Vom Wilhelmshof in die Fremde. Einblicke in die Lehre vom ...

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Torben Gülstorff: Vom Wilhelmshof in die Fremde. Einblicke in die Lehre vom Eigenen und Fremden an der Kolonialschule Witzenhausen.Ansätze eines interkulturellen Lernens? prägen. Nach einer kriegsbedingten, vorübergehenden Schließung, erhielt die DKS, die in der Nachkriegszeit auch auf die Besiedlung von Reichsterritorium vorbereiten sollte, den Beinamen „Hochschule für In‐ und Auslandssiedlung”. 23 Mit der Gründung eines kolonialkundlichen Instituts, unter Leitung Adolf von Duisburgs, 24 konnte sie sich 1924 zudem ein wissenschaftlichen Standbein errichten. Nachfolger von Fabarius, der 1927 verstarb, wurde Dr. Arning, ein ehemaliger Arzt der Kolonialschutztruppe in Deutsch‐Ostafrika. 25 Unter seiner Leitung hatte die Schule einen Kampf um die Anerkennung ihrer Diplome und zahlreiche Konflikte mit ihrer zunehmend radikaleren nationalsozialistisch orientierten Studentenschaft 26 auszufechten. Eine „Schlägerei” zwischen Schülern der DKS und einem jüdischen Wanderverein in Wendershausen hätte fast zur Schließung der Anstalt geführt. 27 1934 wurde Arning durch Karl W. H. Koch, Sturmhauptführer der SA, ersetzt, 28 der am Kamerunfeldzug teilgenommen 29 und sich bis 1930 in Angola als Farmer versucht hatte. Seine praktischen Afrikakenntnisse, einige Publikationen, 30 und seine Mitgliedschaft im kolonialpolitischen Amt der Reichsleitung der NSDAP dürften ihn für den Direktorenposten empfohlen haben. 31 Der Staat gewann nun zunehmend Einfluss auf die Anstalt. Konflikte mit der Lehrer‐ wie Schülerschaft, zudem auch solche mit Reichsinstitutionen, 32 führten 1940 zur Ersetzung Kochs durch R. Köster, einen berufsmäßigen Schulleiter aus dem landwirtschaftlichen Schuldienst. Drei Jahre später musste der Schulbetrieb aufgrund des vorangeschrittenen Zweiten Weltkrieges eingestellt werden. 33 Von 1899 bis 1943 hatten 2308 Männer an der DKS eine Ausbildung erfahren. Zu diesen Schülern kamen noch vorübergehende Besucher, die nur einzelne Kurse oder Semester belegt hatten. Der Großteil beider Gruppen stammte aus dem nur 60% der Schüler die DKS mit einem Abschluss verlassen (Wolff, 1990. 23). 22 Bundesarchiv Berlin, R 8023, 980, 223‐224: aus „Windhuker Nachrichten” vom 05.10.10. 23 Bundesarchiv Berlin, R 8023, 981, 8: von ?? an Ausland GmbH vom 05.12.21. 24 Eine kleine Auswahl seiner Publikationen: v. DUISBURG, Adolf: Grundriß der Kanuri‐Sprache in Bornu, Berlin, 1913. v. DUISBURG, Adolf: Der deutsche Anteil an der Erforschung Afrikas, Deutsche Akademische Rundschau, 13. 1925. 5‐8 v. DUISBURG, Adolf: Zur Geschichte der Sultanate Bornu und Wándala (Mándara), Anthropos, 22. 1927. 187‐196. 25 Deutsche Kolonialschule Witzenhausen (Hg.): Festschrift zum 40jährigen Bestehen der Deutschen Kolonialschule Witzenhausen. 1898‐1938, Duderstadt, 1938. 50. 26 Aus den Reihen der DKS konnte der komplette SA‐Sturm 27/439 gestellt werden (Deutsche Kolonialschule Witzenhausen, 1938. 60). 27 vgl.: Die Judenschlacht von Wendershausen. Der deutsche Kulturpionier, Jg. 38 (1938) Nr. 1/2, 20‐23. 28 WOLFF (1990): 15. 29 Bundesarchiv Berlin, NS 19, 893: Fiche 1, 4‐6: von Koch – Leiter der DKS an Frau Dr. Reupke vom 12.03.3?. 30 Zu seinen Publikationen zählen Werke wie „Im Tropenhelm”, „Das Ehrenbuch der SA” und „Die Stämme des Bezirkes Molundu in sprachlicher, geschichtlicher und völkerkundlicher Beziehung”, Deutsche Kolonialschule Witzenhausen, 1938. 55. 31 Deutsche Kolonialschule Witzenhausen, 1938. 55‐56. 32 Bundesarchiv Berlin, R 2 RFM, 4978, Fiche 1, 4‐6, von ?? an ?? vom ??.11.40. 33 WOLFF (1990): 26‐27. 398

ÖT KONTINENS, az Új‐ és Jelenkori Egyetemes Történeti Tanszék közleményei, N o 2010, ELTE, BUDAPEST, 2011. deutschen städtischen Bürgertum. 34 Doch auch ausländische Interessierte aus Europa, Amerika und Asien hatten sich in der „Kolonialpädagogik” der DKS unterweisen lassen. 35 Hauptsächliche Auswanderungsziele der Absolventen waren Afrika und der amerikanische Kontinent. 36 Vor allem auf Letzteren hatte die Ausbildung der DKS abgezielt. Die Ausbildungsziele der DKS im Wandel der Zeit Die Gründung der DKS war offiziell als präventive Maßnahme gegen die Vielzahl von Kolonialskandalen, welche sich in den deutschen Kolonien um die Jahrhundertwende zugetragen hatten, erfolgt. 37 Ausbildungsziel sollte es sein, unter den „Söhnen” des Mittelstandes 38 eine neue Qualität von „Auszugswilligen” zu schaffen, mit denen qualitative „Lücken” im Personalbestand von Kolonialbehörden, Plantagengesellschaften, Handlungshäusern und Missionsgesellschaften geschlossen werden sollten. 39 Die erhoffte Qualität sollte sich im Wesen des zu erschaffenden „praktischen Kulturpioniers” manifestieren, dessen Entstehung Fabarius nur durch eine generalisierte Bildung möglich schien. Während sich die praktische Ausbildung der DKS auf Landwirtschaft und Handwerk, die Schulung auf Kultur‐, Natur‐, Wirtschafts‐, Medizin‐ und Rechtswissenschaften erstreckte, war die Erziehung des Einzelnen auf „deutsch‐nationale Eigenart und christlich‐sittlichen Geist”, diejenige der Gemeinschaft auf Kameradschaftssinn abgestellt. Durch diese an der DKS verwendete „Kolonialpädagogik” sollte die Kolonialpolitik des deutschen Reichs gefördert werden. Fabarius setzte sich für die Verbreitung des Deutschtums im Ausland, wie auch für die Kolonisation im Allgemeinen ein, da beide, seiner Meinung nach, zur „Hebung der Kultur in Übersee” beitragen würden. 40 Die an der DKS herangezogene koloniale Elite sollte an dieser Expansion vorbildhaft mitwirken. 41 Zu einer Änderung dieser Zielvorgaben kam es erst einige Jahre nach dem Tod von Fabarius. 42 Direktor Koch wollte die DKS verstärkt in den Dienst der deutschen, bäuerlichen Siedlungsbewegung in Afrika stellen. 43 Dieses Ziel überschnitt sich nur teilweise mir der allgemein an der Schule vertretenen Forderung, ihr schon jetzt 34 WOLFF (1990): 23. 35 Bundesarchiv Berlin, R 8023, 982, 79 ‐ 87: Rechenschaftsbericht 25. Betriebsjahr vom 1. April 1922 bis 31. März 1923. 36 Bundesarchiv Berlin, R 2301, 6840, 2 – 107: von ?? an ?? vom 01.04.35. 37 WOLFF (1990): 6. (Die in der Schulgeschichte erwähnte Initiative des rheinischen Verbandes der evangelischen Kirche wurde in der Öffentlichkeit stets heruntergespielt.) 38 Bundesarchiv Berlin, R 8023, 976a, 45: Prospekt der DKS (Februar 1904). 39 Bundesarchiv Berlin, R 8023, 976a, 11‐12: von Wilhelm Fürst zu Wied an ?? vom 02.09.99. 40 WOLFF (1990): 13. 41 Bundesarchiv Berlin, R 8023, 976a, 45‐46: Prospekt der DKS (Februar 1904). 42 Wie es scheint, versuchte Arning dieses Konzept weiter zu führen. Dass Arning durch einen Reichsminister ersetzt wurde, deutet an, dass sich die Schule lange Zeit nicht auf Parteilinie befunden haben dürfte. 43 WOLFF (1990): 26. 399

Torben Gülstorff: <strong>Vom</strong> <strong>Wilhelmshof</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Fremde</strong>. E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Lehre</strong> <strong>vom</strong> Eigenen und <strong>Fremde</strong>n an der<br />

Kolonialschule Witzenhausen.Ansätze e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>terkulturellen Lernens?<br />

prägen. Nach e<strong>in</strong>er kriegsbed<strong>in</strong>gten, vorübergehenden Schließung, erhielt <strong>die</strong> DKS, <strong>die</strong><br />

<strong>in</strong> der Nachkriegszeit auch auf <strong>die</strong> Besiedlung von Reichsterritorium vorbereiten sollte,<br />

den Be<strong>in</strong>amen „Hochschule für In‐ und Auslandssiedlung”. 23 Mit der Gründung e<strong>in</strong>es<br />

kolonialkundlichen Instituts, unter Leitung Adolf von Duisburgs, 24 konnte sie sich 1924<br />

zudem e<strong>in</strong> wissenschaftlichen Standbe<strong>in</strong> errichten.<br />

Nachfolger von Fabarius, der 1927 verstarb, wurde Dr. Arn<strong>in</strong>g, e<strong>in</strong> ehemaliger<br />

Arzt der Kolonialschutztruppe <strong>in</strong> Deutsch‐Ostafrika. 25 Unter se<strong>in</strong>er Leitung hatte<br />

<strong>die</strong> Schule e<strong>in</strong>en Kampf um <strong>die</strong> Anerkennung ihrer Diplome und zahlreiche<br />

Konflikte mit ihrer zunehmend radikaleren nationalsozialistisch orientierten<br />

Studentenschaft 26 auszufechten. E<strong>in</strong>e „Schlägerei” zwischen Schülern der DKS und<br />

e<strong>in</strong>em jüdischen Wandervere<strong>in</strong> <strong>in</strong> Wendershausen hätte fast zur Schließung der<br />

Anstalt geführt. 27<br />

1934 wurde Arn<strong>in</strong>g durch Karl W. H. Koch, Sturmhauptführer der SA, ersetzt, 28<br />

der am Kamerunfeldzug teilgenommen 29 und sich bis 1930 <strong>in</strong> Angola als Farmer<br />

versucht hatte. Se<strong>in</strong>e praktischen Afrikakenntnisse, e<strong>in</strong>ige Publikationen, 30 und<br />

se<strong>in</strong>e Mitgliedschaft im kolonialpolitischen Amt der Reichsleitung der NSDAP<br />

dürften ihn für den Direktorenposten empfohlen haben. 31 Der Staat gewann nun<br />

zunehmend E<strong>in</strong>fluss auf <strong>die</strong> Anstalt. Konflikte mit der <strong>Lehre</strong>r‐ wie Schülerschaft,<br />

zudem auch solche mit Reichs<strong>in</strong>stitutionen, 32 führten 1940 zur Ersetzung Kochs<br />

durch R. Köster, e<strong>in</strong>en berufsmäßigen Schulleiter aus dem landwirtschaftlichen<br />

Schul<strong>die</strong>nst. Drei Jahre später musste der Schulbetrieb aufgrund des<br />

vorangeschrittenen Zweiten Weltkrieges e<strong>in</strong>gestellt werden. 33<br />

Von 1899 bis 1943 hatten 2308 Männer an der DKS e<strong>in</strong>e Ausbildung erfahren.<br />

Zu <strong>die</strong>sen Schülern kamen noch vorübergehende Besucher, <strong>die</strong> nur e<strong>in</strong>zelne Kurse<br />

oder Semester belegt hatten. Der Großteil beider Gruppen stammte aus dem<br />

nur 60% der Schüler <strong>die</strong> DKS mit e<strong>in</strong>em Abschluss verlassen (Wolff, 1990. 23).<br />

22 Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>, R 8023, 980, 223‐224: aus „W<strong>in</strong>dhuker Nachrichten” <strong>vom</strong><br />

05.10.10.<br />

23 Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>, R 8023, 981, 8: von ?? an Ausland GmbH <strong>vom</strong> 05.12.21.<br />

24 E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Auswahl se<strong>in</strong>er Publikationen: v. DUISBURG, Adolf: Grundriß der Kanuri‐Sprache <strong>in</strong><br />

Bornu, Berl<strong>in</strong>, 1913. v. DUISBURG, Adolf: Der deutsche Anteil an der Erforschung Afrikas, Deutsche<br />

Akademische Rundschau, 13. 1925. 5‐8 v. DUISBURG, Adolf: Zur Geschichte der Sultanate Bornu und<br />

Wándala (Mándara), Anthropos, 22. 1927. 187‐196.<br />

25 Deutsche Kolonialschule Witzenhausen (Hg.): Festschrift zum 40jährigen Bestehen der Deutschen<br />

Kolonialschule Witzenhausen. 1898‐1938, Duderstadt, 1938. 50.<br />

26 Aus den Reihen der DKS konnte der komplette SA‐Sturm 27/439 gestellt werden (Deutsche<br />

Kolonialschule Witzenhausen, 1938. 60).<br />

27 vgl.: Die Judenschlacht von Wendershausen. Der deutsche Kulturpionier, Jg. 38 (1938) Nr.<br />

1/2, 20‐23.<br />

28 WOLFF (1990): 15.<br />

29 Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>, NS 19, 893: Fiche 1, 4‐6: von Koch – Leiter der DKS an Frau Dr. Reupke <strong>vom</strong><br />

12.03.3?.<br />

30 Zu se<strong>in</strong>en Publikationen zählen Werke wie „Im Tropenhelm”, „Das Ehrenbuch der SA” und „Die<br />

Stämme des Bezirkes Molundu <strong>in</strong> sprachlicher, geschichtlicher und völkerkundlicher Beziehung”,<br />

Deutsche Kolonialschule Witzenhausen, 1938. 55.<br />

31 Deutsche Kolonialschule Witzenhausen, 1938. 55‐56.<br />

32 Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>, R 2 RFM, 4978, Fiche 1, 4‐6, von ?? an ?? <strong>vom</strong> ??.11.40.<br />

33 WOLFF (1990): 26‐27.<br />

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