Vom Wilhelmshof in die Fremde. Einblicke in die Lehre vom ...

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Torben Gülstorff: Vom Wilhelmshof in die Fremde. Einblicke in die Lehre vom Eigenen und Fremden an der Kolonialschule Witzenhausen.Ansätze eines interkulturellen Lernens? Mehr Platz im Lehrplan wurde dem Fremden erst in der Phase nach Fabarius’ Direktorenschaft beigemessen. Unter Direktor Arning scheint die Rassenkunde als Fach eingeführt worden zu sein, welche er persönlich, zusammen mit Kursen zum Kolonialwesen, unterrichtete. 62 Direktor Koch führte dann eine striktere Trennung zwischen Eigenem und Fremdem ein. Er selbst lehrte das Eigene (Kolonialgeschichte, Kolonialpolitik und Kolonialwirtschaft), von Duisburg das Fremde, zu welchem er Unterricht in Völker‐ und Rassenkunde erteilte. Auch in der praktischen Ausbildung nahm durch Separierung die Auseinandersetzung mit dem Fremden zu. Neben heimischer und kolonialer Bau‐ und Maschinenkunde 63 wurden nun auch landwirtschaftliche und koloniale Baukunde, die auch die Lehre von heimischen und tropischen Baumaterialien und Bauten enthielten, unterrichtet. 64 Es zeigt sich, dass die Lehre vom „Eigenen” und „Fremden” an der eher an der praktischen landwirtschaftlichen Ausbildung interessierten DKS nur einen Bruchteil des Unterrichts ausmachte. Dennoch lässt sich eine Zunahme der Auseinandersetzung mit dem Fremdem erkennen, die einerseits mit dem Ausbau der Schule, andererseits mit der politischen Entwicklung im Deutschen Reich zu erklären ist. Letzteres spiegelt sich auch in der subjektiven Bedeutung wider, die dem Fremden in der Ausbildung beigemessen wurde. Einschätzungen zur Bedeutung des „Fremden“ für den Lehrplan Schon an anderer Stelle war auf die Rolle der Ethnologie in der Auseinandersetzung mit dem Fremden hingewiesen worden. Fabarius vertrat den Standpunkt, dass die bisherige europäische Expansion zwar durch „Thatkraft und zielbewußte Rücksichtslosigkeit”, ohne die Wissenschaft der Völkerkunde, große Erfolge errungen habe, der „kolonisierende Kulturpionier, Pflanzer, Ansiedler und Landesvertreter” sich diese „Nichtbeachtung” und selbstgewisse „Nichtachtung seiner neuen Landsleute” aber nicht mehr leisten könne. Eine Art „Verkehr” zwischen Kolonialist und fremdartiger Umgebung müsse eingerichtet werden. Der neue Kolonialist müsse Verständnis für Lebensbedingungen, Anschauungen, Sitten und Arbeiten des Anderen entwickeln. Dieses Verständnis benötige er, da bei einer Angelegenheit wie der kolonialen Arbeiterfrage nicht mehr einfache Menschenkenntnis, sondern „Völkerkenntnis” benötigt werde, um die „Eingeborenen” zu erziehen. „Unter diesem Gesichtspunkt bekommt die Völkerkunde für unsere Kulturpioniere geradezu die Bedeutung einer „Pädagogik”, die ihm erwünschte Fingerzeige giebt für seine angewandte 62 DJOMO, Esaïe: Eine Bildungsstätte für Kulturpioniere ohne Betätigungsfeld: Die Deutsche Kolonialschule zu Witzenhausen an der Werra in der Weimarer Republik, IN: HALSE, Sven (Hg.): Worte, Blicke, Träume. Beiträge zum deutschen Kolonialismus in Literatur, Fotografie und Ausbildung, Kopenhagen, 2007. 165‐186. hier 172. 63 Deutsche Kolonialschule Witzenhausen: Deutsche Kolonialschule. Witzenhausen a. d. Werra. Lehr‐ und Anstaltsplan. Witzenhausen, 1939. 23. 64 Letztere dürfte als Anregung für das von den Schülern aus Lehm und Stroh erbaute „Afrikahaus” gedient haben. (Deutsche Kolonialschule Witzenhausen, 1939. 33.). 402
ÖT KONTINENS, az Új‐ és Jelenkori Egyetemes Történeti Tanszék közleményei, N o 2010, ELTE, BUDAPEST, 2011. Pädagogik, für seine praktische Erziehungstätigkeit in seiner Erziehungskunst an seinen Arbeitern, und nicht zum wenigsten an den „Naturkindern”, die er gerne für seine Dienste erst noch gewinnen möchte”. In der Völkerkunde sah Fabarius die Möglichkeit, negative Vorurteile über das Fremde zurückzudrängen und den Menschen nahe zu bringen, dass zwischen allen Völkern nur ein abgestufter Charakter bestehe. „Alles kann in verschiedenen Graden geschehen; nicht Klüfte, sondern Gradunterschiede trennen die Teile der Menschheit”. In diesem Sinne weise die Völkerkunde die Übergänge und nicht die Unterschiede zwischen den Völkern nach und lasse die Menschheit als Ganzes erscheinen. Eine Durchsicht des Schulorgans „Der deutsche Kulturpionier” zeigt, dass die Beschäftigung mit den Fremden auf der DKS zwar keine zentrale aber doch zumindest eine ausreichende Bedeutung besaß, um immer wieder Gegenstand eines Artikels zu werden. 65 Sie zeigt auch, dass nicht nur Fabarius an neuen Ansätzen zu einem besseren Verständnis vom Fremden interessiert war. 66 In geringem Umfang spielte zwar auch schon zu dieser Zeit die Auseinandersetzung mit Rassen eine Rolle, 67 verdrängen konnte sie die „klassische”, kulturelle Beschäftigung mit dem Fremden aber noch nicht. 68 Ende der 20 er Jahre sah dies schon anders aus. Im Zuge des aufkommenden Nationalsozialismus gewann der Rassismus immer festere Konturen. 69 So kann die 65 PAPSTEIN, A. : Ansiedler und Eingeborene, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 1 (1900/1901) Nr. 3, 59‐61. / o.A.: Die Pflichten der Kulturvölker gegen die Naturvölker. In: Der deutsche Kulturpionier, Jg. 1 (1900/1901) Nr. 4, 42‐43. FABARIUS, Ernst Albert: Kolonisierung und Missionierung in ihrer geschichtlichen Wechselwirkung,. Der deutsche Kulturpionier, Jg. 2 (1901/1902) Nr. 2, 51‐61. BIETOR, J. K.: Zur Arbeiterfrage in unseren Kolonien, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 2 (1901/1902) Nr. 4, 56‐60. HUTTER, Franz: Der westafrikanische Neger, sein Verhalten dem Fremden gegenüber und seine Behandlung. Ein Beitrag zur Psychologie der Negerrasse, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 5 (1904/05) Nr. 2, 73‐83. o.A.: Allgemeine geistige und moralische Charakteristik des Negers. Der deutsche Kulturpionier, Jg. 6 (1905/1906) Nr. 3, 76‐87. / o.A.: Missionarische Eingeborenenerziehung, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 7 (1906/1907) Nr. 2, 58‐60. / o.A.: Die Negerpsyche und die Deutschen in Afrika, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 7 (1906/1907) Nr. 4, 62. 66 „Es ist Torheit, den Neger zu unseren Anschauungen „erziehen“ zu wollen. Vielmehr sollten wir in jeder Weise uns bemühen, in das Verständnis der Negerpsyche einzudringen” (o.A.: Die Negerpsyche und die Deutschen in Afrika, Der deutsche Kulturpionier, 7, 6/7, 4, 62). 67 o.A.: Alkohol und Rassenhygiene, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 7 (1906/1907) Nr. 4, 63. o.A.: Wie erobert man Afrika für die weiße und die farbige Rasse? Der deutsche Kulturpionier, Jg. 8 (1907/1908) Nr. 3/4, 74‐94. o.A.: Die Rassenvermischung in den Kolonien. Ihre Bedeutung von deutsch‐ nationalem Gesichtspunkt, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 9 (1909) Nr. 4, 103‐105. o.A.: Mischlingssorgen in Samoa, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 12 (1912) Nr. 4, 69‐76. 68 o.A.: Das Verhältnis der Hottentotten zu den Weißen,. Der deutsche Kulturpionier, Jg. 8 (1907/1908) Nr. 2, 79‐89. o.A.: Die Stellung der Deutschen zu der eingeborenen Bevölkerung in den Kolonien,. Der deutsche Kulturpionier, Jg. 8 (1907/1908) Nr. 3/4, 69‐73. / o.A.: Urwald‐Dokumente und Negerleben in Ostafrika. Kulturwissenschaftliche Betrachtungen und kolonialwirtschaftliche Lehren aus der Völkerkunde, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 9 (1909) Nr. 2, 100‐128. o.A.: Über Negerkulturen und Plantagenbau am Kilimandjaro, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 9 (1909) Nr. 4, 84‐92. HÄNSCH, Felix: Die Eingeborenenfrage der Südafrikanischen Union, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 11 (1911) Nr. 2, 121‐127. o.A.: Neger über Selbsterziehung, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 11 (1911) Nr. 2, 128. 69 vgl.: o.A.: Deutsche Ostsiedlungspolitik und völkische Kolonialpolitik (ein Vergleich),. Der deutsche Kulturpionier, Jg. 37 (1937) Nr. 1/2, 38‐40. KAUSCHE, Gustav Adolf: Die stofflichen Grundlagen der Erblichkeitslehre, Der deutsche Kulturpionier, Jg. 36 (1936) Nr. 1, 20‐26. 403
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