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Vom Wilhelmshof in die Fremde. Einblicke in die Lehre vom ...

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Torben Gülstorff: <strong>Vom</strong> <strong>Wilhelmshof</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Fremde</strong>. E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Lehre</strong> <strong>vom</strong> Eigenen und <strong>Fremde</strong>n an der<br />

Kolonialschule Witzenhausen.Ansätze e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>terkulturellen Lernens?<br />

Separierung, <strong>die</strong> Anerkennung des <strong>Fremde</strong>n, konnten dem Eigenen feste Konturen<br />

verliehen werden. Die rassistische Ideologie der NSDAP hatte <strong>die</strong> bisherige<br />

Vormachtstellung des evangelischen Glaubens an der DKS durchbrochen, was auch<br />

e<strong>in</strong>en Wandel im Verhältnis des Unterrichts <strong>vom</strong> Eigenen zum <strong>Fremde</strong>n erklärt.<br />

Zunehmend machte <strong>die</strong> Beschäftigung mit „kolonialen Themen” e<strong>in</strong>er solchen mit<br />

fremden Völkern, ihrer Rasse, Architektur und selbst ihren Baumaterialien Platz. 79<br />

Dies bee<strong>in</strong>flusste auch <strong>die</strong> Sichtweise auf das Eigene. Nun g<strong>in</strong>g es darum, e<strong>in</strong>e<br />

Parteielite für das Ausland zu schaffen, welche <strong>die</strong> „E<strong>in</strong>geborenen” zur Arbeit<br />

erziehen sollte. Die kulturelle „Hilfestellung” spielte ke<strong>in</strong>e Rolle mehr. Kultur war<br />

der Rasse untergeordnet und sollte wie <strong>die</strong>se lediglich bewahrt werden. 80 H<strong>in</strong>ter<br />

all dem stand nicht zuletzt das Ziel, <strong>in</strong> Afrika über e<strong>in</strong> „Arbeitskräftereservoir” zur<br />

wirtschaftlichen Erschließung des Kont<strong>in</strong>ents zu verfügen. 81<br />

All <strong>die</strong>s bildete über <strong>die</strong> Jahre das theoretische Gerüst des Unterrichts über das<br />

<strong>Fremde</strong> an der DKS, welches, naturgemäß, <strong>in</strong> der Praxis e<strong>in</strong>ige Abstriche zu<br />

erleiden hatte. Im Vordergrund standen <strong>die</strong> landwirtschaftliche und handwerkliche<br />

Ausbildung, dann kam <strong>die</strong> Realbildung und erst am Schluss <strong>die</strong><br />

humanwissenschaftliche Bildung. Auch wenn <strong>die</strong> <strong>Lehre</strong> <strong>vom</strong> <strong>Fremde</strong>n zunehmend<br />

<strong>in</strong> den Schulunterricht <strong>in</strong>tegriert wurde, dürfte der Unterrichtsausfall aufgrund<br />

e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gender Ernten, sowie <strong>die</strong> fast durchgängige <strong>Lehre</strong>rknappheit, mäßigend<br />

auf den <strong>in</strong> der Theorie angestrebten Umgang mit dem <strong>Fremde</strong>n e<strong>in</strong>gewirkt haben.<br />

Schon bald nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden <strong>die</strong> Kenntnisse der<br />

DKS über das <strong>Fremde</strong> <strong>in</strong> Deutschland erneut benötigt. 1956 wurde das „Deutsche<br />

Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft”, e<strong>in</strong> Jahr später <strong>die</strong><br />

„Lehranstalt für Tropische und Subtropische Landwirtschaft”, als<br />

Nachfolgeorganisationen der DKS <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland eröffnet.<br />

E<strong>in</strong>en wichtigen Teil ihrer Arbeit sollte nun <strong>die</strong> Entwicklungshilfe für <strong>die</strong> Dritte Welt<br />

ausmachen.<br />

Die Dekolonisierung der fünfziger und sechziger Jahre und der damit<br />

verbundene Anstieg von Schülern aus der Dritten Welt, 82 ließen auch hier den<br />

deutschen wie weltweiten Wandel im Umgang mit dem <strong>Fremde</strong>n nicht halt<br />

machen. 83 Auch an der Lehranstalt für Tropische und Subtropische Landwirtschaft<br />

konnte sich der neue Ansatz des <strong>in</strong>terkulturellen Lernens erfolgreich etablieren.<br />

79<br />

So heißt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bericht des Reichslandwirtschaftsm<strong>in</strong>isteriums von 1939: „Die koloniale<br />

Belehrung stand bis zur Amtsübernahme durch Stu<strong>die</strong>ndirektor Dr. Boss überhaupt nur auf dem<br />

Lehrplan” (Bundesarchiv Berl<strong>in</strong>, R 43 II, 915c, Fiche 1, 25: von Reichsm<strong>in</strong>ister für Landwirtschaft an<br />

Doktor Lammers <strong>vom</strong> 27.05.39.).<br />

80<br />

„Denn <strong>die</strong> Wahrnehmung des „<strong>Fremde</strong>n” ist für <strong>die</strong> Ausbildung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dividuellen Selbst‐<br />

Bewusstse<strong>in</strong>s ebenso bedeutsam wie für <strong>die</strong> Konstruktion kollektiver Identitäten” (JOST‐BLOME, Ulrich:<br />

E<strong>in</strong>leitung, IN: BERTELS, Ursula (Hg.): <strong>Fremde</strong>s Lernen. Aspekte <strong>in</strong>terkulturellen Lernens im<br />

<strong>in</strong>ternationalen Diskurs, Münster u.a. 2007. 7‐8. hier 7.).<br />

81<br />

GRÜNDER (1999): 334.<br />

82<br />

WOLF (1990): 40.<br />

83<br />

„Überfremdung ist e<strong>in</strong> kolonialer Begriff: Nach e<strong>in</strong>er Unabhängigkeitserklärung rächt sich der<br />

Kolonialist durch <strong>die</strong> Erklärung der Fremdheit” (IMFELD, Al: Was dem Menschen fremd ist. E<strong>in</strong> falsch<br />

e<strong>in</strong>geordneter Begriff wird heimgebracht, IN: SCHMIDT, Ulrich: Kulturelle Identität und Universalität.<br />

Interkulturelles Lernen als Bildungspr<strong>in</strong>zip, Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1987. 35‐44. hier 44.).<br />

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