und herausgefordert durch die Nöte und Gefahren der Welt,<br />

will die Johanniter-Unfall-Hilfe <strong>in</strong> Verantwortung vor Gott dem leidenden Menschen<br />

unserer Zeit beistehen.“ 410<br />

Die JUH ist e<strong>in</strong> Ordenswerk des Ritterlichen Ordens St. Johannis vom Spital zu Jeru-<br />

salem (Johanniterordens) und ist an dessen Herrenmeister und se<strong>in</strong>e Weisungen gebun-<br />

den. 411 Sie sieht sich „als Teil der evangelischen Christenheit und gestaltet die Verb<strong>in</strong>-<br />

dungen zu den Kirchen auf allen Ebenen so eng wie möglich.“ 412 Die JUH ist als<br />

Hilfsorganisation und Wohlfahrtsverband „dem Diakonischen Werk der Evangelischen<br />

Kirche <strong>in</strong> Deutschland als Fachverband unmittelbar angeschlossen.“ 413<br />

Als ihre Aufgabe sieht die JUH den Dienst am Nächsten und zählt dazu unter anderem<br />

die Betätigung und Aus- und Fortbildung <strong>in</strong> den Bereichen Erste Hilfe, Sanitätsdienst,<br />

RD (auch Berg- und Wasserrettung), Krankentransport und Notfallfolgedienst (also<br />

KID bzw. KIT). 414<br />

Die JUH verpflichtete sich 1994 daran zu arbeiten, dass „psychische Erste Hilfe [...] <strong>in</strong><br />

adäquater Form, zu jeder Zeit, an jedem Ort, <strong>in</strong> jeder Lage bei Helfern, Unfallopfern<br />

und dritten Beteiligten geleistet“ 415 wird. Als Angebote der JUH auf diesem Gebiet gibt<br />

es unter anderem: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Notfällen (SiN) und Unfallfolgedienste, Breitenausbil-<br />

dungen <strong>in</strong> Erste Hilfe von Mensch zu Mensch, Spezialausbildungen mit psychologischen<br />

und psychiatrischen Grundkenntnissen und ferner E<strong>in</strong>heiten zur psychischen Betreuung<br />

von Kranken und Verletzten <strong>in</strong> der RA-Ausbildung. 416<br />

4.2.1.2 Malteser-Hilfsdienst e. V.<br />

409 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 360 und vgl. METZSCH: Menschen<br />

helfen Menschen, 69.<br />

410 JUH: Satzung der JUH, 1; eigene Hervorhebungen. Vgl. dieselbe Aussage <strong>in</strong> JUH: Leitbildfaden.<br />

411 Vgl. JUH: Satzung der JUH, 1.<br />

412 JUH: Satzung der JUH, 1. Vgl. dazu dieselbe Aussage <strong>in</strong> JUH: Leitbildfaden. Zu den Mitgliedern<br />

heißt es <strong>in</strong> der Satzung: „Mitglied der JUH kann werden, wer bereit ist, an der Erfüllung ihrer Aufgaben<br />

mitzuwirken [...]. Mitglieder und Angestellte der JUH gehören <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong>er der Kirchen<br />

an, die <strong>in</strong> der Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft christlicher Kirchen <strong>in</strong> Deutschland e.V. zusammengeschlossen<br />

s<strong>in</strong>d. Alle Mitglieder und Angestellten müssen den Auftrag und die evangelische Grundrichtung der<br />

JUH achten.“ (JUH: Satzung der JUH, 3; eigene Hervorhebungen.)<br />

413 JUH: Satzung der JUH, 1.<br />

414 Vgl. JUH: Satzung der JUH, 2.<br />

415 FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 372.<br />

416 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 371. Von der JUH waren auf schriftliche<br />

Anfrage ke<strong>in</strong>e weiteren Informationen zu erhalten.<br />

87


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Der MHD wurde von zwei Assoziationen des Malteserritterordens und dem Deutschen<br />

Caritasverband gegründet „<strong>in</strong> dem Bestreben [...], den seit 900 Jahren geltenden Or-<br />

densleitsatz ‚Wahrung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen’ und die christliche<br />

Nächstenliebe <strong>in</strong> zeitgemäßer Form zu verwirklichen“ 417 , wie die Präambel der MHD-<br />

Satzung festhält.<br />

Er versteht sich als „e<strong>in</strong>e Dienst- und Weggeme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong>nerhalb der katholischen Kir-<br />

che mit dem Anspruch, von Gott geschenktes Heil weiterzugeben und das Evangelium<br />

konkret werden zu lassen [...]. Die Präsenz von Maltesern zielt darauf, Heil erfahren zu<br />

lassen, Menschen aufzurichten und e<strong>in</strong>en Anstoß aus dem Glauben und für den Glauben<br />

zu geben.“ 418<br />

Von se<strong>in</strong>en Mitgliedern setzt der MHD daher „das geme<strong>in</strong>same Verständnis religiöser<br />

und geistiger Grundlagen voraus, die sie befähigen, sich dem helfenden Dienst ohne<br />

Erwartung e<strong>in</strong>er Gegenleistung h<strong>in</strong>zugeben und ihrer zweifachen Verpflichtung als<br />

Glieder unserer Glaubensgeme<strong>in</strong>schaft und als Staatsbürger nachzukommen.“ 419<br />

Der MHD sieht se<strong>in</strong>e Grundlagen <strong>im</strong> Auftrag des christlichen Glaubens (Gottes- und<br />

Nächstenliebe), <strong>im</strong> oben genannten Auftrag des Malteserordens, <strong>im</strong> Auftrag der kirchli-<br />

chen Caritas und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bürgerlichen Auftrag (Hilfsbereitschaft und Humanität <strong>in</strong> der<br />

Gesellschaft). 420<br />

Der MHD setzt sich e<strong>in</strong> für<br />

- e<strong>in</strong>e Bewusstse<strong>in</strong>sbildung h<strong>in</strong> zur Ganzheitlichkeit <strong>im</strong> RD,<br />

- E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> Psychologie <strong>im</strong> Rahmen der Aus- und Fortbildung des Rettungs-<br />

dienstes (neue <strong>in</strong>haltliche Schwerpunktsetzung),<br />

- Weiterentwicklung e<strong>in</strong>er Berufsethik (RD-Unternehmensphilosophie) und<br />

417 MHD: Leitfaden, 1.<br />

418 MHD: Leitfaden, 32; eigene Hervorhebungen. Die Katholizität ist e<strong>in</strong> Fixpunkt des MHD und somit<br />

auch die „E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> die katholische Kirche mit ihren Besonderheiten.“ (MHD: Leitfaden, 133.)<br />

Als Besonderheiten seien beispielsweise Weltkirche, Betonung der Weltverantwortung der Laien,<br />

geistliche und soziale Communio der Lebenden und Toten mit Gott und geme<strong>in</strong>same Gottesdienste<br />

genannt. Vgl. MHD: Leitfaden, 33. In jeder Diözesanleitung des MHD gibt es auch e<strong>in</strong>en eigenen<br />

MHD-Diözesanseelsorger. Vgl. MHD: Leitfaden, 12. Zum Teil gibt es auch Pfarrer, die e<strong>in</strong>e MHD-<br />

Rettungswache seelsorglich betreuen. Ortsvere<strong>in</strong>e des MHD wirken ferner als Pfarrgruppe „<strong>im</strong> Rahmen<br />

der satzungsmäßigen Aufgaben am Leben der Pfarrgeme<strong>in</strong>de aktiv mit.“ (MHD: Leitfaden, 17.)<br />

Leitungsfunktionen <strong>im</strong> MHD müssen bzw. sollten von katholischen Mitgliedern ausgeübt werden.<br />

Vgl. MHD: Leitfaden, 35. E<strong>in</strong>e ökumenische Ausrichtung wird durch den geme<strong>in</strong>samen Ursprung<br />

mit dem evangelischen Johanniterorden begründet; JUH und MHD ist das achtspitzige Kreuz als<br />

Zeichen geme<strong>in</strong>sam. Vgl. MHD: Leitfaden, 33.<br />

419 MHD: Leitfaden, 1. Der MHD bietet se<strong>in</strong>en Mitarbeitern auch „begleitende Angebote, die helfen<br />

zum Glauben zu f<strong>in</strong>den und den Glauben zu leben.“ (MHD: Leitfaden, 34.)<br />

420 Vgl. MHD: Leitfaden, 1-4. Aus diesen Grundlagen werden schließlich die folgenden Pr<strong>in</strong>zipien des<br />

MHD abgeleitet: Leben aus dem Glauben, Freiwilligkeit, Ehrenamtlichkeit und Mitverantwortung.<br />

Vgl. MHD: Leitfaden, 4-6.<br />

88


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

- e<strong>in</strong> flächendeckendes Modell zur E<strong>in</strong>satznachsorge (Mediatorenmodell und<br />

CISM-Teams). 421<br />

Neben dem bereits (unter III, 4.1.2) vorgestellten und vom MHD entwickelten so ge-<br />

nannten Mediatorenmodell bieten die Malteser unter anderem auch Material zur seeli-<br />

schen Betreuung <strong>im</strong> Rahmen von Erste-Hilfe-Maßnahmen und weiterführende Sem<strong>in</strong>are<br />

zur Hospizarbeit an. 422<br />

Der MHD hat ferner e<strong>in</strong> Positionspapier zur <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention<br />

be<strong>im</strong> Malteser-Hilfsdienst verfasst. Hier werden die e<strong>in</strong>zelnen Systeme <strong>im</strong> Bereich der<br />

psychosozialen Betreuung des MHD (Mediatorenmodell für E<strong>in</strong>satzkräfte, NFS und<br />

KID für Betroffene und deren Angehörige) vorgestellt und erläutert. Diese E<strong>in</strong>richtun-<br />

gen bilden <strong>im</strong> MHD den Fachdienst Mensch <strong>im</strong> Mittelpunkt. 423<br />

Von se<strong>in</strong>er Geschichte und se<strong>in</strong>en Grundlagen her sieht sich der MHD „<strong>in</strong> besonderer<br />

Weise der <strong>Seelsorge</strong> und dem kirchlichen Handeln verbunden. Die <strong>Seelsorge</strong> ist <strong>in</strong>ner-<br />

halb des Malteser-Hilfsdienstes e<strong>in</strong> fester Bestandteil unseres Selbstverständnisses. Kri-<br />

sen<strong>in</strong>tervention und <strong>Notfallseelsorge</strong> bilden bei den Maltesern e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit“ 424 , so for-<br />

muliert es das genannte Positionspapier.<br />

4.2.2 Andere Hilfsorganisationen<br />

4.2.2.1 Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V.<br />

Der ASB, gegründet 1888, hat se<strong>in</strong>e Ursprünge <strong>in</strong> der Arbeiterbewegung des damaligen<br />

Deutschen Reiches. Zahlreiche Arbeitsunfälle und die unzureichende Versorgung der<br />

Verletzten veranlassten e<strong>in</strong>ige Arbeiter und Z<strong>im</strong>merleute <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Selbsthilfegruppen<br />

e<strong>in</strong>zurichten, die Erste-Hilfe-Kurse und Hilfeleistungen bei Unfällen organisierten.<br />

Allmählich entstanden <strong>in</strong> ganz Deutschland Samariter-Vere<strong>in</strong>e, die schließlich nicht nur<br />

<strong>im</strong> Rahmen von Arbeitsunfällen, sondern auch <strong>im</strong> gesamten zivilen Bereich bei der er-<br />

sten Versorgung von Verletzten aktiv wurden. 425<br />

421 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 372. Vgl. zum Aspekt der Ganzheitlichkeit<br />

die Forderung des MHD: „Die Hilfe für den Menschen soll ihn ganz erfassen, se<strong>in</strong>en Leib<br />

und se<strong>in</strong>e Seele.“ (MHD: Leitfaden, 1.) Zum Bereich der E<strong>in</strong>satznachsorge sei an dieser Stelle h<strong>in</strong>gewiesen<br />

auf MHD: Hilfe für Helfer. Anhand der (unter III, 3.4) bereits erwähnten Mitarbeiterbefragungen<br />

lässt sich schließen, dass der MHD tatsächlich an der Me<strong>in</strong>ung und Zufriedenheit se<strong>in</strong>er Mitarbeiter<br />

<strong>in</strong>teressiert ist. Vgl. MHD: Q-Tipp.<br />

422 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 371.<br />

423 Vgl. MHD: Positionspapier zur <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention, 1. H<strong>in</strong>gewiesen sei <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang auch auf das umfangreiche Bildungsangebot des MHD auf diesem Gebiet <strong>im</strong><br />

Jahr 2003. Vgl. dazu MHD: Psychosoziale Betreuung.<br />

424 MHD: Positionspapier zur <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention, 1.<br />

425 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 359f.<br />

89


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Der ASB, so wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Grundsätzen deutlich, „ist e<strong>in</strong>e freiwillige Wohlfahrtsorga-<br />

nisation und e<strong>in</strong> Wohlfahrtsverband – unabhängig, parteipolitisch neutral und konfes-<br />

sionell ungebunden.“ 426 Er versteht sich als e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft von Menschen, „die an-<br />

deren Menschen helfen wollen. Auf dieser Grundlage beruht e<strong>in</strong> vielfältiges Angebot,<br />

das sich am Hilfebedarf und den Bedürfnissen der Menschen orientiert“ 427 , das an Qua-<br />

litätsstandards gebunden ist und ständig weiterentwickelt wird. 428<br />

Auf se<strong>in</strong>er Bundeskonferenz <strong>im</strong> Jahr 1994 hat der ASB bei se<strong>in</strong>em Angebot e<strong>in</strong> Defizit<br />

<strong>im</strong> Bereich „der psychologischen und ethisch-moralischen menschlichen Begleitung<br />

und Krisen<strong>in</strong>tervention“ 429 festgestellt und beschlossen, <strong>im</strong> Bereich der Aus- und Fort-<br />

bildung von RD-Mitarbeitern darauf zu reagieren. 430 Ebenso sollen flächendeckend<br />

KID-Teams zur Notfallnachsorge aufgebaut und an den RD-Standorten „Gesprächskrei-<br />

se unter fachlich qualifizierter Leitung“ 431 für die E<strong>in</strong>satznachsorge (<strong>in</strong> Anlehnung an<br />

das CISM) e<strong>in</strong>gerichtet werden. 432<br />

Auf e<strong>in</strong>e schriftliche Anfrage be<strong>im</strong> ASB-Bundesverband nach der Bereitschaft zu e<strong>in</strong>er<br />

Zusammenarbeit mit der Kirche äußerte sich e<strong>in</strong> Sprecher positiv und verwies auf be-<br />

reits bestehende Kooperationen zwischen KID und NFS <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Regionen (bei-<br />

spielsweise München). Im Gesamtverband seien die Bereiche KID und E<strong>in</strong>satznachsor-<br />

ge – laut der Stellungnahme des Sprechers – noch <strong>in</strong> der Anfangsphase, so dass e<strong>in</strong>e<br />

bundesweite Zusammenarbeit mit Dritten bisher noch nicht <strong>in</strong> Betracht gezogen wurde;<br />

grundsätzlich könnte man sich aber auch hier e<strong>in</strong> Zusammenwirken mit den Kirchen<br />

vorstellen. 433<br />

4.2.2.2 Deutsches Rotes Kreuz e. V.<br />

Das DRK hat sich <strong>im</strong> Rahmen der <strong>in</strong>ternationalen Rotkreuzbewegung (<strong>in</strong> islamisch ge-<br />

prägten Ländern Rothalbmondbewegung) entwickelt, deren <strong>in</strong>ternationales Komitee<br />

1863 gegründet wurde. Maßgeblich war dabei der Schweizer Henri Dunant beteiligt,<br />

426 ASB: Bundesrichtl<strong>in</strong>ien, 7. Die Grundsätze <strong>in</strong> den Bundesrichtl<strong>in</strong>ien entsprechen übrigens (bis auf<br />

Punkt 1) den zehn Punkten des Leitbildes. Vgl. ASB: Leitbild des Arbeiter-Samariter-Bundes.<br />

427 ASB: Bundesrichtl<strong>in</strong>ien, 7; eigene Hervorhebung. Im Leitbild heißt es an erster Stelle: „Helfen ist<br />

unsere Aufgabe!“ (ASB: Leitbild des Arbeiter-Samariter-Bundes.)<br />

428 ASB: Bundesrichtl<strong>in</strong>ien, 7.<br />

429 FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 371.<br />

430 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 371. So bietet der ASB unter anderem<br />

Sem<strong>in</strong>are zu psychologischen, ethischen und moralischen Problemen, zum Umgang mit<br />

Schwerstkranken und Sterbenden, über Gesprächsstrategien, über Stressbewältigung und zur Bekämpfung<br />

von Burnout an. Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 370.<br />

431 FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 372.<br />

432 Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 372.<br />

90


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

geprägt von se<strong>in</strong>en Erlebnissen auf dem Schlachtfeld von Solfer<strong>in</strong>o (1859), auf dem<br />

zahlreiche Verwundete schließlich ihren Verletzungen erlagen, weil ke<strong>in</strong>e effektive Hil-<br />

fe und Versorgung organisiert war. 434<br />

Laut se<strong>in</strong>em Leitsatz tritt das DRK „<strong>im</strong> Zeichen der Menschlichkeit [...] für das Leben,<br />

die Gesundheit, das Wohlergehen, den Schutz, das friedliche Zusammenleben und die<br />

Würde aller Menschen e<strong>in</strong>“ 435 und gewährt „Opfern von Konflikten und Katastrophen<br />

sowie anderen bedürftigen Menschen unterschiedslos Hilfe [...] alle<strong>in</strong> nach dem Maß<br />

ihrer Not.“ 436 Zu den DRK-Leitl<strong>in</strong>ien zählen unter anderem der hilfebedürftige Mensch,<br />

die unparteiliche Hilfeleistung, die Neutralität (auch auf religiöser Ebene) „<strong>im</strong> Zeichen<br />

der Menschlichkeit“ 437 , die eigenen Mitarbeiter (besonders die ehrenamtlichen) und die<br />

Qualität der Leistungen des DRK. 438 Hieraus lässt sich bereits ablesen, dass der Mensch<br />

(als Hilfeempfänger oder als Mitarbeiter) und die Menschlichkeit e<strong>in</strong>e zentrale Rolle<br />

be<strong>im</strong> DRK spielen.<br />

Auch dem DRK ist längst bewusst geworden, dass <strong>im</strong> Rahmen der Versorgung von<br />

Notfallpatienten nicht nur die mediz<strong>in</strong>isch-technischen Maßnahmen wichtig s<strong>in</strong>d, son-<br />

dern auch menschliche Zuwendung und weitere psychologische Aspekte. 439 Seitdem<br />

wird sowohl <strong>in</strong> Erste-Hilfe-Kursen als auch <strong>in</strong> der RD-Ausbildung und -fortbildung<br />

verstärkt auf diesen Bereich e<strong>in</strong>gegangen; ebenso werden KID-Teams gegründet. 440<br />

433<br />

Diese Auskunft wurde vom Leiter des Referates Notfallvorsorge be<strong>im</strong> ASB-Bundesverband <strong>in</strong> Köln<br />

erteilt.<br />

434<br />

Vgl. FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 360 und vgl. METZSCH: Menschen<br />

helfen Menschen, 71 u. 73. H<strong>in</strong>zuweisen ist noch darauf, dass <strong>im</strong> Freistaat Bayern nicht das DRK,<br />

sondern das Bayerische Rote Kreuz (BRK) als eigenständige Organisation aktiv ist.<br />

435<br />

DRK-GENERALSEKRETARIAT : Leitsatz und Leitbild des Deutschen Roten Kreuzes, Leitsatz; eigene<br />

Hervorhebung. Dazu schreibt die DRK-Satzung: „Das DRK n<strong>im</strong>mt die Interessen derjenigen wahr,<br />

die der Hilfe und Unterstützung bedürfen, um soziale Benachteiligungen, Not und menschenunwürdige<br />

Situationen zu beseitigen sowie auf die Verbesserung der <strong>in</strong>dividuellen, familiären und sozialen<br />

Lebensbed<strong>in</strong>gungen h<strong>in</strong>zuwirken.“ (DRK: Satzung des Deutschen Roten Kreuzes, § 1 [3].)<br />

436<br />

DRK-GENERALSEKRETARIAT : Leitsatz und Leitbild des Deutschen Roten Kreuzes, Leitsatz; eigene<br />

Hervorhebung. Die DRK-Satzung sieht u. a. e<strong>in</strong>e Aufgabe des DRK dar<strong>in</strong>, „menschliche Leiden, die<br />

sich aus Krankheit, Verletzung, Beh<strong>in</strong>derung oder Benachteiligung ergeben, zu verh<strong>in</strong>dern und zu<br />

l<strong>in</strong>dern.“ (DRK: Satzung des Deutschen Roten Kreuzes, § 2.)<br />

437<br />

DRK-GENERALSEKRETARIAT : Leitsatz und Leitbild des Deutschen Roten Kreuzes, Leitl<strong>in</strong>ien.<br />

438<br />

Vgl. DRK-GENERALSEKRETARIAT : Leitsatz und Leitbild des Deutschen Roten Kreuzes, Leitl<strong>in</strong>ien.<br />

Vgl. dazu auch die sieben Grundsätzen der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung,<br />

die auch für das DRK gelten: Menschlichkeit, Unabhängigkeit, Neutralität, Unparteilichkeit, Freiwilligkeit,<br />

E<strong>in</strong>heit, Universalität. Vgl. DRK: Satzung des Deutschen Roten Kreuzes, §1 [5].<br />

439<br />

Vgl. dazu DRK: DRK-Position, 2f u. 5f. Dort heißt es u. a.: „Die Hilfsorganisationen wie das Deutsche<br />

Rote Kreuz haben sich diese Aufgabe erst relativ spät und zögerlich zu eigen gemacht und dies<br />

zunächst mehr als Aufgabe der kirchlichen <strong>Seelsorge</strong> gesehen. Inzwischen entstanden be<strong>im</strong> DRK jedoch<br />

zunehmend lokale oder regionale Gruppen, die mit sehr unterschiedlichen Konzepten und auch<br />

<strong>in</strong> sehr unterschiedlicher Qualität die Leistung Notfallnachsorge anbieten, teilweise <strong>in</strong> Kooperation<br />

mit den Kirchen.“ (DRK: DRK-Position, 5.)<br />

440<br />

Vgl. DRK: DRK-Position, 3f (zur Erste-Hilfe-Ausbildung) und vgl. INSTITUT FÜR RETTUNGSWESEN<br />

DES DRK: 3. Entwurf der Rahmenkonzeption, 12-14 (zur RD-Ausbildung) und zur Notfallnachsorge<br />

vgl. DRK: DRK-Position, 3f und vgl. INSTITUT FÜR RETTUNGSWESEN DES DRK: Notfallnachsorge,<br />

91


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Im H<strong>in</strong>blick auf die Belastungen der E<strong>in</strong>satzkräfte ist das DRK gleichfalls aktiv gewor-<br />

den und arbeitet an e<strong>in</strong>em System, das RD-Mitarbeiter zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der Aus- und Fort-<br />

bildung auf belastende Situationen vorbereiten (präventiv) und zum anderen begleitend<br />

<strong>in</strong> Form von E<strong>in</strong>satznachsorge (auf der Basis von SbE ® -Teams und CISM) psychosozial<br />

unterstützen soll. 441 Dabei wird auf die Zusammenarbeit mit Dritten, namentlich auch<br />

mit der Kirche und ihren <strong>Seelsorge</strong>rn (als Referenten und Begleiter), h<strong>in</strong>gewiesen. 442<br />

Das DRK hat sich <strong>in</strong> diesem Bereich e<strong>in</strong>e Aufgabe gesetzt und will „zunehmend se<strong>in</strong><br />

Profil <strong>in</strong> der Art schärfen, dass es Experte für psychologische Unterstützung sowohl <strong>im</strong><br />

nationalen als auch <strong>im</strong> <strong>in</strong>ternationalen Kontext wird.“ 443<br />

5 Begegnungen und Zusammenarbeit mit der Kirche<br />

An dieser Stelle der Untersuchungen sollen Erfahrungen von RD-Mitarbeitern mit der<br />

Kirche und ihre Erwartungen an die Kirche behandelt werden. Natürlich hängen diese<br />

E<strong>in</strong>schätzungen von persönlichen Umständen ab. Auch s<strong>in</strong>d die hier angeführten Aus-<br />

sagen (der Fragebögen) nicht repräsentativ; dennoch spiegeln sie als Me<strong>in</strong>ungen von<br />

E<strong>in</strong>zelpersonen e<strong>in</strong>en Teil der Wirklichkeit wider. 444<br />

5.1 Erfahrungen mit der Kirche<br />

bes. 4-6. Vgl. dazu auch FALK: Ethische, psychologische und theologische Aspekte, 373. Im H<strong>in</strong>blick<br />

auf die Notfallnachsorge wird ausdrücklich die Zusammenarbeit mit der Kirche genannt, an deren<br />

Mitarbeiter gegebenenfalls Klienten weitervermittelt werden können. Vgl. INSTITUT FÜR RETTUNGS-<br />

WESEN DES DRK: Notfallnachsorge, 9.<br />

441 Vgl. DRK: DRK-Position, 5 und vgl. INSTITUT FÜR RETTUNGSWESEN DES DRK: 3. Entwurf der Rahmenkonzeption,<br />

bes. 14-19. Das DRK schreibt: „Der Belastung von E<strong>in</strong>satzkräften wurde <strong>im</strong> DRK<br />

lange nur unzureichend Rechnung getragen. Versuche, hieran etwas zu ändern, verliefen entweder <strong>im</strong><br />

Sande oder blieben auf best<strong>im</strong>mte Regionen oder Gruppen begrenzt. Die Bereitschaft, sich über alle<br />

Verbandsstufen h<strong>in</strong>weg mit dieser Thematik ernsthaft und kont<strong>in</strong>uierlich zu beschäftigen, änderte<br />

sich erst <strong>in</strong> Folge e<strong>in</strong>es schweren Zugunglücks <strong>im</strong> Sommer 1998 [...]. Zum ersten Mal <strong>in</strong> Deutschland<br />

wurde deshalb e<strong>in</strong>e organisationenübergreifende E<strong>in</strong>satznachsorge unter Federführung des DRK aufgebaut<br />

[...]. Ziel [...] ist es, e<strong>in</strong> System der psychosozialen Unterstützung für alle ehrenamtlichen,<br />

hauptamtlichen und Zivildienst leistenden E<strong>in</strong>satzkräfte zu entwickeln.“ (DRK: DRK-Position, 5.)<br />

442 Vgl. dazu INSTITUT FÜR RETTUNGSWESEN DES DRK: 3. Entwurf der Rahmenkonzeption, 17 u. 20.<br />

Aufgrund der folgenden Aussage <strong>in</strong> den DRK-Leitl<strong>in</strong>ien kann auf e<strong>in</strong>e grundsätzliche Möglichkeit<br />

der Zusammenarbeit zwischen DRK und Kirche geschlossen werden: „Zur Erfüllung unserer Aufgaben<br />

kooperieren wir mit allen Institutionen und Organisationen aus Staat und Gesellschaft, die uns <strong>in</strong><br />

Erfüllung der selbstgesteckten Ziele und Aufgaben behilflich oder nützlich se<strong>in</strong> können und/oder<br />

vergleichbare Zielsetzungen haben. Wir bewahren dabei unsere Unabhängigkeit.“ (DRK-GENERAL-<br />

SEKRETARIAT : Leitsatz und Leitbild des Deutschen Roten Kreuzes, Leitl<strong>in</strong>ien.)<br />

443 DRK: DRK-Position, 5.<br />

444 In diesem Rahmen soll die durchgeführte Umfrage verstanden werden, die zu den genannten Aspekten<br />

e<strong>in</strong>e Fülle an Informationsmaterial ergeben hat. Jedoch kann <strong>in</strong> dieser Arbeit nicht auf jede E<strong>in</strong>zelheit<br />

e<strong>in</strong>gegangen werden. Verwiesen sei deshalb auf die Fragebögen RD 1-3 (besonders jeweils 7,<br />

13.3, 15.4, 15.6, 16.1, 16.2, 20, 22-24) und KID (besonders 7, 9.2, 14.3-18). Bei der Formulierung<br />

92


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die drei befragten Personen aus dem RD identifizieren sich nicht mit der Kirche, dafür<br />

aber die befragte KID-Mitarbeiter<strong>in</strong>. 445 Neben diesen persönlichen Grunde<strong>in</strong>stellungen<br />

soll auf Begegnungen mit der Kirche, vor allem <strong>in</strong> der Person von <strong>Seelsorge</strong>rn, <strong>im</strong><br />

Rahmen des <strong>Rettungsdienst</strong>es e<strong>in</strong>gegangen werden. In der Zusammenfassung der Krite-<br />

riologie wurde festgehalten, dass die kirchliche E<strong>in</strong>richtung der NFS sowohl bei der<br />

Bevölkerung als auch bei den E<strong>in</strong>satzkräften überwiegend positiv wahrgenommen<br />

wird. 446 Diese positiven Erfahrungen der Zusammenarbeit und Begegnungen hatten bei<br />

den Befragten aber ansche<strong>in</strong>end ke<strong>in</strong>e Auswirkungen auf das Kirchenbild, das bei ihnen<br />

eher auf Institution und so genannte Amtskirche reduziert bleibt. 447<br />

In den Bögen wurde bewusst nach negativen Erfahrungen bei RD-E<strong>in</strong>sätzen <strong>in</strong> kirchli-<br />

chen Räumen oder mit kirchlichen Mitarbeitern gefragt, da es <strong>in</strong> diesem Bereich auch<br />

weniger gute Begegnungen gegeben hat. So stritten beispielsweise Mitte der 1980er<br />

Jahre e<strong>in</strong> Sanitäter und e<strong>in</strong> <strong>Seelsorge</strong>r vor Gericht, wer <strong>in</strong> Notfallsituationen mehr Recht<br />

auf den Platz am Kopf des Patienten hat. 448<br />

In Fragebogen RD 3 wird von e<strong>in</strong>em Pfarrer berichtet, der nicht bereit war, mitten <strong>in</strong> der<br />

Nacht zu e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satzort zu kommen, obwohl Geme<strong>in</strong>demitglieder darum gebeten<br />

haben. 449 In Fragebogen RD 1 ist die Rede von e<strong>in</strong>er Rean<strong>im</strong>ation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kirche, bei<br />

der die Rettungsarbeiten teilweise beh<strong>in</strong>dert wurden und das Gebet ansche<strong>in</strong>end miss-<br />

braucht wurde, um näher am E<strong>in</strong>satzort se<strong>in</strong> zu können. Die Frage des Pfarrers, ob er<br />

die Krankensalbung spenden dürfe, wurde während der Rettungsmaßnahmen vom be-<br />

fragten RA als „unangebracht“ 450 erlebt. Ferner wird <strong>im</strong> gleichen Fragebogen von e<strong>in</strong>em<br />

Priester berichtet, der e<strong>in</strong>em rean<strong>im</strong>ationspflichtigen Patienten die Krankensalbung ge-<br />

spendet und das h<strong>in</strong>zukommende RD-Personal bei den Rettungsmaßnahmen beh<strong>in</strong>dert<br />

hat. 451<br />

der Fragebögen wurde <strong>in</strong> der Regel bewusst nur von Kirche (als solcher) gesprochen, um den Antwortenden<br />

ihrem Verständnis von Kirche möglichst viel Freiraum zu lassen.<br />

445<br />

Vgl. Fragebögen RD-13 (jeweils 7) und KID (7); RD 1+2 s<strong>in</strong>d zwar römisch-katholisch, fühlen sich<br />

aber nicht mit der Kirche verbunden. RD 3 bezeichnet sich als Atheist.<br />

446<br />

In diesem Zusammenhang wurde bereits auf die Fragebögen verwiesen (vgl. Anm. 208). Nur Fragebogen<br />

RD 2 (16.1) berichtet auch von negativen Erfahrungen mit <strong>Notfallseelsorge</strong>rn.<br />

447<br />

Vgl. Fragebögen RD 1-3 (16.2). Lediglich Fragebogen KID (9.2) bezeichnet die NFS als „ureigene<br />

Aufgabe der Kirche“ und merkt kritisch an, dass die Kirche <strong>Seelsorge</strong>rn die Ausübung dieser Aufgabe<br />

erschwert und das Pfarrerse<strong>in</strong> ansche<strong>in</strong>end auf e<strong>in</strong>en Beruf reduziert wurde.<br />

448<br />

Vgl. Tonque Langleder <strong>in</strong> WIETERSHEIM: Ruft mir bei Lebensgefahr e<strong>in</strong>en <strong>Seelsorge</strong>r, 134. Es ist<br />

wohl auch schon vorgekommen, dass e<strong>in</strong>e hl. Messe e<strong>in</strong>fach weitergefeiert wurde, während <strong>im</strong> Kirchenschiff<br />

rean<strong>im</strong>iert wurde; das RD-Personal fühlte sich nach eigenen Angaben dabei fehl am Platz.<br />

449<br />

Vgl. Fragebogen RD 3 (23.1).<br />

450<br />

Fragebogen RD 1 (23.1).<br />

451<br />

Vgl. Fragebogen RD 1 (23.1). Die Fragebögen RD 2 (23.1) und KID (16.1) nennen ke<strong>in</strong>e besonderen<br />

Vorkommnisse, RD 2 weist allerd<strong>in</strong>gs auf Unsicherheiten h<strong>in</strong>. Zu Möglichkeiten, solche unguten<br />

Begegnungen zu vermeiden vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 23.2) und KID (16.2) und NFS (16).<br />

93


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

5.2 Erwartungen und Wünsche an die Kirche<br />

Aufgrund der bereits genannten Unterstützung, die das RD-Personal durch die NFS bei<br />

verschiedenen E<strong>in</strong>satz<strong>in</strong>dikationen auf positive Weise wahrn<strong>im</strong>mt, ist wohl davon aus-<br />

zugehen, dass sich die E<strong>in</strong>satzkräfte von der Kirche e<strong>in</strong>e Fortführung der NFS erwarten<br />

und wünschen.<br />

Von den <strong>Notfallseelsorge</strong>rn erwarten die befragten <strong>Rettungsdienst</strong>ler, dass sie die fol-<br />

genden Eigenschaften besitzen: Fähigkeit zur Teamarbeit (<strong>in</strong>klusive Lernbereitschaft),<br />

Kompetenz, Verständnis, e<strong>in</strong>e offene Art, Empathie, Kongruenz, Authentizität. 452 Die<br />

KID-Mitarbeiter<strong>in</strong> wünscht sich, dass <strong>Notfallseelsorge</strong>r den Helfern des KID mehr Ver-<br />

und Zutrauen schenken und deren Dienst als gleichwertig anerkennen. 453<br />

Die Befragten sehen <strong>im</strong> Bereich von Aus- und Fortbildungen e<strong>in</strong>en Bedarf an ethischen,<br />

religiösen und psychologischen E<strong>in</strong>heiten und können sich vorstellen, dass sich auch<br />

Mitarbeiter der Kirche als Referenten e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen. 454<br />

Was die Beteiligung von kirchlichen <strong>Seelsorge</strong>rn an Angeboten zur Bearbeitung bela-<br />

stender E<strong>in</strong>sätze angeht, äußern sich die Fragebögen etwas kritischer; der Kirche und<br />

ihren Mitarbeitern wird hier nur e<strong>in</strong>e beschränkte Möglichkeit e<strong>in</strong>geräumt. 455<br />

Interessant ist und bleibt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang, wie das Sakrament der Krankensalbung überhaupt<br />

wahrgenommen wird. Ansche<strong>in</strong>end wird es noch (zu) oft als re<strong>in</strong>es Sterbesakrament verstanden.<br />

Ähnlich stellen auch zwei <strong>Notfallseelsorge</strong>r fest: „Erstaunlich viele Menschen, die der Kirche<br />

nahe stehen, aber auch Fernstehende, nehmen die Veränderung vom ‚Sterbesakrament’ zum Krankensakrament<br />

beharrlich nicht zur Kenntnis.“ (DIRNBERGER / MÜLLER-CYRAN: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 1.)<br />

Es sche<strong>in</strong>t für die meisten wohl so, dass die Krankensalbung nur oder erst dann angebracht ist, wenn<br />

es für alles andere zu spät ist. Im oben genannten Fall ist es natürlich für den RD unverständlich, dass<br />

der Priester ke<strong>in</strong>e Wiederbelebungsversuche unternommen hat. Hieran wird deutlich, dass <strong>in</strong> solchen<br />

Situationen zwei verschiedene Welten aufe<strong>in</strong>ander treffen. Auf die Problematik des Verständnisses<br />

der Krankensalbung kann hier leider nicht weiter e<strong>in</strong>gegangen werden; auch die Antworten zur<br />

Krankensalbung (<strong>in</strong> den Fragebögen) bieten dazu ke<strong>in</strong>e weiteren Anhaltspunkte. Vgl. Fragebögen<br />

RD 1-3 (jeweils 22) und KID (17). E<strong>in</strong> Priester, der zugleich Sanitäter ist, empfiehlt aus eigener Erfahrung,<br />

<strong>in</strong> solchen Fällen wie dem oben angeführten sowohl die Krankensalbung als auch die Wiederbelebungsmaßnahmen<br />

durchzuführen; dies sei sogar möglich, wenn der Priester selbst die Rean<strong>im</strong>ation<br />

vorn<strong>im</strong>mt. Vgl. Tonque Langleder <strong>in</strong> WIETERSHEIM: Ruft mir bei Lebensgefahr e<strong>in</strong>en <strong>Seelsorge</strong>r,<br />

136. Zum Verständnis des Sakramentes der Krankensalbung sei weiter verwiesen auf<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Sacrosanctum Concilium, Nr. 73 u. Nr. 75.<br />

452<br />

Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 20).<br />

453<br />

Vgl. Fragebogen KID (10).<br />

454<br />

Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 13.1-13.3). Für genaue Themenbereiche sei auf die jeweiligen<br />

Antworten verwiesen. Besonders Fragebogen RD 2 (13.2). RD 3 (13.3) hat e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit auf<br />

diesem Gebiet bereits erlebt. Vgl. dazu auch Fragebogen KID (8.4).<br />

455<br />

Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 15.4) und KID (14.3). Bei der Formulierung der RD-Bögen wurde<br />

bewusst darauf geachtet, dass danach gefragt wird, ob sich die jeweilige Person vorstellen kann, dass<br />

kirchliche Mitarbeiter ihr persönlich bei der Stressbearbeitung helfen können. RD 1 antwortet darauf<br />

h<strong>in</strong>gegen allgeme<strong>in</strong>. RD 2 tendiert für sich zu e<strong>in</strong>em SbE ® -Team, bei dem möglicherweise auch <strong>Notfallseelsorge</strong>r<br />

beteiligt s<strong>in</strong>d. RD 3 äußert sich hierzu gar nicht. KID räumt kirchlichen Mitarbeitern<br />

e<strong>in</strong>en Platz „als gute Ansprechpartner“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er def<strong>in</strong>ierten SbE ® -Struktur e<strong>in</strong>. Nicht übersehen werden<br />

darf bei diesem Aspekt, dass ohneh<strong>in</strong> bei vielen E<strong>in</strong>satzkräften gegenüber Angeboten zur Stressbearbeitung<br />

e<strong>in</strong>e gewisse Skepsis und Zurückhaltung besteht, die bereits (unter III, 4.1.2) erwähnt<br />

wurde.<br />

94


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Von <strong>Seelsorge</strong>rn, die sich <strong>in</strong> diesem Bereich engagieren, werden vor allem e<strong>in</strong>e entspre-<br />

chende Kompetenz (besonders auf den Gebieten Stressbewältigung und Kommunikati-<br />

on) und Offenheit erwartet. Sie sollen den Menschen und nicht die Kirche <strong>in</strong> den Mit-<br />

telpunkt stellen und sich die notwendige Zeit nehmen, wenn sie e<strong>in</strong> Begleitungsge-<br />

spräch führen. <strong>Seelsorge</strong>r sollten aber auch <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, zu akzeptieren, wenn je-<br />

mand ihre Hilfe nicht ann<strong>im</strong>mt. 456 Wichtig ersche<strong>in</strong>t gleichfalls, dass e<strong>in</strong> <strong>Seelsorge</strong>r, der<br />

RD-Mitarbeiter pastoral begleitet, auch Kenntnisse vom RD (Organisation, Arbeitswei-<br />

se, Berufsstressoren u. ä.) hat. 457<br />

Erwartungen und Wünsche an die Kirchengeme<strong>in</strong>de am Ort der Rettungswache oder am<br />

Wohnort wurden <strong>in</strong> den Fragebögen nicht geäußert. 458<br />

6 Zusammenfassung<br />

In der Kairologie wurde die Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es <strong>in</strong> ihren vielfältigen Fa-<br />

cetten ansatzweise dargestellt. E<strong>in</strong> besonderes Augenmerk galt den zahlreichen Bela-<br />

stungen und Gefahren <strong>im</strong> physischen und psychischen Bereich, mit denen die E<strong>in</strong>satz-<br />

kräfte <strong>in</strong> ihrem Dienst teilweise täglich konfrontiert werden.<br />

Im RD geht es um das menschliche Leben und dessen Grenzen. Rettungskräfte s<strong>in</strong>d<br />

Lebensretter, die aber auch lernen müssen damit umzugehen, dass sie nicht <strong>im</strong>mer hel-<br />

fen und retten können. Die Kairologie hat zudem gezeigt, dass <strong>in</strong> der Bevölkerung<br />

größtenteils ke<strong>in</strong> realistisches Bild vom RD und se<strong>in</strong>en Mitarbeitern vorherrscht, son-<br />

dern vielmehr alte Klischees und Vorurteile dom<strong>in</strong>ieren.<br />

Neben diesen belastenden und eher negativen Seiten kann aber auch festgehalten wer-<br />

den, dass <strong>im</strong> RD e<strong>in</strong> Arbeitsplatz gegeben ist, der S<strong>in</strong>n verleihen kann, Verantwortung<br />

verlangt und zutraut, der eigene Fähigkeiten und Entscheidungen fordert und fördert.<br />

Nicht unerwähnt bleiben darf ferner, dass <strong>im</strong> RD e<strong>in</strong> kollegialer Umgang und die per-<br />

sönliche Ebene e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle spielen.<br />

456 Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 15.6) und KID (14.4). RD 1 äußert sich eher klischeehaft (ke<strong>in</strong><br />

„steifes-Priester-Geme<strong>in</strong>demitglied-Verhältnis“ und ke<strong>in</strong>e „versteiften alten Priester“). RD 3 fordert,<br />

dass „ke<strong>in</strong>e christliche Dom<strong>in</strong>anz “ diese seelsorgliche Begleitung prägt. KID erwartet „den Mut, mit<br />

<strong>in</strong> E<strong>in</strong>sätze zu gehen und h<strong>in</strong>terher e<strong>in</strong>fach da zu se<strong>in</strong>.“<br />

457 Vgl. dazu Fragebogen RD 1 (15.4): „Das schwierigste ist, glaub ich, e<strong>in</strong> Gespräch mit e<strong>in</strong>er Person<br />

zu führen, die von der eigentlichen Materie <strong>Rettungsdienst</strong> ‚ke<strong>in</strong>e Ahnung’ hat.“<br />

458 Vgl. Fragebögen RD 1-3 (jeweils 24) und KID (18). Auch werden <strong>in</strong> den Antworten ke<strong>in</strong>e konkreten<br />

Möglichkeiten der Zusammenarbeit genannt. Fragebogen RD 1 macht das auch von den jeweiligen<br />

Verantwortlichen vor Ort abhängig. Fragebogen KID sieht e<strong>in</strong>e richtige Zusammenarbeit als Traum<br />

an, bezieht sich dabei aber wohl vor allem auf die Kooperation von KID und NFS („Teams zusammenlegen“).<br />

95


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Als die <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>führung genannten positiven „Zeichen der Zeit“ 459 <strong>im</strong> RD sollen an<br />

dieser Stelle die folgenden drei Momente angeführt werden:<br />

- Im RD setzen sich Menschen für Mitmenschen <strong>in</strong> Krisen- und Notsituationen e<strong>in</strong><br />

und nehmen dafür auch Gefahren, lange Arbeitszeiten und e<strong>in</strong>e eher ger<strong>in</strong>ge Ver-<br />

gütung <strong>in</strong> Kauf; sehr viele engagieren sich sogar ehrenamtlich. Zu den wesentli-<br />

chen Motiven für diesen Dienst zählen unter anderem die Nächstenliebe und das<br />

Ideal, anderen zu helfen und möglichst gut helfen zu können.<br />

- Im RD hat vor e<strong>in</strong>igen Jahren e<strong>in</strong> Umdenkprozess h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em ganzheitlichen<br />

Menschenbild begonnen, der positive Konsequenzen für die Patientenbetreuung,<br />

die RD-Ausbildung und Unterstützung des Personals mit sich br<strong>in</strong>gt. Menschliche<br />

Zuwendung, psychische Betreuung und E<strong>in</strong>satznachsorge seien beispielhaft dafür<br />

genannt. Nach dem Idealbild steht der Mensch als ganzer <strong>im</strong> Mittelpunkt der Be-<br />

mühungen des <strong>Rettungsdienst</strong>es (wie auch der Kirche). Die Sorge um den hilfsbe-<br />

dürftigen Menschen und auch die Nächstenliebe verb<strong>in</strong>den also RD und Kirche.<br />

- Von Seiten der Hilfsorganisationen (ASB, DRK, JUH und MHD), die <strong>in</strong> den RD<br />

e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d, spricht zum<strong>in</strong>dest grundsätzlich nichts gegen e<strong>in</strong> Zusammen-<br />

wirken mit der Kirche und ihren Mitarbeitern. Die JUH und der MHD s<strong>in</strong>d auf-<br />

grund ihrer Tradition und Leitl<strong>in</strong>ien eng mit den christlichen Kirchen verbunden.<br />

Auch der ASB und das DRK können sich besonders <strong>in</strong> den Bereichen Krisen<strong>in</strong>ter-<br />

vention, Aus- und Fortbildungen und E<strong>in</strong>satznachsorge vorstellen, mit der Kirche<br />

zusammenzuarbeiten beziehungsweise s<strong>in</strong>d schon dabei. Auch von Seiten der be-<br />

fragten E<strong>in</strong>satzkräfte s<strong>in</strong>d für die Kirche die Türen zum RD nicht grundsätzlich<br />

verschlossen. Es bestehen durchaus Wünsche an kompetente und offene Seelsor-<br />

ger.<br />

Schließlich kann das Bild vom RD, der rund um die Uhr e<strong>in</strong>satzbereit ist und ständig<br />

mit dem Unerwarteten rechnen muss, auch e<strong>in</strong> Vorbild für die Kirche und ihre Gläubi-<br />

gen se<strong>in</strong>, die ebenfalls zur Wachsamkeit und zum Bereitse<strong>in</strong> aufgerufen s<strong>in</strong>d. 460<br />

459 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Gaudium et spes, Nr. 4.<br />

460 Damit sie die die Wiederkunft Jesu Christi nicht verschlafen und versäumen; denn sie kennen weder<br />

den Tag noch die Stunde der Parusie des Herrn (vgl. Mt 25,13).<br />

96


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

1 E<strong>in</strong>führung<br />

IV PRAXEOLOGIE<br />

– Opt<strong>im</strong>ierung der zukünftigen Praxis –<br />

„Die Kirche,“ so stellt Paul M. Zulehner fest, „deren Praxis die Pastoraltheologie wis-<br />

senschaftlich reflektiert, um zu deren Weiterentwicklung beizutragen, versteht sich als<br />

‚ecclesia semper reformanda’.“ 461 Sie ist folglich <strong>im</strong>mer wieder zu reformieren, zu er-<br />

neuern und zu opt<strong>im</strong>ieren, weil Differenzen zwischen dem von Gott gegebenen Auftrag<br />

und der aktuellen Umsetzung bestehen oder sich die Situation der Gesellschaft gewan-<br />

delt hat. Da sich die Praxis der Kirche <strong>im</strong>mer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dialektischen Spannung zwischen<br />

Personen und Strukturen entwickelt, s<strong>in</strong>d auch deren Reformen von Personen und<br />

Strukturen abhängig. 462<br />

Die Kirche und ihre Mitglieder brauchen zu jeder Zeit unter anderem den Mut zu Re-<br />

formen. „Solcher Christenmut ist lernbar. Jene, die ihn <strong>in</strong> dem ihnen möglichen refor-<br />

merischen Handeln zeigen, s<strong>in</strong>d Hoffnung dafür, daß auch zukünftig die Kirche ihrem<br />

Auftrag <strong>in</strong> unserer Zeit, so gut sie kann, gerecht wird.“ 463<br />

In der nun anstehenden Praxeologie sollen <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>ige Handlungs<strong>im</strong>pulse und<br />

Gedankenanstöße gegeben werden, die für e<strong>in</strong>e Opt<strong>im</strong>ierung der kirchlichen Praxis auf<br />

dem hier untersuchten Gebiet e<strong>in</strong>en Beitrag leisten möchten.<br />

Zunächst gilt es aber, sich noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> knapper Form an die bisher gegangenen<br />

Schritte und ihre Hauptergebnisse zu er<strong>in</strong>nern:<br />

In der zuerst durchgeführten Kriteriologie wurden die Kriterien und Ziele erarbeitet,<br />

damit die nun folgenden Impulse auch spurtreu und „zielsicher“ 464 se<strong>in</strong> können.<br />

Hauptziel und -kriterium für die Kirche s<strong>in</strong>d und bleiben der Auftrag und die Offenba-<br />

rung Gottes – besonders das Leben Jesu mit se<strong>in</strong>er Botschaft, se<strong>in</strong>em Wirken bis zum<br />

Kreuz und darüber h<strong>in</strong>aus zur Auferweckung zu e<strong>in</strong>em Leben <strong>in</strong> Fülle. 465<br />

Es geht also <strong>im</strong> Wesentlichen um die Sorge für den von Gott erschaffenen und geliebten<br />

Menschen, dem e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> Würde und <strong>in</strong> Freiheit zugesagt ist. Die Kirche soll Jesus<br />

Christus dabei helfen, der Menschheit dieses Leben zu verkünden und zu ermöglichen.<br />

461 ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 305; eigene Hervorhebung. Die dar<strong>in</strong> verwendete late<strong>in</strong>ische<br />

Formulierung stammt aus der calv<strong>in</strong>istischen Theologie Anfang des 17. Jahrhunderts und wurde vom<br />

Zweiten Vatikanischen Konzil vorsichtig aufgegriffen (vgl. dazu ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL:<br />

Lumen gentium, Nr. 9 und ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Unitatis red<strong>in</strong>tegratio, Nr. 6). Vgl.<br />

KEHL: Ecclesia, 437. Der Term<strong>in</strong>us drückt aus, dass „sich die Kirche <strong>in</strong> Lebensstil, Verkündigung<br />

und Grundstrukturen ständig v. Wort Gottes richten u. erneuern lassen muß.“ (KEHL: Ecclesia, 437.)<br />

462 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 305.<br />

463 ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 306.<br />

464 ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 247.<br />

97


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Im Rahmen der Kairologie wurde dann die aktuelle Situation <strong>im</strong> RD ansatzweise analy-<br />

siert und dargestellt; dabei wurde nach den „Zeichen der Zeit“ <strong>im</strong> Bereich des Ret-<br />

tungsdienstes geforscht. Festgestellt wurde, dass die Hilfsorganisationen und E<strong>in</strong>satz-<br />

kräfte <strong>im</strong>mer mehr die ganzheitliche Sorge des Menschen <strong>im</strong> Blick haben. Möglichkei-<br />

ten der Zusammenarbeit zwischen Kirche und <strong>Rettungsdienst</strong> s<strong>in</strong>d von beiden Seiten<br />

grundsätzlich vorstellbar, teilweise sogar erwünscht und bereits ansatzweise umgesetzt.<br />

Hanjo von Wietershe<strong>im</strong> stellt dementsprechend fest: „Sowohl die Hilfsorganisationen<br />

als auch die Kirchen wollen Menschen helfen. Es ist gut, wenn sie eng zusammenar-<br />

beiten“ 466 – um der Menschen willen. Dabei ist aber stets darauf zu achten, dass alle<br />

E<strong>in</strong>richtungen ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bewahren können und sollen.<br />

In diesem nun anstehenden letzten Schritt geht es darum, aus den vorangegangenen und<br />

vielfältigen Untersuchungen e<strong>in</strong>ige Möglichkeiten und auffordernde Impulse für die<br />

Praxis der Kirche von heute zu suchen und zu geben.<br />

2 Handlungs<strong>im</strong>pulse für die kirchliche Praxis<br />

2.1 Im Bereich der <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

Die Kompetenzen der Kirche und ihrer pastoralen Mitarbeiter auf dem Gebiet der Be-<br />

treuung, <strong>Seelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention werden von vielen <strong>im</strong> RD Tätigen anerkannt.<br />

Dementsprechend fasst Beate Coellen dies zusammen: „<strong>Seelsorge</strong>r [...] s<strong>in</strong>d also von<br />

Berufs wegen <strong>in</strong> den Stand gesetzt, sich den Nöten ihrer Mitmenschen sachgerecht zu-<br />

zuwenden. Im Laufe ihres Berufsalltages werden Geistliche mit den unterschiedlichsten<br />

Formen von seelischen Belastungen konfrontiert [...]. Riten, die die Trauerarbeit er-<br />

möglichen und befördern, s<strong>in</strong>d ihnen vertraut. Noch gibt es bei den christlichen Kirchen<br />

e<strong>in</strong> flächendeckendes Netz von Pfarrämtern, so dass e<strong>in</strong> Geistlicher <strong>in</strong> relativ kurzer<br />

Frist an e<strong>in</strong>em Schadenort verfügbar se<strong>in</strong> kann. H<strong>in</strong>zu kommt, dass Geistliche pr<strong>in</strong>zipi-<br />

ell rund um die Uhr <strong>im</strong> Dienst s<strong>in</strong>d [...]. In der Regel verfügen christliche Geme<strong>in</strong>den<br />

auch über Räumlichkeiten.“ 467<br />

Die NFS gehört zweifelsfrei zum Auftrag der Kirche. Der Kirche sollte es also unbe-<br />

d<strong>in</strong>gt daran gelegen se<strong>in</strong>, diesen wichtigen Dienst der NFS fortzuführen, weiter auszu-<br />

bauen, qualitativ zu sichern und dabei <strong>im</strong>mer mehr und besser um der Menschen willen<br />

465 Vgl. ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 15 u. 294.<br />

466 WIETERSHEIM: Partner für Menschen <strong>in</strong> Not, 14.<br />

467 COELLEN: <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention, 67.<br />

98


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

mit den verschiedenen Hilfse<strong>in</strong>richtungen wie Feuerwehr und RD und ebenso mit der<br />

Polizei zusammenzuwirken. 468<br />

Allerd<strong>in</strong>gs sollte die Kirche sich bewusst se<strong>in</strong>, dass sie nicht die e<strong>in</strong>zige kompetente<br />

Anbieter<strong>in</strong> auf den Gebieten der Krisen<strong>in</strong>tervention und der E<strong>in</strong>satznachsorge ist. 469 Der<br />

KID des <strong>Rettungsdienst</strong>es, Psychologen und Ärzte leisten auf diesem Gebiet ebenso<br />

wertvolle Hilfe, die es anzuerkennen gilt; mit ihnen ist e<strong>in</strong>e Kooperation anzustreben.<br />

Ebenso sollte auch deutlich geworden se<strong>in</strong>, dass „die als notwendig erkannte Betreuung<br />

von Menschen mit e<strong>in</strong>er posttraumatischen Streßsituation [...] <strong>in</strong> unserer Gesellschaft<br />

nicht auf christliche <strong>Seelsorge</strong> alle<strong>in</strong> begrenzt werden“ 470 kann.<br />

Die Kirche ist hier aufgefordert, sich mit ihren Mitarbeitern um der Menschen willen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Netz von Helfern e<strong>in</strong>zukl<strong>in</strong>ken und auch zu akzeptieren, dass ihre Hilfe nicht unbe-<br />

d<strong>in</strong>gt überall und zu jeder Zeit gefragt ist. Auch e<strong>in</strong>e (sche<strong>in</strong>bare) gelegentliche Ent-<br />

behrlichkeit und Unerwünschtheit muss, entsprechend der Praxis Jesu, ausgehalten wer-<br />

den können. 471<br />

2.1.1 Organisation und Ausstattung der <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

Nach den Erfahrungen des ICE-Unglücks von Eschede hat e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der NFS Verantwortli-<br />

cher folgende Konsequenzen gefordert: „Jeder (!) Kirchenkreis braucht e<strong>in</strong> nach be-<br />

st<strong>im</strong>mten Standards aufgebautes und ausgebildetes <strong>Notfallseelsorge</strong>system, das die<br />

Vernetzung mit anderen psychologischen Hilfsangeboten von vornhere<strong>in</strong> anstrebt [...].<br />

E<strong>in</strong>e weitgehend e<strong>in</strong>heitliche Schutzkleidung, möglichst fälschungssichere Dienstaus-<br />

weise, e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Kfz-Kennzeichnung, e<strong>in</strong>e Grundausstattung der Kirchenkreise [...]<br />

mit Fernmeldetechnik s<strong>in</strong>d anzustreben.“ 472<br />

E<strong>in</strong>e gute und der aktuellen Technik <strong>im</strong> Rettungswesen entsprechende Ausstattung der<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r ist also durchaus angebracht. Allerd<strong>in</strong>gs sollte dabei stets darauf ge-<br />

achtet werden, dass die Form nicht über dem Inhalt steht und sich die NFS nicht <strong>in</strong> rei-<br />

468 Für diese Zusammenarbeit auf dem Gebiet der NFS zwischen Kirche und anderen E<strong>in</strong>richtungen<br />

kann es hilfreich se<strong>in</strong>, die Aussage der Ärzt<strong>in</strong> Adrienne von Speyr über die Kooperation zwischen<br />

Arzt und Priester auf die E<strong>in</strong>satzkräfte und <strong>Notfallseelsorge</strong>r zu übertragen: „Arzt und Priester sollten<br />

nicht nur <strong>in</strong> extremen Fällen mite<strong>in</strong>ander Kontakt aufnehmen, vielmehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em regelmäßigen Umgang<br />

die Punkte besser kennenlernen, wo sich ihre Arbeit berührt, und versuchen, die Spannungen<br />

zwischen ihren Kompetenzen <strong>im</strong>mer fruchtbarer zu machen: zugunsten der Patienten.“ (SPEYR: Arzt<br />

und Patient, 76.)<br />

469 Vielleicht kann dabei die Perikope <strong>in</strong> Mk 9,38-41 e<strong>in</strong>e Verständnishilfe für die Kirche bieten, <strong>in</strong> der<br />

Jesus die guten Taten e<strong>in</strong>es Menschen anerkennt, der nicht zu se<strong>in</strong>er Jüngergeme<strong>in</strong>de (<strong>im</strong> engeren<br />

S<strong>in</strong>n) zählt, aber durchaus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Auftrag und se<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>n anderen hilft.<br />

470 ENGELHARDT : Zwischen Hilfsbereitschaft und Ohnmacht, 163; eigene Hervorhebung.<br />

471 Vgl. dazu Mk 6,11: Den Jüngern trägt Jesus bei ihrer Aussendung auf, an den Orten, an denen sie<br />

nicht willkommen und erwünscht s<strong>in</strong>d, sich nicht aufzudrängen, sondern weiterzugehen.<br />

472 BEAUFTRAGTER FÜR DIE NOTFALLSEELSORGE: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 203f.<br />

99


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

ner Äußerlichkeit verläuft. Die christliche Botschaft, die <strong>Seelsorge</strong> als solche und der<br />

hilfsbedürftige Mensch müssen jederzeit <strong>im</strong> Vordergrund stehen; die Ausstattung dient<br />

e<strong>in</strong>deutig nur als Hilfsmittel. Die NFS handelt grundsätzlich <strong>im</strong> Auftrag Gottes und sei-<br />

ner Kirche um der Menschen willen; dieser Auftrag darf nicht durch Nebensächlichkei-<br />

ten überdeckt oder verraten werden. 473<br />

Hilfreich kann es se<strong>in</strong>, wenn <strong>Notfallseelsorge</strong>r als Team arbeiten und zu zweit e<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>satz fahren; dies entspricht zum e<strong>in</strong>en der Praxis Jesu, der se<strong>in</strong>e Jünger <strong>im</strong>mer zu<br />

zweit ausgesandt hat (vgl. Mk 6,7 u. a.) und zum anderen birgt dieses Vorgehen mehr<br />

Sicherheit und Flexibilität für alle Beteiligten <strong>in</strong> sich.<br />

Ferner sollte <strong>in</strong> jedem NFS-System regelmäßig die Praxis, besonders die Zusammenar-<br />

beit mit den Rettungsfachdiensten (vor allem RD, Feuerwehr und Polizei), geme<strong>in</strong>sam<br />

(mit den Vertretern dieser E<strong>in</strong>richtungen) reflektiert werden und entsprechende Konse-<br />

quenzen aus den Ergebnissen gezogen werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass<br />

die NFS zuverlässig, qualifiziert und am Rettungssystem und an den betroffenen Men-<br />

schen orientiert arbeitet und auch weiterh<strong>in</strong> von der Leitstelle und den E<strong>in</strong>satzkräften als<br />

willkommene Unterstützung geschätzt und <strong>in</strong> Anspruch genommen wird. 474<br />

Wichtig ist auch, dass es <strong>in</strong> möglichst jeder NFS-E<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>ige Mitarbeiter gibt, die<br />

zusätzlich für die SbE ® ausgebildet s<strong>in</strong>d. So können die Rettungskräfte nach besonders<br />

belastenden E<strong>in</strong>sätzen für die E<strong>in</strong>satznachsorge gegebenenfalls auch auf diese, vor Ort<br />

bekannten <strong>Notfallseelsorge</strong>r zurückgreifen. 475<br />

2.1.2. Eignung und Qualifikation der <strong>Notfallseelsorge</strong>r<br />

Es ist s<strong>in</strong>nvoll, dass haupt- und nebenamtliche pastorale Mitarbeiter <strong>in</strong> der Kirche moti-<br />

viert werden, sich zusätzlich <strong>in</strong> der NFS zu engagieren; wenn man die <strong>in</strong> der Kriteriolo-<br />

gie (unter II, 2.2.2.3) erwähnte Kirchenordnung Testamentum Dom<strong>in</strong>i aktualisiert, kann<br />

473 Dazu bemerkt der <strong>Notfallseelsorge</strong>r Jochen M. He<strong>in</strong>ecke: „Ich habe gern Spielzeug – auch technisches.<br />

Ich gehöre gern dazu, zu den Rettern – und das soll man auch von außen sehen. Wenn aber die<br />

Form den Inhalt überwuchert (vgl. Mt 13,7), kann es geschehen, daß am Ende nicht mehr der Baum<br />

des Lebens dasteht, sondern e<strong>in</strong> Weihnachtsbaum – voll von glänzendem Lametta, leuchtender Reflexstreifen<br />

und piepsender Handies. Zu e<strong>in</strong>em seriösen Angebot gehört e<strong>in</strong> glaubwürdiges Äußeres.“<br />

(HEINECKE: Erfahrungen als <strong>Seelsorge</strong>r <strong>in</strong> der Notfallsituation, 9.)<br />

474 Ferner sei zur Qualität <strong>in</strong> der NFS verwiesen auf KRAUSE: Qualitätssicherung, 305-313.<br />

475 Sigurd Sadowski hält zu diesem Aspekt fest: „Die beste Voraussetzung für den <strong>Notfallseelsorge</strong>r ist<br />

hier die aktive Mitarbeit oder e<strong>in</strong>e regelmäßige Präsenz <strong>in</strong> der Hilfsorganisation selbst: Gehört man<br />

dazu und spricht die Sprache der Kollegen, vermittelt man das Gefühl, e<strong>in</strong>er von ihnen zu se<strong>in</strong>, ohne<br />

sich vere<strong>in</strong>nahmen zu lassen, dann hat man e<strong>in</strong>en Zugang zu ihnen und ihren Familien [...].“<br />

(SADOWSKI: <strong>Notfallseelsorge</strong>, 427.) Da die strukturierte Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen<br />

nicht zur <strong>Notfallseelsorge</strong> als solcher gehört, soll <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em späteren Abschnitt (unter IV, 2.3)<br />

eigens darauf e<strong>in</strong>gegangen werden. Vgl. dazu ferner MÜLLER-LANGE: E<strong>in</strong>satznachsorge, 283f.<br />

100


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

hier besonders für Diakone e<strong>in</strong> Aufgabengebiet gesehen werden. 476 Unterstützende und<br />

motivierende Rahmenbed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d vom Personalmanagement für alle Notfallseel-<br />

sorger zu schaffen (beispielsweise die Anrechung als Arbeitszeit).<br />

Zu den Grundpr<strong>in</strong>zipien der NFS gehört, wie <strong>im</strong> ersten Schritt festgestellt wurde, die<br />

Freiwilligkeit, mit der sich <strong>Notfallseelsorge</strong>r für diesen Dienst zur Verfügung stellen.<br />

Genauso wichtig ist aber auch, wie bei allen Ämtern und Diensten <strong>in</strong> der Kirche, dass<br />

die Bewerber entsprechend geeignet und ausgebildet s<strong>in</strong>d. Die Verantwortlichen s<strong>in</strong>d es<br />

sowohl den zu Betreuenden und E<strong>in</strong>satzkräften als auch ihren eigenen Mitarbeitern ge-<br />

genüber schuldig, dass sie nur diejenigen zur NFS zulassen, die die entsprechende Eig-<br />

nung und Qualifikation vorweisen können. 477<br />

E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitlich geregelte und standardisierte NFS-Zusatzausbildung, die auf die ver-<br />

schiedenen pastoralen Grundausbildungen (von Geme<strong>in</strong>de-, Pastoralreferenten, Diako-<br />

nen und Priestern) aufbaut, ist gewiss unverzichtbar. Die <strong>in</strong> der Kriteriologie (unter II,<br />

3.1.3) als Quasi-Standard bezeichneten Voraussetzungen und Inhalte sollten bundesweit<br />

zum allgeme<strong>in</strong> anerkannten Standard werden.<br />

E<strong>in</strong>en wesentlichen Platz <strong>in</strong> der NFS-Ausbildung muss die Begegnung mit dem RD, der<br />

Feuerwehr und der Polizei e<strong>in</strong>nehmen; neben der theoretischen Wissensvermittlung<br />

ihrer Arbeitsweisen und Organisation sollten auch Praktika <strong>in</strong> diesen Bereichen (vor<br />

allem <strong>im</strong> RD) verb<strong>in</strong>dlich vorgeschrieben werden. Dies ist wichtig, damit die NFS nicht<br />

die Rettungsarbeiten beh<strong>in</strong>dert und gegebenenfalls auf Fragen der Angehörigen zu me-<br />

diz<strong>in</strong>ischen Maßnahmen (beispielsweise der Rean<strong>im</strong>ation) näher e<strong>in</strong>gehen kann. Außer-<br />

dem kann so e<strong>in</strong> erster Kontakt zu den E<strong>in</strong>satzkräften geschaffen werden. Ausreichende<br />

Kenntnisse <strong>in</strong> Erster Hilfe sollten ebenfalls von den <strong>Notfallseelsorge</strong>rn erworben und<br />

regelmäßig aufgefrischt werden. 478<br />

Die meisten <strong>Notfallseelsorge</strong>r s<strong>in</strong>d hauptamtlich <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>deseelsorge tätig und<br />

engagieren sich zusätzlich, sozusagen nebenamtlich <strong>in</strong> der NFS, die sich ja als Erweite-<br />

476 Vgl. dazu auch ZULEHNER: Dienende Männer, 59f.<br />

477 Die Kirche besitzt e<strong>in</strong>en wertvollen, von Gott geschenkten Schatz an begabten und talentierten Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeitern (sowohl auf ehren- als auch hauptamtlicher Basis). Es muss <strong>in</strong> der<br />

Kirche <strong>im</strong>mer mehr darum gehen, für die eigenen Mitarbeiter entsprechend ihren <strong>in</strong>dividuellen Fähigkeiten<br />

und Talenten, mit denen sie von Gott begabt worden s<strong>in</strong>d, die Stellen auszurichten anstatt<br />

Mitarbeiter <strong>in</strong> fest gefügte, nicht h<strong>in</strong>terfragte Arbeitsplätze h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuzwängen, für die die Betreffenden<br />

<strong>in</strong> der Form aber nicht unbed<strong>in</strong>gt geeignet s<strong>in</strong>d. Es gilt also, vielmehr die Aufgaben den Personen<br />

zuzuweisen und nicht die Personen den Aufgaben. Es bleibt der Kirche zu wünschen, dass fähige<br />

Leitungspersönlichkeiten das Geme<strong>in</strong>deschiff durch die Wogen der Zeit führen, die die Gaben und<br />

Begabungen geschickt e<strong>in</strong>setzen und verwalten, die der Herr se<strong>in</strong>er Kirche hat zukommen lassen.<br />

478 Im Laufe der Untersuchungen war der E<strong>in</strong>druck zu gew<strong>in</strong>nen, dass das Konzept der NFS Wetterau<br />

beispielhaft se<strong>in</strong> kann (besonders bezüglich der Eignung und Qualifikation der <strong>Notfallseelsorge</strong>r, der<br />

101


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

rung beziehungsweise Stellvertretung für die Geme<strong>in</strong>depastoral versteht. Wer neben-<br />

amtlich <strong>in</strong> der NFS tätig ist, sollte sich zunächst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er hauptamtlichen Stelle bewährt<br />

haben und es muss für ihn möglich se<strong>in</strong>, dass er bei e<strong>in</strong>er Alarmierung <strong>in</strong>nerhalb se<strong>in</strong>er<br />

Bereitschaftszeit für die NFS abkömmlich ist. 479<br />

Auf jeden Fall sollten <strong>Notfallseelsorge</strong>r auf ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen<br />

Rücksicht nehmen. Nur wer sich selbst helfen kann und bereit ist, gegebenenfalls auch<br />

von anderen Menschen Hilfe anzunehmen, kann selbst e<strong>in</strong> guter Helfer <strong>in</strong> der Not (und<br />

darüber h<strong>in</strong>aus) se<strong>in</strong>. Supervision und regelmäßige Gespräche mit e<strong>in</strong>em geistlichen<br />

Begleiter sollten für jeden (Notfall-) <strong>Seelsorge</strong>r selbstverständlich se<strong>in</strong>.<br />

Abschließend soll noch auf e<strong>in</strong>ige grundlegende Gedanken zu Kompetenz und Selbst-<br />

verständnis von <strong>Seelsorge</strong>rn (und damit auch <strong>Notfallseelsorge</strong>rn) e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

Der Pastoraltheologe Henri J. M. Nouwen sieht <strong>in</strong> Anlehnung an die Versuchungen Jesu<br />

durch den Satan <strong>in</strong> Mt 4,1-11 auch drei gefährliche Versuchungen für die <strong>Seelsorge</strong>r:<br />

nämlich unentbehrlich, beliebt und mächtig se<strong>in</strong> zu wollen. 480 Wenn sich e<strong>in</strong> <strong>Seelsorge</strong>r<br />

aber bewusst ist, dass er (nur) e<strong>in</strong> Werkzeug Gottes ist und dass er auch nicht alles kann<br />

und können muss, steht er nicht <strong>in</strong> der Gefahr, <strong>im</strong>mer aus eigenen Quellen zu schöpfen,<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Aktionismus zu verrennen und vielleicht <strong>im</strong> Burnout zu enden.<br />

Nouwen schreibt an anderer Stelle: „Der gute <strong>Seelsorge</strong>r hat die Berufung, Fertigkeiten<br />

zu entwickeln, ohne zum Gaukler zu werden, über Kenntnisse zu verfügen, ohne zum<br />

Schw<strong>in</strong>dler zu werden [...]. Wenn er die Fähigkeit besitzt, sich selbst zu verleugnen,<br />

offen und ehrlich zu se<strong>in</strong> und den S<strong>in</strong>n menschlichen Leidens zu begreifen, dann kann<br />

er dem Menschen, um den er sich kümmert, die Ahnung vermitteln, daß es Gott selber<br />

ist, der ihm durch die Hand se<strong>in</strong>es Dieners se<strong>in</strong>e zärtliche Liebe offenbart.“ 481<br />

Von e<strong>in</strong>em <strong>Notfallseelsorge</strong>r wird nicht erwartet, dass er alles kann und auf alles e<strong>in</strong>e<br />

Antwort hat. Er muss nicht unbed<strong>in</strong>gt zusätzlich als Rettungssanitäter, Feuerwehrmann,<br />

Arzt oder sonstiges ausgebildet se<strong>in</strong>. Was e<strong>in</strong> <strong>Notfallseelsorge</strong>r aber auf jeden Fall se<strong>in</strong><br />

muss und was von ihm erwartet wird, ist, dass er e<strong>in</strong> kompetenter Theologe und auf-<br />

Ausbildung und Zusammenarbeit mit Polizei, Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>). Vgl. dazu NOTFALL-<br />

SEELSORGE WETTERAU: <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau.<br />

479 E<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de will darauf vorbereitet se<strong>in</strong> und muss damit umgehen lernen, dass sie gegebenenfalls<br />

e<strong>in</strong>mal kurzfristig beispielsweise auf ihren Pfarrer verzichten muss, damit dieser e<strong>in</strong>em Menschen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er akuten Krisensituation beistehen kann. Hier s<strong>in</strong>d Interessenskonflikte nicht <strong>im</strong>mer auszuschließen.<br />

Doch sollte nach der Kriteriologie deutlich geworden se<strong>in</strong>, wo die Priorität zu setzen ist.<br />

In der Regel s<strong>in</strong>d aber ohneh<strong>in</strong> <strong>in</strong> vielen NFS-Systemen <strong>im</strong>mer zwei <strong>Notfallseelsorge</strong>r gleichzeitig<br />

zur Bereitschaft e<strong>in</strong>geteilt, so dass hier durchaus e<strong>in</strong>e Absprache möglich ist (zum Beispiel für die<br />

Gottesdienste am Sonntagmorgen oder den Schulunterricht).<br />

480 Vgl. NOUWEN: <strong>Seelsorge</strong>, die aus dem Herzen kommt, 19-25 u. 37-41 u. 55-60. Vgl. dazu auch<br />

ZIPPERT : Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>, 46.<br />

481 NOUWEN: Schöpferische <strong>Seelsorge</strong>, 106.<br />

102


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

merksamer Gottesmann ist, der mit Menschen mitleiden, reden, gegebenenfalls klagen,<br />

schweigen und beten kann. E<strong>in</strong> <strong>Notfallseelsorge</strong>r muss trotz aller Fragen, allem Leid<br />

und vielleicht auch sche<strong>in</strong>barer Gottlosigkeit durch se<strong>in</strong>e wohlwollende und unauf-<br />

dr<strong>in</strong>gliche Anwesenheit e<strong>in</strong> lebendiger Zeuge für die Liebe und Nähe Gottes <strong>in</strong> der Welt<br />

se<strong>in</strong>. 482<br />

Jeder <strong>Seelsorge</strong>r muss sich <strong>im</strong>mer (nicht nur bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz) bewusst se<strong>in</strong>, dass er<br />

nicht <strong>im</strong> eigenen Auftrag unterwegs ist und nicht se<strong>in</strong>e eigene Botschaft verkündet.<br />

Gott, der ihn gesandt hat, ist <strong>im</strong>mer schon bei den Menschen zugegen, die zu begleiten<br />

und zu betreuen s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> <strong>Seelsorge</strong>r muss Gott also nicht zu den Menschen br<strong>in</strong>gen,<br />

sondern er muss diese vielmehr auf ihrem Weg dabei unterstützen, Gott <strong>in</strong> ihrem Leben<br />

zu entdecken. Wer <strong>Seelsorge</strong>r ist, muss <strong>im</strong> Gespräch mit Gott se<strong>in</strong>, muss beten und auf<br />

ihn hören können.<br />

Nouwen hat e<strong>in</strong>en <strong>Seelsorge</strong>r vor Augen, „der se<strong>in</strong>e beiden Hände weit ausstreckt und<br />

e<strong>in</strong> Leben wählt, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e stete Abwärtsbewegung führt. Es ist das Bild e<strong>in</strong>es Men-<br />

schen, der betet, der verwundbar ist und der e<strong>in</strong> grenzenloses Vertrauen hat.“ 483<br />

Diese Grunde<strong>in</strong>stellung und -ausrichtung macht auch das folgende Gebet deutlich, dass<br />

<strong>Seelsorge</strong>r auf ihrem Weg zu e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satzort begleiten und auf die anstehenden Auf-<br />

gaben gut vorbereiten kann:<br />

„ Herr, sei mir jetzt nahe – und den Betroffenen.<br />

Gib mir Umsicht, Ruhe und Klarheit,<br />

Laß mich das Nötige überlegt, rasch und entschieden tun.<br />

Du rufst mich jetzt zum Helfen und Trösten.<br />

Schenke mir Kraft dazu, <strong>in</strong> Jesu Namen. Amen.“ 484<br />

2.2 Im Bereich der <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Da es <strong>in</strong> dieser Kategorialseelsorge bisher nur wenige Stellen gibt und aufgrund der<br />

f<strong>in</strong>anziellen und personellen Lage der Kirchen <strong>in</strong> diesem Bereich vermutlich auch ke<strong>in</strong>e<br />

zusätzlichen entstehen werden, soll hier nur kurz darauf e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

482 E<strong>in</strong>e Umfrage unter den <strong>Seelsorge</strong>rn, die sich be<strong>im</strong> Unglück von Eschede vor Ort engagiert haben,<br />

„ergab, daß sie <strong>in</strong> den verschiedenen E<strong>in</strong>satzorten <strong>in</strong> unterschiedlicher Weise als Theologen/<strong>in</strong>nen<br />

gefragt waren [...]. Es g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> den ersten Stunden um menschliche Begleitung, um Nähe, um Mitle iden.“<br />

(HÖLTERHOFF: Katastrophenseelsorge, 129.) Ferner sei auf die Ratschläge h<strong>in</strong>gewiesen, die <strong>im</strong><br />

Fragebogen NFS (9) an zukünftige <strong>Notfallseelsorge</strong>r weitergegeben werden.<br />

483 NOUWEN: <strong>Seelsorge</strong>, die aus dem Herzen kommt, 70f.<br />

484 KIRCHENKANZLEI DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND: <strong>Kirchliche</strong>s Handeln bei Un-<br />

glücksfällen und Katastrophen, 28.<br />

103


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Es ersche<strong>in</strong>t wichtiger, dass sich die Pastoral auf die Geme<strong>in</strong>deseelsorge konzentriert<br />

und nach wie vor hier ihre Schwerpunkte setzt; das heißt aber noch lange nicht, dass<br />

diese Kategorialseelsorge e<strong>in</strong>gestellt werden soll. Die bereits e<strong>in</strong>gerichteten Stellen sol-<br />

len effektiv über die Bundesrepublik verteilt werden und sich vor allem auf die Bal-<br />

lungsräume fokussieren.<br />

Die Stellen<strong>in</strong>haber sollten sich <strong>im</strong> RD und <strong>in</strong> der Feuerwehr bestens auskennen und<br />

eventuell sogar e<strong>in</strong>e Ausbildung <strong>in</strong> diesem Bereich absolviert haben, damit sie auch<br />

wirklich e<strong>in</strong>e Hilfe und Unterstützung se<strong>in</strong> können und von den E<strong>in</strong>satzkräften leichter<br />

anerkannt werden; <strong>in</strong> diesen Bereichen wird nämlich mehr Wert auf Kollegialität als auf<br />

Titel und Ämter gelegt.<br />

Es ist anzustreben, dass diese Kategorialseelsorger ökumenisch zusammenarbeiten und<br />

mit Hilfe von Fortbildungen und Publikationen <strong>in</strong>teressierten Geme<strong>in</strong>deseelsorgern<br />

weiterhelfen, die <strong>in</strong> ihren Pfarrgeme<strong>in</strong>den auch auf die Rettungs- und Feuerwachen zu-<br />

gehen wollen und bereit s<strong>in</strong>d, deren Personal gegebenenfalls als Ansprechpartner zur<br />

Verfügung zu stehen und seelsorglich zu begleiten.<br />

2.3 Im Bereich der Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen<br />

Auch <strong>im</strong> Bereich der SbE ® sollten sich kirchliche Mitarbeiter weiterh<strong>in</strong> engagieren und<br />

mit Mitarbeitern des KID, Psychologen, Ärzten und weiteren E<strong>in</strong>satzkräften zusam-<br />

menarbeiten. Es ist s<strong>in</strong>nvoll, wenn es <strong>in</strong> jeder NFS-E<strong>in</strong>heit auch <strong>Notfallseelsorge</strong>r gibt,<br />

die zusätzlich e<strong>in</strong>e SbE ® -Qualifikation besitzen. Wie <strong>in</strong> der Kairologie (unter III, 4.1.2)<br />

festgestellt wurde, ist es für viele E<strong>in</strong>satzkräfte hilfreich, wenn zur E<strong>in</strong>satznachsorge<br />

Gesprächspartner zur Verfügung stehen, die den RD aus eigener Erfahrung gut kennen<br />

und über gewisse Erfahrungen <strong>in</strong> diesem Bereich verfügen. 485 Es kann dabei durchaus<br />

von Vorteil se<strong>in</strong>, wenn von der Rettungswache unabhängige, sozusagen neutrale Perso-<br />

nen für die E<strong>in</strong>satznachsorge qualifiziert s<strong>in</strong>d. So ist Manuel Rupp der Me<strong>in</strong>ung: „Auch<br />

die kompetentesten Helfer können <strong>in</strong> Not geraten. Hilfe bei außenstehenden Dritten zu<br />

suchen, kann auch für sie e<strong>in</strong>e Chance se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>neren Abstand zu gew<strong>in</strong>nen, e<strong>in</strong>en neuen<br />

Realitätsbezug zu schaffen, das e<strong>in</strong>geengte Beziehungsnetz zu erweitern und frische<br />

Impulse ‚von außen’ aufzunehmen.“ 486<br />

485 Vgl. Fragebögen NFS (11.2) und RD 1 (15.2).<br />

486 RUPP: Notfall Seele, 29. Nicht wenige <strong>Seelsorge</strong>r können, nicht zuletzt durch die E<strong>in</strong>richtung des<br />

Zivildienstes, durchaus beides anbieten: Wissen und Erfahrung <strong>im</strong> RD und Neutralität. Hier steckt<br />

e<strong>in</strong> bedeutendes Potential der Kirche für die Zusammenarbeit mit dem RD. Im Bischöflichen Priestersem<strong>in</strong>ar<br />

<strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z beispielsweise waren <strong>in</strong> den vergangenen Jahren <strong>im</strong>mer auch Alumnen e<strong>in</strong>geschrieben,<br />

die e<strong>in</strong>e RD-Ausbildung absolviert hatten. So gehörten <strong>im</strong> W<strong>in</strong>tersemester 2003/2004 dem<br />

104


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Das vom MHD entwickelte Mediatorenmodell bietet hier sicher e<strong>in</strong>e gute Gelegenheit<br />

für das Zusammenwirken von RD, Kirche und anderen E<strong>in</strong>richtungen. Allerd<strong>in</strong>gs be-<br />

steht noch erheblicher Handlungsbedarf, was die Akzeptanz und Nutzung bei den E<strong>in</strong>-<br />

satzkräften angeht. <strong>Kirchliche</strong> Mitarbeiter können den Hilfsorganisationen (<strong>im</strong> Großen)<br />

und den Rettungswachen vor Ort (<strong>im</strong> Kle<strong>in</strong>en), die für ihr Personal schließlich zustän-<br />

dig und verantwortlich s<strong>in</strong>d, dabei ihre Unterstützung anbieten.<br />

2.4 Im Bereich der Aus- und Fortbildungen <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Die Kairologie hat (unter III, 4.2 und III, 5.2) gezeigt, dass sowohl die befragten RD-<br />

Mitarbeiter als auch die Hilfsorganisationen auf dem Gebiet der Aus- und Fortbildungen<br />

e<strong>in</strong>e Möglichkeit sehen, <strong>in</strong> der sich <strong>Notfallseelsorge</strong>r, <strong>Seelsorge</strong>r <strong>in</strong> Feuerwehr und<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> und andere kompetente kirchliche Mitarbeiter e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können. Ethi-<br />

sche und religiöse Themen s<strong>in</strong>d ebenso gefragt wie Grundlagen e<strong>in</strong>er Basiskrisen<strong>in</strong>ter-<br />

vention; natürlich ist dabei auf die Wünsche der Verantwortlichen und E<strong>in</strong>satzkräfte vor<br />

Ort Rücksicht zu nehmen. 487<br />

Nicht zuletzt können geme<strong>in</strong>same Übungen von NFS, Feuerwehr, Polizei, KID und RD<br />

die Zusammenarbeit stärken und dem Wohl des Patienten dienen. Gerade bei solchen<br />

praktischen E<strong>in</strong>heiten können die E<strong>in</strong>satzkräfte und <strong>Seelsorge</strong>r geme<strong>in</strong>sam beraten und<br />

tra<strong>in</strong>ieren, wie <strong>in</strong> solchen Notsituationen die Patienten, deren Angehörige und weitere<br />

Beteiligte opt<strong>im</strong>al versorgt und betreut werden und sich die Helfer nicht gegenseitig<br />

beh<strong>in</strong>dern. Außerdem bieten die Übungen e<strong>in</strong>e Chance, Vorurteile und Klischees auf<br />

allen Seiten <strong>im</strong>mer mehr abzubauen.<br />

E<strong>in</strong>ladungen zu solchen Veranstaltungen sollten also auf jeden Fall angenommen wer-<br />

den und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit sollte auch auf diesem Gebiet signalisiert<br />

werden.<br />

2.5 Auf Geme<strong>in</strong>deebene<br />

2.5.1 Wohlwollen und gegenseitige Unterstützung<br />

Bei der nun folgenden, gewiss nicht vollständigen Darstellung von Möglichkeiten der<br />

Zusammenarbeit von RD und Kirchengeme<strong>in</strong>de vor Ort, soll nicht der E<strong>in</strong>druck er-<br />

weckt werden, dass sich pastorale Mitarbeiter <strong>in</strong> Zukunft ausschließlich um die Anlie-<br />

Alumnat (mit Studierenden aus dem Bistum Speyer und den beiden Ma<strong>in</strong>zer Pastoralkursen) unter<br />

anderem e<strong>in</strong> Notarzt, zwei Rettungsassistenten und zwei Rettungssanitäter an, so dass re<strong>in</strong> theoretisch<br />

e<strong>in</strong> NAW und e<strong>in</strong> RTW mit diesen Sem<strong>in</strong>aristen besetzt werden könnte.<br />

105


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

gen des <strong>Rettungsdienst</strong>es bemühen sollen. Ziel ist es, mögliche Ansätze aufzuweisen,<br />

die teilweise bereits mancherorts verwirklicht wurden.<br />

Als wichtige Grundlage kann angesehen werden, dass die Kirchengeme<strong>in</strong>de den RD<br />

und ebenso die Feuerwehr und Polizei vor Ort als wichtige E<strong>in</strong>richtungen wahrnehmen<br />

und ihren Dienst am Nächsten respektvoll anerkennen muss; denn die Nächstenliebe,<br />

die hier praktiziert wird, ist ohne Zweifel wichtiger Ausdruck des Christentums.<br />

Aus diesem Grund ist es s<strong>in</strong>nvoll an e<strong>in</strong>em gegenseitigen Wohlwollen zu arbeiten. Dies<br />

kann leichter se<strong>in</strong>, wenn sich Geme<strong>in</strong>demitglieder <strong>in</strong> diesen Organisationen engagieren<br />

und sozusagen als Brückenbauer tätig s<strong>in</strong>d.<br />

Die Kirchengeme<strong>in</strong>de kann dem RD vor Ort e<strong>in</strong>en großen Dienst leisten, wenn sie mit-<br />

hilft, zum<strong>in</strong>dest bei ihren Mitgliedern e<strong>in</strong> realistisches Bild vom RD zu entwickeln, da-<br />

mit dessen soziale Stellung und Anerkennung <strong>in</strong> der Bevölkerung steigt. Außerdem ist<br />

es s<strong>in</strong>nvoll, den RD <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Anliegen zu unterstützen, möglichst zahlreiche Menschen<br />

als Ersthelfer auszubilden, damit <strong>in</strong> Notfällen die Notrufmeldungen richtig getätigt wer-<br />

den und die Zeit bis zum E<strong>in</strong>treffen des <strong>Rettungsdienst</strong>es durch Sofortmaßnahmen ge-<br />

gebenenfalls lebensrettend überbrückt wird. Erste-Hilfe-Kurse für haupt- und ehren-<br />

amtliche Mitarbeiter der Kirche, die regelmäßig von der Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />

mit e<strong>in</strong>er Hilfsorganisation durchgeführt werden, s<strong>in</strong>d daher empfehlenswert. Neben der<br />

Unterstützung der Organisation qualifiziert die Pfarrgeme<strong>in</strong>de dadurch zugleich ihre<br />

eigenen Mitarbeiter und bereitet sie auch auf Zwischenfälle dieser Art vor.<br />

Bei größeren Veranstaltungen e<strong>in</strong>er Kirchengeme<strong>in</strong>de (beispielsweise Gottesdienste mit<br />

zahlreichen Mitfeiernden, Wallfahrten und große Feste) bietet es sich an, rechtzeitig mit<br />

der nächstgelegenen RD-Organisation die Notwendigkeit e<strong>in</strong>es Sanitätsdienstes abzu-<br />

klären. 488 Dadurch wird die Sicherheit aller Beteiligten gewährleistet; zugleich wird den<br />

Hilfsorganisationen auch e<strong>in</strong>e Möglichkeit zur Öffentlichkeitsarbeit geboten und die<br />

Geme<strong>in</strong>de macht ferner deutlich, dass sie den RD ernst n<strong>im</strong>mt und schätzt. 489<br />

487 Konkrete Vorschläge für e<strong>in</strong>en Lehrplanentwurf der RA-Ausbildung <strong>in</strong> den Teilbereichen Ethik und<br />

Patientenbetreuung f<strong>in</strong>den sich bei WIETERSHEIM: <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>, 148f.<br />

488 Zur Notwendigkeit e<strong>in</strong>es Sanitätsdienstes gibt es ke<strong>in</strong>e grundsätzlichen gesetzlichen Regelungen.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs kann die zuständige Behörde (meist die Kommunalverwaltungsbehörde) aus Sicherheitsgründen<br />

Veranstaltungen verbieten oder mit Auflagen versehen, zu denen unter Umständen e<strong>in</strong> Sanitätsdienst<br />

zählt. Die Stärke dieses Dienstes ist unter anderem abhängig vom Ort, der Teilnehmerzahl,<br />

den Gefahrenpotentialen und der Entfernung zur nächsten Rettungswache und wird nach best<strong>im</strong>mten<br />

Schlüsseln der Hilfsorganisationen errechnet. Vgl. MHD: Leitfaden – Planung und<br />

Durchführung von Sanitätse<strong>in</strong>sätzen, bes. 4f u. 9f.<br />

489 E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es, aber nicht zu unterschätzendes Zeichen der Anerkennung ist sicher auch, wenn bei Dankesworten<br />

nicht nur die zahlreichen Helfer der Geme<strong>in</strong>de lobend erwähnt werden, sondern auch das<br />

anwesende Sanitätspersonal, das oft ehrenamtlich arbeitet, dabei nicht vergessen wird.<br />

106


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Generell bietet es sich an, dass pastorale Mitarbeiter ihre Geme<strong>in</strong>de auf (öffentliche)<br />

Veranstaltungen oder Aktionen der Rettungswache vor Ort (beispielsweise e<strong>in</strong>en Tag<br />

der offenen Tür oder Blutspendeterm<strong>in</strong>) h<strong>in</strong>weisen und nach Möglichkeit diese auch<br />

selbst besuchen.<br />

Ferner sei empfohlen, dass sich Geme<strong>in</strong>deseelsorger auch auf der jeweiligen Wache<br />

vorstellen und ihre Bereitschaft für seelsorgliche Gespräche und generelle Zusammen-<br />

arbeit bekunden; e<strong>in</strong>e Absprache mit den Verantwortlichen ist dabei unumgänglich. 490<br />

Gegebenenfalls kann es angebracht se<strong>in</strong>, dem RD auch Geme<strong>in</strong>deräume für Übungen<br />

zur Verfügung zu stellen. Bei dieser Gelegenheit könnten auch Absprachen <strong>in</strong> Bezug<br />

auf eventuelle RD-E<strong>in</strong>sätze <strong>in</strong> diesen Räumen getroffen werden, um mögliche Missver-<br />

ständnisse von vornhere<strong>in</strong> zu vermeiden. Selbstverständlich sollten Kirchen und Ge-<br />

me<strong>in</strong>dehäuser auch sicherheitstechnisch vorbildhaft ausgestattet se<strong>in</strong>. 491<br />

Ohne Zweifel kommt es <strong>im</strong>mer auch auf die Personenkonstellationen vor Ort und deren<br />

E<strong>in</strong>stellungen und Interessen an. Nicht überall und zu jeder Zeit wird e<strong>in</strong>e solche Zu-<br />

sammenarbeit möglich und erwünscht se<strong>in</strong>. Die kirchlichen Mitarbeiter sollten aber den<br />

Schritt auf die Rettungswachen und Hilfsorganisationen zum<strong>in</strong>dest wagen und auch<br />

Geme<strong>in</strong>demitglieder, die sich dort engagieren, um ihre Mithilfe dabei bitten. Auf die-<br />

sem Gebiet wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Pfarrgeme<strong>in</strong>den viel erreicht und <strong>in</strong> anderen ist sicher noch<br />

Vieles möglich. 492<br />

2.5.2 <strong>Seelsorge</strong><br />

Für die E<strong>in</strong>zelseelsorge <strong>im</strong> Rahmen der Geme<strong>in</strong>depastoral sollen hier e<strong>in</strong>ige Impulse für<br />

die seelsorgliche Begleitung von Geme<strong>in</strong>demitgliedern gegeben werden, die als Haupt-<br />

amtliche, Ehrenamtliche oder Zivildienstleistende <strong>im</strong> RD tätig s<strong>in</strong>d.<br />

Generell sei hier die so genannte Mystagogische <strong>Seelsorge</strong> genannt, die den Menschen<br />

<strong>in</strong> das Gehe<strong>im</strong>nis se<strong>in</strong>er Lebensgeschichte heran- beziehungsweise e<strong>in</strong>führt, welche<br />

„stets Gottes reuelose Liebesgeschichte mit diesem Menschen ist.“ 493<br />

490<br />

Die Kirche muss <strong>im</strong>mer auch über den eigenen Kirchturm h<strong>in</strong>ausschauen. Die Geme<strong>in</strong>de und ihre<br />

<strong>Seelsorge</strong> sollten um der Menschen und der Frohen Botschaft willen nicht nur ihre Gottesdienstbesucher<br />

<strong>im</strong> Blick haben, sondern auch die zahlreichen Leute <strong>in</strong> den Firmen und E<strong>in</strong>richtungen, die es auf<br />

dem Geme<strong>in</strong>degebiet gibt.<br />

491<br />

Vor allem sollten ausreichend Verbandkästen, Feuerlöscher und eventuell e<strong>in</strong>e Krankentrage vorhanden<br />

se<strong>in</strong>.<br />

492<br />

Fragebogen NFS (15.1 u. 15.2) macht den <strong>Seelsorge</strong>rn Mut, Schritte auf die Rettungswachen zuzugehen:<br />

„Es ist sicher nicht schwerer als mit anderen <strong>in</strong> Kontakt zu kommen [....]. Aber auch hier gilt,<br />

dass das Interesse ehrlich se<strong>in</strong> sollte.“<br />

493<br />

ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2, 165.<br />

107


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Aufgabe des <strong>Seelsorge</strong>rs ist es, den Menschen dabei zu begleiten und zu unterstützen,<br />

Gottes Spuren <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben zu entdecken und das zu entziffern, was Gott ihm aus<br />

Liebe <strong>in</strong>s Herz geschrieben hat (ähnlich wie der Purpurhändler<strong>in</strong> Lydia <strong>in</strong> Apg 16,14). 494<br />

Wegweisend für alle <strong>Seelsorge</strong>r schreibt Karl Rahner <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rede des Ignatius von<br />

Loyola an e<strong>in</strong>en Jesuiten von heute: „Aber es bleibt: der Mensch kann Gott selbst erfah-<br />

ren. Und eure <strong>Seelsorge</strong> müßte <strong>im</strong>mer und bei jedem Schritt dieses Ziel unerbittlich vor<br />

Augen haben.“ 495<br />

Gerade der wertvolle Dienst am Nächsten und die damit verbundenen Gefahren und<br />

besonderen Belastungen s<strong>in</strong>d nicht unbedeutend, wenn <strong>im</strong> Rahmen der seelsorglichen<br />

Begleitung e<strong>in</strong>es RD-Mitarbeiters der persönlichen Botschaft Gottes an diesen Men-<br />

schen auf den Grund gegangen werden soll. Wunibald Müller schreibt dementspre-<br />

chend: „Menschen die Leben riskieren, dabei zu ihren <strong>in</strong>neren Tiefen vorstoßen und<br />

wieder zurückkommen, besitzen e<strong>in</strong>e besondere Lebensqualität, die für ihr eigenes Le-<br />

ben von Bedeutung ist, die sie aber auch <strong>in</strong> besonderer Weise für e<strong>in</strong>en helfenden Beruf<br />

befähigt. So steht das Bild vom verwundeten Heiler weiter für e<strong>in</strong> wesentliches Merk-<br />

mal des Helfers und der Helfer<strong>in</strong>.“ 496<br />

Selbstverständlich muss jeder <strong>Seelsorge</strong>r se<strong>in</strong>e eigenen Kompetenzen verantwortlich<br />

e<strong>in</strong>schätzen. Falls e<strong>in</strong> RD-Mitarbeiter, den er pastoral begleitet, unter Posttraumati-<br />

schen Belastungsreaktionen (PTB) oder sogar -störungen (PTBS) oder sonstigen psy-<br />

chischen E<strong>in</strong>schränkungen (z. B. ausgeprägtes Helfer- oder Burnout-Syndrom) leidet,<br />

sollte er diesen fürsorglich an entsprechend ausgebildetes Fachpersonal weiterleiten. 497<br />

494<br />

Die Mystagogie bildet bei Karl Rahner „die pr<strong>in</strong>zipielle Axiomatik, die se<strong>in</strong>er gesamten Theologie<br />

zugrunde liegt.“ (KNOBLOCH: Praktische Theologie, 189.) Er führt damit den Mystagogiebegriff, den<br />

Odo Casel und Romano Guard<strong>in</strong>i <strong>im</strong> Rahmen der Liturgischen Bewegung <strong>in</strong> Anlehnung an die<br />

urchristliche Tradition der Mystagogischen Katechesen verwendet haben, weiter, <strong>in</strong>dem er ihn<br />

„‚pr<strong>in</strong>zipieller’ und näher am Menschen ansetzt.“ (KNOBLOCH: Praktische Theologie, 188.) Auf die<br />

Mystagogische <strong>Seelsorge</strong> kann hier leider nicht ausführlicher e<strong>in</strong>gegangen werden. Verwiesen sei<br />

deshalb auf KNOBLOCH: Praktische Theologie, 188-202 und ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 2,<br />

165f.<br />

495<br />

RAHNER: Rede des Ignatius von Loyola an e<strong>in</strong>en Jesuiten von heute, 377. An anderer Stelle schreibt<br />

Karl Rahner ermahnend an die <strong>Seelsorge</strong>r: „Stellt euch e<strong>in</strong>mal [...] vor, ihr wäret ke<strong>in</strong>e Kirchenbeamten,<br />

ihr würdet auf der Straße spazieren gehen mit e<strong>in</strong>em Brotverdienst wie e<strong>in</strong> Straßenkehrer oder<br />

wie (wenn das besser gefällt) e<strong>in</strong> Wissenschaftler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Labor für Plasmaphysik, wo den ganzen<br />

Tag lang nie e<strong>in</strong> Wort von Gott fällt und doch stolze Erfolge erzielt werden. Stellt euch vor, euer<br />

Kopf sei müde vom Straßenkehren oder von der Molekularphysik und ihrer Mathematik. Stellt euch<br />

vor, diese Situation dauere schon so ungefähr e<strong>in</strong> Leben lang und geschähe nicht aus euerer missionarischen<br />

Herablassung heraus. Und jetzt versucht, diesen Menschen dieser Umgebung die Botschaft<br />

des Christentums zu sagen, die Botschaft Jesu vom ewigen Leben zu predigen.“ (RAHNER: Strukturwandel<br />

der Kirche als Chance und Aufgabe, 101f.)<br />

496<br />

MÜLLER: Begegnung, die von Herzen kommt, 81. Zum Bild des verwundeten Arztes vgl. ferner<br />

ZULEHNER: Pastoraltheologie, Bd. 1, 93.<br />

497<br />

Wunibald Müller bemerkt dazu: „Sobald der <strong>Seelsorge</strong>r klar festgestellt hat, daß die Hilfe, die er der<br />

ratsuchenden Person anbieten kann, nicht ausreicht, um ihr wirklich helfen zu können, sollten die<br />

108


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

2.5.3 Liturgie<br />

Auch <strong>im</strong> Gottesdienst mit se<strong>in</strong>en zahlreichen Formen liturgischen Feierns liegen Chan-<br />

cen, den RD nicht ganz zu vergessen.<br />

So ist es be<strong>im</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Gebet, den Fürbitten, durchaus angebracht, gelegentlich und<br />

vor allem nach (regionalen) Unglücksfällen und Katastrophen nicht nur für die Opfer,<br />

sondern auch für die zahlreichen Hilfskräfte zu beten. Ebenso ist es e<strong>in</strong> schönes Zeichen<br />

der Wertschätzung, wenn an Feiertagen (besonders am Heiligen Abend und an Silve-<br />

ster) auch für diejenigen gebetet wird, die <strong>in</strong> Krankhäusern, Polizei-, Feuer- und Ret-<br />

tungswachen ihren Dienst für andere Menschen – auch für die Gottesdienstgeme<strong>in</strong>de –<br />

verrichten und vielleicht deshalb die Liturgie nicht mitfeiern können. 498<br />

Nach Katastrophen und schweren Unfällen oder anlässlich des Jahrestages von solchen<br />

kann es durchaus s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> Absprache mit den Rettungsorganisationen e<strong>in</strong>en Ge-<br />

denkgottesdienst oder e<strong>in</strong>e Gedenkfeier für Angehörige und Helfer zu gestalten. Auch<br />

Jubiläumsgottesdienste und Segnungen von neuen E<strong>in</strong>satzfahrzeugen, um die e<strong>in</strong>e Ret-<br />

tungswache oder Hilfsorganisation gegebenenfalls bittet, s<strong>in</strong>d hier anzuführen. 499<br />

Gemäß der aktuellen liturgischen Leseordnung der katholischen Kirche wird am 15.<br />

Sonntag <strong>im</strong> Jahreskreis <strong>im</strong> Lesejahr C die Perikope vom barmherzigen Samariter (Lk<br />

10,25-37) als Evangelium verkündet. Hier bietet sich die Gelegenheit, <strong>in</strong> der Homilie<br />

oder Ansprache auch auf die modernen Berufsretter und ihren wichtigen Dienst am<br />

Nächsten e<strong>in</strong>zugehen und die Mitfeiernden dazu zu ermutigen, selbst zu helfen und <strong>in</strong><br />

Erste-Hilfe-Kursen das Know how des Helfens regelmäßig zu tra<strong>in</strong>ieren. Eventuell kann<br />

<strong>im</strong> Rahmen dieses Herrentages mit <strong>Rettungsdienst</strong>lern e<strong>in</strong>e Aktion organisiert werden.<br />

Schließlich sei auch an das generelle Gebet er<strong>in</strong>nert. Durch e<strong>in</strong> spontanes Stoßgebet<br />

be<strong>im</strong> Hören e<strong>in</strong>es Mart<strong>in</strong>shornes bleiben wir nicht tatenlos und unbeteiligt, wenn e<strong>in</strong><br />

betroffenen Personen von ihm erwarten können, daß er sie an geeignete Helfer weitervermittelt.“<br />

(MÜLLER: Erkennen – unterscheiden – begegnen, 51f.)<br />

498 Zu den Fürbitten bemerkt die Allgeme<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das Römische Meßbuch: „In den Fürbitten<br />

übt die Geme<strong>in</strong>de durch ihr Beten für alle Menschen ihr priesterliches Amt aus. Dieses Gebet gehört<br />

für gewöhnlich zu jeder mit e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de gefeierten Messe, damit Fürbitten gehalten werden für<br />

die heilige Kirche, die Regierenden, für jene, die von mancherlei Not bedrückt s<strong>in</strong>d, für alle Menschen<br />

und das Heil der ganzen Welt.“ (ALLGEMEINE EINFÜHRUNG IN DAS RÖMISCHE MEßBUCH, Nr.<br />

45; eigene Hervorhebungen.) Vgl. dazu auch ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Sacrosanctum Concilium,<br />

Nr. 53.<br />

499 Vgl. zu Gedenkgottesdiensten auch SARBACH: Beispiel Gondo. Ferner sei verwiesen auf<br />

www.notfallseelsorge.de/gde.htm (vom 22.08.2003); dort s<strong>in</strong>d zahlreiche Impulse und Vorschläge<br />

für verschiedene Gottesdienste und liturgische Feiern vorzuf<strong>in</strong>den.<br />

109


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Rettungsteam zu Menschen <strong>in</strong> Not unterwegs ist. In diesem guten S<strong>in</strong>n wird dieser Ab-<br />

schnitt auch betend beendet:<br />

Herr, „hilf denen, die Hilfe brauchen und denen, die Hilfe br<strong>in</strong>gen.“ 500<br />

500 KAMES: Erste Hilfe für die Seele, 21.<br />

110


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

3 Abschließende Überlegungen und Ausblick<br />

In diesem letzten Abschnitt der vorliegenden Untersuchungen sollen nicht mehr allzu<br />

viele Worte gemacht werden. Natürlich bliebe noch Vieles zu sagen, alles kann aber<br />

ohneh<strong>in</strong> nicht gesagt werden. Deshalb bleibt mir nur noch, den Leser mit Worten von<br />

Karl Rahner darum zu bitten, dieser pastoraltheologischen Arbeit „mit gnädigem<br />

Wohlwollen zu begegnen, Ansätze, Grundtendenzen, Fragestellungen wichtiger zu<br />

nehmen als die ‚Ergebnisse’, die ja schließlich nie endgültig se<strong>in</strong> können.“ 501<br />

E<strong>in</strong>e KID-Mitarbeiter<strong>in</strong> berichtete mir dieser Tage von e<strong>in</strong>em Treffen, bei dem Notfall-<br />

seelsorger und Mitglieder des KID zahlreiche Klischees, Vorurteile und negative Erfah-<br />

rungen mite<strong>in</strong>ander betrachtet haben, um strukturiert darüber zu reden und so e<strong>in</strong>e Basis<br />

für e<strong>in</strong>e bessere Kooperation zu schaffen. Diese Nachricht hat mir gezeigt, dass das<br />

Thema der vorliegenden Arbeit tatsächlich Bezug zur Praxis hat. Noch viel mehr hat sie<br />

mich erfreut, weil dies e<strong>in</strong> Beispiel dafür ist, dass <strong>im</strong>mer wieder Menschen von beiden<br />

Seiten, RD und Kirche, Schritte aufe<strong>in</strong>ander zu gehen und e<strong>in</strong>e gute Begegnung wagen.<br />

Die Karikatur über die erste Begegnung (vgl. Abb. 1) kann daher zum Abschluss dieser<br />

Untersuchungen durch e<strong>in</strong>e zweite ergänzt werden, die teilweise e<strong>in</strong> Stück Realität zeigt<br />

und zum Teil auch visionäres Potential be<strong>in</strong>haltet.<br />

So möchte ich bewusst das (vor-) letzte Wort (<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Zeichnung) me<strong>in</strong>er Diplo-<br />

marbeit e<strong>in</strong>em <strong>Rettungsdienst</strong>ler überlassen. Der Rettungssanitäter Daniel Lüdel<strong>in</strong>g<br />

führt uns hier e<strong>in</strong> Bild vor Augen, <strong>in</strong> dem der kirchliche <strong>Seelsorge</strong>r neben Rettungs-<br />

dienstlern, Notärzt<strong>in</strong>, Feuerwehrmann, RTH-Pilot,<br />

Leitstellendisponent und anderen e<strong>in</strong>en selbstver-<br />

ständlichen Platz <strong>im</strong> kollegialen Rettungsteam<br />

hat. 502 Der <strong>Seelsorge</strong>r n<strong>im</strong>mt dar<strong>in</strong> gewiss e<strong>in</strong>e<br />

etwas außergewöhnliche Position e<strong>in</strong> (dargestellt<br />

durch Brustkreuz, Talar, gefaltete Hände und<br />

Heiligensche<strong>in</strong>), da er für e<strong>in</strong>e D<strong>im</strong>ension steht<br />

und arbeitet, die über diese Welt, ihre Grenzen<br />

und ihr Leid h<strong>in</strong>ausreicht: Gottes Frohe Botschaft<br />

von Liebe und Leben. Aber der <strong>Seelsorge</strong>r gehört<br />

auf jeden Fall zum Team dazu – zum Wohl der Menschen. Abb. 4<br />

501 RAHNER: Erfahrungen e<strong>in</strong>es katholischen Theologen, 115.<br />

502 Vgl. Abbildung 4.<br />

111


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

EIN LETZTES WORT: DANKE<br />

An dieser Stelle möchte ich es nicht versäumen, allen „Danke“ zu sagen, die mich bei der Er-<br />

stellung dieser Diplomarbeit auf je ihre Art unterstützt haben. Namen von E<strong>in</strong>zelpersonen<br />

möchte ich <strong>in</strong> dieser, unter anderem über Internet zugänglichen Ausgabe nicht nennen.<br />

Ich danke me<strong>in</strong>en Eltern, me<strong>in</strong>er Familie und me<strong>in</strong>em gesamten Freundeskreis, den Lehrenden<br />

und Mitstudierenden <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z (und 2001/2002 <strong>in</strong> Wien) und der Hausgeme<strong>in</strong>schaft mit den<br />

Angestellten <strong>im</strong> Ma<strong>in</strong>zer Priestersem<strong>in</strong>ar für die Weggeme<strong>in</strong>schaft und manches ermutigende<br />

Wort oder den e<strong>in</strong> oder anderen guten Ratschlag.<br />

Besonders bedanke ich mich be<strong>im</strong> Erstgutachter, der diese Arbeit von ihren Anfängen an be-<br />

gleitet und mit se<strong>in</strong>em Wissen und Rat wohlwollend unterstützt hat. Beiden Gutachtern danke<br />

ich für ihre sehr differenzierte Bewertung.<br />

Bedanken möchte ich mich natürlich auch bei allen, die mir durch Ihre Auskünfte bei den Un-<br />

tersuchungen sehr weitergeholfen haben: bei den entsprechenden Personen bei den Hilfsorgani-<br />

sationen (ASB, DRK und MHD), bei e<strong>in</strong>er ganzen Reihe von <strong>Rettungsdienst</strong>lern und Notfall-<br />

seelsorgern, be<strong>im</strong> Arbeitskreis „Krisen<strong>in</strong>tervention-<strong>Notfallseelsorge</strong>-Stressbewältigung“ des<br />

Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-Kreises, bei den Zuständigen für <strong>Notfallseelsorge</strong> <strong>im</strong> Bischöflichen Ord<strong>in</strong>ariat<br />

Ma<strong>in</strong>z und bei der Deutschen Bischofskonferenz. Besonders erwähnt werden sollen hier dieje-<br />

nigen, die viel Zeit und Engagement <strong>in</strong> die Beantwortung der Fragebögen und <strong>in</strong> die Korrek-<br />

turarbeiten <strong>in</strong>vestiert haben. Dem Zeichner der beiden verwendeten Karikaturen danke ich für<br />

die Abdruckerlaubnis. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen<br />

auf der Rettungswache <strong>in</strong> Großkrotzenburg, denen ich für Ihre Kameradschaft und zahlreiche<br />

wertvolle Begegnungen und Gespräche sehr dankbar b<strong>in</strong>.<br />

Allen – <strong>in</strong> welcher Weise auch <strong>im</strong>mer – an dieser Arbeit Beteiligten sage ich e<strong>in</strong> ganz herzliches<br />

„Danke“. Vor allem und zu guter Letzt: „Deo gratias. Halleluja.“<br />

ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />

� Abb. auf Seite 2: Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Ausschnitt e<strong>in</strong>er byzant<strong>in</strong> ischen<br />

Buchmalerei <strong>im</strong> Codex Rossanensis (Museo Civico Rossano,<br />

Kalabrien). In: ZULEHNER / BRANDNER: GottesPastoral, Umschlag.<br />

� Abb. 1 (Seite 8): „Erste Begegnung von Sanitäter und Priester“ (Daniel Lüdel<strong>in</strong>g).<br />

Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Daniel Lüdel<strong>in</strong>g<br />

(www.rippenspreizer.de).<br />

� Abb. 2 (Seite 31): „Gesetzlich geschütztes Logo der kirchlichen <strong>Notfallseelsorge</strong>“. In:<br />

www.notfallseelsorge.de/logob.htm (vom 03.09.2003).<br />

� Abb. 3 (Seite 43): „<strong>Notfallseelsorge</strong> <strong>im</strong> Bistum Ma<strong>in</strong>z“ (Stand: März/2003). Abdruck mit<br />

freundlicher Genehmigung des Bischöflichen Ord<strong>in</strong>ariates Ma<strong>in</strong>z, Dezernat<br />

<strong>Seelsorge</strong>.<br />

� Abb. 4 (Seite 109): „Das Team“ (Daniel Lüdel<strong>in</strong>g). Abdruck mit freundlicher Genehmigung<br />

von Daniel Lüdel<strong>in</strong>g (www.rippenspreizer.de).<br />

112


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS<br />

H<strong>in</strong>weis: Bei den Literaturangaben <strong>in</strong> den Fußnoten der Arbeit wurden nur die <strong>in</strong> diesem Ver-<br />

zeichnis kursiv gedruckten Kurztitel und die <strong>in</strong> Kapitälchen geschriebenen Namen (der Autoren<br />

beziehungsweise Herausgeber o. ä.) verwendet.<br />

A <strong>Kirchliche</strong> Quellen und Dokumente<br />

ALLGEMEINE EINFÜHRUNG IN DAS RÖMISCHE MEßBUCH. In: Messbuch. Die Feier der heiligen<br />

Messe. Hg. <strong>im</strong> Auftrag der deutschsprachigen Bischofskonferenzen. E<strong>in</strong>siedeln u. a.<br />

1978, 23*-86*.<br />

BISCHÖFLICHES ORDINARIAT DER DIÖZESE MAINZ (Hg.): Rahmenordnung für die <strong>Notfallseelsorge</strong>.<br />

In: <strong>Kirchliche</strong>s Amtsblatt für die Diözese Ma<strong>in</strong>z 142 (2000) 24f.<br />

EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT für Verkehrssicherheit / Bruderhilfe<br />

Akademie für Verkehrssicherheit (Hgg.): „<strong>Notfallseelsorge</strong>“ – E<strong>in</strong>e Handreichung:<br />

Grundlegendes – Modelle – Fortbildung. Kassel 1997 (Sonderheft).<br />

Das Neue Testament. Griechisch und Deutsch. Hg. von Barbara Aland und Kurt Aland (<strong>in</strong> der<br />

Nachfolge von E. Nestle und E. Nestle), Stuttgart 2 1995.<br />

Die Bibel. E<strong>in</strong>heitsübersetzung der Heiligen Schrift. Stuttgart 1981.<br />

JOHANNES PAUL II.: Enzyklika Evangelium vitae (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls<br />

120). Bonn 1995, 5 2001.<br />

– Enzyklika Redemptoris hom<strong>in</strong>is (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 6). Bonn 1979.<br />

KIRCHENKANZLEI DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND (Hg.): <strong>Kirchliche</strong>s Handeln<br />

bei Unglücksfällen und Katastrophen. E<strong>in</strong>e Handreichung für kirchliche Mitarbeiter.<br />

Hannover 3 1978.<br />

Kle<strong>in</strong>es Konzilskompendium. Hg. von Karl Rahner und Herbert Vorgr<strong>im</strong>ler. Freiburg <strong>im</strong><br />

Breisgau 1966.<br />

TESTAMENTUM DOMINI (5. Jh.; Ausschnitte mit den Aussagen über den Diakon <strong>in</strong> der deutschen<br />

Übersetzung von B. Fischer). In: Fischer, Balthasar: Dienst und Spiritualität des<br />

Diakons. Das Zeugnis e<strong>in</strong>er syrischen Kirchenordnung des 5. Jahrhunderts. In: Plöger, Josef<br />

G. / Weber, Hermann Joh. (Hgg.): Der Diakon. Wiederentdeckung und Erneuerung<br />

se<strong>in</strong>es Dienstes. Freiburg <strong>im</strong> Breisgau 1980, 263-273 (bes. 264-269).<br />

ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Apostolicam actuositatem (Dekret über das Laienapostolat;<br />

1965). In: Kle<strong>in</strong>es Konzilskompendium, 389-421.<br />

– Gaudium et spes (Pastorale Konstitution über die Kirche <strong>in</strong> der Welt von heute; 1965). In:<br />

Kle<strong>in</strong>es Konzilskompendium, 449-552.<br />

– Lumen gentium (Dogmatische Konstitution über die Kirche; 1964). In: Kle<strong>in</strong>es Konzilskompendium,<br />

123-197.<br />

– Sacrosanctum Concilium (Konstitution über die heilige Liturgie; 1963). In: Kle<strong>in</strong>es Konzilskompendium,<br />

51-90.<br />

– Unitatis red<strong>in</strong>tegratio (Dekret über den Ökumenismus; 1964). In: Kle<strong>in</strong>es Konzilskompendium,<br />

229-250.<br />

113


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

B Dokumente der Hilfsorganisationen <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Diese Dokumente wurden auf Anfrage von der jeweiligen Organisation zugesandt be-<br />

ziehungsweise den angegebenen Internetseiten entnommen.<br />

Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V. (ASB)<br />

ASB Deutschland e. V. Bundesverband (Hg.): Bundesrichtl<strong>in</strong>ien / Bundessatzung. Köln 2002.<br />

ASB Deutschland e. V. (Hg.): Erste Hilfe. Verfasst von Peter Goldschmidt unter der Mitarbeit<br />

von Angelika König. Köln 3 1996.<br />

– Leitbild des Arbeiter-Samariter-Bundes. In: www.asb-bv.asb-onl<strong>in</strong>e.de/0/Vere<strong>in</strong>/leitbild.<br />

htm (vom 23.09.2003).<br />

Deutsches Rotes Kreuz e. V. (DRK)<br />

DRK (Hg.): DRK-Position zum Thema „Erste Hilfe und psychologische Unterstützung“<br />

(2002).<br />

– Satzung des Deutschen Roten Kreuzes. In: www.drk.de (vom 08.09.2003)<br />

DRK-GENERALSEKRETARIAT (Hg.): Leitsatz und Leitbild des Deutschen Roten Kreuzes<br />

(1995). In: www.drk.de (vom 08.09.2003)<br />

INSTITUT FÜR RETTUNGSWESEN DES DRK (Hg.): 3. Entwurf der Rahmenkonzeption zur psychosozialen<br />

Unterstützung von E<strong>in</strong>satzkräften (Qualifizierung, Begleitung und Betreuung).<br />

Bonn 2001.<br />

– Notfallnachsorge für Angehörige und Augenzeugen. Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Strukturen“.<br />

Bonn 2000.<br />

Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. (JUH)<br />

JUH (Hg.): Leitbildfaden. In: www.juh.de/wir-ueber-uns/<strong>in</strong>dex-wir-ueber-uns.htm (vom<br />

08.09.2003)<br />

– Satzung der JUH (2001). In: www.juh.de/wir-ueber-uns/satzung.pdf (vom 08.09.2003)<br />

Malteser-Hilfsdienst e. V. (MHD)<br />

MHD (Hg.): Leitfaden (2001). In: www.malteser.de (vom 25.08.2003)<br />

– Hilfe für Helfer. Psychologische Betreuung und <strong>Seelsorge</strong> für E<strong>in</strong>satzkräfte. Faltblatt ohne<br />

Angabe von Ort und Jahr.<br />

– Leitfaden – Planung und Durchführung von Sanitätse<strong>in</strong>sätzen (2000). Internes Dokument<br />

des MHD.<br />

– Positionspapier zur <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention be<strong>im</strong> Malteser-Hilfsdienst.<br />

Ohne Angabe von Ort und Jahr.<br />

– Psychosoziale Betreuung – Mensch <strong>im</strong> Mittelpunkt. Bildungsprogramm 2003. Köln 2003.<br />

– Q-Tipp 3 (2002). Sonderausgabe I/2002. Internes Dokument des MHD.<br />

114


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

C Weitere Literatur<br />

ADAMS, Ursula: Die Kunst des Helfens. Vom Selbstverständnis des Helfenden. Freiburg <strong>im</strong><br />

Breisgau 2 1970.<br />

ALBRECHT, Dirk u. a.: Die Posttraumatische Belastungsreaktion (PTB) – e<strong>in</strong> (häufig) unterschätztes<br />

Krankheitsbild. In: <strong>Rettungsdienst</strong> 22 (1999) 607-612.<br />

APPEL-SCHUMACHER, Thomas: Streßmanagement nach traumatischen Ereignissen. In:<br />

BENGEL, Jürgen (Hg.): Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong>, 255-267.<br />

BACHSTEIN, Stefanie: Du hättest leben können. Bergisch Gladbach 2002.<br />

BASSY, Karl He<strong>in</strong>z / MÜLLER, Ralf: Manchmal musst du stark se<strong>in</strong>. In: Rettungs-Magaz<strong>in</strong> 6<br />

(2001; Nr. 4, Juli/August 2001) 36-39.<br />

BEAUFTRAGTER FÜR DIE NOTFALLSEELSORGE <strong>im</strong> Landesfeuerwehrverband Niedersachsen e.<br />

V.: <strong>Notfallseelsorge</strong>. In: HÜLS / OESTERN: Die ICE-Katastrophe von Eschede, 199-204.<br />

BENGEL, Jürgen (Hg.): Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong>. Berl<strong>in</strong> u. a. 1997.<br />

– u. a: Posttraumatische Belastungsstörung. In: BENGEL: Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>, 57-64.<br />

– u. a: Psychische Belastungen des Rettungspersonals. In: BENGEL: Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong><br />

und <strong>Rettungsdienst</strong>, 39-56.<br />

BIEGE, Bernd: Nachsorge: Wann soll sie beg<strong>in</strong>nen? – Counsell<strong>in</strong>g <strong>im</strong> schottischen <strong>Rettungsdienst</strong>.<br />

In: <strong>Rettungsdienst</strong> 22 (1999) 164f.<br />

BITTGER, Jürgen: Großunfälle und Katastrophen. E<strong>in</strong>satztaktik und -organisation. Stuttgart<br />

1996.<br />

– u. a.: Massenanfall von Verletzten. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 735-760.<br />

BÖHMER, Roman (Hg.): Kurzer <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärer E<strong>in</strong>satzleitfaden für Feuerwehr, Polizei und<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>. Ma<strong>in</strong>z 1997.<br />

BOVON, François: Das Evangelium nach Lukas. Lk 9,51-14,35 (Evangelisch-Katholischer<br />

Kommentar III/2). Zürich u. a. 1996.<br />

BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT (Hg.): Informationsmappe 130 (Rettungsassistent). E<strong>in</strong>gesehen<br />

<strong>im</strong> Berufs<strong>in</strong>formationszentrum Hanau (am 12.08.2003).<br />

COELLEN, Beate: <strong>Notfallseelsorge</strong> und Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> Land Brandenburg. In: PETER:<br />

Der Betreuungse<strong>in</strong>satz, 64-68.<br />

DASCHNER, Carl-He<strong>in</strong>z: KIT – Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>. Edewecht 2001.<br />

DIRNBERGER, Engelbert / MÜLLER-CYRAN, Andreas: „Komm zu uns, zögere nicht“ – <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

als Bestandteil geme<strong>in</strong>dlicher Pastoral. In: www.notfallseelsorge.de/zeitung25.<br />

htm (vom 22.08.2003).<br />

DRK KREISVERBAND CELLE und Johanniter-Unfall-Hilfe RV Niedersachsen-Mitte: Sanitätsorganisationen.<br />

In: HÜLS / OESTERN: Die ICE-Katastrophe von Eschede, 195-198.<br />

ENGELHARDT, Gustav H.: Zwischen Hilfsbereitschaft und Ohnmacht. In: <strong>Rettungsdienst</strong> 22<br />

(1999) 162f.<br />

EVERLY, Georg / MITCHELL, Jeffrey T.: CISM – Stressmanagement nach kritischen Ereignissen.<br />

Wien 2002.<br />

FALK, Bernd u. a.: Ethische, psychologische und theologische Aspekte aus Sicht der Hilfsorganisationen.<br />

In: BENGEL: Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong>, 357-373.<br />

FERTIG, Bernd: „Lasse De<strong>in</strong>er Seele Flügel wachsen...“ Streß und Streßbewältigung <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>.<br />

In: FERTIG / WIETERSHEIM: Menschliche Begleitung, 375-393.<br />

– / WIETERSHEIM , Hanjo v. (Hgg.): Menschliche Begleitung und Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>.<br />

Edewecht 1994.<br />

115


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

FEUERWEHR- UND KATASTROPHENSCHUTZSCHULE RHEINLAND-PFALZ (Hg.): “Wenn es auf<br />

der Seele brennt......“ Referateband zur Fachtagung E<strong>in</strong>satzbelastung und E<strong>in</strong>satznachbereitung<br />

<strong>in</strong> Feuerwehr, <strong>Rettungsdienst</strong> und Katastrophenschutz. Koblenz 2000.<br />

FLAKE, Frank u. a.: Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es. In: LUTOMSKY / FLAKE: Leitfaden<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>, 29-42.<br />

– / LUTOMSKY, Boris: Kardiopulmonale Rean<strong>im</strong>ation. In: LUTOMSKY / FLAKE: Leitfaden<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>, 191-208.<br />

FLATTEN, Guido u. a.: “Der hilflose Helfer“ – Zum Umgang mit traumatischen Belastungen<br />

<strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>. In: Notfall & Rettungsmediz<strong>in</strong> 6 (2003) 265-270.<br />

GERDTS, Klaus G. u. a.: Pädiatrische Notfälle. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 473-492.<br />

– Rean<strong>im</strong>ation. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 307-333.<br />

GIERING, He<strong>in</strong>z: Lücke <strong>im</strong> Gefüge der <strong>Rettungsdienst</strong>e. In: Deutsches Ärzteblatt 95 (1998) A-<br />

874-876.<br />

GIESEN, Hans U.: E<strong>in</strong>satznachbereitung durch Critical Incident Stress Debrief<strong>in</strong>g (CISD). In:<br />

FEUERWEHR- UND KATASTROPHENSCHUTZSCHULE RHEINLAND-PFALZ (Hg.): “Wenn es<br />

auf der Seele brennt......“, 4-II.<br />

– E<strong>in</strong>satznachbereitung nach dem ICE-Unfall <strong>in</strong> Eschede. In: FEUERWEHR- UND KATA-<br />

STROPHENSCHUTZSCHULE RHEINLAND-PFALZ (Hg.): “Wenn es auf der Seele brennt......“,<br />

2-V.<br />

GRAF-BAUMANN, Toni / GORGAß, Bodo: Werte und Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

und <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>. In: BENGEL: Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong>,<br />

345-355.<br />

HEINECKE, Jochen M.: Erfahrungen als <strong>Seelsorge</strong>r <strong>in</strong> der Notfallsituation. In: EVANGELISCH-<br />

KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT: E<strong>in</strong>e Handreichung, 7-9.<br />

HEINRICHS, Markus: E<strong>in</strong>satzbelastungen <strong>in</strong> Feuerwehr, <strong>Rettungsdienst</strong> und Katastrophenschutz<br />

– Forschungsergebnisse aus Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz. In: FEUERWEHR- UND KATA-<br />

STROPHENSCHUTZSCHULE RHEINLAND-PFALZ (Hg.): “Wenn es auf der Seele brennt......“,<br />

2-III.<br />

HEINZ, Wolfgang: Das K<strong>in</strong>d als Notfallpatient. In: STEPAN: Zwischen Blaulicht, Leib und<br />

Seele, 273-281.<br />

HELLWIG, He<strong>in</strong>rich H. / BAUER, Martha: Geschichte des <strong>Rettungsdienst</strong>es. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>,<br />

601-606.<br />

HELMERICHS, Jutta: E<strong>in</strong>satznachsorge. In: HÜLS / OESTERN: Die ICE-Katastrophe von<br />

Eschede, 119-124.<br />

– Erfahrungen des <strong>Rettungsdienst</strong>-Personals mit dem Notfalle<strong>in</strong>satz „Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod“.<br />

In: <strong>Rettungsdienst</strong> 20 (1997) 112-114.<br />

– u. a.: Plötzlicher Säugl<strong>in</strong>gstod: Empfehlungen zum Umgang mit betroffenen Eltern und Geschwistern<br />

<strong>in</strong> der Akutsituation. In: MÜLLER-LANGE (Hg.): Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>,<br />

104-116.<br />

HERMANUTZ, Max / FIEDLER, Harald: Nachbereitung von E<strong>in</strong>sätzen bei Großschadensereignissen.<br />

In: BENGEL: Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und <strong>Rettungsdienst</strong>, 269-284.<br />

HÖLTERHOFF, Dirk: Katastrophenseelsorge – Chronologie und kritische Würdigung. In:<br />

HÜLS / OESTERN: Die ICE-Katastrophe von Eschede, 125-130.<br />

HÜLS, Ewald / OESTERN, Hans-Jörg (Hgg.): Die ICE-Katastrophe von Eschede: Erfahrungen<br />

und Lehren. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Analyse. Berl<strong>in</strong> und Heidelberg 1999.<br />

JATZKO, Hartmut u. a.: Katastrophen-Nachsorge am Beispiel der Aufarbeitung der Flugtagkatastrophe<br />

von Ramste<strong>in</strong> 1988. Edewecht und Wien 2 1995.<br />

KAMES, Günther: Erste Hilfe für die Seele. In: Der We<strong>in</strong>berg 102 (März 2001) 20f.<br />

116


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

KARUTZ, Harald: Mit dem Notfallpatienten e<strong>in</strong>en „PAKT“ schließen. In: <strong>Rettungsdienst</strong> 22<br />

(1999) 212f.<br />

KEHL, Medard: Ecclesia ... (Art.). In: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 3. Freiburg <strong>im</strong><br />

Breisgau 3 1995, 437f.<br />

KELLER, Holger: Alptraum „Retten“: E<strong>in</strong>e Chance für die Kirche. In: Glaube und Leben (Nr.<br />

43, 22.10.2000) 17.<br />

KELLER, Holger: Mit frommen Sprüchen ist ke<strong>in</strong>em geholfen. In: Glauben und Leben (Nr. 43,<br />

22.10.2000) 16.<br />

KLOSTERMANN, Ferd<strong>in</strong>and: Pr<strong>in</strong>zip Geme<strong>in</strong>de. Geme<strong>in</strong>de als Pr<strong>in</strong>zip kirchlichen Lebens und<br />

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XI). Wien 1965.<br />

KNOBLOCH, Stefan: Praktische Theologie. E<strong>in</strong> Lehrbuch für Studium und Pastoral. Freiburg<br />

<strong>im</strong> Breisgau u. a. 1996.<br />

KONFERENZ der Diözesanbeauftragten für <strong>Notfallseelsorge</strong> <strong>in</strong> Bayern: Tabellarische Begriffsklärung:<br />

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Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen. In: www.notfallseelsorge.de/def<strong>in</strong>itionen.pdf<br />

(vom 22.08.2003).<br />

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KÜHN, Dietmar u. a. (Hgg.): <strong>Rettungsdienst</strong>. München und Jena 2 2001.<br />

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und Seele, 384f.<br />

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LUTOMSKY, Boris / FLAKE, Frank (Hgg.): Leitfaden <strong>Rettungsdienst</strong>. Notfallmanagement, Organisation,<br />

Arbeitstechniken, Algorithmen. Lübeck u. a. 1997.<br />

LUZ, Ulrich: Das Evangelium nach Matthäus. Mt 1-17 (Evangelisch-Katholischer Kommentar<br />

I/2). Zürich u. a. 1990.<br />

MEIER, Walter / CIMASCHI-OBERTI, Claudio: <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> Katastrophenfall. Erfahrungen aus<br />

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METZSCH, Friedrich-August von: Menschen helfen Menschen. Der Barmherzige Samariter als<br />

Leitbild und <strong>in</strong> der Kunst. Neuhausen-Stuttgart 1998.<br />

MOHR, Michael / KETTLER, Dietrich: Ethik <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>. Darstellung von Grenzen<br />

am Beispiel der Rean<strong>im</strong>ation. In: Ethik <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong> 5 (1993) 117-126.<br />

MÜLLER, Wunibald: Begegnung, die von Herzen kommt. Die vergessene Barmherzigkeit <strong>in</strong><br />

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– Erkennen – Unterscheiden – Begegnen. Das seelsorgliche Gespräch. Ma<strong>in</strong>z 1990.<br />

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117


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

– Erwartungen an den Amts<strong>in</strong>haber. In: DERS.: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, 317.<br />

– Erwartungen an Träger von Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>. In: DERS.: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>,<br />

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– Facetten des Krisen- und Katastrophenmanagements. In: <strong>Rettungsdienst</strong> 22 (1999) 644-<br />

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NOUWEN, Henri J. M.: Schöpferische <strong>Seelsorge</strong>. Freiburg <strong>im</strong> Breisgau 1989.<br />

- <strong>Seelsorge</strong>, die aus dem Herzen kommt. Christliche Menschenführung <strong>in</strong> der Zukunft. Freiburg<br />

<strong>im</strong> Breisgau 1989.<br />

PESCH, Rudolf: Das Markusevangelium. Erster Teil: Mk 1,1-8,26 (Herders Theologischer<br />

Kommentar zum Neuen Testament II/1). Zürich u. a. 1986.<br />

- Die Apostelgeschichte. Apg 1-12 (Evangelisch-Katholischer Kommentar V/1). Freiburg <strong>im</strong><br />

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PETER, Hanno (Hg.): Der Betreuungse<strong>in</strong>satz. Grundlagen und Praxis. Edewecht und Wien<br />

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Pschyrembel Kl<strong>in</strong>isches Wörterbuch. Bearbeitet unter der Leitung von Helmut Hildebrandt.<br />

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PÜSCHEL, Klaus / SCHNEIDER, Mart<strong>in</strong>: Sterben und Tod. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 374-379.<br />

RAHNER, Karl: Erfahrungen e<strong>in</strong>es katholischen Theologen. In: Lehmann, Karl (Hg.): Vor<br />

dem Gehe<strong>im</strong>nis Gottes den Menschen verstehen. Karl Rahner zum 80. Geburtstag. Freiburg<br />

<strong>im</strong> Breisgau 1984, 105-119.<br />

– Rede des Ignatius von Loyola an e<strong>in</strong>en Jesuiten von heute . In: DERS.: Schriften zur Theologie,<br />

Bd. 15. Zürich u. a. 1983, 373-408.<br />

– Strukturwandel der Kirche als Chance und Aufgabe. Neuausgabe mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>führung von<br />

J. B. Metz. Freiburg <strong>im</strong> Breisgau 1989.<br />

REDELSTEINER, Christoph u. a.: Fahrzeuge. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 667-692.<br />

REUTER, Markus: „Tröste, ja tröste me<strong>in</strong> Volk“ (Jes 40,1). <strong>Notfallseelsorge</strong> – E<strong>in</strong>e pastorale<br />

Feldstudie über die Arbeits- und Organisationsformen der <strong>Notfallseelsorge</strong>. Unveröffentlichte<br />

Diplomarbeit. Ma<strong>in</strong>z 2002.<br />

RUNGGALDIER, Klaus: Ethik. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 861-865.<br />

– Organisation des <strong>Rettungsdienst</strong>es <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>,<br />

607-613.<br />

– u. a.: Ausbildung und Beruf <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 793-825.<br />

– u. a.: Psychologie. In: KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, 827-859.<br />

– u. a.: Tips für den <strong>Rettungsdienst</strong>alltag. In: LUTOMSKY / FLAKE: Leitfaden <strong>Rettungsdienst</strong>,<br />

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RUPP, Manuel: Notfall Seele. Methodik und Praxis der ambulanten psychiatrischpsychotherapeutischen<br />

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SADOWSKI, Sigurd: <strong>Notfallseelsorge</strong>. In: Pastoraltheologie 88 (1999) 422-434.<br />

– Warum arbeiten Theologen <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong>? In: <strong>Rettungsdienst</strong> 23 (2000) 534-538.<br />

SALOMON, Fred: Das Menschenbild als H<strong>in</strong>tergrund notfallmediz<strong>in</strong>ischer Entscheidungen. In:<br />

Notfall & Rettungsmediz<strong>in</strong> 6 (2003) 242-246.<br />

118


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

SARBACH, Josef: Beispiel Gondo. Zur Pastoral und Liturgie <strong>im</strong> Zusammenhang mit Katastrophen.<br />

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– Gedenktag als Lebenshilfe. In: Gottesdienst 37 (2003) 90.<br />

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SCHMID, Peter F.: Die Praxis als Ort der Theologie. Kairologische Aspekte zum Verständnis<br />

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SCHMIDBAUER, Wolfgang: Helfersyndrom und Burnout-Gefahr. München und Jena 2002.<br />

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2002.<br />

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– Eschede – und ke<strong>in</strong> Ende oder: Wenn sich Bilder <strong>in</strong> die Seele brennen. In: <strong>Rettungsdienst</strong><br />

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– Reality-TV und <strong>Rettungsdienst</strong>. In: DERS.: Zwischen Blaulicht, Leib und Seele , 369-377.<br />

– (Hg.): Zwischen Blaulicht, Leib und Seele. Psychologie <strong>in</strong> der Notfallmediz<strong>in</strong>. Edewecht<br />

und Wien 2 2001.<br />

– / JATZKO, Sybille: „Schweigen ist Gold, Reden ist Blech?" – Traumatherapie <strong>in</strong> der Diskussion.<br />

In: <strong>Rettungsdienst</strong> 23 (2000) 26-28.<br />

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- Der Mensch <strong>in</strong> der Katastrophe: Psychologisch-seelsorgerliche Aspekte. In: Bundesm<strong>in</strong> isterium<br />

des Innern (Hg.): Katastrophenmediz<strong>in</strong>. Leitfaden für die ärztliche Versorgung <strong>im</strong><br />

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- Feuerwehrseelsorge bei E<strong>in</strong>sätzen: Stressbewältigung <strong>in</strong> der Praxis. In: Das große Feuerwehrhandbuch.<br />

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– <strong>Notfallseelsorge</strong>. Die besondere Chance des <strong>Seelsorge</strong>rs vor Ort. In: FERTIG / WIE-<br />

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119


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

– H<strong>in</strong>ter Blaulicht und Mart<strong>in</strong>shorn... In: <strong>Rettungsdienst</strong> 23 (2000) 79-80.<br />

– Partner für Menschen <strong>in</strong> Not... E<strong>in</strong> Vorwort zur Thematik <strong>Notfallseelsorge</strong>. In: FERTIG /<br />

WIETERSHEIM: Menschliche Begleitung, 13-15.<br />

– Psychische Aspekte be<strong>im</strong> Betreuungse<strong>in</strong>satz. In: PETER: Der Betreuungse<strong>in</strong>satz, 127-154.<br />

– Ruft mir bei Lebensgefahr e<strong>in</strong>en Priester. In: FERTIG / WIETERSHEIM: Menschliche Begleitung,<br />

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– <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Feuerwehr und <strong>Rettungsdienst</strong>. In FERTIG / WIETERSHEIM: Menschliche Begleitung,<br />

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EVANGELISCH-KATHOLISCHE AKTIONSGEMEINSCHAFT: E<strong>in</strong>e Handreichung, 13-16.<br />

– Zur Theologie der <strong>Notfallseelsorge</strong>. In: MÜLLER-LANGE: Handbuch <strong>Notfallseelsorge</strong>, 25-<br />

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ZULEHNER, Paul M.: Dienende Männer – Anstifter zur Solidarität. Diakone <strong>in</strong> Westeuropa.<br />

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– Für Kirchenliebhaber<strong>in</strong>nen. Und solche, die es werden wollen. Ostfildern 3 2000.<br />

– Pastoraltheologie, Bd. 1., Fundamentalpastoral: Kirche zwischen Auftrag und Erwartung.<br />

Düsseldorf 3 1995.<br />

– Pastoraltheologie, Bd. 2., Geme<strong>in</strong>depastoral: Orte christlicher Praxis. Düsseldorf 2 1991.<br />

– / BRANDNER, Josef: „Me<strong>in</strong>e Seele dürstet nach dir“ (Ps 63,2). GottesPastoral. Ostfildern<br />

2002.<br />

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� www.asb-onl<strong>in</strong>e.de (vom 08.09.2003): Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V.<br />

� www.destatis.de (vom 07.08.2003): Statistisches Bundesamt<br />

� www.drk.de (vom 08.09.2003): Deutsches Rotes Kreuz e. V.<br />

� www.juh.de (vom 08.09.2003): Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.<br />

� www.malteser.de (vom 25.08.2003): Malteser-Hilfsdienst e. V.<br />

� www.notfallseelsorge.de (vom 22.08.2003): <strong>Notfallseelsorge</strong> Deutschland<br />

� www.notfallseelsorge-wetterau.de (vom 27.06.2003) : <strong>Notfallseelsorge</strong> Wetterau<br />

E Empirische Daten<br />

� Gespräche und schriftlicher Austausch (e-Mail) mit <strong>Notfallseelsorge</strong>rn und Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter <strong>im</strong> Rettungs- und Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst.<br />

120


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

� Eigene Fragebögen (Anhang 1) und <strong>Rettungsdienst</strong>praktikum <strong>im</strong> Sommer/2003 (Anhang 2).<br />

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

ACLS: Advanced Cardiac Life Support (erweiterte Rean<strong>im</strong>ationsmaßnahmen)<br />

ASB: Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V.<br />

BAT: Bundesangestelltentarif<br />

BCLS: Basic Cardiac Life Support (Basismaßnahmen der Rean<strong>im</strong>ation)<br />

BOS: Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben<br />

BZ: Blutzucker<br />

CISD: Critical Incident Stress Debrief<strong>in</strong>g<br />

CISM: Critical Incident Stress Management<br />

CPR: Kardiopulmonale Rean<strong>im</strong>ation<br />

DRK: Deutsches Rotes Kreuz e. V.<br />

EKG: Elektrokardiogramm<br />

FME: Funkmeldeempfänger<br />

HF: Herzfrequenz<br />

HIV: Human Immunodeficiency Virus<br />

HLW: Herz-Lungen-Wiederbelebung<br />

JUH: Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.<br />

KID: Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst (des <strong>Rettungsdienst</strong>es)<br />

KIT: Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>im</strong> RD (auch Krisen<strong>in</strong>terventionsteam)<br />

KTW: Krankentransportwagen<br />

LRA: Lehrrettungsassistent<br />

MANV: Massenanfall von Verletzten<br />

mg/dl: Milligramm pro Deziliter (E<strong>in</strong>heit für den Blutzucker)<br />

MHD: Malteser-Hilfsdienst e. V.<br />

mmHg: Mill<strong>im</strong>eter Quecksilbersäule (E<strong>in</strong>heit für den Blutdruck)<br />

NA: Notarzt<br />

NAW: Notarztwagen<br />

NFS: <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

NA: Notarzt<br />

NEF: Notarzte<strong>in</strong>satzfahrzeug<br />

PTB: Posttraumatische Belastungsreaktion<br />

PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung<br />

PTSD: Posttraumatic Stress Disorder<br />

RA: Rettungsassistent<br />

RD: <strong>Rettungsdienst</strong><br />

RH: Rettungshelfer<br />

RR: Riva-Rocci (Blutdruck nach dem Messverfahren von Riva-Rocci)<br />

RS: Rettungssanitäter<br />

RTH: Rettungs(-transport-)hubschrauber<br />

RTW: Rettungs(-transport-)wagen<br />

SbE ® : Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen<br />

SpO2: Sauerstoffsättigung<br />

SEG: Schnell-E<strong>in</strong>satz-Gruppe<br />

SIDS: Sudden Infant Death Syndrome (Plötzlicher K<strong>in</strong>dstod)<br />

SiN <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> Notfällen<br />

StGB Strafgesetzbuch<br />

StVO: Straßenverkehrsordnung<br />

Alle anderen verwendeten Abkürzungen richten sich nach:<br />

SCHWERTNER, Siegfried M.: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und<br />

Grenzgebiete. In: Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen<br />

Angaben (= IATG 2 ). Berl<strong>in</strong> 2 1992.<br />

121


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

ANHANG 1<br />

Fragebogen NFS (<strong>Notfallseelsorge</strong>), überarbeitet<br />

I Zur Person<br />

1 Name: XY<br />

2 Wohnort: XY<br />

3 E<strong>in</strong>ige kurze Angaben zu Ihrem beruflichen Werdegang.<br />

Berufsausbildung, anschließend Zivildienst <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> (Rettungssanitäter).<br />

Danach hauptberufliche Tätigkeit <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> und Krankentransport.<br />

Studium der Theologie und Philosophie. Diakon- und Priesterweihe.<br />

4 Seit wann s<strong>in</strong>d Sie <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong> (NFS) tätig?<br />

In der <strong>Notfallseelsorge</strong> b<strong>in</strong> ich seit August 2000 tätig.<br />

5 Warum engagieren Sie sich <strong>in</strong> der NFS?<br />

Während me<strong>in</strong>er Zeit <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> fiel mir auf, dass zwar sehr vieles <strong>in</strong> der<br />

Mediz<strong>in</strong> möglich wurde und auch angewendet wurde. Ich merkte aber sehr bald,<br />

dass das persönliche Gespräch, der Mensch als solcher, <strong>im</strong>mer mehr <strong>in</strong> den<br />

H<strong>in</strong>tergrund trat. Während bei älteren Kollegen das persönliche Gespräch mit<br />

dem Patienten meistens dazugehörte, stellte ich fest, dass es bei den jüngeren<br />

Kollegen schwierig wurde, e<strong>in</strong> Gespräch mit dem Patienten zu führen. Die meisten<br />

beschränkten sich während des Transportes darauf, kurz zu erklären, was<br />

sie mediz<strong>in</strong>isch taten und wie es dem Patienten momentan g<strong>in</strong>ge. Zuweilen bemerkte<br />

ich auch, dass Kollegen sogar darauf aus waren, lieber vorne am Lenkrad<br />

zu sitzen, um erst gar ke<strong>in</strong> Gespräch führen zu müssen.<br />

Im Dienst fiel mir auf, dass die Kollegen sehr oft mich die Gespräche führen ließen,<br />

weil sie merkten, dass ich dafür e<strong>in</strong> Charisma hatte, wie sie des Öfteren<br />

sagten. Durch diese Erfahrung und den erlebten Defizit, gerade be<strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>,<br />

entschloss ich mich <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong> mitzumachen.<br />

II <strong>Notfallseelsorge</strong> allgeme<strong>in</strong> (NFS)<br />

6 Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen der NFS der Kirche(n) auf der e<strong>in</strong>en<br />

Seite und der Feuerwehr, den <strong>Rettungsdienst</strong>en und dem Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst<br />

auf der anderen Seite? Haben Sie den E<strong>in</strong>druck, dass die NFS von „den<br />

anderen“ als e<strong>in</strong>e willkommene Unterstützung angesehen oder vielleicht eher<br />

belächelt wird?<br />

Seit dem verheerenden Zugunglück von Eschede habe ich den E<strong>in</strong>druck, dass<br />

von den Leitungsgremien der Hilfsdienste und der Feuerwehr mehr Augenmerk<br />

auf die Betreuung der Patienten, der Angehörigen, sowie auch der E<strong>in</strong>satzkräfte<br />

gelegt wird. Bei Mitarbeitern der <strong>Rettungsdienst</strong>e, die konkret mit dem Leid<br />

konfrontiert s<strong>in</strong>d, gibt es unterschiedliche Haltungen zu den <strong>Notfallseelsorge</strong>rn.<br />

Es hängt auch sehr stark davon ab, welche Erlebnisse <strong>Rettungsdienst</strong>mitarbeiter<br />

mit <strong>Notfallseelsorge</strong>rn gemacht haben.<br />

122


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Bei der Beurteilung der <strong>Notfallseelsorge</strong> kommt es sehr stark darauf an, welche<br />

E<strong>in</strong>stellung der Mitarbeiter <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> zu se<strong>in</strong>em Dienst hat. Bei vielen<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>lern wird der Dienst weniger als Dienst am Menschen gesehen,<br />

sondern eher als eigener Geltungsdrang. Es stärkt das Selbstbewusstse<strong>in</strong>, wenn<br />

jemand mit Blaulicht und Mart<strong>in</strong>shorn durch die Straßen fährt, um auf sich aufmerksam<br />

zu machen. Solche <strong>Rettungsdienst</strong>ler sehen <strong>in</strong> der <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

kaum e<strong>in</strong>e Hilfe und belächeln eher das Angebot der Kirche.<br />

Mitarbeiter, die wirklich auf den Dienst am Menschen schauen, schätzen h<strong>in</strong>gegen<br />

das Angebot als wichtige Hilfe und bestellen <strong>in</strong> Notfällen auch sehr häufig<br />

e<strong>in</strong>en <strong>Notfallseelsorge</strong>r h<strong>in</strong>zu. Hier besteht auch eher die Bereitschaft, sich selbst<br />

<strong>im</strong> Gespräch e<strong>in</strong>em <strong>Notfallseelsorge</strong>r anzuvertrauen, wenn schwierige Erlebnisse<br />

den Helfer belasten. Die erste Gruppe, ist schwer zugänglich, weil sie glauben,<br />

über den D<strong>in</strong>gen zu stehen und die Erlebnisse selbst bewältigen zu können,<br />

ohne fremde Hilfe und sei es mit Hilfe von Drogen wie Alkohol, Kaffee und Nikot<strong>in</strong>.<br />

7 Welche Erfahrungen haben Sie <strong>im</strong> H<strong>in</strong>blick auf das Thema E<strong>in</strong>satzkleidung<br />

bei <strong>Notfallseelsorge</strong>r<strong>in</strong>nen bzw. -seelsorgern gemacht? Ist diese nötig und<br />

sollte sie sich von der Kleidung der (anderen) Rettungskräfte unterscheiden?<br />

Ich selbst habe noch ke<strong>in</strong>e Erfahrung mit E<strong>in</strong>satzkleidung von <strong>Notfallseelsorge</strong>rn<br />

gemacht. Allerd<strong>in</strong>gs wäre es <strong>in</strong> Großschadensfällen sehr hilfreich, wenn<br />

auch die <strong>Notfallseelsorge</strong>r besser gekennzeichnet wären. So ist es z. B. für die<br />

Organisatorische Leitung bei Schadensereignissen sehr hilfreich auf den ersten<br />

Blick zu sehen, wo e<strong>in</strong> Helfer am besten e<strong>in</strong>zusetzen ist.<br />

8 Berichten Sie bitte, was Sie von Ihren Erlebnissen bei NFS-E<strong>in</strong>sätzen hier<br />

mitteilen möchten (besondere Erfahrungen oder Erkenntnisse).<br />

E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satz, der sich auf den ersten Blick als „e<strong>in</strong>fach“ zeigte, entwickelte sich<br />

zu e<strong>in</strong>er Mehrfachbetreuung. Ich wurde zu e<strong>in</strong>em Suizid gerufen und sollte an<br />

die Angehörigen e<strong>in</strong>e Todesnachricht überbr<strong>in</strong>gen. Zunächst fuhr ich zu der besagten<br />

Adresse; es war e<strong>in</strong> Mehrfamilien-Hochhaus.<br />

Die Verstorbene war psychisch krank und lebte mit Wahnvorstellungen. Bei e<strong>in</strong>em<br />

Anfall ist sie <strong>in</strong> das Badez<strong>im</strong>mer, hatte sich e<strong>in</strong>geschlossen und sprang vom<br />

siebten Stockwerk aus dem Fenster [...]<br />

Vor dem Hochhaus standen noch die Feuerwehr und die Polizei, die damit beschäftigt<br />

waren, das Blut der Verstorbenen vom Beton zu entfernen. Hier ergaben<br />

sich bereits die ersten <strong>in</strong>tensiven Gespräche mit den Polizisten und der Feuerwehr.<br />

Ich merkte, wie wichtig es für die Helfer war, dass ihnen jemand zuhörte<br />

und sie durch das Erzählen des ganzen Vorgangs vieles bearbeiten konnten. Erst<br />

nach e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Stunden konnte ich die Tochter aufsuchen, um ihr die Todesnachricht<br />

zu überbr<strong>in</strong>gen. Auch hier dauerte das Gespräch e<strong>in</strong>e Stunde. Dies ist<br />

e<strong>in</strong>e Zeit, die mit <strong>in</strong>tensivem Zuhören sehr anstrengend se<strong>in</strong> kann und die der<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> oder die Feuerwehr häufig nicht haben.<br />

9 Welche Ratschläge und Tipps aus Ihrer Erfahrung möchten Sie gerne an zukünftige<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen weitergeben?<br />

Es ist äußerst wichtig, dass sich der <strong>Seelsorge</strong>r auf das Gespräch konzentriert.<br />

Wichtig ist dabei, dass er sich zurückn<strong>im</strong>mt und den Betroffenen erzählen lässt.<br />

Erfahrungsgemäß löst sich schon sehr viel an Anspannung, wenn der Betroffene<br />

von dem Erlebnis, das ihn belastet erzählt, je <strong>in</strong>tensiver, desto besser.<br />

123


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Ich möchte hier auch ermutigen, sich nicht zu scheuen, <strong>in</strong> solche Situationen<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zugehen. Es kann fast nichts falsch gemacht werden, wenn sich jemand<br />

e<strong>in</strong>em anderen als Mensch zur Seite stellt. Das gilt <strong>im</strong> Besonderen auch <strong>im</strong> Aushalten<br />

der Stille, wenn man auf drängende Fragen ke<strong>in</strong>e Antwort weiß. Oder<br />

auch zuzugeben, dass man selbst nicht auf die Frage „Warum?“ antworten kann.<br />

Antworten, die vorschnell oder besonders klug gegeben werden, hemmen eher<br />

das Gespräch, als dass sie nützen. Es ist äußerst wichtig, dass der <strong>Seelsorge</strong>r mit<br />

se<strong>in</strong>er ganzen Person auch zu dem steht, was er anderen rät.<br />

III NFS und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

10 Hat sich Ihr Bild vom <strong>Rettungsdienst</strong> seit Ihrer Tätigkeit <strong>in</strong> der NFS und der<br />

Zusammenarbeit mit dem <strong>Rettungsdienst</strong> geändert? Wenn ja, <strong>in</strong>wiefern?<br />

Ja, es hat sich geändert, vor allem, weil ich <strong>in</strong> den letzten Jahren feststelle, dass<br />

sich das Bewusstse<strong>in</strong> für die <strong>Notfallseelsorge</strong> ändert. Da sich auch <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

das ganze Handeln spezialisiert, wird der Ruf nach Betreuung lauter.<br />

Auch <strong>in</strong> den jährlichen Fortbildungen ist die persönliche Begleitung von Traumatisierten<br />

e<strong>in</strong> Thema.<br />

11.1 Was hat die NFS der Kirche(n) den E<strong>in</strong>satzkräften des <strong>Rettungsdienst</strong>es zu<br />

bieten?<br />

Ich denke, dass die Kirche hier e<strong>in</strong>en großen Dienst an den Menschen tut. Gerade<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> der viele nicht zuhören können oder sich auch scheuen Menschen<br />

<strong>in</strong> Notsituationen anzusprechen. Der <strong>Rettungsdienst</strong> ist bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz<br />

so lange blockiert, bis er sich wieder bei der Leitstelle frei meldet. Dies sollte<br />

möglichst schnell gehen, falls ke<strong>in</strong> Transport zu e<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>ik oder zu e<strong>in</strong>em Arzt<br />

stattf<strong>in</strong>det. Gerade bei Todesfällen ist kaum Zeit, um mit den Angehörigen <strong>im</strong><br />

Gespräch zu se<strong>in</strong>. Hier ist die <strong>Notfallseelsorge</strong> e<strong>in</strong>e dankbar angenommene Hilfe<br />

und Ergänzung für den <strong>Rettungsdienst</strong>.<br />

Ich denke, auch für die Mitarbeiter der <strong>Rettungsdienst</strong>e bietet die NFS e<strong>in</strong> großes<br />

Angebot. Gerade nach dem Zugunglück von Eschede wurde deutlich, dass<br />

Helfer, die warten mussten und nicht gleich zu den Opfern vordr<strong>in</strong>gen konnten,<br />

am meisten belastet waren. Hier gilt es, den Helfern e<strong>in</strong>e Möglichkeit zu geben,<br />

mit dieser Hilflosigkeit zu Recht zu kommen.<br />

11.2 Wie werden Angebote zur Stressbearbeitung nach belastenden E<strong>in</strong>sätzen von<br />

den Rettungskräften wahrgenommen?<br />

Leider werden diese Angebote eher weniger angenommen. Hierbei ist es wieder<br />

hilfreich, wenn sich jemand auch <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt und etwas E<strong>in</strong>blick<br />

hat und nicht nur von außen kommt. Wenn jemand selbst <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

mitfährt, ist die Schwelle zur Bitte um e<strong>in</strong> Gespräch wesentlich niedriger.<br />

12 Welche Rolle spielen Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach das Helfer-Syndrom, das Burnout-<br />

Syndrom und die Suchtgefahr für Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter des <strong>Rettungsdienst</strong>es?<br />

a) Das Helfer-Syndrom spielt be<strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> e<strong>in</strong>e große Rolle. Bei vielen,<br />

die diesen Beruf anstreben oder ausüben, stelle ich e<strong>in</strong> Hang zum Machbaren<br />

fest. Gerade durch viele Fortschritte <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong>, wird es möglich, dass<br />

durch Medikamente schnell geholfen werden kann. Dies setzt sich bei den<br />

Mitarbeitern <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> fort. Mit wenigen Handgriffen kann oftmals<br />

124


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

der Herz-Kreislauf wieder belebt werden. Leben und Tod sche<strong>in</strong>t dann <strong>in</strong><br />

den Händen des <strong>Rettungsdienst</strong>personals zu liegen. Dadurch kommt nicht<br />

selten die E<strong>in</strong>stellung, dass der Helfer nur an den Notfallpatienten gelassen<br />

werden muss, um ihm zu helfen.<br />

b) Bed<strong>in</strong>gt dadurch, wird der Helfer wichtig <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Handeln. Da aber sehr<br />

oft auch Rean<strong>im</strong>ationen erfolglos bleiben und der Patient nicht mehr <strong>in</strong>s Leben<br />

zurückgeholt werden kann, wirkt sich das belastend auf den Helfer aus.<br />

Durch die Diensthäufigkeit der Hauptamtlichen können sich solche „erfolglosen<br />

E<strong>in</strong>sätze“ häufen. Mit der Zeit merkt dann der Helfer, dass er ausgebrannt<br />

und leer wird, wenn sich mit der Zeit der Dienst zur alle<strong>in</strong>igen S<strong>in</strong>nerfüllung<br />

entwickelt hat.<br />

c) Nicht unerheblich ist ebenfalls die Gefahr von Abhängigkeiten. Ich stelle bei<br />

vielen <strong>Rettungsdienst</strong>kollegen e<strong>in</strong>en enormen Verbrauch an Kaffee und Zigaretten<br />

fest. Ebenso gibt es Kollegen, die mit dem Alkohol Probleme haben.<br />

Meist entwickelt sich dies he<strong>im</strong>lich und wird mit der Zeit umso häufiger.<br />

Schließlich kommt es auch zum Tr<strong>in</strong>ken <strong>im</strong> Dienst.<br />

13 Haben Sie mit e<strong>in</strong>er <strong>Rettungsdienst</strong>organisation besonders gute oder schlechte<br />

Erfahrungen gemacht?<br />

Ne<strong>in</strong>, ich denke da gibt es überall solche und solche Kollegen.<br />

14.1 Welche Erwartungen und Wünsche haben Sie als <strong>Notfallseelsorge</strong>r an die<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>organisationen?<br />

Ich denke, der Dienst der <strong>Notfallseelsorge</strong> könnte noch <strong>in</strong>tensiver <strong>in</strong> Fortbildungen<br />

den <strong>Rettungsdienst</strong>mitarbeitern nahe gebracht werden. Sowohl <strong>im</strong> E<strong>in</strong>satz<br />

für Angehörige, als auch für die eigenen Mitarbeiter nach belastenden E<strong>in</strong>sätzen.<br />

Ebenso denke ich, ist es von Seiten der Kirche wichtig, Kontakte zu den Organisationen<br />

vor Ort zu knüpfen.<br />

14.2 Welche Erwartungen und Wünsche haben Sie als <strong>Notfallseelsorge</strong>r an die<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte?<br />

Es sollte klar se<strong>in</strong>, dass der oder die <strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong> akzeptiert wird, als jemand<br />

der sich um die Person kümmert. Oftmals wird der Dienst eben als m<strong>in</strong>derwertig<br />

abgetan. Auch vor Ort sollten die E<strong>in</strong>satzkräfte sich nicht scheuen, auf<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>r zurückzugreifen, auch wenn es zu ungünstigen Zeiten ist.<br />

IV Kirchengeme<strong>in</strong>de und <strong>Rettungsdienst</strong><br />

15.1 Sehen Sie Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen e<strong>in</strong>er Kirchengeme<strong>in</strong>de<br />

und der Rettungswache vor Ort? Welche Erfahrungen haben Sie als<br />

Geme<strong>in</strong>deseelsorger auf diesem Gebiet gemacht?<br />

Es kommt zunächst auf die Konstellation vor Ort an. Wenn Bereitschaft signalisiert<br />

wird, dann ist e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit sehr oft möglich. Außerdem s<strong>in</strong>d oft<br />

die Mitarbeiter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Rettungswache auch Mitglieder der Geme<strong>in</strong>de. Es ist sicher<br />

hilfreich, wenn sich der <strong>Seelsorge</strong>r vor Ort auch e<strong>in</strong>mal bei der Rettungswache<br />

vorstellt und kurz se<strong>in</strong>e Zusammenarbeit auch anbietet.<br />

Momentan stelle ich fest, dass gerade <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de XY die Zusammenarbeit<br />

recht gut funktioniert, da viele der jüngeren Mitarbeiter be<strong>im</strong> Roten Kreuz auch<br />

aktiv am Geme<strong>in</strong>deleben teilnehmen.<br />

125


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

15.2 Ist es schwer, mit dem <strong>Rettungsdienst</strong> Kontakt zu knüpfen? Haben Sie Ratschläge,<br />

die die Begegnung zwischen Kirche und <strong>Rettungsdienst</strong> erleichtern?<br />

Es ist sicher nicht schwerer als mit anderen <strong>in</strong> Kontakt zu kommen. Gut wäre es<br />

sicher, wenn bei e<strong>in</strong>er öffentlichen Feier (Tag der offenen Tür, Sommerfest u. ä.)<br />

der <strong>Seelsorge</strong>r ersche<strong>in</strong>en würde und se<strong>in</strong> Interesse an der Arbeit des <strong>Rettungsdienst</strong>es<br />

bekundet. Aber auch hier gilt, dass das Interesse ehrlich se<strong>in</strong> sollte.<br />

Aufgesetztes oder vorgespieltes Interesse wird sehr schnell durchschaut und ist<br />

dann contraproduktiv.<br />

16 Bei E<strong>in</strong>sätzen <strong>in</strong> kirchlichen Räumen (z. B. während e<strong>in</strong>es Gottesdienstes) soll<br />

es schon vere<strong>in</strong>zelt zu Missverständnissen oder sogar Konfrontationen zwischen<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> und Pfarrer gekommen sei – bis h<strong>in</strong> zum Streit, wer das<br />

Recht auf den Platz am Kopf be<strong>im</strong> Patienten hat.<br />

Haben Sie von solchen Vorfällen schon e<strong>in</strong>mal gehört? Sehen Sie Chancen,<br />

solche unguten Begegnungen von vornhere<strong>in</strong> zu vermeiden oder me<strong>in</strong>en Sie,<br />

diese Zeit der Missverständnisse ist längst vorbei?<br />

Ich weiß von e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz <strong>im</strong> XY, wo <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gottesdienst e<strong>in</strong> Besucher e<strong>in</strong>en<br />

Herz-Kreislauf-Stillstand erlitt. Hier hatten die Ersthelfer den Notfallpatient<br />

zum Ausgang gebracht, wo der <strong>Rettungsdienst</strong> se<strong>in</strong>e Arbeit tun konnte.<br />

Ich denke, es ist wichtig, dass zuerst der <strong>Rettungsdienst</strong> genügend Platz bekommt,<br />

um se<strong>in</strong>e Arbeit zu tun. Oftmals ist dabei der Kopf besonders wichtig<br />

und der sollte zunächst dem <strong>Rettungsdienst</strong> zur Verfügung stehen. Außerdem<br />

b<strong>in</strong> ich als <strong>Notfallseelsorge</strong>r hier auch als Ansprechpartner für Angehörige und<br />

unmittelbar Betroffene gefragt. Es sollte eventuell auch von dem <strong>Seelsorge</strong>r dem<br />

Patienten verständlich gemacht werden, dass zuerst der Arzt oder <strong>Rettungsdienst</strong><br />

die Notversorgung gewährleistet.<br />

Erfahrungsgemäß gibt es hier auch kaum Missverständnisse oder Unst<strong>im</strong>migkeiten.<br />

V Sonstiges<br />

17 Persönliche Anmerkungen, Fragen u. ä.<br />

Ich freue mich, dass sich jemand dieser Arbeit angenommen hat, um das Verhältnis<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> und <strong>Notfallseelsorge</strong> zu reflektieren. Ich denke, dass gerade<br />

<strong>in</strong> der Zusammenarbeit von beiden Organisationen die Zukunft der Patientenbetreuung<br />

liegt. Kirche kann gerade <strong>in</strong> Situationen des Leids und des Todes<br />

hier den Menschen e<strong>in</strong>e gute und wichtige Hilfe se<strong>in</strong>.<br />

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen für die Zeit und Ihr Engagement,<br />

mit der Sie me<strong>in</strong>e Arbeit hilfreich unterstützt haben.<br />

Mit freundlichem Gruß<br />

JZ<br />

126


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Fragebogen-Vorlage KID (Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst)<br />

I Zur Person<br />

1 Ihr Alter?<br />

( ) 18-25 Jahre ( ) 26-35 Jahre ( ) 36-45 Jahre<br />

( ) 46-55 Jahre ( ) über 56 Jahre<br />

2 Ihr Geschlecht?<br />

( ) ? ( ) ?<br />

3 KID - Organisation:<br />

KID des XY <strong>in</strong> XY.<br />

4 Seit wann engagieren Sie sich <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>, seit wann <strong>im</strong> KID?<br />

5 Welche <strong>Rettungsdienst</strong>ausbildung haben Sie und welche Ausbildungskurse<br />

haben Sie für den KID absolviert?<br />

6 Aus welcher Motivation heraus arbeiten Sie <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> bzw. <strong>im</strong> KID?<br />

7 Wie ordnen Sie selbst Ihre religiöse bzw. kirchliche Zugehörigkeit e<strong>in</strong>?<br />

II Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst (KID) und <strong>Notfallseelsorge</strong> (NFS)<br />

8.1 Wie sehen Sie die NFS an? Als Konkurrenz oder kollegiale Unterstützung<br />

oder ...?<br />

8.2 Wo liegen Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach die entscheidenden Unterschiede zwischen<br />

KID und NFS? Wann wird <strong>in</strong> Ihrem Leitstellengebiet der KID, wann die NFS<br />

alarmiert?<br />

8.3 Wo sehen Sie Vorteile der NFS gegenüber dem KID und wo Nachteile der<br />

NFS?<br />

8.4 Wo gibt es Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach Möglichkeiten und Chancen für e<strong>in</strong>e gute<br />

Zusammenarbeit?<br />

9.1 Welche (positiven und/oder negativen) Erfahrungen mit <strong>Notfallseelsorge</strong>r<strong>in</strong>nen<br />

und -seelsorgern haben Sie bisher <strong>im</strong> Rahmen Ihrer KID-Tätigkeit gemacht?<br />

9.2 Hat sich Ihr Bild von der Kirche / den Kirchen durch die Begegnung mit der<br />

NFS geändert?<br />

10 Welche Erwartungen und Wünsche haben Sie an <strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen?<br />

11 Welche Erfahrung haben Sie <strong>im</strong> H<strong>in</strong>blick auf die E<strong>in</strong>satzkleidung der NFS.<br />

Sollte diese sich von der des <strong>Rettungsdienst</strong>es und des KID unterscheiden oder<br />

benötigt Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach die NFS ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>satzkleidung?<br />

12 Wie verarbeiten Sie selbst belastende E<strong>in</strong>sätze? Was bzw. wer hilft Ihnen dabei?<br />

III Stressbewältigungsangebote für den <strong>Rettungsdienst</strong><br />

13 Welche Rolle spielen Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach das Helfer-Syndrom, das Burnout-<br />

Syndrom und schließlich die Suchtgefahr für Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es?<br />

127


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

14.1 Welche Möglichkeiten und Angebote gibt es für E<strong>in</strong>satzkräfte, damit sie psychische<br />

Belastungen und Krisen be- und verarbeiten können?<br />

14.2 Aus Ihrer Erfahrung: Werden solche Angebote wahrgenommen oder me<strong>in</strong>en<br />

Sie, dass dennoch viele E<strong>in</strong>satzkräfte das Leid eher verdrängen und/oder sogar<br />

durch den Missbrauch von Alkohol und (anderen) Drogen betäuben?<br />

14.3 Können Sie sich vorstellen, dass die Kirche und deren Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen bei<br />

der Stressbearbeitung helfen können? Wenn ja, wie kann das Ihrer Me<strong>in</strong>ung<br />

nach konkret aussehen?<br />

15 Welche Erwartungen haben Sie an <strong>Seelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen, die E<strong>in</strong>satzkräfte seelsorglich<br />

begleiten?<br />

IV Kirchengeme<strong>in</strong>de<br />

16.1 Haben Sie irgendwelche Erfahrungen bezüglich (<strong>Rettungsdienst</strong>-) E<strong>in</strong>sätzen<br />

<strong>in</strong> kirchlichen Räumen (z. B. während e<strong>in</strong>em Gottesdienst) oder Konflikten<br />

zwischen <strong>Rettungsdienst</strong> und e<strong>in</strong>em <strong>Seelsorge</strong>r gemacht oder haben Sie von<br />

Kolleg<strong>in</strong>nen oder Kollegen bei Nachbesprechungen etwas darüber gehört?<br />

16.2 Welche Möglichkeiten gibt es Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach, damit bei E<strong>in</strong>sätzen Missverständnisse<br />

und Probleme zwischen <strong>Rettungsdienst</strong> und kirchlichen Mitarbeitern<br />

vermieden werden können? Was wünschen Sie sich <strong>in</strong> diesem Bezug<br />

von der Kirche?<br />

17 In der katholischen Kirche gibt es das Sakrament der Krankensalbung, das<br />

(früher) auch oft missverständlich „Letzte Ölung“ genannt wurde. Es wird<br />

Gläubigen <strong>in</strong> schwerer Krankheit und vor schwierigen Operationen gespendet.<br />

Haben Sie schon e<strong>in</strong>mal (z. B. bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz) erlebt, wie e<strong>in</strong> Priester die<br />

Krankensalbung gespendet hat? Und wenn ja, wie haben Sie diese zeichenhafte<br />

Handlung verstanden?<br />

18 Haben Sie als KID-Mitarbeiter/<strong>in</strong> irgendwelche Wünsche oder Erwartungen<br />

an die Kirchengeme<strong>in</strong>de und die <strong>Seelsorge</strong> am Ort der Rettungswache und an<br />

Ihrem Wohnort? Sehen Sie Möglichkeiten der Zusammenarbeit?<br />

V Sonstiges<br />

19 Persönliche Anmerkungen, Fragen u. ä.<br />

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen für die Zeit und Ihr Engagement, mit der Sie<br />

me<strong>in</strong>e Arbeit hilfreich unterstützt haben. Ihre Angaben werden garantiert nur <strong>im</strong> Rahmen<br />

der oben genannten Arbeit verwendet und anonym behandelt.<br />

Mit freundlichem Gruß<br />

JZ<br />

128


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

I Zur Person<br />

Fragebogen-Vorlage RD (<strong>Rettungsdienst</strong>)<br />

1 Ihr Alter?<br />

( ) 18-25 Jahre ( ) 26-35 Jahre ( ) 36-45 Jahre<br />

( ) 46-55 Jahre ( ) über 56 Jahre<br />

2 Ihr Geschlecht?<br />

( ) ? ( ) ?<br />

3 Ihre <strong>Rettungsdienst</strong>ausbildung?<br />

( ) Lehrrettungsassistent (LRA) ( ) Rettungsassistent (RA)<br />

( ) Rettungssanitäter (RS) ( ) Rettungshelfer (RH)<br />

4 Seit wann s<strong>in</strong>d Sie <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> tätig?<br />

5 Ihr Beschäftigungsverhältnis <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>?<br />

( ) hauptamtlich ( ) ehrenamtlich ( ) Zivildienst leistend<br />

6 Bei welcher <strong>Rettungsdienst</strong>organisation s<strong>in</strong>d Sie tätig?<br />

( ) ASB ( ) DRK ( ) JUH ( ) MHD ( ) ____________<br />

7 Wie ordnen Sie selbst Ihre religiöse bzw. kirchliche Zugehörigkeit e<strong>in</strong>?<br />

II <strong>Rettungsdienst</strong> (RD)<br />

8 Kennen Sie das Leitbild bzw. Programm Ihrer Organisation?<br />

( ) Ja ( ) Ne<strong>in</strong><br />

9 Aus welcher Motivation heraus s<strong>in</strong>d Sie zum <strong>Rettungsdienst</strong> gekommen?<br />

10 S<strong>in</strong>d Sie mit Ihrem Arbeitsplatz <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong> zufrieden? Wenn ne<strong>in</strong>: Was<br />

st<strong>im</strong>mt Sie unzufrieden?<br />

11 Welche Ängste und Befürchtungen haben Sie <strong>in</strong> Bezug auf Ihre Tätigkeit?<br />

12 Ist für Sie der Mensch, der Ihnen als Patient begegnet, mehr als e<strong>in</strong> Wesen,<br />

das nur mediz<strong>in</strong>ische Betreuung benötigt?<br />

13.1 Welche Rolle spielten psychologische, ethische und religiöse Themen <strong>im</strong><br />

Rahmen Ihrer <strong>Rettungsdienst</strong>ausbildung? Gibt es Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach dabei<br />

Defizite?<br />

13.2 Wünschen Sie sich <strong>in</strong> diesen Bereichen Fortbildungse<strong>in</strong>heiten? Wenn ja, zu<br />

welchen Themen?<br />

13.3 Gibt es Ihres Erachtens nach Möglichkeiten für die Kirche, bei der Ausbildung<br />

und bei Fortbildungen und Übungen mitzuarbeiten?<br />

14 Welche Rolle spielen Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach das Helfer-Syndrom, das Burnout-<br />

Syndrom und die Suchtgefahr <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong>alltag?<br />

15.1 Welche E<strong>in</strong>sätze oder Konfrontationen belasten Sie am meisten?<br />

15.2 Wie verarbeiten Sie persönlich die Erlebnisse belastender E<strong>in</strong>sätze? Was bzw.<br />

wer hilft Ihnen dabei?<br />

15.3 Gibt es dazu Angebote auf Ihrer Rettungswache oder von Ihrer Organisation?<br />

15.4 Können Sie sich vorstellen, dass die Kirche und deren Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen Ihnen<br />

dabei helfen können? Wie könnte das konkret aussehen?<br />

129


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

15.5 Aus Ihrer Erfahrung: Werden solche Angebote wahrgenommen oder me<strong>in</strong>en<br />

Sie, dass dennoch viele E<strong>in</strong>satzkräfte lieber das Leid verdrängen und/oder sogar<br />

durch den Missbrauch von Alkohol und (anderen) Drogen betäuben?<br />

15.6 Welche Erwartungen haben Sie an <strong>Seelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen, die E<strong>in</strong>satzkräfte seelsorglich<br />

begleiten?<br />

III <strong>Notfallseelsorge</strong> (NFS)<br />

16.1 Welche Erfahrungen haben Sie <strong>im</strong> Rahmen Ihres Dienstes mit der NFS gemacht?<br />

16.2 Hat sich Ihr Bild von der Kirche / den Kirchen durch die Begegnung mit der<br />

E<strong>in</strong>richtung der NFS geändert?<br />

17 Wie sehen Sie die NFS an: als Unterstützung oder Konkurrenz oder...?<br />

18 Wann alarmieren Sie bei e<strong>in</strong>em <strong>Rettungsdienst</strong>e<strong>in</strong>satz die NFS?<br />

19 In welchen Fällen ziehen Sie den Krisen<strong>in</strong>terventionsdienst (KID) der NFS<br />

vor?<br />

20 Was erwarten Sie von e<strong>in</strong>er <strong>Notfallseelsorge</strong>r<strong>in</strong> / e<strong>in</strong>em <strong>Notfallseelsorge</strong>r?<br />

21 Sollten Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach <strong>Notfallseelsorge</strong>r/<strong>in</strong>nen an der Kleidung als solche<br />

erkennbar und von den Rettungskräften unterscheidbar se<strong>in</strong>?<br />

22 In der katholischen Kirche gibt es das Sakrament der Krankensalbung, das<br />

(früher) auch oft missverständlich „Letzte Ölung“ genannt wurde. Es wird<br />

Gläubigen <strong>in</strong> schwerer Krankheit und vor schwierigen Operationen gespendet.<br />

Haben Sie schon e<strong>in</strong>mal (z. B. bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz) erlebt, wie e<strong>in</strong> Priester die<br />

Krankensalbung gespendet hat? Und wenn ja, wie haben Sie diese zeichenhafte<br />

Handlung verstanden?<br />

IV Kirchengeme<strong>in</strong>de<br />

23.1 Gab es bei e<strong>in</strong>em Ihrer E<strong>in</strong>sätze schon e<strong>in</strong>mal Missverständnisse oder Konflikte<br />

zwischen dem <strong>Rettungsdienst</strong> und kirchlichen Mitarbeitern (z. B. bei e<strong>in</strong>em<br />

Notfall während e<strong>in</strong>es Gottesdienstes oder bei e<strong>in</strong>em Patienten zu Hause)?<br />

Wenn ja: Was ist passiert und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?<br />

23.2 Welche Möglichkeiten gibt es Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach, damit bei E<strong>in</strong>sätzen mögliche<br />

Missverständnisse und Probleme zwischen <strong>Rettungsdienst</strong> und Mitarbeitern<br />

der Kirche vermieden werden können? Was wünschen Sie sich <strong>in</strong> diesem<br />

Bezug von der Kirche?<br />

24 Haben Sie irgendwelche Wünsche oder Erwartungen an die Kirchengeme<strong>in</strong>de<br />

und die <strong>Seelsorge</strong> am Ort der Rettungswache und an Ihrem Wohnort? Sehen<br />

Sie Möglichkeiten der Zusammenarbeit?<br />

V Sonstiges<br />

25 Persönliche Anmerkungen, Fragen u. ä.<br />

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen für die Zeit und Ihr Engagement, mit der Sie<br />

me<strong>in</strong>e Arbeit hilfreich unterstützt haben. Ihre Angaben werden garantiert nur <strong>im</strong> Rahmen<br />

der oben genannten Arbeit verwendet und anonym behandelt.<br />

Mit freundlichem Gruß<br />

JZ<br />

130


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Vorbemerkungen:<br />

ANHANG 2<br />

<strong>Rettungsdienst</strong>praktikum (Berichte)<br />

Während der Entstehung me<strong>in</strong>er Diplomarbeit b<strong>in</strong> ich gelegentlich als Praktikant auf<br />

e<strong>in</strong>em Rettungswagen mitgefahren und habe an Sanitätsdiensten teilgenommen, um die<br />

Praxis des <strong>Rettungsdienst</strong>es nicht nur durch Bücher und Fragebögen vor Augen zu ha-<br />

ben, sondern auch direkt zu erleben. Die zwei folgenden Berichte wollen besonders Le-<br />

sern, die auf diesem Gebiet eher unerfahren s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Arbeit<br />

des <strong>Rettungsdienst</strong>es ermöglichen. Sie wollen e<strong>in</strong>e Hilfe se<strong>in</strong>, sich e<strong>in</strong> Stück weit <strong>in</strong> den<br />

Arbeitstag des <strong>Rettungsdienst</strong>es h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zudenken. Sie ersetzen selbstverständlich nicht<br />

das Erleben <strong>in</strong> der Realität; auch können diese Aufzeichnungen nicht auf jeden Aspekt<br />

e<strong>in</strong>gehen. Am Ende des jeweiligen Berichtes schließen e<strong>in</strong>ige persönliche Gedanken zu<br />

den erlebten Ereignissen als Nachbemerkungen die Darstellungen ab.<br />

H<strong>in</strong>weise:<br />

Um Rückschlüsse auf Personen zu vermeiden, wurden e<strong>in</strong>ige Angaben verändert. Die<br />

spezifischen Abkürzungen s<strong>in</strong>d <strong>im</strong> Abkürzungsverzeichnis aufgeschlüsselt. Für weitere<br />

Informationen zu den angegebenen Medikamenten, Geräten, mediz<strong>in</strong>ischen Fachterm<strong>in</strong>i<br />

und ähnliches sei verwiesen auf KÜHN: <strong>Rettungsdienst</strong>, LUTOMSKY / FLAKE: Leitfaden<br />

<strong>Rettungsdienst</strong> und ferner auf Pschyrembel Kl<strong>in</strong>isches Wörterbuch.<br />

Bericht A: Beispiel für den Verlauf e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satzes<br />

Tag: Dienstag; Wache: XY<br />

Fahrzeug: XY, Schicht: 07.00 – 18.00 Uhr<br />

Besatzung: RA, RH, Praktikant<br />

Bisheriger Tagesverlauf <strong>in</strong> Stichpunkten:<br />

- 07.00 Uhr: Dienstbeg<strong>in</strong>n mit Überprüfung von RTW, mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Geräten und dem Material <strong>im</strong> Patie ntenraum.<br />

Ebenso Kontrolle der Medikamente auf<br />

Vollständigkeit und Haltbarkeit.<br />

Anschließend Aufenthalt auf der Wache.<br />

- 08.41 Uhr – 10.13 Uhr: Internistischer Notfall (Unklares Abdomen) <strong>in</strong><br />

XY.<br />

- 12.56 Uhr – 14.10 Uhr: Chirurgischer Notfall (Hausunfall) <strong>in</strong> XY.<br />

- 15.28 Uhr – 16.52 Uhr: Internistischer E<strong>in</strong>satz (Kreislaufkollaps) <strong>in</strong> XY.<br />

E<strong>in</strong>satz:<br />

- 16.57 Uhr Alarmierung per FME: „Achtung, Achtung. Leitstelle XY mit E<strong>in</strong>satz für den<br />

XY (= RTW), den XY (= NEF) mit dem Chirurgen nach XY.“<br />

Anschließend: sofortige Besetzung des RTW und Abfahrt mit Sonderrechten.<br />

Auf der Anfahrt teilt die Leitstelle per Funk den genauen E<strong>in</strong>satzort mit und<br />

gibt bekannt, dass es sich um e<strong>in</strong>en Verkehrsunfall handelt, bei dem e<strong>in</strong> Motorradfahrer<br />

beteiligt ist.<br />

131


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

- 17.03 Uhr Ankunft am E<strong>in</strong>satzort. Lage: E<strong>in</strong> Motorradfahrer (ca. 35 Jahre) ist auf e<strong>in</strong>er<br />

Landstraße zwischen XY und XY von se<strong>in</strong>em Kraftrad gestürzt. E<strong>in</strong>e Ersthelfer<strong>in</strong><br />

hat bereits wertvolle Hilfe geleistet. Die bereits e<strong>in</strong>getroffene Polizei sperrt<br />

die Unfallstelle ab. Zahlreiche Gaffer s<strong>in</strong>d am Ort und beh<strong>in</strong>dern sogar zum Teil<br />

die Rettungsarbeiten.<br />

Benötigte Geräte und Koffer: EKG, Beatmungsgerät, Notfallkoffer (für Atmung,<br />

Kreislauf und Wiederbelebung), Medikamentenkoffer und die elektronische<br />

Absaugpumpe. Da die Polizei bereits die Absicherung der Unfallstelle<br />

übernommen hat, verzichtet die Besatzung auf zusätzliche Warnwesten.<br />

Der RA und die Ersthelfer<strong>in</strong> (mit RS-Ausbildung) nehmen den Schutzhelm des<br />

Patienten vorsichtig vom Kopf ab und schützen die Halswirbel mit Hilfe e<strong>in</strong>es<br />

Stifneck ® vor weiteren Bewegungen. Der RH und der Praktikant kümmern sich<br />

währenddessen um die Ermittlung der Vitalparameter (HF: 80/m<strong>in</strong>.; SpO2: 88%;<br />

RR: 110/70 mmHg; EKG: normaler S<strong>in</strong>usrhythmus). Der Patient ist kaum ansprechbar<br />

und gibt gelegentlich Schmerzrufe von sich; mit beruhigenden Worten<br />

wird e<strong>in</strong>e psychische Betreuung unternommen.<br />

- 17.07 Uhr Der NA trifft am E<strong>in</strong>satzort e<strong>in</strong>. Aufgrund der schweren Verletzungen fordert<br />

der RA nach kurzer Beratung mit dem NA über Funk von der Leitstelle e<strong>in</strong>en<br />

RTH nach; die Leitstelle alarmiert daraufh<strong>in</strong> den RTH XY aus XY.<br />

Der NA befreit den Mundraum des Patienten von dem bereits geronnen Blut;<br />

danach folgt die Intubation für die künstliche Beatmung. Intravenöse Zugänge<br />

werden gelegt; R<strong>in</strong>ger-Vollelektrolytlösung (<strong>in</strong>sgesamt 3 Infusionen mit je 500<br />

ml) und HAES-steril ® (500 ml) zur Therapie des Volumenmangels werden angehängt.<br />

Ferner werden das Hypnotikum Hypnomidate ® zur Narkose und das<br />

Analgetika Fentanyl ® zur Schmerzl<strong>in</strong>derung verabreicht. Mittlerweile treffen<br />

weitere Polizeibeamte e<strong>in</strong>, die mit der Zeugenbefragung und der Rekonstruktion<br />

des Unfalls beg<strong>in</strong>nen. Die Besatzung e<strong>in</strong>es zweiten Feuerwehrfahrzeugs steht<br />

für Aufräumarbeiten zur Verfügung.<br />

- ca. 17.23 Uhr Der RTH (Besatzung: NA, RA und Pilot) landet <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe zur Unfallstelle.<br />

Die beiden Notärzte beraten das weitere Vorgehen. Über die Leitstelle<br />

wird e<strong>in</strong> Krankenhaus gesucht, das für die Aufnahme des sehr schwer verletzten<br />

Patienten vorbereitet ist.<br />

Der Patient wird mit Hilfe der Schaufeltrage auf e<strong>in</strong>e Vakuummatratze gelegt,<br />

die unnötige Bewegungen be<strong>im</strong> Transport verh<strong>in</strong>dert und dadurch e<strong>in</strong>e zusätzliche<br />

Belastung der Wirbelsäule vermeidet. Anschließend wird er <strong>in</strong> den RTH<br />

getragen, der gegen 17.42 Uhr <strong>in</strong> Richtung Kl<strong>in</strong>ik abfliegt.<br />

Die Besatzung des RTW räumt danach die Geräte und Koffer wieder <strong>in</strong> ihren<br />

E<strong>in</strong>satzwagen und entfernt die verbrauchten Kompressen und Verpackungen<br />

von der Straße. Dabei werden erste kurze Gedanken zum E<strong>in</strong>satzablauf ausgetauscht.<br />

Anschließend steht die Besatzung noch kurz an der E<strong>in</strong>satzstelle,<br />

spricht kurz mit den Polizeibeamten. Vor der Rückfahrt zur Wache lobt der RA<br />

se<strong>in</strong>e Besatzung für die gute Zusammenarbeit.<br />

- 18.05 Uhr Abfahrt von der E<strong>in</strong>satzstelle <strong>in</strong> Richtung Wache. Der Leitstelle werden per<br />

Funk die Rückmeldezahl (Aussagen über den Zustand des Patienten be<strong>im</strong> E<strong>in</strong>treffen<br />

u. ä.) und Rückmelde-Indikation (Verkehrsunfall mit Motorradfahrer)<br />

mitgeteilt; der RTW wird als „Nicht e<strong>in</strong>satzbereit“ gemeldet, da die benutzten<br />

Geräte unbed<strong>in</strong>gt des<strong>in</strong>fiziert werden müssen; außerdem müssen Medikamente,<br />

Infusionen, Verbandmaterial u. ä. aufgefüllt werden.<br />

- 18.19 Uhr Rückkehr auf der Wache. Der RTW wird geme<strong>in</strong>sam mit der Besatzung der<br />

Nachtschicht ausgeräumt. Alle Flächen <strong>im</strong> RTW, die mit Blut <strong>in</strong> Berührung gekommen<br />

s<strong>in</strong>d werden ebenso wie die Geräte des<strong>in</strong>fiziert; die verbrauchten Medikamente<br />

und Materialien werden aufgefüllt. Dabei kommt <strong>im</strong>mer wieder der<br />

E<strong>in</strong>satz zur Sprache. Der E<strong>in</strong>satzbericht wird <strong>in</strong> das EDV-System e<strong>in</strong>gegeben.<br />

- ca. 19.00 Uhr Die Besatzung der Nachtschicht übern<strong>im</strong>mt die restlichen anfallenden Arbeiten.<br />

Die Besatzung der Tagschicht beendet nach e<strong>in</strong>em anstrengenden Arbeitstag<br />

mit mehr als e<strong>in</strong>er Überstunde ihren Dienst.<br />

132


Johannes Zepezauer <strong>Kirchliche</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>im</strong> <strong>Rettungsdienst</strong><br />

Nachbemerkung: Dieser E<strong>in</strong>satz war gewiss ke<strong>in</strong>e Rout<strong>in</strong>e und g<strong>in</strong>g an der gesamten RTW-<br />

Besatzung nicht spurlos vorüber. Die große Frage am Abend dieses Tages war, ob der Patient<br />

nach diesen schweren Verletzungen überleben wird. Es blieb nur die Hoffnung.<br />

Bei den Aufräumarbeiten haben wir mite<strong>in</strong>ander noch e<strong>in</strong>mal über den E<strong>in</strong>satz gesprochen.<br />

Auch die Kollegen von der Nachtschicht haben später auf der Wache verständnisvoll zugehört<br />

und uns e<strong>in</strong>en großen Teil der Aufräumarbeiten abgenommen. Trotz aller Unklarheit bezüglich<br />

der Zukunft des Patienten hat mir das Lob des RA auf jeden Fall gut getan.<br />

Bericht B: Beispiel für den Verlauf e<strong>in</strong>er Nachtschicht<br />

Tag: Donnerstag; Wache: XY<br />

Fahrzeug: XY, Schicht: 18.00 – 07.00 Uhr<br />

Besatzung: RA, RH, Praktikant<br />

18.00 Uhr Dienstbeg<strong>in</strong>n, Tagschicht, Fahrzeugcheck (Rout<strong>in</strong>eüberprüfung von RTW, den<br />

mediz<strong>in</strong>ischen Geräten wie EKG, Beatmungsgeräte und Absaugpumpe auf<br />

Funktion und dem Material auf Vollständigkeit). Anschließend Aufenthalt auf<br />

der Wache mit geme<strong>in</strong>samem Abendessen, Gesprächen und Fernsehen.<br />

22.44 Uhr Alarmierung durch Leitstelle per FME: „Leitstelle XY mit Notfall für den XY.“<br />

22.45 Uhr Besetzung des RTW. Aufnahme des Funkkontaktes mit der Leitstelle (Angaben:<br />

Adresse <strong>in</strong> XY, Indikation: Internistischer Notfall), anschließend Abfahrt.<br />

22.49 Uhr Ankunft am E<strong>in</strong>satzort. Mitnahme von Notfall-Koffer (für AKW), EKG-Gerät<br />

und Medumat (Beatmungsgerät). Situation: Kaum ansprechbarer Patient (ca. 80<br />

Jahre) mit Korsakow-Syndrom, akutem Flüssigkeitsmangel und Fieber.<br />

Nach der Überprüfung der Vitalparameter (HF: 98/m<strong>in</strong>.; SpO2: 94%; RR:<br />

140/100 mmHg; BZ: 123 mg/dl; EKG: normaler S<strong>in</strong>usrhythmus) werden dem<br />

Patienten Sauerstoff (6 l/m<strong>in</strong>) verabreicht und e<strong>in</strong> venöser Zugang gelegt. Über<br />

Telefon fordert der RH von der Leitstelle e<strong>in</strong>en NA nach, da der Patient dr<strong>in</strong>gend<br />

e<strong>in</strong>e Infusion benötigt, um den Flüssigkeitsmangel auszugleichen.<br />

22.54 Uhr Alarmierung des NEF durch die Leitstelle. Während der Anfahrt des NEF wird<br />

der Patient für den Transport vorbereitet u. auf der Trage <strong>in</strong> den RTW gebracht.<br />

23.07 Uhr E<strong>in</strong>treffen des NEF am E<strong>in</strong>satzort. Nach e<strong>in</strong>er kurzen Besprechung mit dem RA<br />

untersucht der NA den Patienten und legt ihm e<strong>in</strong>e Infusion an (500 ml R<strong>in</strong>ger-<br />

Laktat-Lösung), um den Flüssigkeits- und Elektrolytmangel auszugleichen.<br />

23.23 Uhr Abfahrt (ohne NA und ohne Sonderrechte) zum Krankenhaus XY.<br />

Während der Fahrt wird der Patient betreut und die Vitalfunktionen überwacht.<br />

23.41 Uhr Ankunft <strong>im</strong> Krankenhaus. Der Patient wird auf die zuständige Station gebracht<br />

und an das Pflegepersonal übergeben. Anschließend: Wiederherstellung der<br />

E<strong>in</strong>satzbereitschaft des RTW.<br />

00.02 Uhr Abfahrt <strong>im</strong> Krankenhaus. Rückfahrt zur Wache.<br />

00.23 Uhr Ankunft auf der Wache. Ausfüllen des E<strong>in</strong>satzberichtes <strong>im</strong> EDV-System und<br />

Auffüllen der verbrauchten Materialien <strong>im</strong> RTW. Abschließend: Gespräche und<br />

Fernsehen <strong>im</strong> Wachraum.<br />

01.15 Uhr Nachtruhe <strong>in</strong> den Schlafräumen. Die Funkmeldeempfänger stehen <strong>in</strong> den Ladegeräten<br />

neben den Betten. In dieser Nacht erfolgt ke<strong>in</strong>e weitere Alarmierung.<br />

07.00 Uhr Ablösung durch die Tagschicht. Schichtende.<br />

Nachbemerkung:<br />

Der e<strong>in</strong>zige Patient dieser Schicht war e<strong>in</strong> älterer Mensch. Während und nach diesem Notfall<br />

musste ich öfters daran denken, wie es wohl später e<strong>in</strong>mal se<strong>in</strong> wird, wenn ich alt und vielleicht<br />

auch krank b<strong>in</strong>. Mir wurde wieder e<strong>in</strong>mal deutlich, wie wichtig es ist, dankbar für das eigene<br />

Leben zu se<strong>in</strong> und <strong>im</strong> Umgang mit alten Menschen nicht zu vergessen, dass es mir selbst e<strong>in</strong>mal<br />

ähnlich gehen kann. Diese Nachtschicht ist mit e<strong>in</strong>em Notfall am späten Abend relativ ruhig<br />

geblieben. Es gibt aber auch Nächte oder Tage, an denen man kaum zur Ruhe kommt; Nächte,<br />

<strong>in</strong> denen man mitten aus dem Schlaf gerissen wird und <strong>in</strong>nerhalb von kurzer Zeit 100% Leistung<br />

erbr<strong>in</strong>gen muss. Es gilt, <strong>im</strong>mer bereit zu se<strong>in</strong>. In der Regel schlafe ich bei den Nachtdiensten<br />

unruhig – vermutlich, weil ich weiß, dass ich jeden Moment durch den FME geweckt und<br />

zu Menschen <strong>in</strong> Not gerufen werden kann; eventuell geht es dabei sogar um Leben und Tod.<br />

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