Freiwilligenbericht - Bundesministerium für Arbeit, Soziales und ...

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07.01.2013 Aufrufe

10. DAS VERHÄLTNIS VON FREIWILLIGENARBEIT UND BEZAHLTER ARBEIT IN NONPROFIT ORGANISATIONEN (Badelt 2007: 107). Als Beispiel können hier Nonprofit Kindergärten dienen, in denen sich Eltern freiwillig und unentgeltlich entweder im Vorstand oder auch in der täglichen Betreuungs- und Erziehungsarbeit einbringen. Freiwillige können an dem Prozess der Leistungserstellung selbst interessiert sein, etwa weil sie den Austausch mit anderen („Beziehungsgüter“) suchen (Badelt 2007: 107). Hier wäre an Musik- und Sportvereine zu denken, deren Zweck letztlich auch das informelle Miteinander ist. Bezahlte Arbeitskräfte kommen in diesen Organisationen unterstützend oder entlastend zum Einsatz. Aus Sicht des Managements von NPOs sind bei der Entscheidung über den Einsatz dieser beiden Gruppen von Beschäftigten unter anderem Kosten- und Produktivitätsaspekte zu berücksichtigen (z. B. Handy et al. 2008). Der Einsatz von bezahlten Beschäftigten wie auch von Ehrenamtlichen müsste mit steigenden Kosten abnehmen und mit steigender Produktivität der freiwilligen Arbeitskräfte zunehmen (Handy/Srinivasan 2005). Problematisch ist, dass gerade die Kosten des Einsatzes von Ehrenamtlichen – jedenfalls bezogen auf den Einzelfall – nicht einfach zu bestimmen sind, da im Unterschied zu den bezahlten Beschäftigten keine Stundenlöhne anfallen. Als Kosten der Freiwilligenarbeit sind allerdings Aufwendungen für Einschulungen, Trainings oder die Koordination der Freiwilligenarbeit ins Kalkül zu nehmen. 105 Auch die Produktivität der Freiwilligen ist nicht leicht messbar. Außerdem können die Kosten und die Produktivität des einen Typs von Beschäftigten von der Existenz des jeweils anderen Typs von Beschäftigten abhängen. Das „Ob“ und „Wie“ dieses Zusammenhangs bestimmt sich daraus, wie nahe deren konkrete Kompetenzen und Tätigkeiten beieinander liegen. Über das genaue Tätigkeitsprofil beider Gruppen von Beschäftigten in NPOs und – damit zusammenhängend – ihre Position in der Hierarchie der Organisationen ist bislang wenig bekannt. Es sind verschiedene Muster denkbar: Die Arbeit von Freiwilligen kann auf einer eher unteren hierarchischen Ebene angesiedelt sein und dort beispielsweise einfache administrative Agenden oder die Reinigung von Räumlichkeiten umfassen. Ebenso kann unbezahlte Arbeit am oberen Ende der Hierarchie einer Organisation stattfinden und Führungs- oder Aufsichtsaufgaben beinhalten, etwa im Vorstand eines Vereins. Nicht zu vergessen ist, dass sich ehrenamtliche MitarbeiterInnen auch oft der Kernaufgabe der Organisation widmen. Umgekehrt werden bezahlte Beschäftigte im Vergleich zu gewinnorientierten Unternehmen durch NPOs zum Teil nur für spezifische Aufgaben eingesetzt. Das könnten einerseits Aufgaben mit hoher Verantwortung sein, die aufgrund hoher fachlicher und/oder zeitlicher Anforderungen nur schwer an ehrenamtliche MitarbeiterInnen delegiert werden können. Oder der Einsatz bezahlter Arbeit konzentriert sich auf eher repetitive oder in anderer Hinsicht unangenehme Aufgaben, für die sich nur schwer Freiwillige finden lassen. So besteht die Vermutung, dass in vielen NPOs bezahlte Arbeit vor allem in den oberen und unteren hierarchischen Ebenen zu finden ist und weniger in den Kerntätigkeiten. Als Beispiel könnte ein Verein genannt werden, der einen bezahlten Geschäftsführer bzw. eine bezahlte Geschäftsführerin und eine bezahlte Sekretariatskraft beschäftigt, während die restliche Arbeit ausschließlich durch Freiwilligenarbeit erledigt wird. In derartigen 105 Zu den Kosten der Freiwilligenarbeit siehe auch Grantmaker Forum (2003). 150

10. DAS VERHÄLTNIS VON FREIWILLIGENARBEIT UND BEZAHLTER ARBEIT IN NONPROFIT ORGANISATIONEN Organisationen steht vermehrt die ehrenamtliche Arbeit im Vordergrund. Natürlich gibt es auch andere Organisationen, in denen Freiwilligenarbeit eher am Rande, also ergänzend zu bezahlter Arbeit eingesetzt wird. Als Beispiel könnte ein Krankenhaus dienen, in dem neben bezahlten Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegerinnen und Pflegern auch Freiwillige zum Einsatz kommen, die z. B. Besuchsdienste übernehmen. Beide Gruppen von Beschäftigten können sehr ähnliche Tätigkeiten durchführen, sodass sie wechselseitig austauschbare Personalressourcen darstellen. Die Tätigkeiten ehrenamtlicher und bezahlter MitarbeiterInnen können aber auch komplementär zueinander sein. Potenzielle Konsequenzen von Substitutionalität oder Komplementarität beider Typen von Beschäftigten werden im Folgenden noch eingehend erläutert. In der Realität existieren in einer NPO jedenfalls häufig sowohl Freiwilligenarbeit als auch Erwerbsarbeit. Zur quantitativen Bedeutung beider Gruppen von Beschäftigten und zu deren Tätigkeitsstrukturen können nachfolgend die Ergebnisse aus einer jüngeren und umfassenden Befragung österreichischer NPOs zitiert werden. 10.2.2. Freiwilligenarbeit und bezahlte Beschäftigung in österreichischen NPOs Im Jahr 2006 führte das Institut für Sozialpolitik der Wirtschaftsuniversität Wien in Kooperation mit Statistik Austria eine umfassende schriftliche Befragung österreichischer NPOs durch. Zielsetzung war, die ökonomische und gesellschaftliche Bedeutung des österreichischen Nonprofit Sektors sichtbar zu machen (Haider et al. 2008; Schneider/Haider 2009). Befragt wurden Organisationen aus dem Nonprofit Bereich, die mindestens eine bezahlte Arbeitskraft beschäftigen, sowie zu Vergleichszwecken auch eine kleine Zahl von Organisationen aus dem öffentlichen Sektor. Insgesamt wurden 5.104 Organisationen um die Beantwortung eines Fragebogens gebeten, die Teilnahme an der Untersuchung war den Adressaten freigestellt. Gefragt wurde unter anderem nach dem Tätigkeitsfeld der Organisation, nach entgeltlichen und freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, nach Arbeitszeiten und Löhnen. 947 der Fragebögen (18,5 %) wurden von NPOs sowie Kontrollgruppen retourniert. Auf Basis der erhobenen Daten kann der Nonprofit Sektor in Österreich ökonomisch besser dimensioniert werden. Die Angaben der befragten Organisationen wurden hochgerechnet, um das Beschäftigungs-, Investitions- und Wertschöpfungsvolumen des Sektors zu ermitteln (Haider et al. 2008): 2005 gab es mehr als 170.000 Beschäftigungsverhältnisse in diesem Sektor. Der Wertschöpfungsbeitrag lag bei 4,7 Milliarden Euro und es wurden knapp 700 Millionen Euro von NPOs investiert. In diesen Zahlen sind die Beiträge jener Organisationen nicht berücksichtigt, die keine bezahlten Beschäftigungsverhältnisse ausweisen, wie dies bei vielen Vereinen der Fall ist. Im Folgenden soll ein kurzer Blick auf die (nicht auf Österreich hochgerechneten) Ergebnisse der befragten Stichprobe geworfen werden, die bezogen auf das Verhältnis ehrenamtlicher zu bezahlter Beschäftigung in NPOs interessant sind. 151

10. DAS VERHÄLTNIS VON FREIWILLIGENARBEIT UND BEZAHLTER ARBEIT IN NONPROFIT ORGANISATIONEN<br />

(Badelt 2007: 107). Als Beispiel können hier Nonprofit Kindergärten dienen, in denen sich<br />

Eltern freiwillig <strong>und</strong> unentgeltlich entweder im Vorstand oder auch in der täglichen<br />

Betreuungs- <strong>und</strong> Erziehungsarbeit einbringen. Freiwillige können an dem Prozess der<br />

Leistungserstellung selbst interessiert sein, etwa weil sie den Austausch mit anderen<br />

(„Beziehungsgüter“) suchen (Badelt 2007: 107). Hier wäre an Musik- <strong>und</strong> Sportvereine zu<br />

denken, deren Zweck letztlich auch das informelle Miteinander ist. Bezahlte <strong>Arbeit</strong>skräfte<br />

kommen in diesen Organisationen unterstützend oder entlastend zum Einsatz.<br />

Aus Sicht des Managements von NPOs sind bei der Entscheidung über den Einsatz dieser<br />

beiden Gruppen von Beschäftigten unter anderem Kosten- <strong>und</strong> Produktivitätsaspekte zu<br />

berücksichtigen (z. B. Handy et al. 2008). Der Einsatz von bezahlten Beschäftigten wie<br />

auch von Ehrenamtlichen müsste mit steigenden Kosten abnehmen <strong>und</strong> mit steigender<br />

Produktivität der freiwilligen <strong>Arbeit</strong>skräfte zunehmen (Handy/Srinivasan 2005).<br />

Problematisch ist, dass gerade die Kosten des Einsatzes von Ehrenamtlichen – jedenfalls<br />

bezogen auf den Einzelfall – nicht einfach zu bestimmen sind, da im Unterschied zu den<br />

bezahlten Beschäftigten keine St<strong>und</strong>enlöhne anfallen. Als Kosten der Freiwilligenarbeit<br />

sind allerdings Aufwendungen <strong>für</strong> Einschulungen, Trainings oder die Koordination der<br />

Freiwilligenarbeit ins Kalkül zu nehmen. 105 Auch die Produktivität der Freiwilligen ist nicht<br />

leicht messbar. Außerdem können die Kosten <strong>und</strong> die Produktivität des einen Typs von<br />

Beschäftigten von der Existenz des jeweils anderen Typs von Beschäftigten abhängen.<br />

Das „Ob“ <strong>und</strong> „Wie“ dieses Zusammenhangs bestimmt sich daraus, wie nahe deren<br />

konkrete Kompetenzen <strong>und</strong> Tätigkeiten beieinander liegen.<br />

Über das genaue Tätigkeitsprofil beider Gruppen von Beschäftigten in NPOs <strong>und</strong> – damit<br />

zusammenhängend – ihre Position in der Hierarchie der Organisationen ist bislang wenig<br />

bekannt. Es sind verschiedene Muster denkbar: Die <strong>Arbeit</strong> von Freiwilligen kann auf einer<br />

eher unteren hierarchischen Ebene angesiedelt sein <strong>und</strong> dort beispielsweise einfache<br />

administrative Agenden oder die Reinigung von Räumlichkeiten umfassen. Ebenso kann<br />

unbezahlte <strong>Arbeit</strong> am oberen Ende der Hierarchie einer Organisation stattfinden <strong>und</strong><br />

Führungs- oder Aufsichtsaufgaben beinhalten, etwa im Vorstand eines Vereins. Nicht zu<br />

vergessen ist, dass sich ehrenamtliche MitarbeiterInnen auch oft der Kernaufgabe der<br />

Organisation widmen. Umgekehrt werden bezahlte Beschäftigte im Vergleich zu<br />

gewinnorientierten Unternehmen durch NPOs zum Teil nur <strong>für</strong> spezifische Aufgaben<br />

eingesetzt. Das könnten einerseits Aufgaben mit hoher Verantwortung sein, die aufgr<strong>und</strong><br />

hoher fachlicher <strong>und</strong>/oder zeitlicher Anforderungen nur schwer an ehrenamtliche<br />

MitarbeiterInnen delegiert werden können. Oder der Einsatz bezahlter <strong>Arbeit</strong> konzentriert<br />

sich auf eher repetitive oder in anderer Hinsicht unangenehme Aufgaben, <strong>für</strong> die sich nur<br />

schwer Freiwillige finden lassen.<br />

So besteht die Vermutung, dass in vielen NPOs bezahlte <strong>Arbeit</strong> vor allem in den oberen<br />

<strong>und</strong> unteren hierarchischen Ebenen zu finden ist <strong>und</strong> weniger in den Kerntätigkeiten. Als<br />

Beispiel könnte ein Verein genannt werden, der einen bezahlten Geschäftsführer bzw.<br />

eine bezahlte Geschäftsführerin <strong>und</strong> eine bezahlte Sekretariatskraft beschäftigt, während<br />

die restliche <strong>Arbeit</strong> ausschließlich durch Freiwilligenarbeit erledigt wird. In derartigen<br />

105 Zu den Kosten der Freiwilligenarbeit siehe auch Grantmaker Forum (2003).<br />

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