Freiwilligenbericht - Bundesministerium für Arbeit, Soziales und ...
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6. FREIWILLIGES ENGAGEMENT UND GENDER<br />
scheint evident – auch wenn das Niveau der Beteiligungsquoten zwischen den Ländern<br />
variiert. Nicht zutreffend ist die These <strong>für</strong> nicht erwerbstätige Frauen, <strong>für</strong> die man<br />
annehmen würde, dass sie die höchste Beteiligungsquote aufweisen. In der Schweiz deckt<br />
sich die Beteiligungsquote von nicht erwerbstätigen Frauen mit 20,4 % etwa mit jener der<br />
Vollzeitbeschäftigten (19,7 %) (Stadelmann-Steffen et al. 2007: 63) <strong>und</strong> ist damit deutlich<br />
niedriger als jene der Teilzeitbeschäftigten. Auch in Deutschland liegt die<br />
Beteiligungsquote von Hausfrauen mit 38 % zwischen jener der Vollzeitbeschäftigten (38<br />
%) <strong>und</strong> der Teilzeitbeschäftigten (43 %) (Picot/Gensicke 2005: 284). Hier spielen demnach<br />
andere Einflussfaktoren eine Rolle (siehe Kapitel 5).<br />
Dieser Mechanismus der Zeitkonkurrenz ist vor allem bei Frauen erkennbar. Beim<br />
ehrenamtlichen Engagement von Männern sind die Ergebnisse unterschiedlicher Studien<br />
nicht eindeutig – einige Untersuchungen kamen sogar zum jeweils gegenteiligen Ergebnis.<br />
Männer, die in Teilzeit beschäftigt sind, leisten demnach nicht häufiger, sondern seltener<br />
Freiwilligenarbeit als in Vollzeit beschäftigte Männer (Taniguchi 2006: 95; Stadelmann-<br />
Steffen et al. 2007: 63, Zierau 2001: 63) 73 . Ein größerer St<strong>und</strong>enumfang an bezahlter<br />
<strong>Arbeit</strong> steht also nicht unbedingt mit einem geringeren freiwilligen Engagement in<br />
Verbindung (auch Becker/Hofmeister 2000 <strong>und</strong> Freeman 1997, zitiert in Taniguchi 2006:<br />
85). Die These der zeitlichen Konkurrenz zwischen Erwerbsarbeit <strong>und</strong> Freiwilligenarbeit<br />
als „zero-sum game“ (Taniguchi 2006: 85) greift also zu kurz. Offensichtlich sind hier noch<br />
andere Erklärungsfaktoren beteiligt, die <strong>für</strong> gegenläufige Wirkungen des<br />
Beschäftigungsausmaßes auf die Beteiligung von Frauen <strong>und</strong> Männern in der<br />
Freiwilligenarbeit verantwortlich sind.<br />
Die zeitliche Konkurrenz zwischen Erwerbs- <strong>und</strong> Freiwilligenarbeit wird in empirischen<br />
Studien über ehrenamtliches Engagement von Frauen <strong>und</strong> Männern häufig untersucht,<br />
während deren Zusammenhang mit Haus- <strong>und</strong> Familienarbeit selten thematisiert wird<br />
(Herd/Harrington-Meyer 2002: 665). Wie in breiten Teilen der Forschung wird diese Form<br />
der unbezahlten <strong>Arbeit</strong> meist ausgeblendet (Taniguchi 2006: 84) <strong>und</strong> ihr Einfluss auf die<br />
Freiwilligenarbeit – obwohl sehr nahe liegend – kaum untersucht. Haus- <strong>und</strong><br />
Familienarbeit ist zwar wie Freiwilligenarbeit unbezahlt, doch unterscheidet sie sich<br />
hinsichtlich des Grades der Freiwilligkeit. So kann bei Freiwilligenarbeit relativ frei<br />
entschieden werden, ob die Tätigkeit fortgesetzt oder beendet wird, im Gegensatz zur<br />
Haus- <strong>und</strong> Familienarbeit, wo es um die Versorgung von Familienmitgliedern geht<br />
(Taniguchi 2006: 84). Insofern stellt die Haus- <strong>und</strong> Familienarbeit gemeinsam mit der<br />
Erwerbsarbeit eine zeitliche Verpflichtung dar, gegenüber der die Freiwilligenarbeit als<br />
Restgröße zu sehen ist, die nur dann geleistet wird, wenn noch Zeit da<strong>für</strong> übrig bleibt.<br />
Da Frauen in allen Industriestaaten einen wesentlich größeren Teil der Familien- <strong>und</strong><br />
Hausarbeit erledigen, sind sie von dieser zeitlichen Restriktion stärker betroffen als<br />
Männer. 74 Wird daher die These der zeitlichen Restriktion der Freiwilligenarbeit durch<br />
73 Stadelmann-Steffen <strong>und</strong> Zierau beobachten dies in bivariaten Analysen, Taniguchi stellt die unterschiedlichen Effekte<br />
auf Frauen <strong>und</strong> Männer mithilfe von multivariaten Auswertungen fest.<br />
74 In Deutschland wenden Männer <strong>für</strong> hauswirtschaftliche Tätigkeiten täglich etwa 2 St<strong>und</strong>en auf, Frauen dagegen 4 ¾<br />
St<strong>und</strong>en (Zierau 2001: 23). Und auch wenn Frauen einer Vollzeit-Erwerbsarbeit nachgehen, ändert dies an der<br />
partnerschaftlichen Aufteilung der Haus- <strong>und</strong> Familienarbeit wenig.<br />
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