Freiwilligenbericht - Bundesministerium für Arbeit, Soziales und ...
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9. FREIWILLIGES ENGAGEMENT UND MIGRANTINNEN/MIGRANTEN beziehen sich die Migrantinnen und Migranten relativ häufiger auf den Zugewinn an gesellschaftlicher Anerkennung (mit diesem Motiv identifizieren sich 80 % der aus der Türkei und 64 % der aus Ex-Jugoslawien stammenden Befragten). Auch die Hoffnung, Freiwilligenarbeit helfe dabei, einen Job zu finden, ist für Migrantinnen und Migranten von Relevanz (15 % Ex-Jugoslawien, 8 % Türkei). Posttraditionale Motive des Freiwilligenengagements wie die Erweiterung der eigenen Lebenserfahrung, die Möglichkeit, Neues zu lernen, aber auch der Spaßfaktor rufen unter Angehörigen der Arbeitsmigration (im Unterschied zu Einheimischen und Personen aus den alten EU- Ländern) relativ weniger Resonanz hervor. Interessante Details liegen schließlich in Bezug auf die Gründe für Nicht-Aktivität vor. Ähnlich den einheimischen Befragten schränken auch bei Migrantinnen und Migranten familiäre Verpflichtungen (Ex-Jugoslawien 78 %, Türkei 73 %), berufliche Anforderungen (53 % bzw. 50 %) sowie das besonders unter Befragten aus dem ehemaligen Jugoslawien ausgeprägte Gefühl, zur Mitarbeit noch nicht aufgefordert worden zu sein (65 % bzw. 50 %), ehrenamtliches Engagement ein. Darüber hinaus geben Migrantinnen und Migranten relativ häufiger Merkmale gesellschaftlicher Randständigkeit als Gründe für Nicht-Aktivität an, wie materielle Armut (31 % bzw. 44 %), fehlende Gelegenheitsstrukturen (29 % bzw. 36 %) sowie Orientierungsdefizite („habe noch nie darüber nachgedacht“, 51 % bzw. 50 %). Diese Erhebungsergebnisse stützen die Diagnose der internationalen Forschung, wonach gesellschaftliche Marginalisierung Nicht-Teilhabe und sozialen Rückzug erzeugt sowie die individuelle und kollektive Handlungsbefähigung verringert. 9.5. Resümee In weitgehender Übereinstimmung mit nationalen und internationalen empirischen Forschungen zur Freiwilligenarbeit von migrantischen Bevölkerungsgruppen lässt sich feststellen, dass insbesondere Angehörige der Arbeitsmigration seltener im formellen, jedoch häufig im informellen Bereich aktiv sind. Entgegen klischeehaften Vorstellungen sind Frauen nicht seltener als Männer sowohl in informelle als auch formelle Formen des Engagements involviert. Während Aspekte wie Bildung und Sozialstatus in erwarteter Weise Ausmaß und Bereitschaft zu Freiwilligenarbeit strukturieren, zeigen sich in Bezug auf die Herkunft deutliche Unterschiede hinsichtlich der Tätigkeitsbereiche und Motive. Einen wichtigen Anhaltspunkt liefern die Befragungsergebnisse auch bei der Nennung von Gründen für Nicht-Engagement: Im Vergleich zu den einheimischen Befragten wirken vor allem die prekäre berufliche und materielle Situation als hemmende Rahmenbedingungen für Freiwilligenarbeit (in diese Richtung weisen auch die Ergebnisse des INVOLVE- Projektes, Reinprecht/Gapp 2006). Angeregt durch die empirischen Daten zur migrantischen Freiwilligenarbeit in Österreich, stellt sich eine Reihe von Fragen für künftige Forschungen. Drei wichtige Themenbereiche seien kurz angerissen: Das Freiwilligenpotenzial ist groß und differenziert nach Herkunft, angesichts der wachsenden Diversität der migrantischen Bevölkerungen (hinsichtlich Herkunft und Sozialstruktur) stünde eine genauere Analyse der jeweiligen Praktiken von Freiwilligenarbeit in den unterschiedlichen migrantischen Milieus an. In diesem 146
9. FREIWILLIGES ENGAGEMENT UND MIGRANTINNEN/MIGRANTEN Zusammenhang steht auch die Frage nach den spezifischen Feldern von migrantischem Freiwilligenengagement. Dies betrifft einerseits die Rolle von Migrantinnen- und Migrantenorganisationen und der in sie eingebetteten Aktivitäten, wobei es hier nicht nur um eine Untersuchung der sozialen, materiellen und kulturellen Aspekte migrantischer bzw. ethnischer Selbstorganisation geht, sondern auch um die Analyse innerer Ordnungsstrukturen (Rollen, Arbeitsteilung, Hierarchien) 104 und die Möglichkeit der Überwindung der häufig materiell und infrastrukturell prekären Ressourcenausstattung (fehlende Förderungen etc.). Andererseits geht es auch um Fragen nach präziser Bestimmung der Funktion von Freiwilligenarbeit im Prozess der Eingliederung in die Aufnahmegesellschaft sowie in Hinblick auf die Etablierung transnationaler Lebensformen (Aufrechterhalten der Beziehung zum Herkunftsland, Pendeln etc.). Von zentraler Bedeutung erweist sich nicht zuletzt die Thematik der Öffnung der etablierten Organisationen sowie der Schnittstellen zwischen etablierten (autochthonen) und migrantischen Formen der Freiwilligenarbeit. 104 Aufgrund geringer Fallzahlen sind in Bezug auf diese Frage Auswertungen der Mikrozensus-Zusatzerhebung 2006 nicht möglich. 147
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Zusammenhang steht auch die Frage nach den spezifischen Feldern von migrantischem<br />
Freiwilligenengagement. Dies betrifft einerseits die Rolle von Migrantinnen- <strong>und</strong><br />
Migrantenorganisationen <strong>und</strong> der in sie eingebetteten Aktivitäten, wobei es hier nicht nur<br />
um eine Untersuchung der sozialen, materiellen <strong>und</strong> kulturellen Aspekte migrantischer<br />
bzw. ethnischer Selbstorganisation geht, sondern auch um die Analyse innerer<br />
Ordnungsstrukturen (Rollen, <strong>Arbeit</strong>steilung, Hierarchien) 104 <strong>und</strong> die Möglichkeit der<br />
Überwindung der häufig materiell <strong>und</strong> infrastrukturell prekären Ressourcenausstattung<br />
(fehlende Förderungen etc.). Andererseits geht es auch um Fragen nach präziser<br />
Bestimmung der Funktion von Freiwilligenarbeit im Prozess der Eingliederung in die<br />
Aufnahmegesellschaft sowie in Hinblick auf die Etablierung transnationaler Lebensformen<br />
(Aufrechterhalten der Beziehung zum Herkunftsland, Pendeln etc.). Von zentraler<br />
Bedeutung erweist sich nicht zuletzt die Thematik der Öffnung der etablierten<br />
Organisationen sowie der Schnittstellen zwischen etablierten (autochthonen) <strong>und</strong><br />
migrantischen Formen der Freiwilligenarbeit.<br />
104 Aufgr<strong>und</strong> geringer Fallzahlen sind in Bezug auf diese Frage Auswertungen der Mikrozensus-Zusatzerhebung 2006<br />
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