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Er sah und glaubte - Una Voce Deutschland eV

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298 Krystian Skoczowski<br />

dieser Untersuchungen treten mit dem Notentext der Editio Vaticana sowie der gängigen<br />

Aufführungspraxis in Konflikt. Um diese bis heute ungelösten Konflikte besser verstehen<br />

<strong>und</strong> Lösungsansätze für die liturgische Praxis entwickeln zu können, sollen zunächst die<br />

Melodiefassungen der Editio Vaticana <strong>und</strong> die Entwicklung der Aufführungspraxis des<br />

Gregorianischen Chorals im 20. Jh. näher betrachtet werden.<br />

2. Edition <strong>und</strong> Interpretation des Gregorianischen Chorals im 20. Jh.<br />

2.1. Die Editio Vaticana<br />

Schon bald nach seiner Wahl gab Papst Pius X. den Mönchen von Solesmes, die Möglichkeit,<br />

ihre Forschungsergebnisse in die Neuausgabe des gregorianischen Repertoires<br />

einzubringen. Diese Ausgabe sollte für die Liturgie der katholischen Kirche weltweit verbindlich<br />

sein <strong>und</strong> sowohl die melodisch korrumpierte Medicaea-Ausgabe von 1614/15<br />

als auch die regionalen Choralausgaben des 19. Jh. ersetzen. Das Graduale Romanum<br />

erschien 1908, das Antiphonale 1912 4 . Diese liturgischen Bücher geben im wesentlichen<br />

den Notentext der von Dom Joseph Pothier (1835-1923) aufgr<strong>und</strong> von Quellen des<br />

12. <strong>und</strong> 13. Jh. herausgegebenen »Liber Gradualis« (1883) <strong>und</strong> »Liber Antiphonarius«<br />

(1895) wieder. Schon im Vorfeld der Editio Vaticana forderte Pothiers jüngerer Mitbruder<br />

Dom André Mocquereau (1849-1930), die jeweils ältesten Quellen heranzuziehen,<br />

also Handschriften, die bis zu 300 Jahre älter waren 5 . Dom Pothier favorisierte<br />

hingegen für den größten Teil des Repertoires einen möglichst einheitlichen, <strong>und</strong> daher<br />

recht späten Zeitraum der Quellenprovenienz. Aufgr<strong>und</strong> seines Einflusses als Leiter der<br />

Päpstlichen Choralkommission (ab 1901) konnte sich Dom Pothier durchsetzen. Daher<br />

wurden in der Editio Vaticana Melodiefassungen für die liturgische Verwendung approbiert,<br />

deren Notentext mehr oder weniger von den diastematischen Hinweisen der<br />

älteren Quellen abweichen kann. Obwohl die Melodiefassungen der Vaticana vor <strong>und</strong><br />

nach ihrer Veröffentlichung kontrovers diskutiert wurden, respektierte die kirchenmusikalische<br />

Praxis über mehrere Jahrzehnte hinweg ihren offiziellen Charakter. Die von Pius<br />

X. angestoßenen kirchenmusikalischen Reformen fanden in den ersten Jahrzehnten des<br />

20. Jh. in vielen Regionen Europas <strong>und</strong> Nordamerikas breite Unterstützung seitens der<br />

21. Kapitels (Abschnitt 5) mit »Musikalischer Ausdruck...«. Unter diesen Überschriften betreffen<br />

Cardines Ausführungen vor allem den Rhythmus.<br />

4 Beide Bücher werden häufig als Editio Vaticana (oder nur Vaticana) bezeichnet. So auch in<br />

dieser Arbeit.<br />

5 Karlheinrich Hodes spricht in diesem Zusammenhang von Mocquereaus »Gr<strong>und</strong>satz der<br />

strengen Archäologie« (Karlheinrich Hodes: »Der Gregorianische Choral«, Langwaden 1990,<br />

S. 23).

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