Die „andere“ Zeit - Glashütte Original

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16 Momentum 2· 2007 Momente Körperkunst Das Narbenmuster des afrikanischen Kriegers dokumentiert seine Erfolge bei der Jagd
Jahrtausenden vorweg, was für die heutige Frau das Make-up ist. Der Schminkkasten der vornehmen Ägypterin war mit Puder - behältern, Fläschchen mit Tinkturen, Pinseln und Flakons mit Duftstoffen bestückt. Das aufgehellte Gesicht belebten rötliches Ocker oder etwas Karmin auf den Wangen, mit kräftigem Rot wurden die Lippen nachgezogen, und ein feiner schwarzer Strich rings um die Lidränder betonte die Augen und sorgte für einen unverwechselbaren Ausdruck. Auch in Japan entwickelte sich das bemalte Gesicht zum ästhetischen Grundmuster eines Jahrhunderte währenden Schön - heitsideals. Schon während der Heian-Periode (794–1185 n. Chr.) war ein schablonenhaft weiß geschminktes Gesicht Schön heits - merkmal der Aristokratinnen am kaiserlichen Hof in Kyoto. Mit der weißen Gesichtsfarbe unterschieden sich die hochgestellten Damen des alten Japan von den sonnengebräunten Ange hö rigen der niederen sozialen Schichten. Als der Glanz und die Macht des Adels verfielen, wurde das weiße Gesicht zum Standesattribut kultivierter Unterhaltungsdamen – der Geishas –, die bis heute zum romantischen Bild Japans gehören. Die Botschaften einer bemalten und geschmückten Haut können überaus vielfältig sein. Sie können den Lebenszyklus eines Menschen kennzeichnen, seine soziale und politische Stel - lung ausdrücken oder seinen wirtschaftlichen und beruflichen Erfolg illustrieren. Sie bringen auch mystische, religiöse und künst lerische Vorgänge im Leben einer Gruppe zum Ausdruck. Durch den Körperschmuck werden Vorstellungen von gesellschaftlicher Ord nung, von Herrschafts- und Klassen strukturen dargestellt. Die Körperkunst wird auf geniale Weise dazu benutzt, der jeweiligen kulturellen Eigenart innerhalb einer Gesellschaft Ausdruck zu verleihen. Aus dem gemeinsamen kulturellen Erbe erwächst die Vor stellung, wann ein auf bestimmte Weise ge - schmückter Körper als erwünscht oder unerwünscht, rein oder unrein gilt. Mit ihrer geschmückten Haut zeigen Menschen aber auch ganz bewusst Aspekte ihrer Persönlichkeit und ihrer unverwechselbaren Individualität. In vielen afrikanischen Gesellschaften leben die Menschen ihre Kreativität und künstlerische Begabung an der eigenen Haut aus. Gesicht und Körper bilden die Leinwand, auf der afrikanische Maler ihre Kunst entfalten. Sie kerben ihre Oberfläche ein, verändern ihr Beschaffenheit und verwandeln so ihren Körper in eine lebende Skulptur. Die Hautverzierungen geben Auskunft über den gesellschaftlichen Rang und die Ge - schichte eines Menschen, zeigen, von wo er kommt und zu wem er gehört. Durch die Zeichen auf seiner Haut bekennt er sich zu Ein groß flächi ges Tribal Tattoo. Tribals waren ursprünglich Stammeszeichen, die als Statussymbole dienten und zu be stimmten Ereignissen ein - tätowiert wurden, zum Beispiel nach einer erfolgrei chen Jagd. Die Stammesmitglieder trugen ihre Tribals mit Stolz, und man begegnete ihnen mit Respekt Momentum 2· 2007 17
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