Freiwilligenbericht - Bundesministerium für Arbeit, Soziales und ...

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07.01.2013 Aufrufe

8. FREIWILLIGES ENGAGEMENT UND ÄLTERE MENSCHEN Nacherwerbsphase wird in der Literatur immer wieder als durchaus krisenhafte Zeit beschrieben, in der Orientierungshilfen notwendig sind. Ältere Menschen übernehmen ehrenamtliche Aufgaben in Gemeinden, in Pfarren, in sozialen Organisationen etc. und beteiligen sich damit aktiv an ihrem sozialen Umfeld. Immer wieder wird auf die positiven Wechselwirkungen zwischen sozialem Engagement und Gesundheitszustand verwiesen (z. B. Bath/Deeg 2005; Wahrendorf/Sigrist 2008: 52f.; Kolland/Oberbauer 2006: 161). Ein ausreichend guter Gesundheitszustand ist demnach nicht nur Bedingung für ein freiwilliges Engagement, sondern auch umgekehrt: Ein Engagement kann sich förderlich auf den Gesundheitszustand und das Wohlbefinden auswirken. Diese Zusammenhänge sind schwer messbar, da die Gesundheit von sehr vielen Faktoren beeinflusst wird. Ebenso komplex sind die verschiedenen Erklärungsansätze. Neben körperlichen Aspekten (Bewegung, Fitness) ist die Einbindung in soziale Interaktionen und Austauschbeziehungen von Bedeutung. Durch den Berufsausstieg und familiäre Veränderungen kommt es im Lebensverlauf zum Verlust zentraler Rollen, die man gespielt hat. Soziales Engagement kann dazu beitragen, neue „Rollenunterstützung“ zu erfahren, und folglich zu einem höheren Selbstwertgefühl führen, das sich wiederum positiv auf die Gesundheit auswirkt (Wahrendorf/Sigrist 2008: 53; Wouters 2006). Die „geistige Fitness“ ist u. a. ein Aspekt, den die Debatte zum lebenslangen Lernen von Älteren anspricht. Die Ausrichtung auf berufliche Qualifikationen wird im fortgeschrittenen Alter naturgemäß zunehmend unbedeutend. Freiwilligenarbeit wird jedoch als Möglichkeit gesehen, Kompetenzen im Alltag beizubehalten und zu erweitern. Im Rahmen eines EU- Programms befasst sich beispielsweise das Projekt SLIC (sustainable learning in the community) 88 mit der Zielgruppe der älteren Freiwilligen unter dem Gesichtspunkt des lebenslangen Lernens. Es werden Workshops angeboten, mit dem Ziel, ältere Menschen darin zu unterstützen, ein aktives gesellschaftliches Leben zu führen und eigene Projekte umzusetzen. Mehrere Workshopdesigns setzen unterschiedliche Schwerpunkte, beispielsweise Pensionsvorbereitung, Empowerment und Kompetenzbilanzen. 89 Als kultureller Austausch und Beitrag zur europäischen Integration kann das ebenfalls über ein EU-Projekt initiierte Netzwerk SEVEN (Senior European Volunteers Exchange Network) gesehen werden. Ziel der derzeit 29 Partner 90 des Projekts war der Aufbau einer Plattform für Organisationen, die ältere Freiwillige europaweit austauschen. Dies bietet den Beteiligten u. a. die Möglichkeit, andere Kulturen kennenzulernen. Die älteren Menschen werden bei der Auswahl beraten und können auf Erfahrungen der Teilnehmenden zurückgreifen. Ebenso werden die Organisationen dabei unterstützt, den Aufenthalt der älteren Freiwilligen vorzubereiten. 88 http://slic-project.eu/ [Zugriff am: 12.05.2009] 89 Beteiligte Partner aus Österreich sind das Österreichische Rote Kreuz und der Österreichische Ring für Erwachsenenbildung. 90 Österreichische Partner sind das SeniorInnenbüro der Stadt Graz, das Österreichische Rote Kreuz und das Wiener Hilfswerk. Siehe auch www.seven-network.eu/site/ [Zugriff am: 12.05.2009] 122

8. FREIWILLIGES ENGAGEMENT UND ÄLTERE MENSCHEN Nicht zuletzt stellt freiwilliges Engagement eine wichtige Form der Interessenvertretung und politischen Partizipation dar. Davon zeugt die Vielzahl von Clubs und Vereinen für Pensionistinnen und Pensionisten bzw. Seniorinnen und Senioren, die zahlreiche Angebote für ältere Menschen anbieten (Amann/Ehgartner 2007: 10ff.). Die meisten davon reichen über die reine Interessenvertretung hinaus: Sie bieten Beratungsleistungen, Freizeitaktivitäten bis hin zu Vergünstigungen bei Produkten und Dienstleistungen an. Bereits erwähnt wurden die jeweiligen Interessenvertretungen der Parteien: Der Pensionistenverband Österreichs 91 (SPÖ) hat laut Website 385.000 Mitglieder in 1.742 Ortsgruppen und 685 Klubs, der Österreichische Seniorenbund 92 (ÖVP) zählt rund 300.000 Mitglieder in mehr als 2.000 Orts- und Bezirksgruppen, der Österreichische Seniorenring 93 (FPÖ) hat 50.000 Mitglieder, die Initiative Grüne SeniorInnen 94 (Grüne) hat keine Mitglieder im klassischen Sinn, ist aber mit der Gruppierung „Grüne 60+“ in jedem Bundesland vertreten, der Zentralverband der Pensionisten Österreichs (KPÖ bzw. parteiunabhängig) hat ca. 10.000 Mitglieder 95 und ist mit 85-jährigem Bestehen der älteste Verband dieser Art in Österreich. 96 8.3. Was beeinflusst das freiwillige Engagement von Älteren? Freiwilligenarbeit wird – unabhängig vom Alter – wesentlich von der Ausstattung mit individuellen Ressourcen in Form von Bildung und finanzieller Absicherung beeinflusst. Eine weitere essenzielle Voraussetzung für freiwilliges Engagement, die mit zunehmendem Alter an Bedeutung gewinnt, ist der Gesundheitszustand. Gerade im ländlichen Bereich spielt auch die Mobilität eine wesentliche Rolle, die in der Regel im höheren Alter eingeschränkt ist. Daher muss es gut erreichbare Möglichkeiten für ein Engagement geben, um die Zielgruppe „ältere Menschen“ anzusprechen. In Bezug auf Zeitressourcen zeigt sich auch bei den älteren Menschen, dass die Formel „freie Zeit durch Pensionierung und daher mehr Freiwilligenarbeit“ nicht einfach anwendbar ist – oft ist sogar das Gegenteil der Fall. So gehen bestimmte Formen des Ehrenamts zurück, z. B. in Gewerkschaften und Parteien (Backes 2005: 178). Auch für die ländliche Region wurde gezeigt, dass mit dem Erreichen eines bestimmten Alters sowie mit dem Ausstieg aus dem Erwerbsleben oftmals auch die Aufgabe des freiwilligen Engagements verbunden ist. Begründet wird dies mit persönlichen Präferenzen, verstärkter Übernahme von familiären Aufgaben, insbesondere Betreuung von Enkelkindern und Pflege von Angehörigen (Favry et al. 2006: 36f.). Immerhin sind 73 % der weiblichen und 76 % der männlichen pflegenden Angehörigen älter als 50 Jahre (Pochobradsky et al. 2005: 12). Aber auch Generationskonflikte in den Organisationen sind mitunter ein Grund, sich von der freiwilligen Tätigkeit zurückzuziehen (Favry et al. 91 www.pvoe.at/ [Zugriff am: 12.05.2009] 92 www.seniorenbund.at/ [Zugriff am: 12.05.2009] 93 www.konvent.gv.at/K/DE/AVORL-K/AVORL-K_00225/fname_015910.pdf [Zugriff am: 12.05.2009] 94 http://seniorinnen.gruene.at/wien/artikel/lesen/28741/ [Zugriff am: 12.05.2009] sowie telefonische Auskunft am 12.05.2009. 95 www.seniorenrat.at/de_at/mitglieder/7 [Zugriff am: 12.05.2009] 96 www.kpoe-steiermark.at/aid=1413.phtml [Zugriff am: 12.05.2009] 123

8. FREIWILLIGES ENGAGEMENT UND ÄLTERE MENSCHEN<br />

Nicht zuletzt stellt freiwilliges Engagement eine wichtige Form der Interessenvertretung<br />

<strong>und</strong> politischen Partizipation dar. Davon zeugt die Vielzahl von Clubs <strong>und</strong> Vereinen <strong>für</strong><br />

Pensionistinnen <strong>und</strong> Pensionisten bzw. Seniorinnen <strong>und</strong> Senioren, die zahlreiche<br />

Angebote <strong>für</strong> ältere Menschen anbieten (Amann/Ehgartner 2007: 10ff.). Die meisten davon<br />

reichen über die reine Interessenvertretung hinaus: Sie bieten Beratungsleistungen,<br />

Freizeitaktivitäten bis hin zu Vergünstigungen bei Produkten <strong>und</strong> Dienstleistungen an.<br />

Bereits erwähnt wurden die jeweiligen Interessenvertretungen der Parteien: Der<br />

Pensionistenverband Österreichs 91 (SPÖ) hat laut Website 385.000 Mitglieder in 1.742<br />

Ortsgruppen <strong>und</strong> 685 Klubs, der Österreichische Seniorenb<strong>und</strong> 92 (ÖVP) zählt r<strong>und</strong><br />

300.000 Mitglieder in mehr als 2.000 Orts- <strong>und</strong> Bezirksgruppen, der Österreichische<br />

Seniorenring 93 (FPÖ) hat 50.000 Mitglieder, die Initiative Grüne SeniorInnen 94 (Grüne) hat<br />

keine Mitglieder im klassischen Sinn, ist aber mit der Gruppierung „Grüne 60+“ in jedem<br />

B<strong>und</strong>esland vertreten, der Zentralverband der Pensionisten Österreichs (KPÖ bzw.<br />

parteiunabhängig) hat ca. 10.000 Mitglieder 95 <strong>und</strong> ist mit 85-jährigem Bestehen der älteste<br />

Verband dieser Art in Österreich. 96<br />

8.3. Was beeinflusst das freiwillige Engagement von Älteren?<br />

Freiwilligenarbeit wird – unabhängig vom Alter – wesentlich von der Ausstattung mit<br />

individuellen Ressourcen in Form von Bildung <strong>und</strong> finanzieller Absicherung beeinflusst.<br />

Eine weitere essenzielle Voraussetzung <strong>für</strong> freiwilliges Engagement, die mit<br />

zunehmendem Alter an Bedeutung gewinnt, ist der Ges<strong>und</strong>heitszustand. Gerade im<br />

ländlichen Bereich spielt auch die Mobilität eine wesentliche Rolle, die in der Regel im<br />

höheren Alter eingeschränkt ist. Daher muss es gut erreichbare Möglichkeiten <strong>für</strong> ein<br />

Engagement geben, um die Zielgruppe „ältere Menschen“ anzusprechen.<br />

In Bezug auf Zeitressourcen zeigt sich auch bei den älteren Menschen, dass die Formel<br />

„freie Zeit durch Pensionierung <strong>und</strong> daher mehr Freiwilligenarbeit“ nicht einfach<br />

anwendbar ist – oft ist sogar das Gegenteil der Fall. So gehen bestimmte Formen des<br />

Ehrenamts zurück, z. B. in Gewerkschaften <strong>und</strong> Parteien (Backes 2005: 178). Auch <strong>für</strong> die<br />

ländliche Region wurde gezeigt, dass mit dem Erreichen eines bestimmten Alters sowie<br />

mit dem Ausstieg aus dem Erwerbsleben oftmals auch die Aufgabe des freiwilligen<br />

Engagements verb<strong>und</strong>en ist. Begründet wird dies mit persönlichen Präferenzen,<br />

verstärkter Übernahme von familiären Aufgaben, insbesondere Betreuung von<br />

Enkelkindern <strong>und</strong> Pflege von Angehörigen (Favry et al. 2006: 36f.). Immerhin sind 73 %<br />

der weiblichen <strong>und</strong> 76 % der männlichen pflegenden Angehörigen älter als 50 Jahre<br />

(Pochobradsky et al. 2005: 12). Aber auch Generationskonflikte in den Organisationen<br />

sind mitunter ein Gr<strong>und</strong>, sich von der freiwilligen Tätigkeit zurückzuziehen (Favry et al.<br />

91<br />

www.pvoe.at/ [Zugriff am: 12.05.2009]<br />

92<br />

www.seniorenb<strong>und</strong>.at/ [Zugriff am: 12.05.2009]<br />

93<br />

www.konvent.gv.at/K/DE/AVORL-K/AVORL-K_00225/fname_015910.pdf [Zugriff am: 12.05.2009]<br />

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http://seniorinnen.gruene.at/wien/artikel/lesen/28741/ [Zugriff am: 12.05.2009] sowie telefonische Auskunft am<br />

12.05.2009.<br />

95<br />

www.seniorenrat.at/de_at/mitglieder/7 [Zugriff am: 12.05.2009]<br />

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www.kpoe-steiermark.at/aid=1413.phtml [Zugriff am: 12.05.2009]<br />

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