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Er sah und glaubte - Una Voce Deutschland eV

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Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der gregorianischen Semiologie<br />

299<br />

Ortskirchen, <strong>und</strong> so konnte sich der Choral in der Gestalt der Editio Vaticana sowohl<br />

in den Diözesen als auch in Klöstern vielerorts etablieren. Am Vorabend des Zweiten<br />

Vatikanischen Konzils (1962-1965) gab es in zahlreichen Bistümern eine breite Choralpraxis,<br />

die sich im wesentlichen auf diesen Notentext stützte.<br />

In der Liturgiekonstitution des Konzils (1963) wird die Diskussion der Melodiefassungen<br />

wieder angestoßen <strong>und</strong> eine Revision bzw. eine kritische Neuausgabe der Vaticana in<br />

Aussicht gestellt 6 . Aber ab 1969 wurde der Gregorianische Choral durch die Einführung<br />

der Landessprache in die Liturgie <strong>und</strong> die veränderten liturgischen Rahmenbedingungen<br />

fast vollständig durch andere Musikformen verdrängt. In der reformierten liturgischen<br />

Praxis bestand also nur noch ein sehr geringer Bedarf an einer Neuedition, <strong>und</strong> tatsächlich<br />

gab es seitens des Vatikans nach dem Konzil keine dahingehenden Initiativen.<br />

Das Fehlen entsprechender Unternehmungen kann neben den genannten pastoral-praktischen<br />

Gründen auch auf methodische Schwierigkeiten zurückzuführen sein, da eine<br />

Revision der Melodiefassungen je nach Quellenlage <strong>und</strong> Methode zu unterschiedlichen<br />

<strong>Er</strong>gebnissen führen kann. Auch eine kritische Neuausgabe bliebe also umstritten 7 .<br />

2.2. Die rhythmischen Zeichen von Solesmes<br />

Neben den Melodiefassungen war die Interpretation des Notentextes <strong>und</strong> dabei vor allem<br />

die Frage nach dem Rhythmus des Chorals ein Feld, auf dem sich schon während<br />

des 19. Jh. unterschiedliche Anschauungen begegneten. Nachdem durch das <strong>Er</strong>scheinen<br />

der Editio Vaticana die Melodiefrage beantwortet war, wurde die Rhythmusfrage vordringlich.<br />

Der Rhythmus war das besondere Studiengebiet Dom André Mocquereaus.<br />

Während Pothier mit seinem Begriff des »oratorischen Stils« einer Rhythmusvorstellung<br />

anhing, die man als einen am Sprachrhythmus 8 orientierten Äqualismus bezeichnen<br />

könnte, <strong>und</strong> andere Forscher dieser Zeit mensuralistische Konzepte in die Diskussion<br />

6 Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils »Sacrosanctum Concilium« (SC), Artikel<br />

117: »Die editio typica der Bücher des Gregorianischen Gesanges soll zu Ende geführt werden;<br />

darüber hinaus soll eine kritische Ausgabe der seit der Reform des heiligen Pius X. bereits<br />

herausgegebenen Bücher besorgt werden.« Im lateinischen Wortlaut heißt es: »… paretur<br />

editio magis critica …«. (Deutscher <strong>und</strong> lateinischer Text zitiert nach der Internetseite<br />

des Vatikan: www.vatican.va, 2010).<br />

7 Dom Daniel Saulnier stellt die Schwierigkeiten einer Revision in seinem in den »Beiträgen<br />

zur Gregorianik« (Band 30, Regensburg 2000) veröffentlichten Vortrag detailliert dar: »Das<br />

Graduale Romanum: Rückblick <strong>und</strong> Ausschau. Chancen <strong>und</strong> Schwierigkeiten einer Überarbeitung<br />

des Graduale Romanum«. (S. auch 5.1.).<br />

8 Damit ist freilich nicht der Rhythmus der Alltagssprache einer bestimmten modernen Sprache<br />

gemeint, sondern der Rhythmus der gehobenen Rhetorik des klassischen Latein. (Joseph<br />

Pothier: »Der Gregorianische Choral«, deutsch von P. Ambrosius Kienle, Tournai 1881,<br />

v.a.: 13. Kapitel: »Der Rhythmus im Choralgesang«, S. 161ff).

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