Freiwilligenbericht - Bundesministerium für Arbeit, Soziales und ...

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07.01.2013 Aufrufe

6. FREIWILLIGES ENGAGEMENT UND GENDER Erwerbsarbeit um die Haus- und Familienarbeit erweitert, erreicht sie größere Erklärungskraft. Empirisch bestätigt wird diese Vermutung, wenn der Zusammenhang zwischen Kinderbetreuungspflichten und freiwilligem Engagement von Frauen und Männern untersucht wird: So sind Frauen, die mit jüngeren Kindern (vor dem schulpflichtigen Alter) in einem Haushalt leben, seltener ehrenamtlich engagiert als der Durchschnitt aller Frauen derselben Alterskohorte bzw. als Frauen ohne jüngere Kinder im Haushalt (Picot/Gensicke 2005: 287; Zierau 2001: 53; Taniguchi 2006: 95). Das liegt vermutlich daran, dass sie sehr viel Zeit für die Kinderbetreuung aufwenden, was die verbleibende Zeit für Freiwilligenarbeit schmälert. Für Männer, die mit jüngeren Kindern in einem Haushalt leben, zeigte sich nur ein geringfügiger Rückgang des ehrenamtlichen Engagements (Picot/Gensicke 2005: 287). Sie engagieren sich sogar häufiger ehrenamtlich als alle Männer derselben Altersgruppe bzw. Männer ohne kleine Kinder (Picot/Gensicke 2005: 287; Zierau 2001: 53; Taniguchi 2006: 95). 75 Neben der Betreuung von Kindern ist auch die – zum Teil sehr zeitintensive – Pflege älterer Menschen in überwiegendem Ausmaß Aufgabe von Frauen. In Österreich gab es im Jahr 2008 rund 315.000 PflegegeldbezieherInnen. 76 Gemäß einer Studie aus dem Jahr 2004 werden rund 79 % der zu Pflegenden von Angehörigen betreut, von denen 79 % weiblich sind. (Pochobradsky et al. 2004: 11ff.). In vielen gesellschaftlichen Bereichen haben sich in den letzten Jahrzehnten bestehende Diskrepanzen zwischen Frauen und Männern verringert: So verfügen Frauen mittlerweile über höhere Bildungsabschlüsse als Männer und auch die Erwerbsquoten von Frauen und Männern haben sich von 49 % bzw. 90 % in 1971 auf 67 % bzw. 81 % in 2006 angenähert (Statistik Austria 2007: 19). Vielfach beziehen Frauen heute ein eigenes Einkommen und sind damit auch ökonomisch unabhängiger. Diese Verringerung der geschlechtsspezifischen Differenzen geht in erster Linie auf die Annäherung von Frauen an maskuline Lebensstile zurück – und nur sehr geringfügig auf die Annäherung von Männern an feminine Lebensstile. So ist zwar die Frauenerwerbsquote gestiegen, die „Männnerhaushaltsbeteiligungsquote“ aber nur minimal gewachsen. Frauen sind demnach auch wesentlich am Erwerbsarbeitsmarkt tätig, verrichten aber gleichzeitig immer noch den Großteil der unbezahlten Haus- und Familienarbeit. In Abbildung 52 ist die Verteilung der Haus- und Familienarbeit sowie der Erwerbsarbeit in Österreich veranschaulicht, woraus sich die enorme zeitliche Belastung für Frauen ergibt. 75 Die Untersuchungen für Deutschland basierend auf Daten aus 1999 zeigen einen Anstieg des Engagements von Männern bei zunehmender Kinderanzahl, basierend auf Daten aus 2004 war ein – wenn auch leichter – Rückgang des Engagements bei zunehmender Kinderanzahl zu beobachten. 76 www.sozvers.at/hvb/statistik/ESV_Statistik/Pflegegeld.htm 92

6. FREIWILLIGES ENGAGEMENT UND GENDER ABBILDUNG 52: DURCHSCHNITTLICH GELEISTETE WÖCHENTLICHE ARBEITSZEIT VON FRAUEN UND MÄNNERN NACH ALTERSGRUPPEN Quelle: Statistik Austria 2003:40, basierend auf Mikrozensuserhebung 2002 Im Durchschnitt verbringen erwachsene Personen in Österreich etwa 40,3 Stunden pro Woche mit Arbeit, wovon 22,3 Stunden auf Erwerbsarbeit und 18 Stunden auf Kinderbetreuung und Hausarbeit entfallen. Die tatsächliche wöchentliche Arbeitsbelastung hängt allerdings stark vom Geschlecht, vom Alter und von der Erwerbssituation ab. So liegt die wöchentliche Gesamtarbeitsbelastung von Männern im Schnitt bei 35 Stunden (davon ein Fünftel für Haus- und Familienarbeit), bei Frauen sind es durchschnittlich 45 Stunden (davon zwei Drittel für Haus- und Familienarbeit) (Statistik Austria 2003: 19). Während bei Frauen die Erwerbsarbeit nur bis zu einem Alter von 24 Jahren dominiert und danach stets der zeitliche Aufwand für Hausarbeit und Kinderbetreuung überwiegt, hat Letztere für Männer über alle Altersgruppen hinweg nur marginale Bedeutung. Die wöchentliche Gesamtbelastung erwerbstätiger Frauen beträgt 64 Stunden, jene erwerbstätiger Männer 48,4 Stunden, d. h. Frauen arbeiten wöchentlich um 15,6 Stunden mehr. Im Alter von 25 bis 44 Jahren, wenn die Hauptlast der Kinderbetreuung anfällt, arbeiten Frauen sogar rund 20 Stunden pro Woche mehr als ihre männlichen Altersgenossen, wie aus der Grafik deutlich hervorgeht (ebd.: 20). Die ungleiche Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit hat zur Folge, dass Männer über wesentlich mehr freie Zeit als Frauen verfügen, die beispielsweise für Freiwilligenarbeit verwendet werden kann. Nicht in die Berechnungen der Hausarbeit einbezogen ist die Betreuung pflegebedürftiger Personen, die ebenfalls überwiegend von Frauen erbracht wird – häufig an der Schnittstelle zwischen Familienarbeit und informeller Freiwilligenarbeit. Diese Arbeit bindet weitere Zeitressourcen von Frauen und schränkt damit die Möglichkeit ein, sich an formeller und informeller Freiwilligenarbeit zu beteiligen. 93

6. FREIWILLIGES ENGAGEMENT UND GENDER<br />

Erwerbsarbeit um die Haus- <strong>und</strong> Familienarbeit erweitert, erreicht sie größere<br />

Erklärungskraft. Empirisch bestätigt wird diese Vermutung, wenn der Zusammenhang<br />

zwischen Kinderbetreuungspflichten <strong>und</strong> freiwilligem Engagement von Frauen <strong>und</strong><br />

Männern untersucht wird: So sind Frauen, die mit jüngeren Kindern (vor dem<br />

schulpflichtigen Alter) in einem Haushalt leben, seltener ehrenamtlich engagiert als der<br />

Durchschnitt aller Frauen derselben Alterskohorte bzw. als Frauen ohne jüngere Kinder im<br />

Haushalt (Picot/Gensicke 2005: 287; Zierau 2001: 53; Taniguchi 2006: 95). Das liegt<br />

vermutlich daran, dass sie sehr viel Zeit <strong>für</strong> die Kinderbetreuung aufwenden, was die<br />

verbleibende Zeit <strong>für</strong> Freiwilligenarbeit schmälert. Für Männer, die mit jüngeren Kindern in<br />

einem Haushalt leben, zeigte sich nur ein geringfügiger Rückgang des ehrenamtlichen<br />

Engagements (Picot/Gensicke 2005: 287). Sie engagieren sich sogar häufiger<br />

ehrenamtlich als alle Männer derselben Altersgruppe bzw. Männer ohne kleine Kinder<br />

(Picot/Gensicke 2005: 287; Zierau 2001: 53; Taniguchi 2006: 95). 75<br />

Neben der Betreuung von Kindern ist auch die – zum Teil sehr zeitintensive – Pflege<br />

älterer Menschen in überwiegendem Ausmaß Aufgabe von Frauen. In Österreich gab es<br />

im Jahr 2008 r<strong>und</strong> 315.000 PflegegeldbezieherInnen. 76 Gemäß einer Studie aus dem Jahr<br />

2004 werden r<strong>und</strong> 79 % der zu Pflegenden von Angehörigen betreut, von denen 79 %<br />

weiblich sind. (Pochobradsky et al. 2004: 11ff.).<br />

In vielen gesellschaftlichen Bereichen haben sich in den letzten Jahrzehnten bestehende<br />

Diskrepanzen zwischen Frauen <strong>und</strong> Männern verringert: So verfügen Frauen mittlerweile<br />

über höhere Bildungsabschlüsse als Männer <strong>und</strong> auch die Erwerbsquoten von Frauen <strong>und</strong><br />

Männern haben sich von 49 % bzw. 90 % in 1971 auf 67 % bzw. 81 % in 2006 angenähert<br />

(Statistik Austria 2007: 19). Vielfach beziehen Frauen heute ein eigenes Einkommen <strong>und</strong><br />

sind damit auch ökonomisch unabhängiger. Diese Verringerung der<br />

geschlechtsspezifischen Differenzen geht in erster Linie auf die Annäherung von Frauen<br />

an maskuline Lebensstile zurück – <strong>und</strong> nur sehr geringfügig auf die Annäherung von<br />

Männern an feminine Lebensstile. So ist zwar die Frauenerwerbsquote gestiegen, die<br />

„Männnerhaushaltsbeteiligungsquote“ aber nur minimal gewachsen. Frauen sind demnach<br />

auch wesentlich am Erwerbsarbeitsmarkt tätig, verrichten aber gleichzeitig immer noch<br />

den Großteil der unbezahlten Haus- <strong>und</strong> Familienarbeit. In Abbildung 52 ist die Verteilung<br />

der Haus- <strong>und</strong> Familienarbeit sowie der Erwerbsarbeit in Österreich veranschaulicht,<br />

woraus sich die enorme zeitliche Belastung <strong>für</strong> Frauen ergibt.<br />

75 Die Untersuchungen <strong>für</strong> Deutschland basierend auf Daten aus 1999 zeigen einen Anstieg des Engagements von<br />

Männern bei zunehmender Kinderanzahl, basierend auf Daten aus 2004 war ein – wenn auch leichter – Rückgang<br />

des Engagements bei zunehmender Kinderanzahl zu beobachten.<br />

76 www.sozvers.at/hvb/statistik/ESV_Statistik/Pflegegeld.htm<br />

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