Er sah und glaubte - Una Voce Deutschland eV
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Moselfahrt<br />
247<br />
Rede widerlegt, daß die Antike kein Landschaftsempfinden gehabt habe, den unvergeßlichen<br />
Eindruck geschildert, den man gewinnt, wenn man von den Höhen des Hunsrück<br />
herabkommt <strong>und</strong> plötzlich das lichte Tal, die Weinberge, in deren grüngoldenem<br />
Laub sich die Sonne reflektiert, die Burgen <strong>und</strong> die am Ufer gelagerten Dörfer mit<br />
ihren malerischen Fachwerkhäusern <strong>und</strong> Schenken erblickt. Oft ist es nicht nur dieses<br />
eine Tal, das sich uns zeigt, sondern es sind viele, in denen sich die Mosel verzweigt<br />
<strong>und</strong> in denen sie sich dem ahnenden Auge inmitten der rebenumsäumten Hügel eher<br />
verbirgt als offen präsentiert. Schaut man vom Calmont bei Bremm herab oder von<br />
der Marienburg bei Alf, dann eröffnet sich ein ungeheures Panorama. Der Blick wird<br />
über die immer neuen Höhen hinweg getragen, bis er schließlich in ungewisser Ferne<br />
verdämmert, die uns dennoch vertraut bleibt, weil auch sie heimisches Land verhüllt.<br />
An heiteren Tagen sind die Abende, die wir hier in den Schenken verbringen, fast<br />
noch besinnlicher als die in den Straußwirtschaften am mächtigen Vater Rhein. Wenn<br />
der Goldglanz der Abendsonne auf das Gold des Weines trifft <strong>und</strong> um uns herum Stille<br />
einkehrt, dann ist dies die St<strong>und</strong>e, in der wir der großen <strong>und</strong> wechselhaften Geschichte<br />
gedenken, die sich seit den Römern <strong>und</strong> der Epoche, als Trier noch Kaiserstadt war <strong>und</strong><br />
seit der endlosen Kette von Vorfahren, die hier gelebt haben, ereignet hat. Dann bricht<br />
die Nacht herein, deren Ankunft Mörike so eindringlich beschrieben hat, als hätte er mit<br />
uns an der Mosel gesessen <strong>und</strong> zugeschaut, wie der Mond ihre leisen Wellen schließlich<br />
in sein glitzerndes Licht taucht: »Gelassen stieg die Nacht ans Land, lehnt träumend<br />
an der Berge Wand, ihr Auge sieht die goldne Waage nun, der Zeit in gleichen Schalen<br />
stille ruhn«. Wenn dann die letzten Gäste gegangen sind, kommt die St<strong>und</strong>e, in der wir<br />
im Schweigen, das uns umgibt, des Geheimnisses der Wirklichkeit inne werden <strong>und</strong><br />
der Urgewalt jener Frage: »warum ist Seiendes <strong>und</strong> nicht vielmehr Nichts?« <strong>und</strong> damit<br />
jenes Staunen erfahren, das nach Aristoteles der Anfang der Weisheit ist <strong>und</strong> dem wir<br />
heute allenfalls noch bei Heidegger mit elementarer Wucht begegnen.<br />
Diese <strong>Er</strong>fahrung ist in unserer Zeit, welche die Hektik bis zur Besinnungslosigkeit<br />
<strong>und</strong> die Zerstreuung bis zur Bewußtlosigkeit getrieben hat, so sehr verschüttet, daß<br />
man meinen könnte, sie sei uns von den edlen <strong>und</strong> weltberühmten Kreszenzen eingegeben,<br />
die hier an den Gestaden der Mosel gedeihen. Aber der Wein – in Maßen genossen<br />
– schärft nicht nur die Aufmerksamkeit <strong>und</strong> den Blick. <strong>Er</strong> erhebt auch den Geist <strong>und</strong><br />
ist deshalb nicht weg zu denken aus der großen Kultur des Abendlandes. Unbestritten<br />
war auch immer seine Heilkraft, die freilich in einer Zeit, die nahezu allein noch auf<br />
Chemie <strong>und</strong> kaum noch auf die Heilkräfte der Natur setzt, halb vergessen ist. Als Kurfürst<br />
<strong>und</strong> <strong>Er</strong>zbischof Boem<strong>und</strong> II von Trier (1334-1362) todkrank darnieder lag, soll<br />
er sich am Bernkasteler Doktor ges<strong>und</strong> getrunken haben, der seitdem diesen Namen<br />
trägt: »Vinum Mosellanum omni tempore sanum«<br />
Doch nun kommen wir zu den schmerzlichen <strong>Er</strong>fahrungen. Wie eine Perlenkette zogen<br />
sich einst Klöster am Ufer der Mosel entlang, deren Gotteslob sich Tag <strong>und</strong> Nacht