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Die „andere“ Zeit - Glashütte Original

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Wechsel tickte, war die Ruhe nach dem Mittagessen fester<br />

Bestandteil im arbeitsreichen Tagesablauf. Mit zunehmender<br />

Industrialisierung und dem technologischen Fortschritt wurde die<br />

innere Uhr mehr und mehr überlistet; wenn es dunkel wurde,<br />

trickste künstliches Licht das Schlafbedürfnis aus. Auch der<br />

Mittagsschlaf musste daran glauben.<br />

Jetzt sieht es nach einer Renaissance für die wissenschaftlich aufge<br />

wertete Siesta aus – obgleich sie paradoxerweise in ihren Tradi -<br />

tionsl ändern rund ums Mittelmeer und in Südamerika zurzeit um -<br />

stritten ist und teilweise aus Wettbewerbsgründen abgeschafft<br />

wer den soll. Im Westen jedenfalls finden die durch diverse Studien<br />

bewiesenen Vorteile des Nickerchens zunehmend Gefallen. In den<br />

USA verpasste man dem Kind noch einen Marketing-trächtigen<br />

Namen, „Power-Napping“ – und schon klang das Ganze nach ei ner<br />

schicken Lifestyle-Neuigkeit. Einige Firmen haben das „Schläf chen<br />

zwischendurch“, das allerdings 30 Minuten nicht überschreiten<br />

sollte, ihrer Corporate Identity angegliedert und eigens Ruhe räume<br />

eingerichtet. Belohnt werden sie dafür mit konzentrierten und<br />

deutlich leistungsfähigeren Mitarbeitern. Bei Piloten, Lastwagen -<br />

fah rern und Schichtarbeitern u.a. gehören regelmäßige Ruhe pausen<br />

zum Berufsalltag und sind teilweise gesetzlich vorgeschrieben.<br />

Aufstehen, wenn man ausgeschlafen ist, sich hinlegen,<br />

wenn man müde ist, keine Angstzustände bekommen, wenn<br />

der Schlaf sich partout nicht einstellen will – diese für den größten<br />

Teil der Menschheit paradiesische, aber ferne Vorstellung<br />

leben noch manche Naturvölker; frei von äußeren Zwängen im<br />

Rhythmus des sogenannten polyphasischen Schlafs. Das heißt,<br />

beliebig viele Schlaf- und Wachphasen sind über den Tag und die<br />

Nacht verteilt. Nach Vermutung des amerikanischen Mediziners<br />

Claudio Stampi lebten auch unsere Vorfahren in fernster<br />

Vergangenheit nach diesem Rhythmus – als jederzeit die Gefahr<br />

von Angriffen wilder Tiere bestand.<br />

Schlafstörungen kennen Naturvölker wie zum Beispiel die<br />

Eingeborenen von Papua-Neuguinea normalerweise nicht. Wer<br />

nachts wach wird und nicht schlafen kann, steht auf, beschäftigt<br />

sich und legt sich erst wieder hin, wenn die nötige Schwere fürs<br />

Bambusbett gekommen ist. In den Industrienationen dagegen<br />

stellen sich beim nächtlich Wachliegenden häufig sofort Ver sa -<br />

gensängste ein: Wie schaffe ich die Prüfung am nächsten Tag, die<br />

Verhandlung, den Geschäftstermin, den 14-Stunden-Arbeitstag?<br />

Dabei ist auch hier Panik fehl am Platz. Laut Prof. Zulley kommt<br />

man mit einer einmaligen Drei-Stunden-Nacht problemlos über<br />

den nächsten Tag, manchmal sogar mit ungeahnter Energie. Erst<br />

nach vier Wochen Wachliegen – und zwar jede Nacht – spricht<br />

man von einer Schlafstörung.<br />

Schlaf ist lebensnotwendig. Wir halten es länger<br />

ohne Essen als ohne Schlaf aus. Wir regenerieren, unser<br />

Immunsystem baut sich auf, Wachstumshormone erneuern die<br />

Zellen, die Verdauung wird gefördert – all das geschieht im Schlaf,<br />

sozusagen über Nacht.<br />

Während die Fledermaus 20 Stunden, die Giraffe eine halbe<br />

Stunde Schlaf benötigt, bewegt sich der Mensch mit seinem<br />

jeweils individuellen Schlafbedürfnis irgendwo dazwischen, im<br />

Durchschnitt bei circa sechs bis acht Stunden pro Tag. Das negative<br />

Image, das dem Schlaf zuweilen anhaftet, besitzt er zu<br />

Unrecht – was zum Teil auch damit zusammenhängen mag, dass<br />

Schlafen nach einer gekonnten Simulation aussieht: Scheinbar tut<br />

sich nichts, der Schlafende versinkt im Ruhezustand, die Ver bin -<br />

dungen zur Außenwelt werden vorübergehend gekappt. Doch in<br />

Wirklichkeit ist das Gehirn jetzt hochaktiv – „zum Teil stärker als<br />

im Wachzustand“, wie Prof. Zulley hervorhebt. Immer noch ist das<br />

Phänomen Schlaf – von Träumen ganz zu schweigen – vergleichs -<br />

weise unerforscht und bietet viel Raum für Spekulationen und<br />

Mysterien, vielleicht auch durch seine immer wieder zitierte Nähe<br />

zum Tod, als dessen kleiner Bruder der Schlaf bezeichnet wird.<br />

Neuere Studien, die sich zum Beispiel mit dem Thema „Lernen im<br />

Schlaf“ beschäftigen, zeigen, dass hier für die Zukunft der<br />

Forschung noch ein weites Feld brachliegt, dessen Ent deckung zu<br />

Gewinn bringenden Erkenntnissen führen kann. Fest steht: Mit<br />

verschwendeter Lebenszeit hat der Schlaf nichts zu tun – dazu<br />

birgt die Welt, die sich hinter den geschlossenen Lidern öffnet,<br />

viel zu viel ... ✺<br />

Momentum 2· 2007<br />

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