Mädchen und junge Frauen mit Behinderung - bifos e.V.
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„Berühmte“ behinderte <strong>Frauen</strong><br />
12<br />
strippe (1998) über ein nicht sprechendes<br />
<strong>Mädchen</strong> <strong>und</strong> Heidi Hassenmüllers<br />
Kein Beinbruch (1999).<br />
Hier wird ein <strong>Mädchen</strong> <strong>mit</strong> sogenannter<br />
geistiger <strong>Behinderung</strong> allmählich<br />
von ihrem nicht behindertem<br />
Zwillingsbruder akzeptiert.<br />
Bei den Neuerscheinungen ab dem<br />
Jahr 2000 für Leser <strong>und</strong> Leserinnen<br />
ab ca. 13/14 Jahren gibt es<br />
mehrere sehr bemerkenswerte Bücher:<br />
Der Fall Mary-Lou des Schweden<br />
Stefan Casta wurde 2001 <strong>mit</strong> der<br />
„Silbernen Feder“ des „Deutschen<br />
Ärztinnenb<strong>und</strong>es“ * prämiert. In diesem<br />
Roman geht es sensibel <strong>und</strong><br />
unsentimental um ein <strong>junge</strong>s <strong>Mädchen</strong>,<br />
das seit zwei Jahren auf den<br />
Rollstuhl angewiesen ist. Alleine <strong>mit</strong><br />
einem Fre<strong>und</strong>, den sie noch aus der<br />
Zeit vor ihrem Unfall kennt, verbringt<br />
sie ein paar Ferienwochen in einem<br />
Sommerhaus am Meer. Beide lernen<br />
sich <strong>und</strong> den anderen besser<br />
kennen, doch verzichtet der Autor<br />
auf ein plattes Happy-End. Sehr vielschichtig<br />
ist der Roman von Martina<br />
Dierks Romeos Küsse. Ob sich die<br />
Autorin deshalb so gut in die Gefühlswelt<br />
eines fünfzehnjährigen <strong>Mädchen</strong>s<br />
<strong>mit</strong> Spastik versetzen kann,<br />
weil ihre eigene Tochter <strong>mit</strong> dieser<br />
<strong>Behinderung</strong> lebt? Gute Unterhaltung<br />
bietet das fl ott geschriebene<br />
Buch von Tor Seidler Das Geheimnis<br />
der Luft. Es handelt von einem<br />
couragierten <strong>Mädchen</strong>, das stottert.<br />
Unübersehbar bei Büchern für Jugendliche<br />
ist ein Trend, den es so<br />
leider auch in der Realität gibt: die<br />
Zunahme psychischer Probleme verschiedenster<br />
Art. Da gibt es magersüchtige<br />
<strong>Mädchen</strong>, etwa bei Heidi<br />
Hassenmüller Majas Macht <strong>und</strong><br />
Moïra Müllers Ich hatte Anorexie.<br />
Packend geschildert werden <strong>Mädchen</strong><br />
<strong>mit</strong> Angstneurosen, beispielsweise<br />
von der Engländerin Rosie<br />
‚info‘ - b<strong>und</strong>es organisationsstelle behinderte frauen<br />
Rushton Wer hält mich, wenn ich<br />
falle? oder Verrückt vor Angst von<br />
Jana Frey, die schon <strong>mit</strong> einigen<br />
„Problembüchern“ Aufmerksamkeit<br />
erregte. Im jüngsten Werk aus ihrer<br />
Feder, Der verlorene Blick, schildert<br />
sie eine Heranwachsende, deren Augen<br />
bei einem Autounfall irreparabel<br />
geschädigt werden. Das Buch beschreibt<br />
vor allem die erste Zeit nah<br />
dem Unfall. Die 15-Jährige durchlebt<br />
extreme Gefühlsschwankungen,<br />
von Wut, Selbsthass <strong>und</strong> Depression<br />
bis zur allmählichen Annäherung<br />
<strong>und</strong> Akzeptanz der Tatsache,<br />
dass sie blind ist. Jana Freys Bücher<br />
sind aus Gesprächen <strong>mit</strong> betroffenen<br />
<strong>Mädchen</strong> entstanden, sie<br />
wirken überwiegend sehr überzeugend,<br />
doch leiden sie manchmal<br />
an einer Problemüberfrachtung <strong>und</strong><br />
dem zwanghaft wirkenden guten<br />
Ausgang.<br />
Psychologisch eindringlich <strong>und</strong><br />
gleichzeitig aus medizinischer Sicht<br />
sehr kompetent, schildert die Amerikanerin<br />
Terry Spencer Hesser in Tyrannen<br />
im Kopf, was es bedeutet, an<br />
OCD zu leiden, einer sogenannten<br />
Zwangserkrankung.<br />
Eine ganz andere Atmosphäre<br />
herrscht in Ruth Whites – ebenfalls<br />
Amerikanerin - Helle Sonne, dunkler<br />
Schatten: Poetisch <strong>und</strong> <strong>mit</strong> großem<br />
Mitgefühl erinnert sich eine Dreizehnjährige<br />
an ihre ältere Schwester,<br />
die unheilbar an Schizophrenie<br />
erkrankte.<br />
Sehr spannend erzählt <strong>und</strong> sowohl<br />
thematisch als auch erzähltechnisch<br />
hochinteressant ist Adriana Sterns<br />
Buch Hannah <strong>und</strong> die Anderen. Die<br />
vielen Ich-Perspektiven entsprechen<br />
hier den verschiedenen Personen,<br />
die ein <strong>Mädchen</strong> <strong>mit</strong> Multipler Persönlichkeit<br />
in sich vereinigt.<br />
Auch das Thema der Euthanasie behinderter<br />
Menschen fi ndet sich in<br />
Jugendbüchern wieder. Lois Lowrys<br />
Auf der Suche nach dem Blau ist<br />
ein sehr ernstes <strong>und</strong> auch umstrittenes<br />
Buch. Von manchen Rezensenten<br />
als zu deprimierend abgelehnt,<br />
wurde es von anderen hochgelobt<br />
<strong>und</strong> als „Buch des Monats“ ausgezeichnet.<br />
In poetischer Form wird<br />
dargestellt, wie das Ausmerzen Arbeitsunfähiger<br />
eine brutale Zukunftswelt<br />
beherrscht, in der nur Außenseiter<br />
- unter ihnen die hinkende<br />
Kira - ein wenig Humanität gerettet<br />
haben.<br />
Ganz realistisch, ohne jede Beschönigung,<br />
greift ein anderes Buch die<br />
Themen Schwerstbehinderung <strong>und</strong><br />
Euthanasie auf: Cornelia Kurth in Ein<br />
Jahr <strong>mit</strong> 90 Tagen. Gerade für behinderte<br />
LeserInnen dürfte dieses Buch<br />
„starker Tobak“ sein, denn streckenweise<br />
artikuliert hier die 19-jährige<br />
Palma, eine Behindertenassistentin,<br />
unverblümt ihren Hass auf pfl egebedürftige<br />
Menschen. Nur allmählich<br />
entwickelt sich bei dieser Figur eine<br />
humanere Einstellung.<br />
Wie selbstverständlich Heranwachsende<br />
<strong>mit</strong> einem Handicap leben<br />
können, schildert dagegen Doris<br />
Meißner-Johannknecht in E-M@il<br />
in der Nacht. Durch einen besonderen<br />
Überraschungseffekt erfährt<br />
man erst am Schluss des Buches,<br />
dass die Hauptperson, die Farbige<br />
Rosanna, nicht laufen kann.<br />
Nicht unerwähnt bleiben darf die<br />
neueste einfühlsame Biografi e über<br />
Helen Keller, die in einem Jugendbuchverlag<br />
erschienen ist <strong>und</strong> vor<br />
allem die frühen Jahre der weltbekannten<br />
taubblinden Amerikanern<br />
schildert: Katja Behrens, Alles Sehen<br />
kommt von der Seele.<br />
Fazit: Es lohnt sich, Bücher über<br />
<strong>Mädchen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> <strong>und</strong> chronischer<br />
Krankheit zu lesen. Zwar<br />
wirkt – wie so oft im Jugendbuch –<br />
manches noch leicht geschönt <strong>und</strong><br />
vielleicht auch zu optimistisch (die